Kategorien
Allgemein Gedanken zum Sonntag

Gedanken zum Konfirmanden-Abendmahl

 

Predigt zum Konfirmanden- Abendmahlsgottesdienst am 4. Mai 2024

Liebe Mitchristen!

„Was sollen wir zum Konfirmanden- Abendmahlsgottesdienst anziehen?“ Das haben mich die Konfirmanden in einer der letzten Konfirmandenunterrichtsstunden gefragt. Und ich habe mich gefragt: Soll ich ihnen jetzt sagen, ob ihre Kleidung dunkel oder hell, bunt oder einfarbig sein soll? Ob eine Jeans mit Löchern noch okay wäre oder wie kurz der Rock sein dürfte? Aber um all das ging es den Konfirmanden gar nicht bei ihrer Frage. Und ich hätte darauf auch keine konkrete Antwort gegeben, höchstens eine ungefähre Richtschnur. Eine genaue Kleiderordnung kann und will ich nicht vorgeben- nicht einmal für die Konfirmation. Den Konfirmanden ging es aber um etwas anderes bei ihrer Frage. Sie wollten einfach nur wissen: „Sollen wir beim Abendmahlsgottesdienst schon unsere Konfirmationskleidung anziehen oder einfach so kommen, wie wir sonst immer angezogen sind?“

Wir haben im Konfirmandenunterricht dann darüber gesprochen, wie es für die Konfirmanden besser passen würde. Es gab unterschiedliche Meinungen dazu. Schließlich hat sich die Meinung durchgesetzt: Die festliche Konfirmationskleidung ist dem eigentlichen Festtag vorbehalten, der Konfirmation. Der Abendmahlsgottesdienst am Vorabend wird in Alltagskleidung gefeiert. Es war die Entscheidung der Konfirmanden, es so zu halten. Aber nachdem diese Entscheidung gefallen war, fand ich doch auch, dass es so passt, ja womöglich sogar einen tieferen Sinn hat, wenn wir zum Abendmahlsgottesdienst in Alltagskleidung kommen. Sicherlich war es richtig, dass es hierzu unterschiedliche Meinungen gab, denn schließlich ist es etwas Besonderes, wenn wir zum Tisch des Herrn gehen. Die meisten von uns würden es nicht gutheißen, wenn da jemand mit zerrissenen Hosen käme.

Aber was würde Jesus dazu sagen? Er ist der Gastgeber. Er lädt uns beim Abendmahl an seinen Tisch. Ich denke, Jesus würde uns auch mit zerrissenen Hosen willkommen heißen. In der Bibel lesen wir, dass Jesus sich mit Menschen umgeben hat, mit denen sonst keiner etwas zu tun haben wollte (Lukas 15, 1-2). Mit Sündern hat sich Jesus zusammengesetzt und mit ihnen gegessen. Kaputte Menschen waren das- die mit den zerrissenen Kleidern oder mit den Röcken, die viel zu kurz waren. Bei den anständigen Menschen hat das für Empörung gesorgt: Wie kann Jesus nur! Wie kann man nur mit solchen Leuten Gemeinschaft haben! Jeder weiß doch, was das für welche sind!

Jesus wollte, dass die Leute verstehen, warum er das macht. Dazu hat er ihnen Geschichten erzählt- in diesem Fall gleich drei Geschichten. In allen diesen drei Geschichten passiert etwas Ähnliches. Jedes Mal geht es darum, dass etwas verloren geht. Bei der ersten Geschichte ist es ein Schaf aus einer Herde mit hundert Tieren (Lukas 15, 3-7). Bei der zweiten Geschichte ist es eine von zehn Silbermünzen (Lukas 15, 8-10). Und bei der dritten Geschichte ist es einer von zwei Söhnen (Lukas 15, 11-32).

Was macht ihr, wenn ihr etwas verliert, was euch sehr wichtig ist? fragt Jesus mit diesen Geschichten. Gebt ihr euch dann einfach zufrieden mit dem, was noch übrig ist und nicht verloren gegangen ist? Findet ihr euch damit ab, dass ihr jetzt eben nur noch 99 Schafe, nur noch 9 Silbermünzen oder nur noch einen Sohn habt? Gebt ihr das eine, das verloren gegangen ist, einfach auf? Oder seid ihr in Gedanken immer bei dem, was verloren gegangen ist- bei dem einen Schaf, bei dieser einen Silbermünze, bei diesem einen Sohn? Werdet ihr womöglich sogar alle Hebel in Bewegung setzen, um das Verlorene wieder zu finden? Werdet ihr eine Suchaktion starten, die bis in den letzten Winkel reicht, keinen Stein auf dem anderen lassen und alle Möglichkeiten durchgehen, um das Verlorene wieder zu finden?

Ja, das werdet ihr, sagt Jesus. Denn dieses eine Schaft, diese eine Silbermünze, dieser eine Sohn ist euch so wichtig, dass ihr alles dafür tun werdet, um ihn wieder zu finden. Und Gott sieht das ganz genauso wie ihr, sagt Jesus mit seinen Geschichten. Jeder einzelne Mensch ist Gott so unheimlich wichtig, dass Gott alles dafür gibt, dass dieser eine Mensch nicht verloren geht. Gott gibt alles für uns. Gott gibt für uns sein Leben. Am Kreuz ist Jesus Christus für unsere Sünden gestorben. Ja, zu Jesus dürfen wir so kommen wie wir sind- nicht nur in Festkleidung, auch in Alltagskleidung. Zu Jesus dürfen wir alles bringen- nicht nur das, worauf wir stolz sind und womit wir glänzen können. Auch das, wofür wir uns schämen, dürfen wir zu Jesus bringen. Auch das Kaputte in unserem Leben- unser Versagen, unsere Fehler, unsere Schuld.

Liebe Konfirmanden! Heute seid ihr in Alltagskleidung gekommen zum Abendmahl, in dem euch Jesus Christus die Vergebung der Sünden schenken will. Was euch bedrückt, was euch beschwert und belastet- all das dürft ihr hier in dieser Feier ablegen und euch davon freimachen. Legt es ab, so wie ihr heute Abend vor dem Schlafengehen eure Alltagskleidung ablegt, und morgen früh zur Konfirmation eure Festkleider anzieht. Lasst euch versöhnen mit Gott und empfangt seine Vergebung. Denn für Gott zählt jeder Einzelne. Gott gibt niemanden verloren. Jeder Einzelne, der den Weg zu Gott findet, ist Gott ein Freudenfest wert: „Freut euch mit mir, ich habe gefunden, was ich verloren hatte,“ sagt Gott (Lukas 15, 6+9) und lädt zum Fest ein: „Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein!“ (Lukas 15, 22-23) Ja, liebe Konfirmanden, das wird ein Fest morgen bei eurer Konfirmation, wenn ihr eure Festkleider anhabt. Und am allermeisten freut sich Gott über dieses Fest. Denn Gott will, dass alle Menschen den Weg zu ihm finden.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Jubilate

Predigt zum Thema „Unser Freund heißt Jesus Christ“ beim Familiengottesdienst am 21.04.2024

Liebe Mitchristen!

„Unser Freund heißt Jesus Christ“- das habt ihr Kinder vom Evangelischen Johannes-Kindergarten uns ganz eindrücklich erzählt, vorgespielt und vorgesungen. Wie ist das, wenn ihr einen Freund habt? Was könnt ihr mit eurem Freund oder eurer Freundin alles machen? Wann ist so ein Freund wichtig? Wenn ihr zusammen spielen wollt. Wenn ihr miteinander fröhlich seid und Feste feiert- zum Beispiel euren Geburtstag. Aber auch, wenn ihr mal traurig seid oder euch jemand geärgert hat. Gerade dann ist es auch ganz wichtig, einen Freund oder eine Freundin zu haben. Mit meiner besten Freundin kann ich über alles reden- auch über Sachen, die ich sonst niemandem erzähle- weil sie mir vielleicht peinlich sind, oder weil sie einfach zu persönlich sind. Meine Freundin lacht mich nicht aus. Sie lacht höchstens mit mir zusammen, nicht über mich. Mit meiner besten Freundin kann ich zusammen fröhlich sein und schöne Dinge unternehmen. Und wenn es mir mal nicht so gut geht, dann ist sie auch da. Dann hört sie mir zu und versucht, mir zu helfen.

Jesus hatte auch Freunde. Das waren seine Jünger. Mit denen hat Jesus viel erlebt. Sie waren zusammen unterwegs in den Dörfern und in den Städten und haben den Menschen von Gott erzählt. Gut, dass Jesus da nicht alleine unterwegs war. Alleine kann es manchmal ganz schön schwer sein. Zum Besipiel, wenn jemand zu einem sagt: „Du darfst nicht mitspielen.“ Das wollen wir zu niemandem sagen. Alle sollen mitspielen dürfen. Denn es ist schlimm, wenn man alleine ist und keine Freunde hat. Niemand soll allein sein.

Das können wir von Jesus lernen. Jesus wollte alle dabeihaben. Jesus wollte, dass alle mitmachen dürfen- auch die Kinder. Auch wenn sie noch ganz klein sind und nicht alles verstehen, was die Erwachsenen über Gott reden. Jesus wollte sie dabei haben. Die Jünger von Jesus haben das nicht verstanden. Sie haben gedacht: Die Kinder stören hier, wenn Jesus von Gott erzählt. Die Kinder sind noch zu klein, um das zu verstehen. Also wollten sie die Kinder wegschicken- und die Eltern gleich mit, die ihre Kinder zu Jesus bringen wollten. Aber Jesus sagt: „Nein! Das geht nicht! Ihr dürft die Kinder nicht wegschicken. Die Kinder sollen kommen. Gott freut sich über die Kinder ganz besonders.“

Jesus schimpft mit den Jüngern. Dabei sind das doch seine Freunde. Manchmal passiert es eben, dass man sich nicht einig ist unter Freunden. Hattet ihr schon einmal Streit mit eurer Freundin oder eurem Freund? Manchmal endet so ein Streit damit, dass wir zueinander sagen: „Du bist nicht mehr mein Freund.“ Das ist schlimm. Hoffentlich schaffen wir es dann, dass wir uns wieder vertragen. Damit wir wieder Freunde sein können nach dem Streit. Jesus sagt zu seinen Jüngern nicht: „Ihr seid nicht mehr meine Freunde.“ Und die Jünger sagen das auch nicht zu Jesus. Die Jünger merken: Es war falsch, was wir gemacht haben. Jesus hat Recht. Die Kinder sollen kommen. Also gibt es keinen Streit. Jesus und die Jünger vertragen sich wieder.

Und die Kinder freuen sich. Die Kinder dürfen zu Jesus kommen, ganz nach vorne, vorbei an all den großen Erwachsenen, die ihnen die Sicht versperrt haben. Sie dürfen sich von Jesus umarmen lassen, wenn sie das wollen, und sich von Jesus segnen lassen. Jesus ist ein richtig guter Freund. Wenn andere mich ärgern, dann ist er da und hilft mir. So wie die Jünger die Kinder wegschicken wollten, aber Jesus verhindert das und hilft den Kindern. Ja, Jesus kann helfen- auch heute. Wenn ich zu ihm bete, dann hört er mich. Wenn ich bete, dann kann ich Jesus alles sagen- auch das, was ich sonst nur meiner besten Freundin erzähle, weil es mir sonst peinlich ist oder einfach zu persönlich. Bei Jesus brauche ich mich nicht zu schämen. Jesus ist immer mein Freund- auch wenn ich mal alleine bin und sonst niemand da ist, der mir hilft. Jesus bleibt mein Freund.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

Kategorien
Einladung zur öffentlichen KGR Sitzung

Montag, 15.04.2024 um 19:30 Uhr im Gemeindesaal Wehingen

Öffentlicher Teil

Top 1

19:30 Uhr

Begrüßung

Andacht 

Top 2

Festlegung und Ergänzung der Tagesordnung

Top 3

Öffentliches Protokoll der letzten Sitzung vom 19.03.2024

Top 4

a. Mitteilungen und Anregungen

b. Rückblick: 

  • Gottesdienste in der Karwoche und an Ostern
  • Gottesdienst mit den Konfirmanden – 28.03.2024
  • Atempause 07.04.2024

c. Ausblick:

  • Familiengottesdienst 21.04.2024 
  • Gemeindewanderung 21.04.2024
  • Konfirmation 05.05.2024
  • Ökumenischer Pfingst-Gottesdienst 20.05.2024
  • Mitarbeiter-Dank mit Mittagessen 23.06.2024 (Caterer, Einladung etc.)
  • Posaunenchorjubiläum mit Mittagessen 29.09.2024
  • Gemeindebrief
  • Neue Gruppe: Beten am Dienstagmorgen bei Rita Hauser
  • Gebets- Briefkästen- Aktion vom Hauskreis Rückert

Top 5

KGR-Dienste: Planung GD 2024 (Churchtools)

Kirchkaffee 

Organisation Winterdienst – auch im Churchtools möglich?

Top 6

Bauausschuss: 

  • Stand der Dinge
  • Beleuchtung Kreuz an der Kirche vs. Naturschutzgesetz 
  • Weiteres Vorgehen Kirchenumbau – Auswahl des Architekten
  • (Vogelabwehr am Kirchturm (bei Anbringung der Kreuzbeleuchtung oder im Zuge des Kirchenumbaus))

Top 7

Distrikt / Kirchenbezirk

Top 8

Thema sexualisierte Gewalt – Schutzkonzept

Vor-Ort-Schulungen zur Auswahl: 21.06. Tross. 17:30-21:00; 22.06. RW 09:30-13:00; 12.07. Tut. 17:30-21:00; 13.07. Tut. 09:30-13:00

Top 9

Verschiedenes: 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Predigt zu Karfreitag, 29. März 2024

Liebe Mitchristen!
Es ist Karfreitag. Das Geläut unserer vier Glocken, das sonst immer zu unseren Gottesdiensten einlädt, bleibt heute stumm. Am Karfreitag ist es still. Die Glocken schweigen. Kein einziges noch so kleines Glöckchen erklingt. Nichts. Schweigen. Karfreitag, dass ist der Tag, an dem Jesus gestorben ist. In aller Stille begehen wir diesen Feiertag. Auch Jesus selbst schweigt, als er am Kreuz hängt. So erzählt es uns das Matthäusevangelium (Mt 27, 33-56). Jesus schweigt. Er, Jesus, der immer so viele Geschichten wusste. Der in Gleichnissen von Gott erzählt hat, der für uns da ist. So wie ein guter Vater, der seinen verlorenen Sohn nach langer Abwesenheit wieder daheim willkommen heißt und ihm vergibt. So wie ein guter Hirte, der keines seiner Schafe verloren gibt- auch nicht ein einziges. So wie eine sorgfältige Hausfrau, die ihr ganzes Haus auf den Kopf stellt und nicht aufgibt, bis sie ihre verlorene Silbermünze wieder gefunden hat (Lk 15, 1-32). Ja, Jesus konnte erzählen. Mit seinen Geschichten konnte er den Menschen Mut und Hoffnung machen. Und diskutieren konnte er. So manches Streitgespräch hat er geführt mit den religiös Gebildeten seiner Zeit. Mit seinen Worten konnte Jesus die Dinge zurechtrücken. Mit seinen Worten konnte Jesus den Menschen die Augen öffnen und sie von ihren falschen Wegen abbringen. Jesus konnte Glauben wecken, trösten, ermutigen, heilen- alles mit seinen Worten.
Aber jetzt am Kreuz schweigt Jesus. Sollte das alles, was er zuvor mit seinen Worten bewirkt hat, jetzt vorbei sein? Hat Jesus jetzt nichts mehr zu sagen- ausgerechnet jetzt, wo die Menschen doch eine Erklärung bräuchten, die da um das Kreuz herumstehen. Jemanden, der ihnen hilft zu verstehen, was hier gerade passiert. Jemand, der ihnen sagt, dass das noch gilt, was Jesus alles gesagt und getan hat, als er mit seinen Jüngern in Israel unterwegs war und die Herzen so vieler Menschen für Gott geöffnet hat. Aber Jesus erklärt nichts, als er am Kreuz hängt. Jesus schweigt.
Still ist es deswegen nicht an diesem ersten Karfreitag, dort draußen vor den Toren Jerusalems, dort oben auf dem Hügel Golgatha. Laut wird es zugegangen sein bei dem Glücksspiel, das die Soldaten unter dem Kreuz spielten. Jesus ist noch nicht gestorben, da teilen sie schon seine Kleider unter sich auf: Wer wird wohl das große Los ziehen und das Obergewand von Jesus bekommen? Der Stoff ist noch gut; mit dem Kleidungsstück kann man was anfangen- vielleicht hat der Gewinner dieses Glücksspiels sogar gejubelt? Die Soldaten unter dem Kreuz, sie haben schon viele Menschen sterben sehen. Es kümmert sie nicht mehr, ob da gerade jemand qualvoll am Kreuz stirbt.
Menschen können abstumpfen, können ihre Fähigkeit zum Mitleiden und zur Mitmenschlichkeit verlieren. Ideologische Verblendungen, eigene Gewalterfahrungen, Hass, der geschürt wird- das alles kann Menschen so verändern. Ich denke an den Krieg in der Ukraine, der nun schon seit über zwei Jahren andauert. An die Soldaten, die dort auf beiden Seiten kämpfen, an die Gräueltaten, die dort begangen wurden und weiter begangen werden, Tag für Tag. Ich denke an Terroristen. An die, die am vergangenen Freitag in Moskau ein Blutbad angerichtet haben. An die Hamas- Kämpfer, die am 7. Oktober 2023 in Israel wehrlose Zivilisten brutal niedergemetzelt haben. Ich denke an den Gazakrieg, der hier seinen Anfang genommen hat- an die Tausenden von Menschen, die in diesem Krieg ihr Leben verloren haben, an die Palästinenser im Gazastreifen, die nirgendwo in Sicherheit sind. Kümmert es uns, dass unsere Welt gerade aus den Fugen gerät? Stört es uns noch, dass sich die Rüstungsspirale immer weiter nach oben dreht? Beunruhigt es uns, dass sich Juden in unserem Land nicht mehr sicher fühlen? Haben wir noch Mitleid mit den Opfern des Terroranschlags in Moskau, mit der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen?
Jesus schweigt. Auch uns bleibt oft nur Schweigen. Ratloses Schweigen, hilfloses Schweigen. Wir wissen keinen Ausweg aus den Krisen dieser Zeit. Wir wissen keine Lösung. Uns fehlen die Worte. Aber Schweigen ist schwer zu ertragen. Jesus schweigt stundenlang, dort am Kreuz auf Golgatha. Für die, die um das Kreuz herumstehen, ist das zu viel. Und so tun sie das, was Menschen tun, wenn das Schweigen unerträglich wird und sie doch keine passenden Worte finden. Unter dem Kreuz wird es laut. Es ist, wie wenn sich ein Ventil öffnet. Spott, Ironie, Sarkasmus- das alles prasselt auf Jesus ein: „Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz!“ „Anderen hat er geholfen, und kann sich selber nicht helfen. Er ist der König von Israel, er steige nun herab vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben.“ „Er hat Gott vertraut, der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.“ „Halt, lass uns sehen, ob Elia komme und ihm helfe!“ (Mt 27,39-43.49)
Sind das die Gaffer, die so reden? Die Unfalltouristen, die in unseren Tagen die Rettungskräfte behindern und Bilder von Unfalltoten ins Internet stellen? Sind das diejenigen, die heutzutage im Internet einen shitstorm lostreten? Diejenigen, die Hasstiraden posten, um anderen damit zu schaden? Oder ist es einfach nur Enttäuschung und Frustration, die sich hier wütend Bahn bricht? Das Blatt hat sich gewendet. Der, dem sie am Palmsonntag als König zugejubelt haben, hat ihre Erwartungen nicht erfüllt. Wollen sie ihn wirklich nur verspotten, oder erwarten sie doch eine Antwort von ihm? Eine Erklärung, damit alles wieder Sinn macht. Ein Machtwort. Oder besser noch: Eine mächtige Tat: Steig herab vom Kreuz. Wir können es nicht ertragen, dass du dort so hilflos hängst. Du warst doch unsere Hoffnung und unsere Hilfe. Und jetzt stirbst du so einen schändlichen Tod und lässt uns allein zurück.
Hätte Jesus da nicht antworten sollen? Hätte er nicht erklären sollen, dass sein Sterben einen Sinn hat? Dass es so sein muss, damit sich niemand mehr von Gott verlassen fühlen muss, auch nicht im schwersten Leiden? Dass für uns dadurch Vergebung möglich wird, ein Neuanfang trotz aller Schuld? Aber Jesus schweigt. Machtlos und wehrlos hängt er am Kreuz und schweigt. In diesem Moment ist er ganz Mensch, ganz Leidender. Und gerade dadurch uns so nah in unseren dunklen Stunden, wenn uns die Worte fehlen. Worte des Trostes, die wir Trauernden sagen wollten. Und dann stehe ich diesen Menschen gegenüber und sehe das ganze Elend in ihrem Blick, und die Worte bleiben mir im Hals stecken. Angesichts des Todes wird der Mensch stumm und sprachlos. Und auf die oberflächlichen Worte, auf das „Kopf hoch“ und „Wird schon wieder“ will ich auch nicht zurückgreifen. Besser gar keine Worte als solch falscher Trost.
Jesus fehlen die Worte. Und nach drei Stunden kommt zum Schweigen noch die Dunkelheit. Nichts ist mehr zu hören. Der Gekreuzigte schweigt. Die Welt ist stumm. Nichts ist mehr zu sehen. Die Welt verhüllt vor Trauer ihr Gesicht. Erst kurz vor seinem Tod spricht Jesus. Nein, er spricht nicht, er schreit. Sein Todesschrei ist es. In die Dunkelheit hinein schreit Jesus diesen einen Satz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus schreit und stirbt. Verstörend sind seine letzten Worte, die das Matthäusevangelium überliefert, diese tiefe Gottverlassenheit, die Jesus verspürt hat in seiner letzten Stunde. Und doch ist dieser Schrei ein Gebet. Alte und vertraute Worte sind das, die Jesus in seiner höchsten Not einfallen, Worte aus Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Mit Jesus schreit alles in der Welt, das gequält wird. Wo ist Gott in diesem Moment? Wo ist Gott in unserer Zeit? Wo war er im Oktober bei dem Hamas- Terror in Israel? Wo war er, als vergangenen Freitag der Terroranschlag in Moskau geschah? Wo ist Gott in den Kriegsgebieten, in der Ukraine, im Gazastreifen und anderswo, wo Menschen sterben und verwundet werden an Körper und Seele? Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Wo ist Gott zu finden, wenn nicht dort am Kreuz, wenn nicht in diesem Schrei äußerster Gottverlassenheit? Denn es ist Gott selbst, der dort leidet. Gott, der nicht will, dass Menschen leiden. Er kann nicht stumm am Kreuz hängen, und seine Geschwister sterben durch Krieg, Terror und Gewalt. Gott ist es nicht egal, wie es auf seiner Welt zugeht. Er stirbt nicht ohne Protest gegen alle, die den Tod mit dem Taschenrechner betreiben. Für Gott zählt jedes Menschenleben. Sein Schrei ist auch der Schrei der Vergewaltigten, Gefolterten und Ermordeten in unserer Zeit. Gott leidet mit. Im Aufschrei. Im Protestschrei gegen das Leiden wird Gott unser Bruder- in Jesus Christus, der am Kreuz für uns gestorben ist.
Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer
Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Palmsonntag

 

Predigt zum Palmsonntag, 24.03.2024

 

Liebe Mitchristen,

 

„Mach’s wie Gott- werde Mensch.“ So lautet ein Spruch, der zum christlichen Glauben und Leben einladen will. Heute wollen wir einladen zum christlichen Glauben und Leben. Zwei Kinder haben wir getauft und haben sie so mit hineingenommen in unsere Gemeinde. Mit ihren Familien sind sie gekommen: mit Eltern, Paten, Verwandten und Freunden. Das sind Menschen, die diese Kinder in Liebe begleiten wollen. Die ihnen helfen wollen, hineinzuwachsen in dieses Leben und diesen Glauben. Menschen, die sich durch diese beiden Kinder herausfordern und hinterfragen lassen wollen in ihren eigenen Glaubensüberzeugungen. „Mach’s wie Gott- werde Mensch.“ Dieser Spruch ist eine solche Herausforderung, von der wir uns hinterfragen lassen können in unseren Glaubensüberzeugungen.

 

Gott wird Mensch- ja, das wissen wir. Diese Glaubensüberzeugung haben wir in der Schule gelernt und in der Kirche oft gehört. Einmal im Jahr feiern wir sogar ein großes Fest deswegen- Weihnachten. Gott wird Mensch. Ja. Aber was hat das mit mir zu tun? Sehr viel, sagt uns dieser Spruch: „Mach’s wie Gott- werde Mensch.“ Oder wie es der Apostel Paulus im Philipperbrief, Kapitel 2 Vers 5 formuliert: „Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht.“ Wie muss nun meine Gesinnung, meine Glaubensüberzeugung sein, damit sie der Gemeinschaft mit Jesus Christus entspricht, frage ich weiter. Ich denke, der Apostel Paulus ist das von den ersten Christengemeinden wohl auch gefragt worden. Und vermutlich hat er ungefähr so geantwortet: Erinnert euch an das, was ihr gelernt habt. An die alten Texte, an die Lieder, an die Lieder, an die Gebete. Manche davon sind euch von Jugend auf vertraut. Andere habt ihr in späteren Jahren für euch entdeckt- in euren Gottesdiensten, oder im Austausch mit anderen Christinnen und Christen.

 

An ein solches Kirchenlied, das in den Gottesdiensten der ersten christlichen Gemeinden gesungen wurde, erinnert Paulus im Philipperbrief. Dort können wir dieses alte Kirchenlied nachlesen (Phil 2,6-11). Und so ist es bis heute erhalten geblieben, auch wenn wir die Melodie dazu nicht mehr kennen. Aber immer noch können wir es miteinander sprechen und beten, so wie wir es am Anfang dieses Gottesdiensts getan haben:

 

Christus Jesus, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

 

„Mach’s wie Gott- werde Mensch!“ Jesus Christus hat es so gemacht. Jesus Christus, Gottes Sohn. Er hätte für immer und alle Zeit in Gottes ewiger Herrlichkeit bleiben können. Aber er hat diesen Schutzraum verlassen. Er hat sich klein gemacht und ist ein Mensch geworden- ein winziges Kind, so klein wie die beiden Babys, die wir heute getauft haben. Und Jesus Christus ist seinen Weg gegangen. Er hat Jünger um sich geschart und den Menschen Gottes Reich ganz nahe gebracht. Kranke hat er gesund gemacht- die mit den gebrechlichen Körpern genauso wie die mit den gebrochenen Herzen. Wer keine Hoffnung mehr hatte, hat gespürt: Gott ist für mich da. Ich bin nicht allein. Wer keine Zukunft mehr gesehen hat, der hat gemerkt: Gott weiß den Weg für mich. Jesus Christus. In ihm kommt Gott zu uns. Auf seinen Namen sind wir getauft: Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen (Ps 91,11). Jesus Christus. Er hat uns die Liebe vorgelebt. Denn Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm (1. Joh 4,16). Jesus Christus. Ihm jubeln die Menschen zu , als er in Jerusalem einreitet (Joh 12,13).

Heute ist Palmsonntag. Nach langer Wanderung kommt Jesus in Jerusalem an. Sein Einzug ist großes Kino. Er zieht ein wie ein König. Aber ein König ohne Schwert und ohne Glanz. Er reitet auf einem Esel. Die bibelfesten Jerusalemer verstehen die Anspielung. Der Prophet Sacharja hat einen Friedenskönig angekündigt, der ein Gerechter und ein Helfer ist, der arm ist und auf einem Esel reitet. Heute kommt er. Jesus Christus, ein sanftmütiger König. Ich würde mir wünschen, dass alle Mächtigen so sind wie er. Dass sie ihre Macht nicht missbrauchen, um selbst groß rauszukommen. Ich würde mir wünschen, dass sie demütig sind, auf das Wohl der Menschen bedacht. Ich würde mir wünschen, dass die Mächtigen die Waffen aus der Hand legen. Und dass sie alle miteinander ins Grübeln kommen, wenn ein Plan den Tod unzähliger Menschen in Kauf nimmt. Ich würde mir wünschen, dass Verantwortung Menschen sanftmütig werden lässt. Damit die Erde bewohnbar bleibt für unsere Kinder und Enkel- auch für die beiden Babys, die wir heute im Namen Jesu Christi getauft haben.

 

„Mach’s wie Gott- werde Mensch.“ Ich weiß, ich kann nur bei mir selbst anfangen. Nicht die Großen und Mächtigen der Welt kann ich verändern- nur mich selbst. Nur so kann ich etwas ändern in der Welt. Also will ich bei mir anfangen. Ich will darauf achten, dass ich, wo ich Verantwortung habe und Menschen mir anvertraut sind, das nicht ausnutze. Ich will mir ein Vorbild nehmen an Jesus Christus- an seiner Freundlichkeit allen Menschen gegenüber, an seiner Friedfertigkeit und Sanftmut.

 

„Nenne ein Beispiel dazu, wie du in der kommenden Woche das Vorbild nachahmen kannst, das uns Christus durch seinen Dienst und seine Demut gegeben hat.“ Unser Hauskreis- Material hat uns diese Aufgabe gestellt, als wir im Hauskreis miteinander das alte Kirchenlied aus Philipper 2, 6-11 gelesen und besprochen haben. Welches Beispiel würde Ihnen hierzu einfallen?  „Mach’s wie Gott- werde Mensch“ – wie können Sie das in der kommenden Woche in die Tat umsetzen?  Wo können Sie in der kommenden Woche mehr Menschlichkeit leben- im Umgang mit Nachbarn und Kollegen, mit Freunden und der Familie- und, ganz wichtig, auch im Umgang mit Ihnen selbst? Wo ist mehr Geduld gefragt? Wo braucht es mehr Sanftmut, wo ein gutes Wort, wo tatkräftige Unterstützung?

 

„Mach’s wie Gott- werde Mensch.“ Im Hauskreis haben wir uns auch darüber unterhalten, dass das Vorbild, das Jesus Christus uns gibt, doch eine Nummer zu groß ist für uns. Er, der Sohn Gottes, wurde für uns Mensch. Er scheute nicht die letzte Konsequenz, verachtet und bespuckt zu werden. Er ist den Weg zu Ende gegangen bis in die größte Erniedrigung, bis zum Tod am Kreuz. Für uns hat er das alles getan- allein aus Liebe. Weil er uns unendlich liebt, deswegen ist Jesus Christus kein Weg zu schmutzig und zu schmerzvoll. Er ist für uns in den Tod gegangen, denn seine Liebe ist stärker als der Tod. Jesus Christus. Wir können nicht werden wie er. Aber wir können ihn und sein Leben vor Augen haben. Wir können darum bitten, dass wir die Kraft, die Geduld und die Liebe aufbringen, dass wir in jedem Menschen, der uns begegnet, ihn sehen- Jesus Christus. Ja, wirklich in jedem! Nicht nur in denen, die an Jesus Christus glauben. Nicht nur in denen, die ein gutes und vorbildliches Leben führen. In jedem Menschen, der mir begegnet, soll ich Jesus Christus sehen. Und wenn ich Menschen vor Augen habe, mit denen ich mich schwer tue- Menschen, die mich oder andere verletzt haben; Menschen, die viel Leid über die Welt gebracht haben, dann will ich daran denken, was in dem alten Kirchenlied aus dem Philipperbrief versprochen ist: „Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

 

 

 

Kategorien
Einladung zur öffentlichen KGR Sitzung

Dienstag, 19.03.2024 um 19:30 Uhr im Gemeindesaal Wehingen

Öffentlicher Teil

Top 1

19:30 Uhr

Begrüßung

Andacht 

Top 2

Festlegung und Ergänzung der Tagesordnung

Top 3

Öffentliches Protokoll der letzten Sitzung vom 21.02.2024

Top 4

a. Mitteilungen und Anregungen

b. Rückblick: 

  • Konfi-Samstag am 02.03.2024
  • Weltgebetstag 01.03.2024

c. Ausblick:

  • Kindergartenjubiläum – Frau Hauser kommt hierzu in die KGR-Sitzung
  • Osternacht 30.03.2024 und Ostergottesdienste
  • Atempause 07.04.2024
  • Familiengottesdienst 21.04.2024 mit Gemeindewanderung
  • Gemeindemittagessen 28.04.2024
  • Konfirmation 05.05.2024
  • Ökumenischer Pfingst-Gottesdienst 20.05.2024
  • Posaunenchorjubiläum mit Mittagessen?
  • Gemeindebrief
  • Konfi 3 und Konfi 8 in 2024/2025 – Konfirmationstermin 2025 (Vorschlag: 25. Mai 2025 (Rogate), bei Bedarf zusätzlich 18. Mai 2025 (Kantate))

Top 5

KGR-Dienste: Planung GD 2024 (Churchtools)

Kirchkaffee 

Top 6

Bauausschuss: 

  • Stand der Dinge
  • Vogelabwehr am Kirchturm
  • Beleuchtung Kreuz an der Kirche
  • Fehlende Dachrinne soll in das Gesamtprojekt Kirchen-Umbau integriert werden
  • Weiteres Vorgehen Kirchenumbau – Auswahl des Architekten und Beschluss des Finanzierungsplans

Top 7

Distrikt / Kirchenbezirk

  • Bericht Pfarrerdienstbesprechung
  • Bericht Bezirkssynode
  • Fortbildung für Trägervertreter zum Kinderschutzprogramm

Top 8

Studie zum Thema sexualisierte Gewalt

Schutzkonzept und Schulungen

Top 9

Verschiedenes: 

  • Public Viewing zur Euro 2024?
  • Neue Lieder hop oder top“ mit Pfr. Wiedenmann am 19.10.2024

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Lätare

 

Predigt zum Konfirmationsjubiläum am Sonntag, 10. März 2024

Liebe Konfirmationsjubilare!

Wie war das damals am Tag Ihrer Konfirmation, vor 50, 60 oder 70 Jahren? Erinnern Sie sich noch an Ihre Mitkonfirmanden; an den Pfarrer, der Sie konfirmiert hat? Vor 50 Jahren war es der Schuldekan, weil die Pfarrstelle gerade nicht besetzt war. Vor 70 Jahren, als unsere Kirchengemeinde gerade erst ein Jahr alt war, da hat Pfarrer Karnowsky mit Ihnen Konfirmation gefeiert. Das war in der Fronhofer Kirche, denn unsere Christuskirche war da noch nicht gebaut. Die Fronhofer Kirche ist sehr kalt, und Sie haben gezittert- vor Kälte und vor Aufregung. Viel hatten Sie auswendig gelernt in Ihrer Konfirmandenzeit: Den Katechismus, die Namen aller biblischen Bücher in der richtigen Reihenfolge- ja sogar die Namen der Sonntage mit ihren seltsamen lateinischen Klängen: Estomihi, Invokavit, Reminiscere, Okuli, Lätare, Judika, Palmarum. Vieles davon haben Sie aufsagen müssen, auch öffentlich vor der Gemeinde. Und nicht immer wussten Sie, wen der Pfarrer als nächstes aufrufen würde, und welches Stück aus dem Katechismus dann drankommen würde. Kein Wunder also, dass Sie aufgeregt waren. Heute müssen Sie nicht zittern- weder vor Aufregung noch vor Kälte. Heute müssen Sie nichts aufsagen, wenn Sie nachher am Altar stehen und den Segen Gottes, den Sie bei Ihrer Konfirmation empfangen haben, neu zugesprochen bekommen.

Was hat Ihnen dieser Segen bedeutet in all den Jahren, vom Tag Ihrer Konfirmation bis zum heutigen Tag- wenn Sie zurückblicken auf die vergangenen 50, 60 oder sogar 70 Jahre? Was hat es für Sie bedeutet, dass Sie evangelisch sind, dass Sie Christen sind und zu Jesus Christus gehören? „Ich habe meinen Glauben immer gelebt, mal mehr mal weniger.“ So hat eine von Ihnen Rückblick gehalten im Zeitungsinterview. Das finde ich beeindruckend, wenn jemand im Rückblick auf 70 Jahre gelebten Lebens sagen kann: „Ich habe meinen Glauben immer gelebt.“ Und ich finde es ehrlich, dass danach noch der Nachsatz kommt: „mal mehr, mal weniger.“ Denn ohne diesen Nachsatz wäre diese Aussage wohl zu steil. So glatt verläuft ein Menschenleben nun einmal nicht. Beim Rückblick auf so viele Lebensjahrzehnte sind da immer auch Höhen und Tiefen. Auch im Glaubensleben ist das so. Glaube und Zweifel gehören zusammen. Auf eine Zeit, in der der Glaube und die christliche Gemeinschaft ganz wichtig ist für mich, kann auch wieder eine andere Zeit kommen, in der das alles für mich ganz weit weg ist.

Heute ist für Sie alle, liebe Konfirmationsjubilare, ein Tag, an dem Sie Ihren christlichen Glauben „mal mehr“ leben – selbst wenn Sie das in den letzten Jahren oder Jahrzehnten eher weniger getan haben sollten. Mal mehr, mal weniger fest im Glauben stehen- das kennen wir alle aus unserem Leben, wenn wir ehrlich sind. Ja, sogar die großen Vorbilder im Glauben, die uns die Bibel vor Augen stellt, kennen dieses „mal mehr, mal weniger.“ Manchmal sogar in ganz dramatischer Weise, so wie Petrus, der seinen Herrn Jesus Christus dreimal verleugnet hat (Lukas 22, 54-62). Ich denke, Petrus hätte diesen Satz: „Ich habe meinen Glauben immer gelebt, mal mehr, mal weniger“ deswegen nicht unterschreiben können. Petrus hätte wohl eher sagen müssen: „Dass ich zu Jesus gehöre, daran habe ich zwar ein Leben lang festhalten wollen. Aber geschafft habe ich es nicht.“

Am Glauben festhalten in der Not, in der Gefahr, wenn es uns womöglich selbst an den Kragen geht- könnten wir das? Wären wir bereit dazu? Petrus hatte sich das fest vorgenommen. „Nie werde ich dich verlassen, Jesus! Wenn es hart auf hart kommt, bin ich bereit, mit dir ins Gefängnis zu gehen, ja sogar mit dir zu sterben!“ So sagt er. Aber Jesus kannte Petrus besser als der sich selbst kannte, und so antwortetet er ihm: „Noch bevor heute der Hahn kräht, wirst du dreimal abstreiten, dass du mich kennst.“ (Lukas 22,34) Und tatsächlich- es kommt, wie Jesus es vorhergesehen hat. Aber denken wir zunächst einmal nicht zu schlecht von Petrus. Immerhin ist er der einzige Jünger, der überhaupt hinterherläuft, als Jesus gefangen weggeführt wird. Alle anderen Jünger sind schon vorher vor Angst geflohen. Auch Petrus hat Angst- große Angst. Deswegen hält er Abstand, als er hinter den Bewaffneten herläuft, die Jesus gefangen genommen haben. Petrus will sehen, was sie mit Jesus jetzt machen. Sie bringen ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus folgt ihnen bis in den Hof. Von dort aus kann er in das Haus hineinsehen. Ja, manchmal gelingt es ihm sogar, einen Blick auf Jesus zu erhaschen. Jesus wird verhört, die ganze Nacht lang. Petrus zittert vor Aufregung und vor Kälte. In der Mitte des Hofes brennt ein Feuer. Die Bediensteten des Hohenpriesters wärmen sich daran. Petrus friert. Er stellt sich einfach dazu. Die Wärme des Feuers tut gut. Von hier aus kann Petrus noch besser in das Haus des Hohenpriesters hineinsehen, sehen wie sie Jesus verhören. Eine Dienerin reißt Petrus aus seinen Gedanken. Sie zeigt auf ihn: „Der da war auch mit diesem Jesus zusammen!“ sagt sie. „Nein, ich kenne diesen Jesus gar nicht,“ sagt Petrus erschrocken. Dreimal geht das so. Dann kräht der Hahn. Im Haus des Hohenpriesters dreht Jesus sich um und schaut Petrus direkt in die Augen. „Noch bevor heute der Hahn kräht, wirst du dreimal abstreiten, mich zu kennen.“ Petrus erinnert sich an diese Worte von Jesus. Er läuft weg, raus aus dem Hof. Er weint bitterlich.

„Ich habe meinen Glauben immer gelebt.“ Bei Petrus war das nicht so. Er hatte es sich vorgenommen, immer zu Jesus zu halten; immer dazu zu stehen, dass er zu Jesus gehört. Aber Petrus hat es nicht geschafft. Er hat versagt und bittere Tränen darüber vergossen. Liebe Konfirmationsjubilare! Was haben Sie sich vorgenommen, damals am Tag Ihrer Konfirmation? Und was ist daraus geworden? Welche Ihrer Pläne konnten Sie umsetzen in Ihrem Leben? Welches Glück wurde Ihnen geschenkt? Wofür können Sie dankbar sein? Und was ist ganz anders gekommen, als Sie es erwartet und erhofft hatten? Wo haben Sie versagt, wofür schämen Sie sich? Worüber haben Sie bittere Tränen vergossen?

Petrus weint. Er schämt sich. So wollte er nicht Abschied nehmen von Jesus, seinem Herrn und Meister. Aber jetzt ist es wohl zu spät. Jesus ist verhaftet und verurteilt. Bald wird er am Kreuz sterben. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen und eine Entscheidung rückgängig machen, die ich getroffen habe. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte in die Vergangenheit reisen und meine Fehler wieder gut machen. Aber es geht nicht. Wir können das Leben nur vorwärts leben, nicht rückwärts. Petrus kann nicht mehr zurück in diese Nacht und an das Feuer im Innenhof, und dort antworten: „Ja, ich gehöre zu diesem Jesus. Ja, ich bin einer von seinen Jüngern. Ja, ich bin Christ. Ich lebe meinen Glauben. Ich stehe dazu- zu dieser Hoffnung, die mich trägt.“ Petrus kann nicht mehr zurück. Und doch muss er nicht auf Dauer in seiner Verzweiflung stehen bleiben. Für unsere Sünden ist Jesus Christus am Kreuz gestorben. Am dritten Tag ist er auferstanden, damit auch wir neues Leben haben.

Jesus Christus schenkt uns einen Neuanfang. Jesus Christus hilft uns, unseren Glauben zu leben- damit der Glaube wieder mehr wird, wenn wenig von ihm übrig geblieben ist. Petrus darf das erfahren. Nach Ostern begegnet ihm Jesus Christus, der Auferstandene am See Genezareth (Joh 21, 15-19). Am See Genezareth- dort hat alles angefangen. Dort hat Petrus Jesus kennen gelernt, als Petrus noch Fischer war und Jesus ihn in seine Nachfolge gerufen hat. Zurück zu den Anfängen geht es- so wie bei uns heute, wenn wir an Ihre Konfirmation denken. Damals vor 50, 60 oder 70 Jahren hat Ihr christlicher Glaube seinen Anfang genommen; damals, als Sie alt genug waren, um Ihr eigenes Ja zu sprechen zu Jesus Christus, auf dessen Namen sie getauft wurden. Manchmal braucht es einen Tag wie heute, an dem dieses Ja bekräftigt wird. Auch Petrus hat einen solchen Tag geschenkt bekommen. Dreimal fragt ihn Jesus Christus, der Auferstandene: „Hast du mich lieb?“ Dreimal antwortet Petrus darauf mit seinem Ja- genau so oft, wie er Jesus verleugnet hatte. Was vorher geschehen ist, ist deswegen nicht vergessen. Nie wird Petrus vergessen, wie er Jesus verleugnet hat. Aber Jesus legt ihn nicht darauf fest. Ja, Jesus vertraut ihm sogar eine große Aufgabe an: Petrus soll den christlichen Glauben weitertragen und für die Menschen da sein, wie ein Hirte für seine Schafe. Jesus hat noch Großes vor mit Petrus- und auch mit uns. Jesus will uns bei seiner Gemeinde haben, will dass wir in christlicher Gemeinschaft miteinander leben und unsere Erfahrungen miteinander teilen- gerade auch dann, wenn wir unseren christlichen Glauben nicht immer so gelebt haben, wie es hätte sein sollen. Gerade dann darf ich mich darauf verlassen: Wenn Jesus für Petrus, der ihn verleugnet hat, eine Zukunft in seiner Gemeinde gesehen hat, dann auch für mich.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Okuli

 

Predigt zum Sonntag Okuli, 2. März 2024

1.Petrus 1,18-21: Ihr wisst ja: Ihr seid freigekauft worden von dem sinnlosen Leben, wie es eure Vorfahren geführt haben. Das ist nicht geschehen durch vergängliche Dinge wie Silber oder Gold. Es geschah aber durch das kostbare Blut von Christus, dem fehlerfreien und makellosen Lamm. Dazu war er schon vor Erschaffung der Welt bestimmt. Aber jetzt ist er am Ende der Zeit für euch erschienen. Durch ihn glaubt ihr an Gott, der ihn von den Toten auferweckt und ihm Herrlichkeit verliehen hat. Deshalb könnt ihr nun euren Glauben und eure Hoffnung auf Gott richten.

Liebe Mitchristen!

Okuli heißt der Sonntag, den wir heute feiern. Okuli, das ist der Anfang von Psalm 25,15: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn.“ Und der Wochenspruch für die neue Woche ist ein Jesuswort aus Lukas 9,62: „Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Um die Blickrichtung geht es in den Bibeltexten für den heutigen Sonntag Okuli. Es geht darum, dass ich den Blick nach vorne richte- auf Jesus Christus.

Denn Jesus Christus gehört nicht der Vergangenheit an, auch wenn es schon 2000 Jahre her ist, dass er hier auf der Erde gelebt hat. Jesus Christus ist nicht nur Vergangenheit. Jesus Christus ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich. Jesus Christus ist schon immer da gewesen, vom Anfang der Welt an. Jesus Christus ist heute da. Im Gottesdienst hören wir auf sein Wort, beten zu ihm und feiern miteinander das Abendmahl, zu dem er uns einlädt. Aber nicht nur sonntags können wir Jesus Christus erfahren. An jedem Tag unseres Lebens ist er für uns da. Auf Jesus Christus richten wir unseren Blick, und es ist ein Blick nach vorne, ein Blick in die Zukunft. Die Zukunft gehört Jesus. Eines Tages wird er wiederkommen, für alle sichtbar. Dann wird alles gut werden. Darauf vertrauen wir als Christinnen und Christen. Dafür hat Gott Jesus Christus von den Toten auferweckt und ihm Herrlichkeit verliehen.

Nach vorne soll ich schauen- auf Jesus Christus, der meinem Leben Sinn und Ziel gibt. Wenn ich mit dieser Blickrichtung die Hand an den Pflug lege und die Aufgaben angehe, die zu bewältigen sind in meinem Leben, dann wird es gut werden. Dann werde ich keine krummen Furchen pflügen und keine krummen Dinger drehen müssen. Dann kann ich geradlinig durchs Leben gehen. Dann bin ich immer noch keine Heilige. Aber ich kann mich darauf verlassen: Ich bin frei. Alles, was mich bedrückt und quält- meine Not, meine Schuld, die Irrungen und Wirrungen meines Lebenswegs- all das kann mich nicht mehr gefangen nehmen. Ich stehe da drüber. Ich sehe darüber hinaus, denn ich habe eine größere Perspektive vor Augen: Jesus Christus, der am Kreuz sein Leben für mich gegeben hat. Das ist mehr wert als alles Geld und Gold der Welt.

Ihr seid frei, heißt es im 1. Petrusbrief. Ich stelle mir vor, wie die Menschen damals in den ersten Christengemeinden diese Worte aus dem 1. Petrusbrief gehört haben. Viele von ihnen waren Sklaven. Menschen, denen ein Marktwert zugemessen wurde, je nach ihrer Leistungsfähigkeit. Menschen, die in völliger Abhängigkeit, ja Ausgeliefertheit leben mussten. Manchmal durfte es der eine oder die andere von ihnen erleben, dass sie freigekauft wurden. Dann sagten ihnen ihre Herren: „Du bist frei!“ Und es fing für diese ehemaligen Sklaven ein komplett neues Leben an- ein Leben in Freiheit.

Es ist ein großes Geschenk, dass niemand von uns heute unter solch prekären Bedingungen leben muss wie damals die Sklaven in der antiken Welt. Und doch wissen wir, dass es auch heute Menschen gibt, die von anderen versklavt werden, auch wenn es gegen alle Gesetze ist. Noch längst hat das Elend der Sklaverei kein Ende. Und auch wir, die wir Gottseidank keine Sklaven sind, machen uns immer wieder abhängig vom Urteil anderer- von dem, wie unsere Leistung, unser Leben bewertet wird. Ja, und auch von unserem eigenen Urteil machen wir uns abhängig. Denn mit uns selbst sind wir oft am unbarmherzigsten. Da bin ich dankbar für unseren Bibeltext, der mir sagt: „Du bist frei.“ Egal, wo du stehst. Egal, ob du deinen eigenen Ansprüchen genügst oder denen der anderen. Egal, wie viel Geld oder Besitz du dein Eigen nennst. Ja, auch wenn du versagt hast, wenn deine Fehler dich bedrücken oder dein Elend dich einholt. Lass dich nicht weiter runterziehen. Die Abwärtsspirale soll dich nicht gefangen halten. Du bist frei. Freigekauft nicht durch Silber oder Gold, sondern durch das kostbare Blut von Jesus Christus, dem fehlerfreien und makellosen Lamm.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Reminiszere

Predigt zum Sonntag Reminiszere, 25.02.2024

 

Liebe Mitchristen!

 

Menschen sind auf der Flucht. Es sind viele- junge und alte, Frauen, Männer und Kinder. Heruntergekommen sehen sie aus. Der lange Weg zehrt an ihren Kräften. Nur das Allernötigste konnte sie mitnehmen. Jeden Tag irgendwo halbwegs trinkbares Wasser zu finden, ist ein großes Problem. Die wenigen Lebensmittelvorräte, die sie mitnehmen konnten, sind längst aufgebraucht. Alles, was irgendwie essbar gemacht werden kann, wird als Lebensmittel verwertet- ja, auch Manches, das nicht wirklich essbar ist. Oft genug rebelliert der Magen dagegen. „Es geht nicht mehr,“ sagen diese Menschen. „Wir können nicht mehr.“

 

Die Bibel stellt uns diese Menschen vor Augen in 4. Mose 21,4-9. Es sind Menschen aus dem Volk Israel, die geflohen sind vor der brutalen Unterdrückung der Sklaverei, die sie in Ägypten erlebt haben. Jeden Tag leben sie von der Hand in den Mund. Jeden Tag denken sie, es könnte ihr letzter sein. Die Angst geht um: „Werden wir alle hier in der Wüste sterben?“ Jeden Tag wird die Hoffnung, ein Stückchen kleiner, dass diese Geschichte ein gutes Ende nehmen könnte.

 

Menschen sind auf der Flucht, werden verschleppt und vertrieben, sehen keine Lebensmöglichkeit mehr an ihrem angestammten Ort. Solche Menschen stehen mir vor Augen, auch in unserer Zeit: Verschleppte israelische Geiseln im Gazastreifen. Palästinenser, die vom Norden in den Süden des Gazastreifens geflohen und auch dort nicht in Sicherheit sind. Armenier, die aus ihrer Heimat Bergkarabach vertrieben wurden. Menschen aus der Ukraine. Seit zwei Jahren tobt dort nun schon ein grausamer Krieg. Ein trauriger Jahrestag.

 

Was bringt die Zukunft? Reicht das Essen? Wo bekommen wir sauberes Trinkwasser? Werden wir morgen überhaupt noch leben? So fragen diese Menschen. Lange haben sie durchgehalten. Aber irgendwann geht es eben nicht mehr. Irgendwann bleibt die Hoffnung auf der Strecke, und die Verzweiflung behält die Oberhand. Die Israeliten in unserem Bibeltext sind an diesem Punkt angekommen: „Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege und redete wider Gott und wider Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben hier in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise.“ (4. Mose 21,5)

 

Warum das alles? Nicht nur ihrem Anführer Mose stellen die Israeliten diese Frage, sondern auch Gott. Warum Gott? Warum dieses ganze Elend? Warum lässt du das zu? Und warum setzt du sogar noch eins drauf und versprichst uns, dass irgendwann einmal alles gut wird, dass wir ins gelobte Land kommen- in ein Land, wo Milch und Honig fließt? Hier ist kein solches Land in Sicht- nur Wüste und Verzweiflung. Gott- warum lässt du das zu? So fragen wir auch heute. Warum so viele Kriege mit so vielen unschuldigen Opfern? Warum so viele Menschen auf der Flucht? Warum immer nur noch mehr Kriegsrhetorik, noch mehr Angst, noch mehr Waffen?

 

Und Gott? Was ist seine Antwort? „Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, das viele aus Israel starben.“ (4. Mose 21,6) Eine verstörende Antwort ist das. Gott hilft nicht in dieser Bibelgeschichte. Stattdessen kommt es nur noch schlimmer. Die Israeliten werden von giftigen Schlangen gebissen. Tödliches Gift. Viele Menschen sterben daran. Hat Gott sein Volk denn ganz vergessen?

 

Mich beeindruckt, wie die Israeliten in der Geschichte auf diese neue Katastrophe reagieren. „Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme.“ (4. Mose 21,7) Ja, Not lehrt beten. Aber nicht immer. Viele werfen in der Not ihren Glauben über Bord. Nicht so die Israeliten. In dieser Krise besinnen sie sich darauf, auf wen sie wirklich angewiesen sind- auf Gott. Für jeden Schluck Wasser und jeden noch so mageren Bissen, mit dem sie ihren Magen füllen können. Alle guten Gaben, alles was wir haben, kommt o Gott, von dir. Wir danken dir dafür. So heißt es in einem bekannten Tischgebet. Bei uns sind die Tische in der Regel reich gedeckt. Es beeindruckt mich, wenn auch Menschen, bei denen nicht viel auf den Tisch kommt, dieses Gebet sprechen. Ja, alles, was wir haben, kommt von Gott. Nichts ist selbstverständlich. Nichts ist allein unser Verdienst. Wir sind angewiesen auf Gott. Menschen auf der Flucht spüren das in besonderer, existentieller Weise, wenn sie nicht wissen, wie sie am nächsten Tag ihre grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse erfüllen können. Aber auch wir anderen kommen immer wieder in Situationen, wo wir dieses Angewiesensein auf Gott ganz existentiell erfahren: In schwerer Krankheit oder in Lebensgefahr. Wenn wir um das Leben eines lieben Menschen bangen. Dann sind wir hilflos und wissen nicht weiter. Allein bei Gott können wir Trost und Halt finden.

 

Die durch die lange Wüstenwanderung zermürbten Israeliten besinnen sich durch die Giftschlangen- Katastrophe zurück auf Gott. Jetzt kann er allein noch helfen. Nur Gott allein kann diese Katastrophe abwenden und die Schlangen wieder verschwinden lassen. Aber wieder reagiert Gott in dieser Geschichte anders, als wir es erwarten und wünschen würden. Gott lässt die giftigen Schlangen nicht einfach verschwinden. Die Katastrophe bleibt da. Menschen werden weiterhin von Giftschlangen gebissen.

 

Gott nimmt das Böse und Lebensfeindliche nicht einfach weg- auch nicht die Kriege, Konflikte und Katastrophen in unserer Zeit. Was kann uns dann aber helfen? Wo ist Gott für uns zu finden in der Not? „Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.“ (4. Mose 21,8-9)

 

Gott ist zu finden. Auch in der größten Not. Und Gott hilft- auch wenn er die Not nicht einfach wegnimmt. So erzählt es uns diese Bibelgeschichte. Gott beauftragt Mose damit, eine eherne Schlange anzufertigen- eine Schlange aus Metall, aus Bronze. Diese Schlange wird so hoch oben angebracht, dass jeder sie sehen kann. Aber warum sollte es helfen, eine Metallschlange anzuschauen, wenn man gerade von einer Giftschlange gebissen wurde? Mir hat dazu ein Gedanke von der Theologin Sabine Dreßler geholfen. Sie erklärt die Heilwirkung der ehernen Schlange so: „Genau dem, was Angst macht, was lebensgefährlich verletzt hat und bis heute weh tut – der Biss einer Schlange – soll damit begegnet werden, dass die Angegriffenen sich genau ansehen, was sie erlebt haben. Nur in der direkten – und schmerzhaften – Auseinandersetzung mit den Schlangen liegt die Chance zum Überleben, zum Neuanfang, zum Freiwerden. Aber um das Tier aus Bronze, das Heilmittel, sehen zu können, müssen die Gebissenen, Gebeugten und Gekrümmten, sich aufrichten und ihren Blick nach oben richten. Und darin kann schon der erste Schritt zum Heilwerden liegen. Denn ihr Aufblicken bedeutet ihr Am-Leben-Bleiben und eine Zukunft zu haben.“ Sabine Dreßler denkt dabei an traumatisierte Menschen – an die Armenier, die aus Bergkarabach vertrieben wurden und als Volk schon im Jahr 1915 einen Völkermord erlebt hatten. „Gewalterfahrungen werden auch durch das Nicht-Sagen-Können, das Schweigen vererbt,“ schreibt sie im Arbeitsmaterial der EKD für den Sonntag Reminiszere.

 

Ich denke, das können wir von der Geschichte mit der ehernen Schlange lernen: Dass wir nicht wegschauen. Dass wir nicht die Augen verschließen vor Elend und Krieg. Dass wir das Unrecht beim Namen nennen, denn nur so kann es überwunden werden. Was gibt uns heute die Kraft dazu, dies zu tun? Wir haben keine eherne Schlange, zu der wir aufschauen können. Aber wir haben das Kreuz, auf das wir schauen dürfen. Das Kreuz von Jesus Christus, der sein Leben gegeben hat für uns. Das Kreuz von Golgatha ist ein Zeichen des Todes und steht trotzdem für das Leben. Jesus Christus ist das Mittel gegen den Tod- das Gegenmittel gegen das Gift der Verzweiflung. Ich soll hinschauen auf das Kreuz und auf die Kreuze dieser Welt. So kann ich erkennen, dass ich zur Freiheit berufen bin. Das Kreuz ist das Zeichen der Liebe, das mir Orientierung gibt. Hier kann ich mich aufrichten lassen.

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Invocavit

Predigt zum Sonntag, 18.02.24 Invocavit, Präd. Fricker

Wer also ist der Teufel?

Liebe Gemeinde,

»Hier oben ist man dem Himmel und damit auch Gott näher.« So hat ein Pfarrer auf einem Berggipfel einmal einen Gottesdienst eröffnet. Beim Verabschieden hat eine ältere Frau seine Hand genommen und ihm eindringlich in die Augen gesehen und gesagt: »Wo man dem Himmel näher ist, da ist der Teufel nicht weit. Im Matthäusevangelium wird erzählt, wie der Teufel Jesus nahe kam.

Tatsächlich scheint die Frau, die bei dem Berggottesdienst war, recht zu haben. Wo Gott ist, da ist der Teufel nicht fern. Sie schöpft diese Einsicht wohl aus ihrer Lebenserfahrung.

Und auch Jesus erlebt es. Er zieht sich zurück in die Wüste. Er sucht einen Ort auf, der von alters her

ein Ort der Gottesbeziehung und der Gottesbegegnung ist. Dort, am lebensfeindlichen Ort begegnet Gott. Er begegnete dem Mose. Er begegnete dem Volk Israel auf der Wanderung durch die Wüste. Am Tag und in der Nacht. Dem Elia ist er in der Wüste nahegekommen. Und der Prophet Jesaja fordert sogar dazu auf, Gott in der Wüste den Weg zu bereiten. Denn in der Wüste kommt Gott zur Welt. Dorthin geht Jesus gleich nach seiner Taufe. Er will sich im Austausch mit Gott, im Gebet, Klarheit verschaffen. Er will sich ganz darauf konzentrieren können, Gott nahe zu sein. Dazu gehört auch, nichts zu essen, also zu fasten. Er tut alles, um Gott nahe sein, und begegnet dem Teufel.

Gibt es den Teufel überhaupt? Friedrich Schleiermacher schreibt Ende des 19. Jahrhunderts:

Die Vorstellung vom Teufel wie sie sich unter uns ausgebildet hat, ist [so] haltlos, dass man eine Überzeugung ihrer Wahrheit niemandem zumuten kann. Also kein Teufel mit Hörnern, der mit Dreizack in der Hand auf dem Pferdefuß hinkend in der Hölle wohnt und vor allem damit beschäftigt ist, Gott Seelen abspenstig zu machen, und der die Leiber und Seelen quält im ewigen Feuer? Aber wie dann? Wenn Schüler und Schülerinnen in der zehnten Klasse den Teufel, wenn schon nicht an die Wand, dann wenigstens an die Tafel malen, dann sieht er auch so aus wie gerade beschrieben. Oder er hat das smarte Aussehen von Luzifer aus der gleichnamigen Fernsehserie. Für die katholische Kirche ist da manches klarer. Papst Benedikt hat da beschrieben, wie für katholische Christen und Christinnen der Umgang mit dem Teufel im 21. Jahrhundert auszusehen hat. Er schreibt: Der Teufel

existiert, er ist eine rätselhafte, aber reale gestalthafte und keine symbolische Präsenz.

Ist also ist der Teufel das personifizierte Böse oder nur ein Symbol für das Böse der Welt? Für uns Christen und Christinnen lassen sich manche Antworten geben. In unserem Glaubensbekenntnis

kommt er nicht vor. Wir glauben nicht an den Teufel, wir glauben an Gott. Er ist also kein Inhalt unseres Glaubens. Auch in unseren lutherischen Bekenntnisschriften kommt er nicht vor. Sind wir deshalb den Teufel los? Wie also lesen, wie hören wir die Geschichte von Jesu Versuchung in der Wüste? Bei Versuchung fällt einem ja eher die zarteste Versuchung« ein als der bedrohliche

Ernst, den die Erzählung birgt. Denn es geht ja ums Ganze. Es geht um den weiteren Weg von Jesus. Und: Gott bewahrt seinen geliebten Sohn nicht vor der Begegnung mit dem Teufel. So wenig wie diese Auseinandersetzung Jesus erspart bleibt, so wenig bleibt sie seinen Gemeinden, seinen Jüngern und Jüngerinnen, seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern bis heute erspart. Vielleicht lässt sich sogar sagen, sie gehört zum Leben eines Christenmenschen dazu.

Wie begegnet einem der Teufel heute?

Jesus begegnet dem Teufel. »Diabolos« steht da im Griechischen. Wörtlich übersetzt: Er begegnet dem Durcheinanderwirbler. Das ist eine gute Beschreibung des Wesens des Teufels. Er versucht, mich durcheinanderzuwirbeln. In meinem Gottvertrauen. In meinen Werten. In meiner Standhaftigkeit. Indem er das und noch mehr durcheinanderwirbelt, bringt er mich in Versuchung.

Auf einmal schwirren Fragen durch meinen Kopf: Gibt’s dich überhaupt, Gott? Habe ich auf das richtige Pferd gesetzt? Bist du da? Welchen Mehrwert habe ich davon, wenn ich an dich glaube?

Er will mich locken. Er verspricht mir etwas, das sich lohnend anhört.

Jesus begegnet dem Ducheinanderwirbler. Aber wir lesen kein Wort darüber, wie er aussieht. Kein Wort über seinen Wohnort. Jesus begegnet ihm in der Wüste. Hier auf der Welt. Mitten im Leben, unmittelbar nach seiner Taufe. Er scheint also unter uns zu sein. Und der Teufel kennt sich aus in der Bibel. Er weiß Bescheid. Er kann Bibelstellen auswendig aufsagen. Er hat sein Gegenüber genau studiert.

Der Teufel also kennt sich aus. Er lockt Jesus. Er will, dass der Sohn Gottes auf das baut, was er hat: an Macht, an Möglichkeiten, an Einfluss, um das alles für sich selbst zu nutzen. Das also ist die eigentliche Absicht des Teufels: Jesus dazu zu bringen, seine Möglichkeiten nicht für Gott, für das Leben, sondern für sich selbst, für das Zerstörerische, für den Tod einzusetzen.

Es ist vermutlich zu kurz gedacht, dass der Teufel Jesus nur an seiner Eitelkeit packen will. Aber es ist ein Ansatz. Ein moderner Ansatz, bei dem sich auch wir Menschen im 21. Jahrhundert wiederfinden können. Christsein im Wissen um den Teufel

Warum machen wir etwas? Warum engagieren wir uns in unserer Gemeinde, in der Gesellschaft, in der Welt? Um unsere Macht zu vergrößern? Um uns selbst zu verwirklichen? Wer sich selbst verwirklicht, verwirkt sich selbst. Eben weil es ihm nicht um die Sache geht, sondern um sich. Darin liegt eine Gefahr, vielleicht auch eine teuflische. Wofür setze ich meine Macht, meine Fähigkeiten,

meine Möglichkeiten ein? Für mich oder für die Sache Gottes? In dem Fall dafür, dass Gottes Reich unter uns wächst, dafür, dass Gottes Gerechtigkeit unter uns wächst. Benenne ich die Mächte, die nicht dem Leben dienen? Die anderes wollen als dem Willen Gottes zu entsprechen?

Oder schweige ich, wenn sie das Wort erheben? Mit unserer Taufe werden wir ja zu Auserwählten. Als Auserwählte haben wir anders zu sein in der Welt. Wir nützen unsere Macht für die Ohnmächtigen. Wir leihen unsere Sprache denen, die verstummen. Wir greifen denen unter die Arme, die keinen Halt mehr finden. Damit das Reich Gottes unter uns wächst und seine Gerechtigkeit aufblüht.

Wir versuchen, der Versuchung zu widerstehen. Wir versuchen, uns nicht locken zu lassen von den Angeboten, die uns gemacht werden. Für Angebote, die alles durcheinanderwirbeln, was uns wichtig und wertvoll erscheint. Wir versuchen, auf dem Weg zu bleiben. Sophie Scholl hat es noch stärker ausgedrückt. Sie wollte sich an das Seil klammern, das Gott ihr durch Jesus Christus zugeworfen hat. An ihren Verlobten schrieb sie aus dem Gefängnis, kurz bevor sie umgebracht wurde: Ja könntest du dort einmal in einer Kirche sein und am Abendmahl teilnehmen. Welcher Trost und Kraftquelle könnte dir das sein. Denn gegen die Dürre des Herzens hilft nur das Gebet und sei es noch so arm und klein. Ich bin Gott noch so ferne, dass ich ihn nicht einmal beim Gebet spüre. Ja manchmal, wenn ich den Namen Gott ausspreche, will ich in ein Nichts versinken. Doch hilft dagegen nur das Gebet, und wenn in mir noch so viele Teufel rasen, kann ich mich an das Seil klammern, das mir Gott in Jesus Christus zugeworfen hat. Auch wenn ich es nicht mehr in meinen erstarrten Händen fühle.

Wer Christus nachfolgt, kann auf eigene Macht verzichten, ohne ohnmächtig zu sein. Er kann auf die Macht des Lebens vertrauen und aller Versuchung trotzen. Und letztlich aufgerichtet und mutig den letzten Weg gehen.

Amen.