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Gedanken zum Sonntag

Ewigkeitssonntag

 

Predigt zum Ewigkeitssonntag, 20. November 2022

 

Jesus entgegnete: »Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben. Aber ich habe es euch ja schon gesagt: Obwohl ihr meine Taten gesehen habt, schenkt ihr mir keinen Glauben. Alle, die mein Vater mir anvertraut, werden zu mir kommen. Und wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Denn dazu bin ich vom Himmel herabgekommen: Nicht um zu tun, was ich selbst will, sondern was der will, der mich beauftragt hat. Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat: Ich soll keinen von denen verlieren, die er mir anvertraut hat. Vielmehr soll ich sie alle am letzten Tag vom Tod erwecken. Denn das ist der Wille meines Vaters: Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten. Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken.«

 

Liebe Mitchristen!

Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Dieses Wort von Jesus Christus haben wir gerade im Predigttext gehört. Ein Bibelwort, das uns durch dieses Jahr begleiten will. Es ist die Jahreslosung für 2022. Das Jahr ist nun bald zu Ende. Viel ist passiert. Wie haben Sie dieses Jahr erlebt? Ein Jahr, in dem Sie Abschied nehmen mussten von einem geliebten Menschen. Ich denke an eine Frau, die ihren Mann verloren hat. „Ich kann es nicht mehr hören,“ so hat diese Frau erzählt. „Alle meinen zu wissen, wie ich mich jetzt verhalten soll. Ich kann die vielen guten Ratschläge einfach nicht mehr hören: Dass ich unter Leute soll, dass ich bestimmt wieder einen Partner finde, und was sie noch alles sagen. Und wenn sie es nicht sagen, denn sehe ich ihnen schon an, was sie denken. Aber ich vermisse ihn einfach weiter. Am meisten vermisse ich, seine Stimme zu hören. Es ist so still geworden hier im Haus. Und so still in mir.“

Vielleicht kennen Sie das. Vielleicht ist es auch bei Ihnen still geworden mitten im Leben. Heute sind wir hier, um an die Toten zu denken, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Das Leben ist voller Spuren des Vergangenen. Im Wohnzimmer bleibt ein Sessel bleibt leer. Im Garten ist keine Bewegung. Die Abende sind länger und einsamer. Trauriges Vermissen hat viele Arten sich auszudrücken. Die Sehnsucht nach der Stimme des Menschen, der ging, ist eine davon.

Jesus Christus ist keiner von denen, der uns gute Ratschläge geben will in der Trauer. Aber er spricht zu uns. Gerade auch dann, wenn es still geworden ist in unserem Leben. Gerade auch dann, wenn uns selber die Worte fehlen. Er verspricht es uns: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben. Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten.“

Das sind Worte von jemanden, der sich auskennt mit dem Tod und was danach kommt. Es sind Worte von Jesus Christus, der den Tod durchlitten und überwunden hat. Nicht alles können wir fassen, ja manches erscheint uns vielleicht sogar seltsam oder widerstrebt uns. Steile Worte sind das, und doch voller Hoffnung: „Am letzten Tag werde ich sie vom Tod auferwecken.“ Die Zeit wird kommen, in der etwas Neues eintritt. Der Augenblick wird kommen, in dem etwas Gewaltiges geschieht. Dann werden die Dinge danach nicht mehr so sein wie sie vorher waren.

Leben über den Tod hinaus in Ewigkeit, das verspricht uns Jesus Christus. Der Theologe Siegfried Kettling erklärt das in seinem Buch „Du gibst mich nicht dem Tode preis“, das er dem Gedenken an seinen tödlich verunglückten Sohn Mattias gewidmet hat. Dort schreibt er: „’Ewigkeit‘ meint im biblischen Denken (…) nicht ‚Zeitlosigkeit‘, nicht das Gegenteil von Zeit. ‚Ewigkeit‘ meint auch nicht ‚unendlich viel Zeit‘, nicht die Summe aller Zeiten. (…) Ewigkeit ist ein Würdeprädikat, das allein Gott gebührt. Ewiges Leben ist Teilhabe an Gottes Lebendigkeit. Gott gibt uns Anteil an sich selbst. (…) Ewigkeit heißt: ‚Wir werden bei dem Herrn sein.‘ Das ist genug.“ So weit Siegfried Kettling.

Ich denke noch einmal an unsere Jahreslosung für 2022, an dieses Wort von Jesus Christus: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Heute am Ewigkeitssonntag höre ich dieses Bibelwort anders als am Anfang des Jahres. Ich denke daran: Dieses Versprechen von Jesus Christus gilt nicht nur in diesem Leben. Dieses große Versprechen gilt weiter. Es gilt auch, wenn unser Leben in dieser Welt zu Ende geht und wir über die Schwelle des Todes gehen. Was erwartet mich hinter dieser Schwelle? Das kann ich nicht wissen. Kein lebender Mensch kann das. Aber auf dem Weg in diese unbekannten Räume hilft mir dieses Wort von Jesus Christus: „„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Mit diesem Spruch weiß ich: Ich bin nicht allein unterwegs auf meinem Weg. Hier in diesem Leben bin ich nicht allein, und auch nicht, wenn ich über die Schwelle des Todes gehe. Hinter der Schwelle des Todes erwartet mich Jesus Christus und sagt: Sei willkommen. Hier in unserer Christuskirche haben wir ein Bild dazu aufgehängt, ein Bild zur Jahreslosung. Eine geöffnete Tür ist auf diesem Bild zu sehen, und ein goldener Schlüssel, der von oben kommt. Jesus Christus schließt uns die Tür auf zum neuen Leben, zu seiner Ewigkeit. Was erwartet uns dort in der Ewigkeit, wenn wir die Türschwelle überschritten haben? Auf diesem Bild ist es ein helles, warmes Licht. Und ein gedeckter Tisch, der für uns bereit ist. Brot und Wein stehen da, als Zeichen für Jesus Christus, der am Kreuz sein Leben für uns gegeben hat. All die alten Geschichten, die mich belasten, meine Schuld und mein Versagen, das alles darf ich bei ihm ablegen. Die Tür steht offen für mich. Ich darf kommen, so wie ich bin. Der Tisch ist gedeckt für mich. Ich darf mich einladen lassen. Und ich darf sicher sein. Jesus schickt mich nicht weg. Wir alle sind willkommen bei ihm, wir Lebenden und auch unsere Verstorbenen. In diesem Vertrauen können wir auch in dieser Welt weiterleben. Trotz der schmerzlichen Lücke, die der geliebte Mensch an unserer Seite hinterlassen hat. Jesus Christus gibt auch uns, was wir zum Leben brauchen: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“

Wenn ich darauf vertrauen kann, dann verändert sich etwas in meinem Leben. Denn wer auf Jesus Christus hört, der ist befreit zum ewigen Leben. Dann fängt das ewiges Leben schon im Hier und Jetzt an. Gerade auch bei Trauernden erlebe ich das immer wieder. Ich denke an die trauernde Frau, die ich anfangs erwähnt habe. Einmal kam ihr Nachbarn mit Pflanzen aus seinem Garten zu Besuch. Für ihn waren die Pflanzen ein Zeichen von Gottes Liebe und Güte.  Das hat dieser Frau Mut gemacht, dass dieser Nachbar für sie an Gottes Schöpfungsmacht glaubte und sie daran teilhaben ließ. Und so konnte sie langsam, Schritt für Schritt, wieder Fuß fassen ihn ihrem Leben. Sie konnte das Leben wieder lieben lernen.

Gott eröffnet uns neue Wege. Gerade in der Zeit der Trauer will er für uns da sein mit seinem Wort. So können wir neuen Mut schöpfen für den Weg, der noch vor uns Lebenden liegt. Die Toten, die können wir getrost Gott anvertrauen. Wir müssen uns um sie weniger sorgen heute. Denn Jesus Christus hat es uns versprochen: „Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken.“ So wird es geschehen. Amen.

EG 361, 1+8+12 Befiehl du deine Wege

Pfrin. D. Kommer

 

 

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Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr

 

Predigt vom Sonntag, 13. November 2022

Liebe Mitchristen!

In der vergangenen Woche war ich mit den anderen Pfarrerinnen und Pfarrern unseres Tuttlinger Kirchenbezirks unterwegs. Alle zwei Jahre machen wir eine solche Fahrt. Dieses Mal ging die Reise nach Rom. Was mich in Rom besonders beeindruckt hat, war die Sixtinische Kapelle. Michelangelo hat diese Kapelle ausgemalt: An der Decke die Schöpfungsgeschichte mit dem berühmten Bild von der Erschaffung Adams, und an der Stirnwand das Jüngste Gericht. An diesem Gemälde vom Jüngsten Gericht ist mein Blick länger hängen geblieben als an den Deckengemälden. Ich denke, das war nicht nur deswegen so, weil man dieses Bild bequemer anschauen kann, ohne dass man Genickstarre bekommt. Woran ist mein Blick hängen geblieben bei diesem Bild vom Jüngsten Gericht? Es waren nicht die Engel mit ihren Posaunen, auch nicht die Menschen, die aus ihren Gräbern aufstehen. Es war auch nicht die große Schar der Apostel und Glaubenszeugen. Nein, mein Blick ist hängen geblieben an Jesus Christus, den Michelangelo in die Mitte dieses Gemäldes gemalt hat: Jesus Christus als Weltenrichter. Bei Michelangelo steht er auf einer Wolke. An seinen Füßen sieht man die Wunden, wo sie die Nägel durchgeschlagen haben, als sie ihn gekreuzigt haben. Seitlich an der Brust sieht man den Lanzenstich der Soldaten. Neben Jesus ist Maria. Das alles ist vertraut. Das kenne ich auch von anderen Bildern, auf denen Jesus Christus dargestellt ist. Und doch bleibt mir dieser Christus seltsam fremd mit seinen dynamischen Handbewegungen und seinem jugendlichen Gesicht: Das soll Jesus Christus als Weltenrichter sein? Ich hatte da sonst immer einen gestrengen Christus mit Bart vor Augen, der auf seinem Thron in den Wolken sitzt.

Wie stellen wir uns Jesus Christus, wie stellen wir uns Gott als Richter vor? „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi,“ heißt es in 2. Kor 5,10. Gott als Richter- Jesus Christus selbst hat dazu eine Geschichte erzählt in Lukas 18, 2-8:

»In einer Stadt lebte ein Richter. Der hatte keine Achtung vor Gott und nahm auf keinen Menschen Rücksicht. In der gleichen Stadt wohnte auch eine Witwe. Die kam immer wieder zu ihm und sagte: ›Verhilf mir zu meinem Recht gegenüber meinem Gegner.‹ Lange Zeit wollte sich der Richter nicht darum kümmern. Doch dann sagte er sich: ›Ich habe zwar keine Achtung vor Gott und ich nehme auf keinen Menschen Rücksicht. Aber diese Witwe ist mir lästig. Deshalb will ich ihr zu ihrem Recht verhelfen. Sonst verpasst sie mir am Ende noch einen Schlag ins Gesicht.‹« Und Jesus sagt weiter: »Hört genau hin, was der ungerechte Richter hier sagt! Wird Gott dann nicht umso mehr denen zu ihrem Recht verhelfen, die er erwählt hat –und die Tag und Nacht zu ihm rufen? Wird er sie etwa lange warten lassen? Das sage ich euch: Er wird ihnen schon bald zu ihrem Recht verhelfen! Aber wenn der Menschensohn kommt, wird er so einen Glauben auf der Erde finden?«

Was für eine Geschichte, und was für ein Richter! Ich frage mich, wie man so einen schlechten Richter mit Gott vergleichen kann. Dieser Richter ist rücksichtslos, faul und korrupt. Ja, wenn man ihm Bestechungsgeschenke macht, dann kommt man bei ihm sicherlich schnell zum Ziel. Aber die Witwe in der Geschichte ist arm. Sie hat nichts, was die dem Richter geben könnte. Sie hat nur ihre Stimme. Und mit der wird sie laut, immer wieder. Es ist nicht unverschämt oder unverfroren, dass sie das macht. Sie ist auch keine bittende Witwe, wie wir in manchen Bibelüberschriften lesen. Diese Witwe fordert nur das Recht ein, das ihr zusteht. Sie will einfach nur Gerechtigkeit. Endlich Ruhe von ihrem Gegner, der sie unter Druck setzt und ihr das Leben so schwer, ja beinahe unmöglich macht. So, wie es ist, kann es nicht weitergehen für diese Frau. Sie braucht Hilfe. Und der Einzige, der ihr helfen kann, ist nun mal dieser schlechte Richter. Also kommt sie immer und immer wieder und trägt ihm ihr Anliegen vor. Ich bewundere diese Frau – ihre Geduld und Beharrlichkeit. Ich bewundere an ihr, dass sie nicht aufgibt, auch wenn es aussichtslos scheint. Und tatsächlich: Irgendwann ist der Richter so genervt von dieser Witwe, dass er ihr schließlich doch zu ihrem Recht verhilft.

Ist dieser Richter ein Bild für Gott? So ist Gott doch gar nicht! Gott hört doch die Schreie der Unterdrückten und Gequälten. Gott lässt diese Menschen doch nicht allein in ihrer Not. Ich muss nachdenken über diese Geschichte. Und ich denke auch an das viele und große Elend, dass es auf der Welt gibt. Ich denke an die vielen Menschen, die keine Hilfe bekommen. Manche haben lange darum gebetet. Aber ihre Not ist nicht weniger geworden deswegen. Was sollen wir dann tun, wenn es uns so geht, fragen die Jünger Jesus. Weiterbeten, sagt Jesus. Gott hat euch nicht vergessen. Bald wird es anders werden. Bald wird Gott für Gerechtigkeit sorgen – wenn der Menschensohn wiederkommt auf die Erde. Und bis dahin sollt ihr denen zur Seite stehen, die schwach sind und in Not geraten.

Ja, das ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen: An der Seite der Witwe zu stehen, die unbeirrt an die Ordnungen glaubt, die mutig ist im Widerstand und lautstark in ihren Forderungen. An der Seite der Witwe sollen wir stehen, die ihr Recht einfordert, und die Recht bekommen wird. Und ich denke, genau das ist es, was Lukas meint, wenn er vom Beten schreibt. Beten, das bedeutet: Das Unrecht erkennen und benennen. Sich nicht damit abfinden. Der Welt und Gott mutig entgegentreten. Beten, das bedeutet: Auf das Recht pochen, das uns zusteht – als Bewohnerinnen und Bewohner der Welt und des Reiches Gottes. Beten, das bedeutet: Gott beim Wort zu nehmen und bei seinen Zusagen; vertrauensvoll und hartnäckig, fordernd und fördernd. Denn eines Tages werden wir es erleben. Dann wird alles vollendet sein. Dann wird es Recht und Gerechtigkeit geben für alle, die Unrecht erleiden. Dann wird es einen gerechten Richter geben für die Lebenden und die Toten. Jesus Christus wird dieser Richter sein. Und vielleicht hat Michelangelo ja Recht damit, dass er sich da keinen strengen Mann mit Bart auf einem Thron vorstellt, wenn er an Christus als Weltenrichter denkt. Jesus Christus der Weltenrichter ist dann keine furchterregende Gestalt. Er ist in Bewegung. Er geht auf die Menschen zu. Er hört und versteht. Auf sein Recht und seine Gerechtigkeit können wir vertrauen, auch wenn wir es jetzt noch nicht in Vollendung sehen.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

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Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr

 

Liebe Gemeinde,

es ist November geworden. Die letzten Blätter an den Bäumen fallen. An die Stelle des leuchtenden Rots und Gelbs des Oktobers tritt das Grau des Novembers. Die Natur zeigt uns ihre Vergänglichkeit. Sie erinnert uns an unsere Zerbrechlichkeit und Endlichkeit. Wir gehen auf den Friedhof, richten die Gräber unserer Angehörigen und denken an die Verstorbenen. Wie es wohl ist, dort in Gottes Reich?

Manchmal sehnen wir uns danach, etwas von dem zu sehen, was für unsere Augen (noch) nicht sichtbar ist. Besonders in Krisenzeiten sehnen wir uns danach, dass es da noch mehr gibt als dieses Hier und Jetzt. Wir fragen: Wo ist Gott? Wo spüren wir etwas von seinem verheißenen Reich?

Wir hoffen angesichts des Kriegs in der Ukraine, angesichts von Terror, Ungerechtigkeit, Hunger und Menschen, die in unvorstellbarer Armut leben, dass Gott mit den Prophezeiungen wahr macht, dass Güte und Treue einander begegnen und Gerechtigkeit und Friede sich küssen werden.

Wir hoffen auf eine Welt, in der Schwerter zu Pflugscharen gemacht werden und kein Volk mehr gegen das andere das Schwert erheben wird.  

Wir sehnen uns nach einer Welt, in der Gott alle Tränen abwischen wird und der Tod nicht mehr sein wird, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz mehr sein werden, weil Gott alles neu macht.

Wann kommt das Reich Gottes? fragen die Pharisäer Jesus. Auch sie sehnen sich danach, dass ihre Welt neu werde. Sie sehen täglich Armut und Leid. Sie sehen Männer, die Tagelöhner wurden, weil sie die Pacht und Steuern für ihr Land nicht mehr zahlen konnten.

Sie sehen Frauen, die am Straßenrand um Brot für ihre Kinder betteln oder sich prostituieren, um überleben zu können. Sie sehen Kranke, die sich keinen Arzt oder Medizin leisten können.

Sie sehen Menschen, die sich einen Beistand wünschen, wenn sie von den Mächtigen und Reichen ungerecht behandelt werden.

»Wann kommt das Reich Gottes?«, fragen sie Jesus.

Hoffen sie auf ihn? Hoffen sie, dass Jesus das Reich Gottes bringen wird? Ist er der erwartete Messias? Wird er die Römer durch die Macht Gottes aus dem Land jagen? Wird er Gerechtigkeit, Frieden und Mitmenschlichkeit schaffen?

»Wann kommt das Reich Gottes?«, fragen sie Jesus.

Hören Sie den Predigttext für den heutigen drittletzten Sonntag des Kirchenjahres aus Lukas 17, 20–30.

Wann kommt das Reich Gottes? Wann kommt die Zeit, in der Gott das Sagen hat und nicht die Reichen und Mächtigen dieser Welt? Wann kommt die Zeit, in der alle nach der Thora und den Geboten Gottes leben? Wann werden sie ernsthaft befolgt?

Der Frage nach dem »Wann« weicht Jesus aus. Niemand weiß die Stunde. Er weiß, dass manche denken: Was wir heute sehen und erleben, sind doch eindeutige Zeichen dafür, dass es kurz bevorsteht! Jesus sagt: »Nein, es gibt keine äußeren Zeichen. Keiner kann sagen: Da oder dort ist es. Keiner kann ausrechnen, wann die Welt der Willkür untergeht.«

Stattdessen sagt er, wo es ist: »Seht, das Reich Gottes ist mitten unter euch.«

Ich stelle mir vor, wie die Pharisäer den Kopf schütteln.

Mitten unter uns? Das wüssten wir! Dann sähe doch unsere Welt ganz anders aus. Erlöster, befreiter, glücklicher könnten wir leben. Sie drehen sich enttäuscht um. Andere unter ihnen sehen Jesus fragend an, denken nach, nicken: Sie haben davon gehört, dass Jesus gerade erst zehn Aussätzige geheilt hatte. Die Aussätzigen vegetierten auf ihren Tod zu. Es gab keine Medizin, die sie hätte heilen können. Sie waren ausgegrenzt, isoliert, hatten keinen Kontakt zu ihren Familien. Sie hatten keine Hoffnung auf Besserung – auf Zukunft und Leben. Und nun hatte dieser Jesus sie geheilt. Ja, nicken sie,

ihnen wurde das Leben neu geschenkt. Und einer von ihnen, der hat erkannt, welch großes Wunder an ihm geschehen ist und lobte Gott mit lauter Stimme. Ihm war es, als ob der Himmel auf die Erde und mitten in sein Leben kommt – Gottes Reich mitten unter den Todgeweihten.

»Seht, das Reich Gottes ist mitten unter euch.« Ich vermute, dass die Jünger innerlich zustimmten, als sie Jesus so reden hörten. In dem, was Jesus tat und sagte, ist für sie Gottes Reich schon angebrochen. Durch Jesus haben sie die Liebe Gottes erfahren. Sie erlebten einen Gott, der sie alle annimmt, so wie sie sind – mit ihren Macken, ihrer Schuld und Unvollkommenheit. Ja, mit Jesus ist das Reich Gottes zu ihnen gekommen. Das haben sie erlebt.

Er wird wiederkommen zu richten die Lebenden und die Toten – so haben wir es im Glaubensbekenntnis eben gesagt.

Doch was sagt Jesus jetzt zu ihnen? Es wird die Zeit kommen, da werdet ihr euch danach sehnen, den Menschensohn zu sehen – aber ihr werdet ihn nicht sehen können. Diese Zeit müsst ihr aushalten. Fallt nicht rein auf falsche Propheten.

Und seid bereit, wenn der Menschensohn kommen wird.

Wie ein Blitz, der aufblitzt und quer über den ganzen Himmel leuchtet, wird er kommen.

Wie ein Blitz: Unübersehbar und kraftvoll wird er diese Welt verwandeln, so wie damals, als die Sintflut kam und alles Böse unterging und Gott mit seiner Menschheit nochmals ganz neu anfing, wie damals, als in Sodom Lavaströme die Sünder vernichteten, damit eine neue, bessere Welt entstehen kann.

Was Jesus da sagt, wirkt auf uns vermutlich bedrohlich und unangenehm. Mit den Geschichten von Sintflut und Sodom kam das Gericht Gottes über die Welt: Menschen mussten für ihre Taten und Untaten geradestehen und die Konsequenzen tragen.

Vorstellungen vom Gericht sind auch mit dem Kommen des Reiches Gottes und den Tagen des Menschensohns verbunden. Jesus ist der Richter, der kommen wird.

»Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten«, bekennen wir im Apostolischen Glaubensbekenntnis.

Jesus will mit der Vorhersage des Gerichts seine Freunde jedoch nicht in Angst und Schrecken versetzen.

Ganz im Gegenteil: Er will sie ermutigen, dranzubleiben an Gott, an ihrem Glauben.

Wenn solche Zeiten kommen, in denen das Leben bedroht ist von Sintflut und Feuer, von Krieg und Pandemie, ruft Jesus uns auf, bei Gott Halt und Hilfe zu suchen. Hofft auf sein Reich, das jetzt schon mitten unter euch ist. Eines Tages wird unsere Welt ganz und gar verwandelt werden. Spüren auch wir etwas von Gottes Reich mitten unter uns?

Wo Menschen sich einander verzeihen – da ist das Reich Gottes. Wo die Liebe den Hass besiegt, ist das Reich Gottes. Wo Menschen mit ihren Begabungen anderen Menschen dienen – Reich Gottes. Wo wir in unseren Gemeinden zulassen, dass Neues wachsen kann und einander vertrauen- Reich Gottes. Und wenn wir nachher gemeinsam Abendmahl feiern, dann erleben wir auch ein Stück Reich Gottes.

Wir sind Mitarbeitende Gottes an seinem Reich

Wann kommt das Reich Gottes?

Wann kommen die Tage des Menschensohns?

Jesus ist auf unsere Welt gekommen. Er hat uns eine Ahnung vom Gottes-Reich gegeben, indem er Menschen geheilt und versöhnt hat, eine zweite Chance und einen Neuanfang geschenkt hat.

Eines Tages wird er wiederkommen Er wird unsere Welt vollkommen verwandeln und Gottes Reich aufrichten. Es wird ein Reich des Friedens, der Liebe und der Gerechtigkeit sein.

Bis dahin ist es uns aufgetragen, an Gottes Reich mit zu-bauen. Wir sind berufen, Mitmenschen zum Leben zu helfen. An uns liegt es, für Frieden,

Gerechtigkeit und die Bewahrung unserer Schöpfung einzutreten.

Wir sind berufen, unsere Hoffnung weiterzusagen:

Gottes Reich ist mitten unter uns – Gott ist mitten unter uns. Amen.

Prädikantin Heike Kohler, Schura

 

 

 

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20. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zur Kirchturm- Einweihung am Vortag des Reformationsfestes, 30. Oktober 2022

 

Psalm 46, 2-12: Gott ist für uns eine starke Zuflucht. In höchster Not steht er uns bei. Darum fürchten wir uns nicht, wenn die Fundamente der Erde schwanken und die Berge mitten im Meer wanken. Sollen die Wellen doch toben und schäumen und die Berge vor seiner Majestät beben! Frisches Wasser strömt durch die Kanäle zur Freude der Menschen in Gottes Stadt. Dort hat der Höchste seine heilige Wohnung. Gott ist in ihrer Mitte, darum wird sie nicht wanken. Gott wird ihr helfen, wenn der Morgen anbricht! Völker toben, Königreiche wanken! Lässt Gott seine Donnerstimme erschallen, schwanken sogar die Fundamente der Erde: Der Herr der himmlischen Heere ist mit uns. Der Gott Jakobs ist für uns eine feste Burg. Kommt und schaut die Taten des Herrn! Er versetzt die Erde in Furcht und Schrecken. Auf der ganzen Welt macht er den Kriegen ein Ende. Den Bogen zerbricht er, den Speer zerschlägt er und Streitwagen verbrennt er mit Feuer. Hört auf zu kämpfen und erkennt: Ich bin Gott! Ich stehe über den Völkern, ich stehe über der Welt. Der Herr der himmlischen Heere ist mit uns. Der Gott Jakobs ist für uns eine feste Burg. 

 

Liebe Mitchristen!

 

„Ein feste Burg ist unser Gott.“ So dichtete Martin Luther in Anlehnung an Psalm 46 in seinem bekannten Kirchenlied. Haben sich die Übersetzer der Basisbibel vielleicht von diesem Kirchenlied inspirieren lassen, wenn sie den Psalm 46 mit den Worten enden lassen: „Der Gott Jakobs ist uns eine feste Burg“? Martin Luther selbst hat hier übersetzt: „Der Gott Jakobs ist unser Schutz.“ Und doch: „Ein feste Burg“ – das macht anschaulich, was mit „Der Gott Jakobs ist unser Schutz“ gemeint ist. Brauchen wir nicht alle solche Anschauungsobjekte? Hat der Glaube nicht doch auch etwas mit Architektur zu tun – damit, ob ein Gebäude eine „feste Burg“ ist, oder ob es ins Wanken gerät?

 

Im Kirchengemeinderat haben wir uns solche Fragen gestellt, als es um unseren Kirchturm ging. Steine sind vom Turm heruntergefallen im Winter 2019/ 2020. Die Natursteinfassade war porös. Innen im Turm war es dadurch nass, und das hat bei Frost Schäden verursacht. Damit niemand zu Schaden kommt durch herunterfallende Steine haben wir im Frühjahr 2020 ein Gerüst stellen lassen. Aber wie nun weiter? Es war klar: Das wird eine richtig teure Sanierungsmaßnahme; wenn wir den Turm erhalten wollen, braucht er eine neue Außenverkleidung. Aber wollen wir das überhaupt? Auch diese Frage haben wir uns im Kirchengemeinderat gestellt, ohne Denkverbote: Wollen wir für ein Gebäude so viel Geld ausgeben – 214.000 €? Ist es das wert? Wozu brauchen wir eigentlich einen Kirchturm; geht es nicht auch ohne?

 

„Ein feste Burg ist unser Gott“, heißt es in dem Lied von Martin Luther in Anlehnung an Psalm 46. Gott ist es, an dem wir uns festmachen sollen, nicht irgendein Gebäude, so sagen es uns diese Worte. Allein der Glaube. Allein die Bibel, unsere heilige Schrift. Allen Gottes Gnade, die er uns schenkt. Das allein zählt. So hat es Martin Luther auf den Punkt gebracht. Gott ist es, an dem wir uns festmachen sollen. Er ist unsere feste Burg. Er ist unsere starke Zuversicht. Diese Worte aus Psalm 46, dieses Kirchenlied, das Martin Luther daraus gedichtet hat, das alles sind Worte, die hineingesprochen sind in unsichere Zeiten – in Zeiten, in denen Vieles ins Wanken gekommen ist.

 

Wir schreiben das Jahr 702 vor Christus. Der assyrische Großkönig Sanherib greift Jerusalem an. Wie durch ein Wunder wird die Stadt gerettet. Der Angriff des feindlichen Aggressors aus dem großen Nachbarland misslingt. Aber die Bedrohung bleibt. Andere Gebiete hat dieser Aggressor seinem Großreich schon einverleibt. Im Nordreich Israel ist er mit seinen Truppen einmarschiert und hält das Land besetzt. Nur das Südreich mit der Hauptstadt Jerusalem hat sich seine Eigenständigkeit bewahren können. Leben unter militärischer Bedrohung. Hilflos mit ansehen müssen, wie ganz in der Nähe Gebiete mit Gewalt besetzt werden, wie die dortige Bevölkerung missbraucht, gequält und getötet wird. Das alles kommt uns in der heutigen Zeit wieder erschreckend bekannt vor, Gott sei’s geklagt.

 

Aber der Psalm 46 hält trotzig dagegen: Gott ist unsere Zuflucht. Gott ist unsere feste Burg. Wenn auch alles um uns herum ins Wanken gerät – Gott ist da. Wir brauchen keine Angst zu haben. Wir dürfen fröhlich sein in unserer Stadt, an unserem Ort, an dem wir leben. Wir dürfen genießen, was es da an Schönem gibt: Brunnen und Wasserläufe, wie der Psalm sie beschreibt; die Gebäude und die Menschen, die sie mit Leben füllen. Ja, auch die Feste, die wir feiern. Denn Gott beschützt uns. Gott will, dass die Kriege aufhören, dass das Morden und Vergewaltigen ein Ende hat. Irgendwann wird es so weit sein. Dann wird Gott die Waffen alle kaputt machen. Irgendwann kommt sie, die Abrüstung. Irgendwann kommt das Frieden Schaffen ohne Waffen, von dem wir jetzt gerade nur träumen können. Ja, wir wollen nicht aufhören, davon zu träumen. Und wir wollen jetzt schon anfangen, diesen Traum zu leben. Wir wollen Zeichen setzen für eine friedlichere Welt – für eine Welt, in der Gott einen Platz hat.

 

Es wäre nicht das richtige Zeichen, unseren Kirchturm aufzugeben. So haben wir es im Kirchengemeinderat beschlossen. „Finger Gottes“ – so hat Marcel Proust die Kirchtürme genannt. Kirchtürme sind das Zeichen dafür, dass es etwa gibt, das höher ist als wir. Dafür, dass nicht wir Menschen das letzte Wort haben sollen. Sondern dass wir uns an Gott und seinem Willen orientieren sollen. Bei dieser Orientierung helfen uns die Kirchtürme – wie ein Finger, der nach oben zeigt: Zum Himmel, zu Gott. Traurig wäre es, wenn wir uns Wehingen ohne seine drei Kirchtürme vorstellen müssten. Und bedrückend still wäre es in Wehingen, wenn wir nicht immer wieder im Tageslauf den Klang der Kirchenglocken hören würden – einen Klang, der uns dazu einlädt, im Alltag innezuhalten und unsere Gedanken nach oben zu richten, hin zu Gott, dem wir alles verdanken, was wir haben und was wir sind.

 

Ja, es ist viel Geld, das wir für die Sanierung unseres Kirchturms in die Hand genommen haben. Aber viele Menschen haben uns dabei unterstützt und für unseren Kirchturm gespendet. Diesen Unterstützern möchte ich meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Sie haben uns geholfen, diese finanzielle Herausforderung zu stemmen. Und sie haben uns gezeigt: Da sind viele Menschen – in unserer Kirchengemeinde und weit darüber hinaus – denen unser Kirchturm wichtig ist. Möge er auch weiterhin ein Zeichen dafür sein, dass Gott für uns da ist, dass Gott uns durch die Zeiten begleitet, durch die guten und durch die schwierigen. Denn auf Gott können wir uns verlassen. Gott ist unsere starke Zuflucht. Ein feste Burg ist unser Gott.

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

 

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18. Sonntag nach Trinitatis

 

Predigt zur Konfirmanden- Vorstellung am Sonntag, 16. Oktober 2022

Offenbarung 21. 1-6: Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr da. Und ich sah die heilige Stadt: das neue Jerusalem. Sie kam von Gott aus dem Himmel herab –für die Hochzeit bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: »Sieh her: Gottes Wohnung ist bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein. Gott selbst wird als ihr Gott bei ihnen sein. Er wird jede Träne abwischen von ihren Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben, kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen.« Der auf dem Thron saß, sagte: »Ich mache alles neu.« Und er fügte hinzu: »Schreib alles auf, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr.« Dann sagte er zu mir: »Es ist geschehen! Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Durstigen Wasser geben, das aus der Quelle des Lebens fließt. Ich gebe es ihm umsonst.

 

Liebe Mitchristen!

„Leben nach dem Tod.“ Dieses Thema haben die Konfirmanden sich ausgewählt für ihren Begrüßungsgottesdienst. Da kann man sich fragen: Ist das nicht doch zu ernst als Thema? Passt das zu diesem Gottesdienst? Es ist doch ein fröhlicher Anlass. Schön, dass ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden da seid und euch hier in der Gemeinde auf eure Konfirmation vorbereitet. Wir freuen uns mit euch und über euch! „Leben nach dem Tod“ – passt dieses Thema zu euch Konfirmandinnen und Konfirmanden? Für euch fängt das Leben doch erst so richtig an. Ihr habt die Kindheit hinter euch gelassen. Und jetzt startet ihr durch, in euer Leben. Der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation, das ist so ein Schritt auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Das Leben liegt vor euch, und doch fragt ihr danach: Wie geht es nach diesem Leben einmal weiter? Es ist eine Frage, die uns alle beschäftigt, egal wie alt wir sind. Manchmal beschäftigt uns diese Frage jahrelang gar nicht. Und dann gibt es Zeiten und Jahre, da geht uns diese Frage so nahe, dass wir sie nicht zur Seite schieben können. Das ist immer dann so, wenn jemand gestorben ist, ein lieber Mensch, der für uns sehr wichtig war. Dann fragen wir uns: Wo ist dieser Mensch jetzt? Wie geht es ihm? Muss er jetzt nicht mehr leiden? Geht es ihm jetzt besser?

Als Jesus am Kreuz stirbt, verspricht er dem Schwerverbrecher, der neben ihm gekreuzigt wird: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23, 43) Und Paulus sagt: „Wir sind Bürger des Himmels.“ (Phil 3, 20) Dort ist unsere eigentliche Heimat, dort in Gottes neuer Welt. Jesus Christus ist dort. Wir werden einen neuen Körper bekommen. Es wird alles gut werden dort. So sagt es uns der Apostel im Philipperbrief. Ja, auch der Himmel und die Erde werden dann neu sein, sagt uns das Buch der Offenbarung. Gott wird unser Nachbar sein und gleich nebenan wohnen. Und er wird alle unsere Tränen abwischen, so dass alles Leid ein Ende hat.

Alles wird gut. Wir kommen aus dem Dunkel ins Licht. So ist es auch dargestellt auf dem Bild, das der Künstler Hieronymus Bosch gemalt hat einige Jahre vor der Reformation.  „Der Aufstieg in das himmlische Paradies“ heißt das Bild. Nackte Körper sind schemenhaft zu sehen. Unten rechts wartet einer in der Finsternis; ein anderer Körper steht in einer Art Tunnel, neben ihm – an Flügeln erkennbar – ein Engel; einen weiteren sieht man am Ende des Tunnels im Licht stehen. Dort erwartet ihn offenbar jemand: man sieht einen Arm, der ihn heranwinkt. Diese Personen ohne Flügel, das sind auf dem Bild von Hieronymus Bosch die Verstorbenen, die in den Himmel kommen. Diese Toten haben einen Körper – wie anders sollte man sie auch malen können? Aber es ist nicht zu erkennen, ob sie männlich oder weiblich sind, ob sie alt oder jung verstorben sind, ob sie krank waren oder behindert. Hieronymus Bosch malt, was in der Bibel steht. Er malt den Verstorbenen einen neuen Körper – nicht nur weil man sie sonst nicht malen könnte, sondern weil die Verstorbenen nach dem Tod einen neuen, einen unvergänglichen Körper bekommen. So haben wir es heute auch in der Lesung gehört: „Jesus Christus wird unseren unvollkommenen Körper seinem eigenen Körper gleichmachen, der Gottes Herrlichkeit widerspiegelt.“ (Phil 3, 21) Wir sind auch nach dem Tod ganze Menschen, mit Leib und Seele. Wir werden Gesichter haben, an denen Gott unsere Tränen abwischt. Wir werden eine Wohnung haben, die neben der Wohnung von Gott liegt. Wir werden Augen haben, mit denen wir das himmlische Jerusalem sehen.

Hieronymus Bosch malt die Reise der Verstorbenen in den Himmel: Sie gehen alle auf ein großes Licht zu. Fast scheint es, als würden sie angezogen von diesem Licht, als schwebten sie darauf zu. Ganz leicht sieht das aus. Am Ende werden sie erwartet. „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein,“ sagt Jesus Christus. Er sagt das zu einem Schwerverbrecher, der wegen seiner schlimmen Taten am Kreuz stirbt. Damit sagt uns Jesus: Wir werden erwartet, und niemand wird abgewiesen. Wer bei Gott ist, ist nicht tot. Unsere Lieben sind bei Gott, beim „Vater unser im Himmel“.

Hieronymus Bosch malt, was kein Mensch wissen kann: was nach dem Tod sein wird. Aber das, was er malt, haben doch manche Menschen auch schon so erfahren: Menschen, die dem Tod schon sehr nahegekommen waren. Sie erzählen von sogenannten Nahtoderfahrungen: Sie waren nach einem Unfall oder einer Operation schon „klinisch tot“, wurden dann aber wieder belebt, sozusagen zurück geholt ins Leben. Erstaunlich ist, dass das, was sie davon erzählen, in vielen Einzelheiten gleicht:  Sie berichten von einer „außerkörperlichen Erfahrung: Sie konnten sich selbst sehen und die Ärzte und Menschen, um sie herum; konnten Dinge beschreiben oder hören aus dem OP-Saal, die sie unmöglich wissen konnten: Sie sehen bereits verstorbene Verwandte und Freunde, die sie abholen. Sie hatten das Gefühl, in einem Tunnel zu sein und auf ein großes Licht zuzugehen. Sie spürten ein nie gekanntes Gefühl großen Friedens oder überwältigender Liebe und Geborgenheit. Diese Erfahrung war so schön, dass die meisten davon berichten, sie wären gern geblieben. Zurück im Leben haben sie keine Angst mehr vor dem Tod. Manche ändern ihr Leben, wechseln den Beruf, setzen sich für andere ein. Bei einer Umfrage im Jahr 2000 gaben 4 Prozent der Befragten an, eine sogenannte Nahtoderfahrung gemacht zu haben. Wenn man das hochrechnet, wären das 3 Millionen Deutsche – also eine ganze Großstadt. Nicht alle diese Menschen werden daraufhin religiös oder gar christlich. Viele reden auch nicht darüber, aus Angst, nicht ernst genommen zu werden.

Auch die Hirnforschung hat ihre Erklärungen für diese außergewöhnliche Erfahrung: Durch den Sauerstoffmangel im Gehirn werden Botenstoffe ausgeschüttet, die Glücksgefühle und Halluzinationen erzeugen – auch die Vorstellung, durch einen Tunnel zu gehen oder ein helles Licht zu sehen. Auch so lässt sich einordnen, was diese Menschen erzählen – Menschen, die ganz nah dran waren am Tod, aber eben doch nicht ganz tot waren. Ihre Erzählungen können uns helfen bei der Frage: Was kommt nach dem Tod? Aber eine eindeutige Antwort darauf können sie uns nicht geben.

Wir können es nicht wissen, was uns nach dem Tod erwartet. Wir können nur glauben, was uns in der Bibel von Gott versprochen ist: Nach dem Dunkel des Todes sind wir bei Gott in seinem Licht. Und auf dem ganzen Weg vom Dunkel ins Licht sind wir von Engeln begleitet. So hat es Hieronymus Bosch gemalt auf seinem Bild. Er hat dieses Bild aus seinem christlichen Glauben gemalt. Es ist ein Bild, das zu unserer christlichen Hoffnung passt. Diese christliche Hoffnung wollen wir miteinander leben in unserer Gemeinde. Schön, wenn Menschen dazukommen, die das auch wollen! Schön, dass ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden auch dabei seid. Wir werden nicht auf alle eure Fragen eine Antwort haben. Aber wir wollen miteinander nach Antworten suchen auf die Fragen, die uns bewegen.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

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17. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zum 17. Sonntag nach Trinitatis, 9. Oktober 2022

Jesaja 49, 1-6: Hört mir zu, ihr Bewohner der Inseln! Gebt acht, ihr Völker in der Ferne! Der Herr hat mich in seinen Dienst gerufen, als ich noch im Mutterleib war. Schon im Schoß meiner Mutter hat er mir meinen Namen gegeben. Er hat mir Worte in den Mund gelegt, so scharf wie ein Schwert. Versteckt in seiner Hand, hat er mich bereitgehalten. Wie einen spitzen Pfeil hat er mich in seinem Köcher aufbewahrt. Er sagte zu mir: »Du bist mein Knecht. Du trägst den Namen ›Israel‹. Durch dich will ich zeigen, wie herrlich ich bin.« Ich aber sagte: »Ich habe mich vergeblich bemüht, für nichts und wieder nichts meine Kraft vertan. Doch der Herr verhilft mir zu meinem Recht, mein Gott wird mich belohnen.« Ja, der Herr hat mich schon im Mutterleib zu seinem Knecht gemacht. Ich sollte Jakob zu ihm zurückführen und ganz Israel bei ihm versammeln. So wichtig war ich in seinen Augen, mein Gott gab mir die Kraft dazu. Und jetzt sagt er: »Ja, du bist mein Knecht. Du sollst die Stämme Jakobs wieder zusammenbringen und die Überlebenden Israels zurückführen. Aber das ist mir zu wenig: Ich mache dich auch zu einem Licht für die Völker. Bis ans Ende der Erde reicht meine Rettung.«

Liebe Mitchristen!

Beim Heuberg- Erlebnis- Tag vor zwei Wochen hörte man in Wehingen immer wieder das Martinshorn der Feuerwehr. Aber nicht weil, ein Feuerwehr- Einsatz gewesen wäre. Stattdessen saßen da mit leuchtenden Augen Kinder im Feuerwehrauto. Für viele war das das Größte, dort einmal mitfahren zu dürfen mit den Feuerwehrleuten. Kein Wunder, dass viele Kinder sagen: „Wenn ich mal groß bin, dann werde ich Feuerwehrmann.“ Was werde ich mal, wenn ich groß bin? Für Kinder ist die Antwort auf diese Frage oft ganz einfach. Später, wenn sie als Jugendliche dann wirklich vor dieser Entscheidung stehen, da ist die Antwort oft nicht mehr so leicht. Ich sehe es an meinem 17jährigen Sohn, der im nächsten Jahr mit der Schule fertig sein wird. In welche Richtung möchte ich gehen, was will ich später mal machen? Da gibt es Vieles, was ihn interessieren würde. Aber man kann eben nicht alles machen, sondern nur eines davon. Man muss sich entscheiden. Eine solche Entscheidung zu treffen, ist einfacher, wenn man mit Jemandem darüber reden kann. Und so fragt mich mein Sohn um Rat: „Was soll ich nach der Schule mal machen?“

Was soll ich werden, welchen Beruf soll ich ergreifen? Was würden Sie, liebe Tauffamilien ihren Kindern später einmal raten? Was würden Sie ihnen wünschen? „Wenn ich mal groß bin, dann werde ich Feuerwehrmann,“ sagen viele Kinder – voller Überzeugung und ohne jeden Zweifel. Und manchmal ist ihr Berufswunsch auch ein anderer. Manchmal ist es z. B. einfach der Beruf der Eltern. Denn die Eltern sind das Vorbild für die Kinder. Gibt es Menschen, bei denen schon von klein auf klar ist, welchen Beruf sie später ergreifen? Ja, Mancher bleibt tatsächlich bei dem Berufswunsch, den er schon von Kindertagen an hatte. „Das passt wirklich zu dir. Du bist wirklich der geborene Feuerwehrmann,“ sagen wir dann zu einem solchen Menschen.

In unserem Predigttext lesen wir von einem Menschen, bei dem von Anfang an klar war, welchen Beruf er ergreifen würde. Gott hat ihn dazu berufen, sein Prophet zu sein, vom ersten Anfang seines Lebens an. Dieser Mann hieß Jesaja- genauso wie ein großer und bekannter Prophet, der einige hundert Jahre vor ihm gelebt hatte, und von dem die Bibel auch berichtet. Aber die Zeiten hatten sich geändert seither. Nichts war mehr so wie damals. Es stand sozusagen kein Stein mehr auf dem anderen. Jerusalem war zerstört, auch der Tempel war kaputt. Die Oberschicht war in ein fremdes, fernes Land verschleppt worden. Dort in Babylon lebten sie nun im Exil.

Wie ist das, wenn man alles hinter sich lassen muss? Wenn die Heimat vom Krieg zerstört ist und man in der Fremde leben muss? Ich denke an die Menschen aus der Ukraine, die in unserem Land Zuflucht suchen. Wie schwer muss das für sie sein. Was bleibt, wenn das vertraute Umfeld, in dem man sich sicher und geborgen gefühlt hat, auf einmal nicht mehr da ist? Bei den Israeliten waren es die Geschichten, die sie sich erzählt hatten. Geschichten von Gott, der ihren Vorfahren geholfen hat. Der ihr Elend angesehen hat und sie aus der Sklaverei in Ägypten herausgeführt hat in ein gutes Land. Dort in der Fremde in Babylon haben die Israeliten in ihrer Not Trost und Halt in ihrem Glauben gefunden. Sie haben viel mehr über Gott nachgedacht als je zuvor. Dadurch haben sie neue Antworten auf wichtige Fragen gefunden- Antworten, die auch für uns heute bedeutsam sind: Ja, sie waren aus der Heimat vertrieben worden. Aber das bedeutete nicht, dass Gott sie vergessen hatte oder dass es Gott gar nicht gibt. Gott war da, auch in der Fremde. Und auch diese schwere Zeit des Exils in Babylon gehörte zu Gottes unerforschlichem Willen. Auch das Exil war Gottes Wille. Das war eine gewagte Behauptung. Aber diese gewagte Behauptung hat den Israeliten damals geholfen in ihrer schwierigen Situation. Diese Behauptung hat ihnen die Augen dafür geöffnet, wo sie selber Mitschuld an dieser Katastrophe hatten. So sind die Menschen damals gerade durch ihre schwierige Lage ganz neu zum Glauben an Gott gekommen. Denn sie haben es erlebt: Gott liebt Israel weiterhin.

Gott liebt uns – auch wenn die äußeren Umstände schwierig sind. Gott liebt uns- auch wenn wir selbst nichts dazu beitragen können, weil wir zu klein oder zu schwach oder einfach hilflos sind. Ja, Gott liebt uns- vom allerersten Anfang unseres Lebens an, als noch kein Mensch von uns wusste: „Der Herr hat mich in seinen Dienst gerufen, als ich noch im Mutterleib war. Schon im Schoß meiner Mutter hat er mir meinen Namen gegeben.“ So sagt es der zweite Jesaja in unserem Predigttext. Einen Beruf hat Gott ihm vom allerersten Anfang seines Lebens an gegeben: Den Beruf des Propheten. Gottes Knecht sollte er sein. Damals war das eine Ehrenbezeichnung. Der Knecht des Königs war ein sehr wichtiger Mann. Er war der Minister des Königs. So sollte Jesaja als Knecht Gottes den Menschen von Gott erzählen. Er sollte sie darauf hinweisen, was Gottes Wille ist. Wie sie ihr Leben führen sollten, damit es ein gutes Leben wird, vor Gott und den Menschen. Und er sollte in seinem Volk die Hoffnung wachhalten – die Hoffnung, dass sie nicht von Gott verlassen sind, trotz aller äußeren Not. Und mehr noch: Das was, der Prophet Jesaja sagt, gilt nicht nur für die Israeliten damals. Nein, es gilt für alle Welt. Es gilt auch für uns heute: „Ich mache dich auch zu einem Licht für die Völker. Bis ans Ende der Erde reicht meine Rettung.“ So sagt es Gott.

Gott hat dem zweiten Jesaja einen Beruf gegeben, eine Berufung. Beruf und Berufung, diese beiden Wörter gehören zusammen. Wozu sind wir berufen? Wir sind alle keine Propheten, zu denen Gott so unmittelbar und eindringlich spricht wie zu diesem Jesaja. Wir sind auch nicht so wortgewaltig wie dieser Mann. Anders als er haben wir nicht immer die scharf geschliffenen Worte, die den Nagel genau auf den Kopf treffen und die Herzen der Menschen bewegen können. Unsere Worte sind nicht immer wie der Pfeil, der ins Schwarze trifft. Manchmal gehen sie auch am Ziel vorbei oder laufen ins Leere. Und manchmal sind wir auch einfach nur müde und denken: Es bringt doch alles nichts, was ich mache. Diese Erfahrung hat Jesaja allerdings auch machen müssen – dass er den Eindruck hat: „Ich habe mich vergeblich bemüht.“ Aber: So wie Jesaja haben wir eine Berufung von Gott, einen Beruf. Etwas, wozu Gott uns die Begabung und die Fähigkeit geschenkt hat. Etwas, womit wir uns nützlich machen und unsere Welt ein klein wenig besser machen können. Wenn wir diese unsere Berufung leben, dann ist das ein Dienst an Gott und an den Menschen. Es ist also im ganz wörtlichen Sinn ein Gottesdienst. So hat das auch Martin Luther gesehen. Wenn die Magd im Stall die Kuh melkt, wenn die Mutter zuhause dem Kind die Windeln wechselt, dann ist das alles genauso ein Gottesdienst, wie wenn der Priester in der Kirche eine Messe feiert. So sagt Martin Luther.

Was ist unser Beruf, unsere Berufung? Und was werden unsere Kinder später einmal werden? Ein Feuerwehrmann oder eine Feuerwehrfrau? Vielleicht wird es auch etwas ganz Anderes sein. Aber ich wünsche es unseren Kindern und ich wünsche es uns allen: Dass wir ein offenes Ohr haben für Gottes Stimme in unserem Leben. Dass wir die Berufungen und Begabungen, die Gott uns schenkt, leben können zum Wohl der Menschen und zur Ehre Gottes. Und dass wir, wenn wir mal frustriert sind oder durch schwere Zeiten gehen müssen, uns immer festhalten können an Gottes Versprechen: „Bis ans Ende der Erde reicht meine Rettung.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

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14. Sonntag nach Trinitatis

An jenem Tag werdet ihr sagen: „Lobt den HERRN und preist seinen herrlichen Namen! Erzählt den Völkern, was er getan hat! Ruft in die Welt hinaus, wie groß und erhaben er ist!“ (Jesaja 12:4 Hfa).

Liebe Gemeinde,

beim Lesen des Textes stellt sich automatisch die Frage, wann jener Tag ist, über den Jesaja prophezeit. Die Antwort ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, denn im vorhergehenden Kapitel 11 steht über diese Zeit:
„… dann werden Wolf und Lamm friedlich beieinander wohnen, der Leopard wird beim Ziegenböckchen liegen. Kälber, Rinder und junge Löwen weiden zusammen, ein kleiner Junge kann sie hüten. Kuh und Bärin teilen die gleiche Weide, und ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Heu wie ein Rind. Ein Säugling spielt beim Schlupfloch der Viper, ein Kind greift in die Höhle der Otter. Auf dem ganzen heiligen Berg wird niemand etwas Böses tun und Schaden anrichten. Alle Menschen kennen den HERRN, das Wissen um ihn erfüllt das Land wie Wasser das Meer. In dieser Zeit ist der Trieb, der aus der Wurzel Davids hervor sprießt, als Zeichen für die Völker sichtbar. Sie werden nach ihm fragen, und der Ort, an dem er wohnt, wird herrlich sein.“ (Jesaja 11:6-10 Hfa)

Dieser Tag liegt also in der Zukunft, denn wir haben diese Situation des Friedens auf der Erde noch nicht. Die Prophetie Jesajas schreibt hier über die Zeit nach der Wiederkunft Jesu, wenn Jesus sein Reich auf Erden aufrichten wird. Dann wird die Schöpfung wiederhergestellt – so wie die Schöpfung zu Beginn war. Es wird Harmonie herrschen – ohne Krieg, Krankheit und Leid. Selbst im Tierreich wird Frieden sein.

Die Prophetie bezieht sich also auf Israel, das sich mit seinem Messias bei seinem zweiten Kommen versöhnen wird und seinen Namen in der ganzen Welt bekannt machen wird.

Als Gemeinde befinden wir uns heute in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Jesu. Die Prophetien von Jesaja über das erste Kommen Jesu, hat sich erfüllt. Jesus wurde von einer Jungfrau geboren, er hat Kranke geheilt, Zerbrochenen die gute Nachricht gebracht, Blinden die Augen geöffnet und über das Reich Gottes gepredigt (Lk. 4, 18-19). Jesus ist der Name, der uns zum Heil gegeben ist und in dem wir Erlösung haben. Deshalb sollen wir als Gemeinde bereits heute den Namen Jesu rühmen und in die Welt hinaustragen. 

Heute leben wir in einer Zeit mit vielen Unsicherheiten. Wir hören über Umweltzerstörung, Klimaveränderung und Krieg und es wird über die möglichen Folgen spekuliert. Als Christen ist uns eine Schau in die Zukunft gegeben, damit wir Orientierung haben. Darauf sollen wir uns ausrichten. Die Welt wird nicht an irgendwelchen vorhergesagten Katastrophen zu Ende gehen, sondern die Prophezeiung über die Wiederherstellung der Schöpfung wird sich erfüllen. Diese Prophezeiung wird sich genauso zuverlässig erfüllen, wie all die Prophezeiungen, die sich bereits mit dem Kommen Jesu erfüllt haben. 

Uns ist die Prophezeiung gegeben, damit wir uns nicht fürchten, sondern zuversichtlich in die Zukunft schauen. Wir haben einen Herrn, der sich um uns kümmert, der uns hilft, der uns tröstet und der uns eine herrliche Zukunft schenkt. 

Gerhard Walderich

Predigtauszug vom 18. Sept. 2022

 

 

 

 

 

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13. Sonntag nach Trinitatis

 

Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis, 11. September 2022

Lk 10, 25-37: Da kam ein Schriftgelehrter und wollte Jesus auf die Probe stellen. Er fragte ihn: »Lehrer, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben bekomme?« Jesus fragte zurück: »Was steht im Gesetz? Was liest du da?« Der Schriftgelehrte antwortete: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Denken.« Und: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.« Jesus sagte zu ihm: »Du hast richtig geantwortet. Halte dich daran und du wirst leben.« Aber der Schriftgelehrte wollte sich verteidigen. Deshalb sagte er zu Jesus: »Wer ist denn mein Mitmensch?« Jesus erwiderte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho. Unterwegs wurde er von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn bis aufs Hemd aus und schlugen ihn zusammen. Dann machten sie sich davon und ließen ihn halb tot liegen. Nun kam zufällig ein Priester denselben Weg herab. Er sah den Verwundeten und ging vorbei. Genauso machte es ein Levit, als er zu der Stelle kam: Er sah den Verwundeten und ging vorbei. Aber dann kam ein Samariter dorthin, der auf der Reise war. Als er den Verwundeten sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und pflegte ihn. Am nächsten Tag holte er zwei Silberstücke hervor, gab sie dem Wirt und sagte: ›Pflege den Verwundeten! Wenn es mehr kostet, werde ich es dir geben, wenn ich wiederkomme.‹ Was meinst du: Wer von den dreien ist dem Mann, der von den Räubern überfallen wurde, als Mitmensch begegnet?« Der Schriftgelehrte antwortete: »Der Mitleid hatte und sich um ihn gekümmert hat.« Da sagte Jesus zu ihm: »Dann geh und mach es ebenso.«

Liebe Mitchristen!

Waren Sie diesen Sommer auf Reisen? Ich war in den Sommerferien mit meinem Sohn in Paris. Unser Hotel lag eher am Rand dieser großen Stadt. So waren wir viel mit der Metro unterwegs. Ich war beeindruckt, mit welcher Geschwindigkeit diese Züge durch die unterirdischen Tunnel rasten. Immer wieder missten wir aufpassen, dass wir die französischen Haltestellenansagen richtig verstehen und unsere Ausstiegsstation nicht verpassen. Aber bei den Metrostationen an den großen Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm oder dem Louvre hatten wir dieses Problem nicht. Vor diesen Haltepunkten gab es in der Metro auch eine deutsche Durchsage: „Achtung vor Taschendieben!“ tönte es da aus dem Lautsprecher. „Achtung vor Taschendieben“ – eine wichtige Durchsage. In Mailand habe ich das einmal erlebt, das meinem Freund, mit dem ich unterwegs war, beinahe der Geldbeutel gestohlen worden wäre. Wir wollten zum Dom und waren gerade in die U-Bahn eingestiegen. Da steigt eine Frau zu. Sie zeigt meinem Freund einen U-Bahn- Plan und die Station, wo sie hinfahren möchte: Ist das hier die richtige U-Bahn? Mein Freund will dieser Frau helfen und schaut mit ihr auf den Plan. Währenddessen versucht eine andere Frau, ihm den Geldbeutel aus der Hosentasche zu ziehen. Zum Glück hat er das noch rechtzeitig bemerkt. Die Frau mit dem U-Bahn- Plan ist dann blitzschnell wieder ausgestiegen, die Türen haben sich geschlossen und die U-Bahn ist abgefahren. Die beiden Taschendiebinnen sind an der Haltestelle zurückgeblieben, wo sie auf ihr nächstes Opfer warten konnten. „Vorsicht vor Taschendieben!“ Das ist eine wichtige Warnung. Gut, dass es in der Pariser Metro diese Durchsage gibt an den Stationen, wo viele Touristen unterwegs sind.

Ob es solche Warnhinweise auch früher gab, dort wo viele Reisende unterwegs waren und es gefährlich werden konnte? „Vorsicht vor Raubüberfällen!“ Ich denke, für die Straße von Jerusalem nach Jericho gab es bestimmt solche Warnungen. Immer wieder passierte hier was. Denn diese 27 Kilometer lange Tagesreise führte durch die Einöde, durch unübersichtliches Gelände. In diesem einsamen Tal lebten Leute, die in der Gesellschaft keinen Platz gefunden hatten. Hier taten sie sich zusammen und bestritten ihren Lebensunterhalt damit, dass sie ahnungslose Reisende ausraubten. Jesus wird die Warnungen vor dieser einsamen Landstraße sicherlich gekannt haben. Er will einem frommen Mann erklären, wie Mitmenschlichkeit und gelebter Glaube aussehen. Kein Wunder, dass Jesus dafür die Straße von Jerusalem nach Jericho als Beispiel nimmt: Dort, wo es immer wieder passiert, dass einer ausgeraubt wird und auf der Strecke bleibt.

Stellen wir uns also vor, es passiert mal wieder was auf dieser gefährlichen Straße, sagt Jesus. Stellen wir uns vor, da liegt mal wieder einer im Straßengraben. Die Räuber haben ihm alles genommen – nicht nur den Geldbeutel und die wertvollen Waren, die er als Geschäftsreisender vielleicht bei sich hatte. Sogar seine Kleider haben sie ihm genommen, ja und beinahe auch sein Leben. Wenn der dort liegen bleibt in der Hitze des Tages, dann wird er mit seinen Verletzungen die Nacht nicht überleben. Ein Glück also, dass diese einsame Landstraße nicht komplett menschenleer ist. Da kommen noch andere Reisende vorbei – zuerst ein Priester. Wahrscheinlich ist er auf dem Weg zur Arbeit. Er ist unterwegs von seinem Heimatort zum Tempel in Jerusalem. Warum hält er nicht an und hilft dem schwer verletzten Mann? Vielleicht denkt er: Ich muss ja den Gottesdienst im Tempel in Jerusalem halten. Da kann ich doch nicht dreckig und blutverschmiert ankommen, weil ich unterwegs einen Verletzten versorgt habe. Wenn ich ihn anfasse, muss ich eine Woche in Quarantäne und darf nicht im Tempel arbeiten. Also geht er weiter. Zum Glück kommt da noch einmal jemand vorbei, ein Levit. Er macht die Schriftlesung beim Gottesdienst im Jerusalemer Tempel. Aber er geht auch weiter. Vielleicht hat er dabei dieselben Gedanken wie der Priester. Oder es ist einfach schon spät, und er hat keine Zeit.

Es ist einfach, diese beiden frommen Männer für ihr Verhalten zu verurteilen und zu denken: Natürlich würde ich es nicht so machen wie diese beiden. Natürlich würde ich anhalten und mich um den Verwundeten kümmern. Natürlich würde ich ihm helfen oder Hilfe holen für ihn. Aber mache ich es mir nicht doch zu einfach, wenn ich so denke? Kann ich von mir wirklich sicher sagen, dass ich helfen und nicht vorbeigehen würde? Ich denke daran, wie dicht getaktet mein Alltag oft ist, wie ich von einem Termin zum nächsten eile. Meine To-Do-Liste ist lang, und die Zeit ist knapp. Womöglich wäre ich so mit Anderem beschäftigt, dass ich es gar nicht bemerken würde, dass da einer am Wegesrand liegt und dringend meine Hilfe braucht. Womöglich hätte ich Probleme damit, mich von ihm aus dem Konzept bringen zu lassen, meine ganze Tagesplanung über den Haufen zu werfen wegen ihm.

Der Mann aus Samaria, den Jesus in seiner Beispielgeschichte als Dritten vorbeikommen lässt, der hatte an diesem Tag bestimmt auch noch Anderes geplant. Vielleicht wollte er mit seinem Reittier zum Markt. Oder er hatte einen wichtigen Geschäftstermin. Aber in diesem Moment zählt das nicht für ihn. Auch dass dieser schwerverletzte Mann eine andere Religion hat, spielt für ihn jetzt keine Rolle. Er selbst ist Samariter, und dieser Verwundete da ist Jude. Eigentlich hatten Samariter und Juden damals nichts zu schaffen miteinander. Aber das alles ist dem Mann aus Samaria egal in diesem Augenblick. Nur eines zählt für ihn: Da liegt einer am Boden und braucht meine Hilfe. Also hält der Samariter an, versorgt die Wunden des Verletzten, setzt ihn auf sein Reittier und bringt ihn in ein Gasthaus. Am nächsten Morgen muss der Mann aus Samaria weiter. Aber er lässt dem Wirt ausreichend Geld da, damit der den Verletzten einige Tage pflegen kann, bis er wieder alleine klarkommt.

„Man vergisst nie, dass es um Menschenleben geht.“ So haben es die Gosheimer Feuerwehrleute ausgedrückt bei einem Interview, dass gestern in der Zeitung stand. An solche Menschen erinnert mich dieser Mann aus Samaria: An Menschen, die bereit sind, sich aus ihrem Alltag herausreißen zu lassen und anderen aus der Not zu helfen. Ein Glück, dass es solche Menschen gibt, die zu jeder Tag- und Nachtzeit dazu bereit sind, so wie unsere Feuerwehrleute. Ein Glück, dass es Menschen gibt, die für andere da sind – in unseren Krankenhäusern und Pflegeheimen, in Kindergärten und Schulen, in den Familien und Nachbarschaften und an vielen anderen Orten. Halten wir die Augen offen, um diese Menschen wahrzunehmen und zu würdigen, was sie für uns alle leisten! Und halten wir die Augen offen für unsere Mitmenschen, die gerade jetzt unsere Hilfe brauchen. Rücken wir enger zusammen, wenn der Herbst kommt und dann der Winter, wo viele nicht wissen, wie sie ihre Heizkosten bezahlen sollen. Halten wir die Augen offen für die Not der Menschen in Pakistan, die bei den schweren Überschwemmungen alles verloren haben und unsere Hilfe brauchen. Setzen wir uns für den Klimaschutz ein, und ändern wir unsere klimaschädigenden Lebensgewohnheiten – damit solche schrecklichen Unwetter in Zukunft nicht noch mehr Menschenleben kosten. Lassen wir uns ermutigen von dieser Geschichte, die Jesus erzählt. Denn gerade das ist gelebter Glaube – wenn wir füreinander da sind und den, der uns braucht, nicht übersehen. Genau damit geben wir Gott die Ehre. So wie es unser Predigttext sagt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Denken. Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst. Halte dich daran und du wirst leben.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

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7.Sonntag nach Trinitatis

Predigt am Sonntag, 31. Juli 2022

Röm 6, 3-11: Ihr wisst doch: Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind einbezogen worden in seinen Tod. Und weil wir bei der Taufe in seinen Tod mit einbezogen wurden, sind wir auch mit ihm begraben worden. Aber Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt. So werden auch wir ein neues Leben führen. Denn wenn wir ihm im Tod gleich geworden sind, werden wir es auch in der Auferstehung sein. Wir wissen doch: Der alte Mensch, der wir früher waren, ist mit Christus am Kreuz gestorben. Dadurch wurde der Leib vernichtet, der im Dienst der Sünde stand. Jetzt sind wir ihr nicht mehr unterworfen. Wer gestorben ist, auf den hat die Sünde keinen Anspruch mehr. Wir sind nun also mit Christus gestorben. Darum glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen doch: Christus wird nicht mehr sterben, nachdem er vom Tod auferweckt wurde. Der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn sein Sterben war ein Sterben für die Sünde –das ist ein für alle Mal geschehen. Aber das Leben, das er jetzt lebt, lebt er ganz für Gott. Genau das sollt ihr auch von euch denken: Für die Sünde seid ihr tot. Aber ihr lebt für Gott, weil ihr zu Christus Jesus gehört.

Liebe Mitchristen!

Wir feiern heute ein Fest. Wir feiern die Taufe von drei Kindern. Das ist ein Fest für die Familien: Für die Eltern und Paten, für die Großeltern und die großen Geschwister, für die Freunde und Verwandten aus Nah und Fern. Es ist aber auch ein Fest für uns alle, für die ganze Gemeinde. Deswegen feiern wir nach dem Gottesdienst noch weiter: Draußen vor der Kirche bei einer Tasse Kaffee. Für die Gemeinde ist jede Taufe ein Fest. Wer getauft wird, wird Mitglied der Ortsgemeinde und der einzelnen Kirche. Die Gemeinschaft der Getauften geht aber noch weiter: Wer getauft ist, gehört zur Gemeinschaft der weltweiten Christenheit, über alle Konfessionsgrenzen hinweg. Denn die Taufe ist das Erkennungszeichen aller Christinnen und Christen in allen Ländern und in allen Kirchen und Gemeinden auf der Welt. Wir feiern heute also ein richtig großes Fest, wenn wir drei Kinder taufen! Eines von unseren Taufkindern feiert heute noch ein anderes Fest: Seinen Geburtstag – herzlichen Glückwunsch! Schön, wenn Tauftag und Geburtstag so zusammenfallen. Dann kann man die Taufkerze gleich als Geburtstagskerze anzünden. Die Taufkerze als Geburtstagskerze: Genau das will die Taufkerze sein, und zwar für uns alle. Auch für die von uns, die nicht an ihrem Geburtstag getauft wurden: Die Taufkerze ist eine Geburtstagskerze. Schön, wenn Sie auch in Zukunft daran denken und die Taufkerze anzünden an Ihrem Tauftag und Geburtstag, oder an dem Ihres Kindes. Dann können Sie mit Ihrem Kind darüber reden, wie das heute war, am Tag seiner Taufe, und warum Sie sich gewünscht haben, dass Ihr Kind getauft wird.

Einige von Ihnen haben wegen Corona lange darauf warten müssen, bis Sie die Taufe von Ihrem Kind feiern konnten. Aber es ist Ihnen wichtig geblieben: Heute ist es endlich so weit. Andere haben selber große Opfer in ihrem Leben gebracht, um sich taufen lassen zu können. Zu Jesus Christus und zu seiner Kirche dazugehören zu können, war für Euch nicht einfach. Aber es war Euch so wichtig, dass Ihr alles andere hintenangestellt habt. In diesem Glauben wollt Ihr auch Euer Kind erziehen, deswegen lasst Ihr es heute taufen. Ganz unterschiedliche Geschichten sind das, die Sie heute mitbringen. Die Taufkerze kann Ihnen dabei helfen, diese Geschichten Ihrem Kind zu erzählen, wenn es etwas größer ist. Vielleicht können Sie Ihrem Kind auch etwas davon erzählen, warum die Taufkerze eine Geburtstagskerze ist: Mit der Taufe beginnt etwas ganz Neues, ein neues Leben. Es ist wie eine Geburt. Wie neugeboren sind wir bei Gott. Mit der Taufe bekommen wir auch neue Eltern und Verwandte – als Unterstützung für unsere Eltern, die wir seit unserer Geburt haben. Wir bekommen Paten, die uns im Leben und Glauben begleiten wollen. Und noch viel mehr bekommen wir: Wir bekommen einen Vater im Himmel, der immer für uns da ist – auch da, wo Menschen das nicht mehr können – Gott, unser Vater, der uns helfen will, der uns zuhört, wenn wir zu ihm beten. Mit ihm können wir im Gebet reden wie mit einem Freund. Auch einen neuen Bruder bekommen wir in der Taufe: Jesus Christus, Gottes Sohn. Er war ein Mensch wie wir, und doch Gott gleich. Durch die Taufe sind wir ganz eng verbunden mit Jesus Christus. Auf seinen Namen sind wir getauft: Als Getaufte nennen wir uns Christinnen und Christen. Und noch viel enger sind wir durch die Taufe mit Jesus Christus verbunden; mit allem, was er erlebt und erlitten hat. Davon schreibt der Apostel Paulus im Brief an die Gemeinde in Rom: In der Taufe sind wir mit hineingenommen in den Tod von Jesus Christus. Dafür steht das Wasser der Taufe. Das Wasser der Taufe steht für den Tod – den Tod von allem, was uns von Gott trennt: Die Sünde, die Schuld – all das, was in unserem Leben verbogen und schief gelaufen ist. All das soll im Wasser der Taufe untergehen, damit wir einen neuen Anfang machen können in unserem Leben. So wird uns in der Taufe neues Leben geschenkt – so wie Jesus Christus nach seinem Tod am Kreuz neues Leben geschenkt wurde an Ostern. Jesus Christus ist auferstanden. Unser Leben wird neu durch die Taufe. Unser Leben wird neu durch die Taufe. Das Böse und Dunkle hat keine Macht mehr über uns. Deswegen ist die Taufkerze eine Geburtstagskerze. Und deswegen zünden wir sie an der Osterkerze an. Wir sind neu geboren in der Taufe. Ein neuer Anfang mit Gott ist uns geschenkt, ein neues Leben durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi.

Es ist gut, dass wir auch schon ganz kleine Kinder taufen. Denn bei Gott ist jeder willkommen, von Anfang an. Und es ist auch gut, dass wir die Taufe nur einmal feiern in unserem Leben. Denn sie ist etwas Einmaliges und Besonderes. Aber immer wieder brauchen wir einen Neuanfang in unserem Leben, wenn wir in eine Sackgasse geraten sind. Dann ist es gut, wenn wir uns an die Taufe erinnern, an den Neuanfang, das neue Leben, das Gott uns in der Taufe geschenkt hat. Martin Luther hat das auch so gemacht. Wenn ihn dunkle Gedanken gequält haben, dann hat er vor sich auf den Tisch mit großen Buchstaben aufgeschrieben: „Ich bin getauft.“ Das hat ihm geholfen. Nehmen wir uns doch ein Vorbild daran und erinnern wir uns in schwierigen Momenten immer wieder an unsere Taufe. Vielleicht können wir sogar unsere Taufkerze dazu anzünden und dabei daran denken: Sie ist unsere Geburtstagskerze für das neue Leben, das mit unserer Taufe begonnen hat.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

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Predigt vom 17. Juli 2022



Und Terach nahm seinen Sohn Abram, dazu Lot, den Sohn Harans, seinen Enkel, auch Sarai, seine Schwiegertochter, die Frau seines Sohnes Abram, und sie zogen miteinander aus von Ur in Chaldäa, um ins Land Kanaan zu gehen. Als sie aber nach Haran kamen, blieben sie dort. Terach starb in Haran.

Der HERR aber hatte zu Abram gesprochen: Geh hinaus aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde! Und ich will dich zu einem großen Volk machen und dich segnen und deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde! Da ging Abram, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot ging mit ihm. 

Liebe Gemeinde, dies ist der Beginn der Geschichte Abrahams, der damals noch Abram hieß. Abram lebte mit seiner Familie in Ur in Mesopotamien – das liegt im heutigen Irak.  Dort erreichte ihn der Ruf Gottes, der ihn aufforderte, sein Heimatland zu verlassen. Daraufhin verließ Abram Ur, um nach Kanaan zu gehen. Aber er kam zunächst nicht bis Kanaan, sondern ließ sich in Haran nieder. Erst nachdem sein Vater dort gestorben war, zog er gemeinsam mit seinem Vetter Lot weiter nach Kanaan (Apg. 7, 2-4).

Abraham ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Bibel. Er hat sowohl für das Judentum, für den Islam und für das Christentum große Bedeutung. So berufen sich die Schriftgelehrten im Neuen Testament darauf, Nachkommen Abrahams zu sein und Jesus selbst bezeichnet eine Frau als “Tochter Abrahams”. Abraham wird insgesamt 74 mal im Neuen Testament erwähnt. 

Zweifellos ist die Berufung Abrahams und die damit verbundene Verheißung ein Höhepunkt und ein Wendepunkt im Leben Abrahams. Er wird aufgefordert, alles Vertraute hinter sich zu lassen und etwas völlig Neues zu beginnen. Die Verheißungen sind an die Bedingung geknüpft, alles Alte hinter sich zu lassen. Die Verheißungen würden sich in Kanaan, dem Land der Verheißung, erfüllen. Doch was hat die Geschichte Abrahams für unser heutiges Leben für eine Bedeutung?

Am Anfang der Geschichte steht das Reden Gottes. Im Alten Testament wird berichtet, dass Gott zu einigen auserwählten Personen wie Abraham sprach. Im Neuen Testament offenbart sich Gott durch seinen Sohn und er redet zu uns allen (Apg. 2, 17).
Die Aufforderung, das Alte und Vertraute hinter sich zu lassen, gilt für uns heute ebenso, wie damals für Abraham. Wir sollen unser altes Denken und die Orientierung an unserer Umgebung aufgeben und uns stattdessen am Wort Gottes zu orientieren. Wir sollen uns durch den Geist Gottes und durch sein geschriebenes Wort inspirieren und führen lassen.
Das gelobte Land Kanaan, das Abraham verheißen wurde, ist sowohl ein realer Ort, wie auch ein Bild für den Ort, an dem Gott Abraham segnet. Dieser Ort ist für uns die ewige Wohnung, die Jesus für die Seinen vorbereitet hat. Unser Herz soll nicht am Irdischen und Vergänglichen hängen, sondern wir sollen uns auf das Ewige und Bleibende ausrichten.
Gott machte sich mit Abraham eins, indem er sagte, dass er diejenigen segnen oder verfluchen würde, die Abraham segnen oder verfluchen würden. So macht sich Gott in Christus mit uns eins und er wird zu uns stehen, wenn wir seinem Ruf folgen werden. 

Vielleicht denken wir, dass Abraham ja sehr besonders war und besonders befähigt war. Doch wenn wir die Geschichte Abrahams lesen, dann können wir feststellen, dass Abraham ebenso ein fehlerhafter Mensch war wie wir.
Was ihn auszeichnete, das war sein Vertrauen in Gott. Deshalb wird er auch “Vater des Glaubens” genannt. Dies ist es, was wir unbedingt von Abraham lernen sollten: Zu vertrauen.

Uns ist Gott in Jesus Christus erschienen. Ihm können wir in jeder Lebenslage vertrauen. Es gibt nichts, das wir ihm nicht anvertrauen können und es gibt keine Situation, in der er uns nicht helfen wird. Vielleicht sind wir längere Zeit auf dem Weg stehen geblieben – so wie Abraham in Haran. Dann dürfen wir getrost in der Nachfolge weitergehen und gewiss sein, dass er uns auf dem Weg begleitet und hilft. 

Zum Schluss noch eine kleine Geschichte:
Zwei Freunde stehen im Garten. Es ist Sommer und die Sonne scheint. Da fragt ein Freund den anderen: “Wann ist wohl die beste Zeit, einen Apfelbaum zu pflanzen?”. Die Antwort kommt prompt: “Die beste Zeit war vor 20 Jahren”. Dann kommt die nächste Frage: “Und wann ist die zweitbeste Zeit?”. Die Antwort ist: “JETZT”.

Wenn wir den besten Zeitpunkt versäumt haben, dann sollten wir den zweitbesten nehmen.

Amen

Gerhard Walderich, Tuningen



Mit freundlichen Grüßen

Martin Siedler
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