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Gedanken zum Sonntag

4. Sonntag vor der Passionszeit

Predigt vom Sonntag, 9. Februar 2025

Liebe Mitchristen!

Als mein Sohn klein war, hat er von jemandem aus der Kirchengemeinde eine Fahrradklingel geschenkt bekommen, auf der stand: „Gott hört mich.“ Pfarrerskinder haben es nicht leicht. Die Eltern sind viel unterwegs und mit anderem beschäftigt. Da haben sie manchmal nicht viel Zeit, um ihren Kindern zuzuhören. Mit dieser Begründung hat der Schenkende mir damals erklärt, warum er gerade dieses Geschenk für meinen kleinen Sohn ausgewählt hat: Wenn die Eltern ihm schon nicht zuhören, dann soll er sich jedenfalls darauf verlassen können, dass Gott ihm zuhört. Ein bisschen dreist fand ich dieses Geschenk ja schon: Eine Fahrradklingel mit dem Spruch: „Gott hört mich.“ Aber aus der Perspektive des Kindes macht sie sicherlich Sinn: Da kann ich damit klingeln und auf mich aufmerksam machen, wenn die Erwachsenen sonst nicht auf mich hören, weil sie mit anderem beschäftigt sind.

Diese kleine Anekdote ist nun 20 Jahre her. Die Fahrradklingel gibt es längst nicht mehr, und auch das Kinderfahrrad nicht, an dem wir sie angebracht hatten. Mein Sohn ist inzwischen erwachsen. Aber das Geschenk ist mir in Erinnerung geblieben- gerade weil es so dreist war. Da hat sich jemand getraut, mich darauf aufmerksam zu machen: Pass auf, dass du bei all den Verpflichtungen, die du hast, nicht das Wichtigste vergisst: Auf die leisen Stimmen zu hören. Für die Menschen da zu sein, die dich wirklich brauchen- deine Kinder, deine Familie, die Menschen ganz in deiner Nähe. Lass dich nicht verrückt machen von all dem, was auf dich einströmt: Erwartungen, die an dich gestellt werden. Manche sind überzogen und gar nicht erfüllbar. Die Schreckensnachrichten aus aller Welt. Lass dich nicht lähmen von ihnen. Du hast deine Aufgabe im Hier und Jetzt. Einen kleinen Teil kannst du dazu beitragen, dass die Welt ein bisschen menschlicher wird: Höre auf die leisen Töne. Höre auf Gottes Stimme. Er hat einen Auftrag für dich. Und du darfst sicher sein: Gott hört auch dich. Gott lässt dich nicht allein.

Auf die leisen Töne hören. Achten auf die Zeichen, die Gott uns gibt. Neugierig bleiben wie ein Kind, das die Welt verstehen will. Das können wir von Mose lernen, wie die Bibel von ihm erzählt in 2. Mose 3. Dort geht Mose seinem Alltagsgeschäft nach und hütet die Schafe seines Schwiegervaters, wie jeden Tag. Aber an diesem Tag ist etwas anders als sonst: Da hinten brennt ein Busch. Das kommt öfter vor dort in der Wüste, wo Mose unterwegs ist. Aber trotzdem- hier passiert etwas Besonderes, denn dieser Busch brennt und brennt, aber er verbrennt nicht. Na und? Mose hätte weiterziehen können mit seinen Schafen. Das tut er aber nicht. Mose lässt sich herausrufen aus seinem Alltag. Wie das leise Klingeln einer Fahrradklingel, so hat dieser brennende Busch seine Aufmerksamkeit angezogen: Gott hört mich. Ja, Gott gibt es wirklich. Gott ist da- ganz nah. An diesem brennenden Busch mitten in der einsamen Wüste wird es für Mose erfahrbar und begreiflich. So greifbar nahe ist Gott für Mose, dass er seine Schuhe auszieht- denn der Boden, auf dem Mose steht, der kommt ihm auf einmal heilig vor.

Auf die leisen Töne hören, Gottes Stimme heraushören, und dabei sicher sein: Gott hört mich. In der biblischen Geschichte sagt Gott zu Mose: „Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.“ Ja, Gott hört gerade die leisen Stimmen. Das Weinen der Kinder. Das Seufzen der Mütter in den Kriegs- und Katastrophengebieten dieser Welt, wo sie nicht wissen, wie es weitergehen soll, wenn die Lebensmittelhilfen aus Amerika jetzt eingestellt werden. Das Stöhnen der Gequälten, Unterdrückten und Ausgebeuteten. Kein Flüchtling, der auf dem Mittelmeer ertrinkt, ist bei Gott vergessen. Gott ist da- auch in den Flüchtlingsbaracken und Lagern in unserer Zeit. Und Gott will, dass es Abhilfe gibt. Gott will, dass den Elenden geholfen wird. Zu Mose sagt er in unserer Geschichte: „Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“ (2. Mose 3, 9-10) Mose erlebt diesen göttlichen Auftrag als Zumutung und antwortet: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?“ (2. Mose 3, 11) Ja, wer bin ich? So können wir uns auch heute fragen. Ich kann doch nicht die Welt retten. Soll ich mich bei den Mächtigen dieser Welt für Frieden einsetzen? Ich bin doch nur ein kleines Licht. Was verlangst du von mir, Gott? Diese Aufgabe ist mir zu groß.

Ich denke an die vielen tausend Menschen, die in diesen Tagen für Demokratie und gegen den Rechtsruck in unserer Gesellschaft auf die Straße gegangen sind. Menschen, die sich nicht damit zufrieden geben, dass sie ja doch nichts machen können gegen das Erstarken der AFD, die in unserem Land wieder Menschen ausgrenzen will wegen ihrer Herkunft oder ihrem Aussehen. Für mich zeigen diese Demonstrationen: Wir können etwas tun. Wir können uns einsetzen für Menschenwürde und Menschenrechte, für Freiheit und Demokratie. „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe?“ fragt Mose. Und Gott antwortet ihm: „Ich will mit dir sein.“ (2. Mose 3, 12)

Ja, Gott hört. Er hört gerade auch die leisen Stimmen, die von uns oft überhört werden. Und Gott schaut nicht nur zu von ganz weit oben im Himmel. Nein, Gott lässt sich anrühren von Leid seiner geliebten Menschen. Gott kommt herunter auf die Erde. Gott wird ein Mensch wie wir, und nimmt alles auf sich- Sünde, Leid und Tod. Am Kreuz hat Jesus Christus das alles für uns überwunden. In der Mose- Geschichte sagt Gott zu Mose: „Ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Land hinaufführte in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt.“ (2. Mose 3, 8)

Gott fährt nicht mit Gewalt drein. Gott schickt uns Menschen. Zu den Israeliten in Ägypten schickt er Mose, um sie in die Freiheit zu führen. Aber wie soll Mose den Israeliten in Ägypten erklären, dass Gott ihn geschickt hat? Wie kann man Gott erklären? „Sag mir deinen Namen.“ Das ist Moses Bitte an Gott. Eine sehr grundsätzliche Bitte, und sehr schwer zu erfüllen. Denn Gott lässt sich nicht erklären und von Menschen nie völlig begreifen. Gott übersteigt unser menschliches Vorstellungsvermögen. Aber Gott lässt Moses Bitte nicht unbeantwortet. Gott nennt Mose seinen Namen. Im hebräischen Urtext stehen dort nur vier Buchstaben: JHWH. Vokale werden ja nicht geschrieben im Hebräischen. „Der Unaussprechliche, der Ewige“ – so umschreiben unsere jüdischen Glaubensgeschwister den Namen Gottes, der von ihnen aus Ehrfurcht nicht ausgesprochen wird. „Ich werde sein, der ich sein werde.“ „Ich bin, der ich bin.“ „Ich bin da.“ Oder: „Ich bin für euch da.“ So lässt sich dieser Gottesname am ehesten übersetzen. Klar ist: Diese vier Buchstaben JHWH kommen nicht von einem Substantiv her, sondern von einem Verb: von dem Wort „sein“. Das ist wichtig und richtig- denn fassen können wir Gott nur in dem, was er tut: hören, herabkommen, beauftragen, beistehen. Das alles tut Gott in der Geschichte von Mose. Und das tut er auch noch heute, auch für uns.

So wie es auf der kleinen Kinder- Fahrradklingel geschrieben stand, die mein Sohn vor langer Zeit geschenkt bekommen hat: „Gott hört mich.“ Das gilt- so wie damals, so auch heute. Es gilt für uns alle. Hören wir also auf die leisen Töne. Hören wir, was Gott uns zu sagen hat in unserer Zeit. Lassen wir uns ansprechen und ermutigen von Gott. Damit wir die Welt zum Guten verändern können- und wenn es auch nur wenig erscheint, was im Rahmen unserer Möglichkeiten ist. Denn Gott hat es versprochen: „Ich bin für euch da.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

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Jahreslosung

Predigt zur Jahreslosung am 2. Februar 2025

Liebe Mitchristen!

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1. Thess 5,21). So heißt die Jahreslosung für das Jahr 2025. „Endlich mal eine Jahreslosung, mit der man wirklich was anfangen kann,“ sagte mir neulich eine Mitarbeiterin aus unserer Gemeinde. Mir ist dazu eingefallen, wie neulich zwei Mitarbeiterinnen die Sakristei unserer Kirche ausgemistet haben: Was kann weg, weil wir es seit vielen Jahren nicht mehr gebraucht haben? Was behalten wir, weil es gut ist und immer wieder benötigt wird? Solche Fragen haben sich diese beiden Mitarbeiterinnen gestellt. So haben sie alles, was sie in den Regalen vorgefunden haben, auf den Prüfstand gestellt: Was gut ist, behalten wir. Das andere kann weg und wird entsorgt. Am Ende ist alles schön übersichtlich und aufgeräumt in den Regalen.

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ Vom Aufräumen und Ausmisten kennen wir diesen Grundsatz alle. Am Anfang unseres heutigen Gottesdiensts haben Sie sich einen Gegenstand nehmen dürfen: Ist der noch gut, oder kann der weg? Vielleicht haben Sie sich mit Ihrem Sitznachbarn darüber austauschen können. Ja, vielleicht haben Sie den Gegenstand mit Ihrem Sitznachbarn sogar tauschen können, weil der meinte, Ihr Gegenstand sei noch gut, und Sie fanden, der kann weg. „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Das ist gar nicht immer so eindeutig, ja, oft lässt sich trefflich darüber streiten: Kann das weg, oder ist das noch gut?

Behaltet das Gute. Das klingt einfach. Aber was ist das Gute, das wir behalten sollen? So fragen wir uns oft- in unserer Gemeinde, in unserer Welt. Wir hören viel vom Bösen und vom Schlechten. Das schafft es leichter in unsere Nachrichten, das wird auf Social Media gepusht. Das Gute- ist das nicht das Alltägliche? Ist das nicht eher langweilig? Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund leben in unserem Land in Frieden mit ihren Mitmenschen, und tragen durch ihre Arbeitsleistung zum Funktionieren unserer Gesellschaft bei! Gewalttäter wie in Aschaffenburg sind die absolute Ausnahme. Es ist unfassbar tragisch, was dort in Aschaffenburg geschehen ist. Und es ist enorm wichtig, solchen Gewalttätern zu wehren, und die Gesetze, die wir haben, wirklich konsequent umzusetzen. Wer ausreisepflichtig ist, soll auch ausreisen müssen.

Aber das Gute behaltet. Und: Prüft alles. Keine Vorurteile sind hier angesagt, die Menschen allein nach ihrer Herkunft oder ihrem Aussehen beurteilen. Sondern es gilt: Das Gute behaltet. Dieses Gute, das sind zum Beispiel die Menschen mit Migrationshintergrund, die nichts Böses tun und daher nicht in den Nachrichten vorkommen. Dieses Gute, das sind außerdem unsere christlichen Werte. Auf keinen Fall darf uns die Angst vor dem Bösen dazu bringen, dass wir unsere christlichen Werte über Bord werfen. Denn dann hätte das Böse gewonnen. Unsere christlichen Werte können nicht einfach weg und entsorgt werden. Es gilt weiterhin: Vor Gott sind alle Menschen gleich viel wert, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Aussehen. Menschen in lebensbedrohlichen Situationen sollen Schutz und Hilfe erfahren und nicht abgewiesen werden.

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ Es steht vieles auf dem Prüfstand in unserer Zeit- in der großen Politik genauso wie im Kleinen, hier in unserer Kirchengemeinde. Auch hier bei uns vor Ort ist Vieles im Umbruch. Mit dem Umbau und der Sanierung von Kirche und Gemeindesaal haben wir ein größeres Bauprojekt in nächster Zeit. Und auch für mich als Pfarrerin haben sich die Aufgaben vergrößert: Seit diesem Jahr bin ich auch noch zuständig für die Ortschaften Wellendingen, Wilflingen, Neufra, Feckenhausen und Zepfenhan, die zur Kirchengemeinde Rottweil gehören.

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ Was ist gut, was kann weg? Kann in unserer Kirchengemeinde alles so weiterlaufen trotz dieser zusätzlichen Aufgaben im Pfarramt? Oder müssen bei uns Aufgaben wegfallen? Ich bin sehr dankbar für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Kirchengemeinde. Es ist nicht selbstverständlich, dass so manche Aufgabe, die bisher ich als Pfarrerin innehatte und wegen der zusätzlichen neuen Aufgaben nun nicht weiterführen kann, jetzt von Ehrenamtlichen übernommen wird. Dies gilt für die Geburtstagsbesuche, wo ich in Zukunft nur noch die 80 und 90 Jährigen besuchen kann. Und das gilt auch für die Altenheimgottesdienste.

Auch in vielen anderen Bereichen haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Gemeinde Aufgaben übernommen, die sonst brach liegen würden. Es ist ein großer Schatz, dass wir solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Auch im Kindergarten hat sich unserer Mitarbeiterschaft vergrößert durch die zweite Gruppe, die sehr gut angenommen wird. Ich bin sehr dankbar für dieses gute Team und die wichtige Arbeit, die in unserem Kindergarten geleistet wird: Das christliche Menschenbild zu leben. Und ich weiß es zu schätzen, dass es unseren Erzieherinnen auch wichtig ist, den christlichen Glauben weitervermitteln an die nächste Generation. Denn das ist es, was uns als christliche Gemeinde zusammenhält: Der Glaube an Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Aus seiner Gnade leben wir.

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ Das gilt auch im Blick auf unser eigenes Leben. Im Licht von Gottes Gnade können wir mutig unser bisheriges Leben in den Blick nehmen: „Prüft alles.“ Das Schwere in unserem Leben dürfen wir abgeben bei Jesus Christus, der für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist: „Das Gute behaltet.“ So wollen wir uns einladen lassen zum Heiligen Abendmahl, wollen bei dieser Feier unsere Last ablegen bei Jesus Christus und danach befreit und gestärkt unseren Weg weitergehen in die neue Woche.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

 

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3. Sonntag nach Epiphanias

 

Predigt zu Johannes 4, 5-14 am 3. Sonntag nach Epiphanias

 

Liebe Gemeinde,
es gibt Dinge im Leben, bei denen festgelegt ist, wann man sie zu tun hat. Die Tagesschau schaut man abends um 20 Uhr, Gottesdienst ist meist sonntagmorgens, Zähne-putzen – immer nach dem Essen …

Jeder Mensch hat in der Regel Gewohnheiten, nach denen er sich im Alltag richtet. Solche Gewohnheiten geben unserem Leben Struktur. Und wenn jemand seine
Gewohnheit ändert, dann hat das meist einen triftigen Grund.

Und so ist es auch in unserem Predigttext für heute. Wir befinden uns im heutigen Israel, genauer in Samarien, dem Land zwischen Jerusalem und Galiläa im Norden. Dort war es üblich, dass die Frauen an einem Brunnen Wasser schöpfen. Das haben sie in der Regel morgens gemacht, da ist es noch schön kühl war. Wenn es mittags über 40 Grad Celsius gibt und man zu dieser Zeit Wasser holt, dann braucht man den halben Krug als Trinkwasser, bis man wieder zu Hause ist. Und doch begegnet uns in unserem Predigttext eine Frau, die genau das tut. Sie kommt in der Mittagshitze zum Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Sie beschäftigt scheinbar etwas. Und dort am Brunnen begegnet sie einem Mann – einem durstigen Mann: Jesus von Nazareth. Er macht hier grade Pause. Ich lese den Predigttext aus Johannes 4,5–14.

Jesus kam in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gegeben hatte. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde von der Reise war, setzte er sich an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken!  Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Speise zu kaufen.  Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du, ein Jude, erbittest etwas zu trinken von mir, einer samaritischen Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. – Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest, die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken! du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser. Spricht zu ihm die Frau: Herr, du hast doch nichts, womit du schöpfen könntest und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendiges Wasser?  Bist du etwa mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Söhne und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.

Es ist ein ungewöhnliches Gespräch, das hier am Brunnen stattfindet. Ungewöhnlich aus mehreren Gründen. Anhand von drei Leitsätzen möchte ich mit Ihnen über diesen Text nachdenken.

I.     Jesus überwindet Grenzen und Barrieren

II.    Jesus – ein einziges Missverständnis

III.  Jesus – der wahre Lebensbrunnen

I. Jesus überwindet Grenzen und Barrieren

Das Gespräch ist ungewöhnlich aufgrund der äußeren Bedingungen. Nicht nur die Uhrzeit ist ungewöhnlich, sondern auch, dass ein Mann eine Frau anredet. Das war zu dieser Zeit nicht üblich. Schon gar nicht, wenn der Mann ein religiöser Lehrer – also ein Rabbi war. Und schon gar nicht sprach ein Jude eine Samaritanerin an. Sogar im Predigttext fügt der Autor diesen erklärenden Satz dazu: »Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern.

Aber warum nicht? Um das zu verstehen, müssen wir in der Geschichte Israels ein wenig zurückreisen. Im 8. Jahrhundert v. Chr. war Israel geteilt, in das Nordreich »Israel« und das Südreich »Juda«. Beide Staaten waren unabhängig voneinander und trieben ihre eigenen Geschäfte. Im Jahr 722 v. Chr. wurde das Nordreich von den Assyrern, der damaligen Großmacht erobert. Die Städte wurden zerstört und ein Großteil der jüdischen Oberschicht wurde in die Gefangenschaft verschleppt. Im Gegenzug wurden ausländische Bewohner aus anderen eroberten Gebieten der Assyrer in Israel angesiedelt. Und so vermischten sich die ortsansässigen Juden mit den neu angesiedelten Bewohnern; es entstand eine Art Mischvolk. Und auch die Religionen vermischen sich.

Als viele Jahre später die Juden aus dem babylonischen Exil zurückkehrten und den Tempel in Jerusalem wieder aufbauten, verboten sie den Samaritanern, sich daran zu beteiligen, da sie durch die Vermischung mit anderen Völkern als unrein galten. Zudem wurde ihre Religion als falsch und eben auch als verunreinigt angesehen. Daraufhin errichteten die Samariter ein eigenes Heiligtum auf dem Berg Garizim, das im Jahr 128 v. Chr. vom jüdischen König zerstört wurde. Die Vorbehalte zwischen Juden und Samaritern sind also von ethnischer und auch religiöser Art.

Dementsprechend verwundert ist auch die Frau, als der Jude Jesus sie anspricht. Aber er geht überhaupt nicht darauf ein. Jesus kümmert es nicht, welche menschlichen Barrieren wir untereinander aufrichten. Ihm ist es egal, ob es sich gehört oder nicht. Seine Botschaft überwindet kulturelle und gesellschaftliche Barrieren und Grenzen. Er ist nicht nur der Retter Israels, sondern für die ganze Welt. Das heißt: natürlich auch für Samaria. Bei ihm zählt nicht, wie rein und perfekt wir sind, sondern er ist es, der uns rein macht. Deshalb kommt er ins Gespräch mit der Frau, Jesus ermutigt uns dazu, auch über unseren Tellerrand hinauszublicken. Gibt es Menschen, bei denen es mir nicht ›schmeckt‹, wenn sie auch in der Kirche wären. Gibt es Personen, die wir lieber nicht ansprechen? Bei denen wir lieber schweigen und freundlich lächeln, weil es sich nicht gehört, etwas zu sagen?

Jesus ermutigt uns dazu, dass wir menschliche Grenzen und Barrieren überwinden sollen. Seine Liebe gilt allen Menschen. Und er zeigt das, indem er selbst Grenzen überwindet. Jesus – ein einziges Missverständnis

Es ist auffallend in dieser Szene, dass Jesus und die Frau eigentlich völlig aneinander vorbeireden. Auch deshalb ist das Gespräch ungewöhnlich. Die Frau fragt Jesus etwas und Jesus antwortet auf eine andere Frage. Sie redet vom Wasser, er redet von etwas ganz anderem. Es ist fast wie das Teekesselchen-Spiel, bei dem dasselbe Wort zwei unterschiedliche Dinge bezeichnet.

Das Johannesevangelium erzählt uns an mehreren Stellen, dass Jesus Bilder gebraucht, die zu Missverständnissen führen. In Kapitel 3, im Gespräch mit dem Pharisäer Nikodemus, sagt Jesus, dass wir neu geboren werden müssen. Und Nikodemus fragt: »Wie kann ein ausgewachsener Mensch in den Körper der Mutter zurückkehren?

So versteht die Frau am Brunnen auch nicht, wie Jesus darauf kommt, dass er ihr Wasser geben könnte. Dabei hat sie doch die Möglichkeit, Wasser zu schöpfen. Der durstige Wanderer, der ihr gegenübersitzt, hat bei der Tiefe des Brunnens keine Chance an Wasser zu kommen.

Dabei redet Jesus von etwas anderem. Er redet von dem »lebendigen Wasser«, so wörtlich. Wasser, das nicht mit dem Krug aus einem Loch im Boden geholt wird. Er redet von einem geistlichen Wasser. Es ist so wichtig für unser inneres Leben, wie Wasser wichtig ist für alles, was lebt – egal ob Mensch, Tier oder Pflanze. Ein Wasser, in dem geistliches Leben, ewiges Leben steckt.

Dieses Missverständnis wird erst später im Gespräch aufgelöst, als sich Jesus der Frau als Messias zu erkennen gibt. Das Johannesevangelium führt hier ganz deutlich vor Augen, dass Jesus eben beides ist: ganz Mensch wie wir – der durstig am Brunnen sitzt – und doch gesandt, um uns das Leben zu geben.

Bis heute kursieren Missverständnisse darüber, wer Jesus ist bzw. wer er war. Ein junger Mann behauptet bei einer Straßenumfrage: »Jesus war ein Mann, der seiner Zeit voraus war. Er hat gute Sachen gesagt und sich für Frieden eingesetzt.« Er meint, Jesus sei ein Mensch wie Gandhi, Buddha, Mutter Teresa oder andere Friedens-stifter gewesen, die wir hochschätzen und verehren. Ein normaler Mensch wie wir – bedürftig wie wir.

In diese Richtung zielt auch die Frage der Frau: »Bist du etwa größer als unser Vater Jakob?« Die übliche Antwort wäre hier vermutlich: »Nein!« Aber Jesus ist größer. Er ist nämlich beides: Mensch und Gott.

Wenn wir Jesus auf sein Menschsein reduzieren, dann bleiben wir im Missverständnis stecken, wie die Frau. Dann bleiben wir hinter dem Leben zurück, das er für uns hat. Dann erfahren wir nichts von seiner göttlichen Kraft in unserem Leben. Dann wird unser Durst

Jesus – der wahre Lebensbrunnen

Denn Jesus ist die Quelle. Er verfügt nicht nur über das Lebenswasser, sondern er selbst ist die Quelle des Lebens. Er ist der Brunnen, bei dem wir, geistlich gesehen, Wasser holen müssen, um unseren Durst zu stillen.

Wir Menschen haben Durst. Ganz äußerlich nach Wasser – unser Körper besteht zu über 60 Prozent aus Wasser, deshalb müssen wir viel mehr trinken als essen, aber wir haben auch einen inneren Durst: Wir sehnen uns nach Glück, nach Liebe, nach Erfolg, nach Ansehen, nach einer Familie usw. Nach Dingen, von denen wir uns versprechen, dass sie uns glücklich und zufrieden machen. Dass sie unseren Lebensdurst stillen. Jesus sagt: »Diesen Lebensdurst, den kann nur ich stillen. Dieses Wasser findest du bei mir.

Der Tennisstar Boris Becker sagte einmal:

»Ich hatte schon zweimal Wimbledon gewonnen, einmal als jüngster Spieler. Ich war reich ich hatte alles, was ich brauchte. Es ist das alte Lied von Filmstars oder Popstars, die sich das Leben nehmen. Sie haben alles, und sind doch unglücklich. Ich hatte keinen inneren Frieden.

Selbst Menschen, die scheinbar alles haben, sich alles leisten können, tragen diese Sehnsucht nach Leben immer noch in sich. Sie sind trotz all des Geldes immer noch auf der Suche danach, etwas zu finden, was den Lebensdurst stillt. Auch die Samariterin trägt diese tiefe Sehnsucht in sich. Jesus wird ihr im Verlauf der Geschichte ihren Lebenslauf zusagen. Fünf Manner hatte sie bereits gehabt und der bei ihr lebt ist nicht ihr Mann. Jesus sagt: »Ich bin die einzige Quelle für dieses Wasser.« Er wird sich der Frau als Messias zu erkennen geben. Und was macht die Frau. Sie überwindet ihre Scham, läuft ins Dorf und erzählt den Menschen von ihrer Begegnung. Und die Menschen glauben ihr und folgen ihr zu Jesus.

Und später im Johannesevangelium wird berichtet, dass Jesus am Kreuz stirbt. Ein römischer Soldat sticht ihm mit einem Speer in die Seite – und da fließen Wasser und Blut heraus. Am Kreuz wird Jesus zur Quelle des Lebens. An dem Ort, wo er die Versöhnung für unsere Schuld erwirkt.

Wer zu Jesus kommt und ihn um das Lebenswasser bittet, der kommt an diesem Kreuz nicht vorbei. Hier müssen wir all das abgeben, wovon wir uns das Leben zuvor erhofft haben. Wir dürfen uns Vergebung zusprechen lassen. Vergebung dafür, dass wir das Leben bei einem anderen gesucht haben als Gott. Und dann dürfen wir uns von seinem Geist neues Leben schenken lassen. Echtes Leben. Lebendiges Wasser, das bleibt. In diesem Leben und in der Ewigkeit. Deshalb zögern Sie nicht, Jesus danach zu fragen.

Amen. 

Gabriele Leibold

 

 

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1. Sonntag nach Epiphanias

Predigt zum Gottesdienst am 1. Sonntag nach Epiphanias, 12. Januar 2025

Liebe Mitchristen!

Nach langer und entbehrungsreicher Wüstenwanderung stand das Volk Israel am Jordan. Auf der einen Seite des Flusses lag die Wüste, die an die vergangenen 40 Jahr erinnerte- an Hunger, Durst, Erschöpfung und Entbehrung. Kaum einer von ihnen wusste noch, wie es damals in Ägypten war, als sie als Sklaven schuften mussten.

Mose war ihr Anführer gewesen, diese ganzen 40 Jahre lang. Aber jetzt war Mose gestorben. Ausgerechnet jetzt, wo sie ihn so dringend gebraucht hätten, hier am Jordan. Denn auf der anderen Seite des Jordans lag fruchtbares Land- das Land, von dem sie immer geträumt hatten: Milch und Honig im Überfluss würde es dort geben. Eines Tages würden sie ein gutes Leben haben- ohne Hunger und Durst, ohne Erschöpfung und Entbehrung. Hier am Jordan waren sie am Ziel. Würden sich ihre Hoffnungen erfüllen- oder doch enttäuscht werden?

Die Bibel erzählt, wie es ist, wenn man das Gewohnte verlässt und sich einen Neuanfang wagt- einen Aufbruch in eine neue, ungewisse Zukunft. Denn auch wenn das Leben in der Wüste hart und entbehrungsreich war: Nach 40 Jahren Wüstenwanderung kannten sich die Israeliten dort aus. Sie wussten, wie man in der Wüste überlebt. Im Kulturland war das anders. Dort waren andere Fertigkeiten und Fähigkeiten gefragt. Würden sie damit zurechtkommen, noch dazu ohne Mose, ihren Anführer?

In Zeiten des Umbruchs wünscht man sich eine starke Führungspersönlichkeit, damals wie heute. Auch unsere Zeit erleben wir oft als eine Zeit des Umbruchs, als eine Zeit mit großen Herausforderungen. In wenigen Wochen ist Bundestagswahl. Viele wünschen sich da eine starke Führungspersönlichkeit für unser Land. Aber ist dies überhaupt der richtige Wunsch- sollten wir nicht vielmehr darauf hinarbeiten, dass wir unsere Demokratie stärken und selber Verantwortung übernehmen, anstatt auf „die da oben“ zu schimpfen? Führungspersönlichkeit ist sicherlich nicht derjenige, der am lautesten und polemischten ist. Christian Lindner wurde bei einer Wahlkampf- Veranstaltung mit einer Torte beworfen. Was er daraufhin gesagt hat, finde ich nachdenkenswert: „Dass wir in einem Bundestagswahlkampf als Demokratinnen und Demokraten zusammenkommen können und wir hören die Argumente der anderen, auch wenn wir sie nicht teilen, das ist ein Zeichen unserer politischen Kultur.“

Ja, ich denke: Die Argumente der anderen hören, auch wenn wir sie nicht teilen- das ist etwas, was wir zu wenig tun. Es ist wichtig, dass wir wieder lernen, einander zuzuhören, gerade auch in unserer Zeit, die wir als eine Zeit der Umbrüche und Veränderungen erleben. In mancherlei Hinsicht geht es uns da wie den Israeliten damals am Jordan. Wir brechen auf in eine neue Zukunft, die wir nicht kennen. Wenn wir an die Zukunft unseres Landes denken, ist das so.

Und auch, wenn wir an die Zukunft unserer Kirche denken. Auch da kann man den Eindruck bekommen: Nichts bleibt, wie es war. Unser Gosheimer Johannes-Gemeindehaus haben wir zur Kindergartengruppe umfunktioniert. Und damit wir wieder mehr Platz für Gemeindeveranstaltungen haben, werden wir in unsere Wehinger Christuskirche einen Gemeinderaum einbauen. Ja, nicht einmal das Kirchengebäude bleibt, wie es ist. Auch der Kirchenbezirk bleibt nicht, wie er ist. Nicht mehr in Tuttlingen wird der Sitz des neuen Dekans sein, sondern in Rottweil- und die Gemeinden des bisherigen Kirchenbezirks Sulz gehören jetzt auch dazu.

Als wir in Gosheim die neue Kindergartengruppe eingeweiht haben in den ehemaligen Gemeindehaus- Räumen im September letzten Jahres, da haben wir einen Festgottesdienst gefeiert. Und als die Kirchenbezirke Tuttlingen und Sulz sich zum neuen Kirchenbezirk Rottweil zusammengeschlossen haben, haben wir es auch so gemacht, am 6. Januar in Rottweil. Viele Menschen aus den Gemeinden des neuen Kirchenbezirks sind in der Rottweiler Predigerkirche zusammengekommen. Wir haben miteinander gesungen, gebetet, und der Prälat hat gepredigt. Anschließend haben wir miteinander auf den neuen Kirchenbezirk angestoßen und Kaffee getrunken. Und das, obwohl klar war, dass dieser Zusammenschluss aus der Not geboren ist, dass unsere Gemeinden kleiner werden.

Warum feiern wir das Neue- selbst dann, wenn es uns eher Angst und Sorge macht als Freude? Ich denke, wir tun es gerade deshalb. Wir tun es, um zu zeigen: Wir haben Grund zum Vertrauen in die Zukunft. Denn wir gehen den Weg ins Ungewisse mit dem lebendigen Gott an unserer Seite. Und auch, wenn Manches wegbricht, auf das wir uns bisher immer verlassen konnten: Gott verlässt uns nicht. Auf ihn sollen wir vertrauen, nicht auf Menschen. Starke Führungspersönlichkeiten wie damals Mose es war, sind wichtig. Aber sie sind eben auch verführerisch. Denn wir sollen uns nicht an Menschen klammern, die uns sagen, wo es lang geht. Auf Gott sollen wir vertrauen, und dem Neuen eine Chance geben: „Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein,“ sagt Gott zu Josua in Josua 3, 7. Und Josua sagt zum Volk: „Heiligt euch!“ (Josua 3, 5) Damit meint Josua: Wir wollen das Neue bewusst angehen, nicht mit blindem Aktionismus. Wir wollen den Übergang über den Jordan, hinüber in das Gelobte Land, feiern wie einen Festgottesdienst. Die Priester sollen vorausgehen mit der Bundeslade, in der die 10 Gebote aufbewahrt werden. Und wir wollen warten, bis es Zeit ist. Wir gehen erst morgen früh los. Bis dahin bereitet euch vor.

Ich stelle mir vor, wie das am nächsten Morgen war für die Priester, die mit der Bundeslade loszogen, hinein in den Jordan- diesen großen und beeindruckenden Fluss, der an die 65 Meter breit sein kann: Ohne Angst losgehen in die reißenden Fluten, und mittendrin stehen bleiben. Mitten in der Gefahr innehalten. Tief Luft holen, wenn es mir die Kehle zuschnürt- vor Angst, vor Wut, vor Ärger, dass das Alte nicht einfach so bleiben kann wie es immer war. Mitten im Fluss des Lebens stehen bleiben und die Worte der Bibel hören: „Lass es jetzt zu!“ (Matthäus 3, 15) Das sind Worte der Bibel, die ebenfalls am Jordan gesprochen wurden, 1200 Jahre später. Johannes der Täufer steht da am Jordan, und Jesus kommt zu ihm, um sich taufen zu lassen. Für Johannes ist das unvorstellbar, dass er Jesus taufen soll, der doch der Größere von ihnen beiden ist.

„Lass es zu,“ sagt Jesus. Lass dich ein auf das Neue, bisher Unvorstellbare. Verabschiede dich von Deinen alten Vorstellungen. Lass es zu, und warte mit offenen Händen auf Gottes Wunder. „Nicht müde werden, sondern dem Wunder wie einem Vogel die Hand hinhalten.“ So sagt es Hilde Domin in einem Gedicht.

Mit offenen Händen auf Gottes Wunder warten. Eine Antenne dafür haben. Auch wenn kein Mose mehr da ist. Auch wenn in unserem Land die starken Führer fehlen mögen. Die starken Führer verschwinden, aber Gott ist in den Schwachen mächtig: Josua- Joshua- Jeshua- Jesus. Es ist alles derselbe Name. Jesus- der Himmel öffnet sich bei seiner Taufe. Eine neue und unbekannte Zukunft beginnt. Und ich darf sie feiern: Voller Hoffnung mache ich mich auf den Weg ins Unbekannte. Meine Fußsohlen suchen Halt auf glitschigem Grund. Manchmal steht mir das Wasser bis zum Hals. Aber was mir heilig ist, habe ich dabei: Mein Gottvertrauen. Den Glauben, dass am Ende alles gut werden wird. Mitten im Fluss ist das Wasser am tiefsten. Dort, wo die Angst mir die Kehle zuschnürt, gehe ich hin. Ich laufe nicht weg von diesem Ort. Nein, gerade hier bleibe ich stehen und erlebe: Es bleibt nicht dabei, dass mir das Wasser bis zum Hals steht. Die Fluten verlaufen sich. Ein Weg wird erkennbar- nicht nur für mich, auf für all die anderen. Auch sie können jetzt ihre Angst loslassen und sich auf das Neue einlassen. So war es damals am Jordan bei Josua. So ist es auch heute.

„Lass es zu,“ sagt Jesus am Jordan zu Johannes dem Täufer. Manchmal braucht es neue, ungewohnte Wege. Manchmal müssen wir über unseren Schatten springen und uns auf das einlassen, was für uns bisher unvorstellbar war. Dann wird Gutes daraus entstehen. Dann steht uns der Himmel offen, und Gottes Geist umweht uns. Dann hören wir Gottes Stimme: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

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Predigt zum 2. Sonntag nach dem Christfest, 5. Januar 2025

Liebe Mitchristen!

Jesus Christus ist zu uns gekommen, als Kind in der Krippe- das haben wir an Weihnachten

gefeiert. Und jetzt? Wie geht es jetzt weiter? Was nehmen wir von dieser Weihnachtsbotschaft

mit in das neue Jahr? Wenn der Glanz von Weihnachten wieder verschwindet aus unseren

Häusern und Kirchen- auch und gerade dann ist da etwas, das bleibt von dieser

weltbewegenden Geschichte, die so unscheinbar begonnen hat, damals in Bethlehem im Stall

bei Ochs und Esel. Weltbewegend ist diese Geschichte vom Jesuskind, weil eine weltweite

Bewegung daraus entstanden ist- die weltweite Christenheit: Wir alle, die wir uns nach unserem

Herrn Jesus Christus nennen. Auf seinen Namen sind wir getauft. Wir gehören zu ihm. Seit dem

Tag unserer Taufe sind wir mit Jesus Christus verbunden: „Jesus Christus ist zu uns gekommen

durch das Wasser seiner Taufe.“ So heißt es in unserem Predigttext (1. Johannes 5, 6).

Mich erinnert das an das Segenswort, das jeder zugesprochen bekommt, der hier in unserer

Kirche getauft wird: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem

Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43, 1) Ein Wort des lebendigen Gottes ist das. Auf seinen

Namen sind wir getauft: Auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ja, es

ist wahr: Jesus Christus ist zu gekommen durch das Wasser seiner Taufe. Zu mir ist er

gekommen in meiner Taufe, ganz persönlich, ganz direkt. So bezeugt das Wasser der Taufe:

Jesus Christus ist für mich da. Immer, wenn wir Taufe feiern oder uns an unsere Taufe erinnern,

dann ist das ein Fest für Jesus. Wie an Weihnachten feiern wir dann Jesus, der zu uns gekommen

ist, in unser Leben.

Das Taufwasser allein macht es freilich noch nicht- genauso wenig wie der geschmückte

Weihnachtsbaum noch kein Weihnachtsfest macht. Was braucht es also noch, damit ich Jesus

wirklich feiern kann in meinem Leben? Es braucht Festfreude, es braucht Begeisterung. Gottes

Heiligen Geist braucht es. Denn der Heilige Geist ist Zeuge für Jesus. Was der Heilige Geist uns

schenkt, ist echte Freude- keine aufgesetzte Festfreude wie bei einem Weihnachtsfest in einer

zerstrittenen Familie, wo die Konflikte an Weihnachten unter der Decke gehalten werden um des

lieben Friedens willen, und dabei keine richtige Feststimmung aufkommen will. Beim Heiligen

Geist ist es anders. Denn der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit. Wir können ihm nichts

vormachen. Und wir müssen es auch nicht. Das ist befreiend. Denn es ist ja unglaublich

anstrengend, wenn wir pausenlos aufpassen müssen, dass niemand unsere Fehler und

Schwächen bemerkt.

Der Heilige Geist gibt uns die Kraft, der Wahrheit ins Auge zu schauen und einen ehrlichen Blick

auf unser Leben zu werfen. Wenn ich das tue, dann muss ich mir wohl eingestehen: Manches ist

schiefgelaufen. Manches habe ich verbockt. Ja, an manchen Stellen meines Lebensweges

wünschte ich, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Denn heute würde ich es ganz anders machen

als damals. Aber ich kann die Vergangenheit nicht mehr ändern. Ich kann nur auf Jesus

vertrauen und mein Leben in seine Hand legen. Zu ihm kann ich die Last meiner Vergangenheit

bringen und sie unter sein Kreuz legen. Jesus Christus hat sein Leben für mich gegeben und

schenkt mir einen Neuanfang. So heißt es auch in 1. Johannes 5, 6: „Jesus Christus ist zu uns

gekommen durch das Blut seines Todes.“ So feiern wir es in unseren

Abendmahlsgottesdiensten- so wie Jesus Christus es selbst gesagt hat: „Das ist mein Leib, der

für euch gegeben wird. Das ist mein Blut des neuen Bundes, das für euch und für viele vergossen

wird zur Vergebung der Sünden.“ (1. Korinther 11, 24-25)

Jesus Christus nimmt unsere Schuld auf sich. Im Abendmahl wird das erfahrbar für mich: Ich

halte die Hände auf und warte, dass Jesus Christus zu mir kommt und mir meine Last abnimmt.Und er kommt. Jesus Christus ist ganz nah. Er ist da- ganz klein, noch kleiner als das Kind in der

Krippe. Nur ein kleines Stück Brot und ein kleiner Schluck Wein oder Traubensaft. Aber es ist

Jesus Christus, Gottes Sohn. Gott selbst ist der Zeuge dafür. Durch seine Boten hat er es

verkündet, und in der Bibel können wir es nachlesen: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt

Sünde trägt!“ (Johannes 1, 29) Jesus Christus ist zu uns gekommen- in unseren Gottesdiensten

feiern wir das miteinander, zusammen mit der weltweiten Christenheit.

Heute feiern wir unseren Gottesdienst noch einmal mit Weihnachtsbaum und Krippe, die uns an

das Weihnachtsfest erinnern- wie Jesus Christus gekommen ist als kleines Kind in der Krippe,

ein Mensch wie wir, schutzlos und bedürftig. Und doch der Sohn Gottes. Und auch wenn wir den

Weihnachtsbaum und die Krippe nun bald wieder wegräumen- es gilt weiter: Jesus Christus ist

zu uns gekommen. Von Anfang an gilt es- seit unsere Eltern uns zur Taufe gebracht haben. Seit

wir selbst durch den Heiligen Geist in uns gespürt haben: Ich gehöre zu Jesus. Ich bin mit Jesus

verbunden. Er ist immer bei mir. Er lässt mich nicht fallen. „Jesus Christus ist zu uns gekommen

durch das Wasser der Taufe und das Blut seines Todes.“ (1. Johannes 5, 6) Wenn in unserer

Kirche der Weihnachtsbaum und die Krippe wieder weggeräumt sind, dann erinnern uns der

Taufstein und das Abendmahlsgeschirr mit Brot und Wein weiter daran, dass Jesus Christus zu

uns gekommen ist.

Im Abendmahl feiern wir: Wir sind mit Jesus Christus verbunden. Nichts kann uns von ihm

trennen. Keine Schuld der Welt, ja nicht einmal der Tod. Die Verbindung mit Jesus bleibt und

trägt- auch über dieses Leben hinaus, auch in Ewigkeit: „Wer mit dem Sohn verbunden ist, hat

das Leben bekommen.“ (1. Johannes 5, 12) Das gilt im Hier und Jetzt, und es gilt in Ewigkeit. In

dieser Gewissheit können wir getrost in das neue Jahr gehen, was auch immer das Jahr bringen

wird. So wie es in 1. Johannes 5, 13 heißt: „Dies alles habe ich euch geschrieben, damit ihr

wisst: Ihr habt das ewige Leben. Denn ihr glaubt an den Sohn Gottes.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

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Gedanken zum Sonntag

2. Sonntag nach Christfest

 

Predigt zum 2. Sonntag nach dem Christfest, 5. Januar 2025

Liebe Mitchristen!

Jesus Christus ist zu uns gekommen, als Kind in der Krippe- das haben wir an Weihnachten gefeiert. Und jetzt? Wie geht es jetzt weiter? Was nehmen wir von dieser Weihnachtsbotschaft mit in das neue Jahr? Wenn der Glanz von Weihnachten wieder verschwindet aus unseren Häusern und Kirchen- auch und gerade dann ist da etwas, das bleibt von dieser weltbewegenden Geschichte, die so unscheinbar begonnen hat, damals in Bethlehem im Stall bei Ochs und Esel. Weltbewegend ist diese Geschichte vom Jesuskind, weil eine weltweite Bewegung daraus entstanden ist- die weltweite Christenheit: Wir alle, die wir uns nach unserem Herrn Jesus Christus nennen. Auf seinen Namen sind wir getauft. Wir gehören zu ihm. Seit dem Tag unserer Taufe sind wir mit Jesus Christus verbunden: „Jesus Christus ist zu uns gekommen durch das Wasser seiner Taufe.“ So heißt es in unserem Predigttext (1. Johannes 5, 6).

Mich erinnert das an das Segenswort, das jeder zugesprochen bekommt, der hier in unserer Kirche getauft wird: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43, 1) Ein Wort des lebendigen Gottes ist das. Auf seinen Namen sind wir getauft: Auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ja, es ist wahr: Jesus Christus ist zu gekommen durch das Wasser seiner Taufe. Zu mir ist er gekommen in meiner Taufe, ganz persönlich, ganz direkt. So bezeugt das Wasser der Taufe: Jesus Christus ist für mich da. Immer, wenn wir Taufe feiern oder uns an unsere Taufe erinnern, dann ist das ein Fest für Jesus. Wie an Weihnachten feiern wir dann Jesus, der zu uns gekommen ist, in unser Leben.

Das Taufwasser allein macht es freilich noch nicht- genauso wenig wie der geschmückte Weihnachtsbaum noch kein Weihnachtsfest macht. Was braucht es also noch, damit ich Jesus wirklich feiern kann in meinem Leben? Es braucht Festfreude, es braucht Begeisterung. Gottes Heiligen Geist braucht es. Denn der Heilige Geist ist Zeuge für Jesus. Was der Heilige Geist uns schenkt, ist echte Freude- keine aufgesetzte Festfreude wie bei einem Weihnachtsfest in einer zerstrittenen Familie, wo die Konflikte an Weihnachten unter der Decke gehalten werden um des lieben Friedens willen, und dabei keine richtige Feststimmung aufkommen will. Beim Heiligen Geist ist es anders. Denn der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit. Wir können ihm nichts vormachen. Und wir müssen es auch nicht. Das ist befreiend. Denn es ist ja unglaublich anstrengend, wenn wir pausenlos aufpassen müssen, dass niemand unsere Fehler und Schwächen bemerkt.

Der Heilige Geist gibt uns die Kraft, der Wahrheit ins Auge zu schauen und einen ehrlichen Blick auf unser Leben zu werfen. Wenn ich das tue, dann muss ich mir wohl eingestehen: Manches ist schiefgelaufen. Manches habe ich verbockt. Ja, an manchen Stellen meines Lebensweges wünschte ich, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Denn heute würde ich es ganz anders machen als damals. Aber ich kann die Vergangenheit nicht mehr ändern. Ich kann nur auf Jesus vertrauen und mein Leben in seine Hand legen. Zu ihm kann ich die Last meiner Vergangenheit bringen und sie unter sein Kreuz legen. Jesus Christus hat sein Leben für mich gegeben und schenkt mir einen Neuanfang. So heißt es auch in 1. Johannes 5, 6: „Jesus Christus ist zu uns gekommen durch das Blut seines Todes.“ So feiern wir es in unseren Abendmahlsgottesdiensten- so wie Jesus Christus es selbst gesagt hat: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das ist mein Blut des neuen Bundes, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ (1. Korinther 11, 24-25)

Jesus Christus nimmt unsere Schuld auf sich. Im Abendmahl wird das erfahrbar für mich: Ich halte die Hände auf und warte, dass Jesus Christus zu mir kommt und mir meine Last abnimmt.

Und er kommt. Jesus Christus ist ganz nah. Er ist da- ganz klein, noch kleiner als das Kind in der Krippe. Nur ein kleines Stück Brot und ein kleiner Schluck Wein oder Traubensaft. Aber es ist Jesus Christus, Gottes Sohn. Gott selbst ist der Zeuge dafür. Durch seine Boten hat er es verkündet, und in der Bibel können wir es nachlesen: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (Johannes 1, 29) Jesus Christus ist zu uns gekommen- in unseren Gottesdiensten feiern wir das miteinander, zusammen mit der weltweiten Christenheit.

Heute feiern wir unseren Gottesdienst noch einmal mit Weihnachtsbaum und Krippe, die uns an das Weihnachtsfest erinnern- wie Jesus Christus gekommen ist als kleines Kind in der Krippe, ein Mensch wie wir, schutzlos und bedürftig. Und doch der Sohn Gottes. Und auch wenn wir den Weihnachtsbaum und die Krippe nun bald wieder wegräumen- es gilt weiter: Jesus Christus ist zu uns gekommen. Von Anfang an gilt es- seit unsere Eltern uns zur Taufe gebracht haben. Seit wir selbst durch den Heiligen Geist in uns gespürt haben: Ich gehöre zu Jesus. Ich bin mit Jesus verbunden. Er ist immer bei mir. Er lässt mich nicht fallen. „Jesus Christus ist zu uns gekommen durch das Wasser der Taufe und das Blut seines Todes.“ (1. Johannes 5, 6) Wenn in unserer Kirche der Weihnachtsbaum und die Krippe wieder weggeräumt sind, dann erinnern uns der Taufstein und das Abendmahlsgeschirr mit Brot und Wein weiter daran, dass Jesus Christus zu uns gekommen ist.

Im Abendmahl feiern wir: Wir sind mit Jesus Christus verbunden. Nichts kann uns von ihm trennen. Keine Schuld der Welt, ja nicht einmal der Tod. Die Verbindung mit Jesus bleibt und trägt- auch über dieses Leben hinaus, auch in Ewigkeit: „Wer mit dem Sohn verbunden ist, hat das Leben bekommen.“ (1. Johannes 5, 12) Das gilt im Hier und Jetzt, und es gilt in Ewigkeit. In dieser Gewissheit können wir getrost in das neue Jahr gehen, was auch immer das Jahr bringen wird. So wie es in 1. Johannes 5, 13 heißt: „Dies alles habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst: Ihr habt das ewige Leben. Denn ihr glaubt an den Sohn Gottes.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

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Gedanken zum Sonntag

3. Advent

 

Predigt zum Posaunenchor- Jubiläum am 3. Advent, 15.12.2024

Liebe Mitchristen!

Eintracht. Viele Chöre und Musikvereine tragen dieses Wort in ihrem Namen. Was ist der Grund dafür? Sie, liebe Bläserinnen und Bläser unseres Posaunenchors werden es wissen. Seit 50 Jahren gibt es den Posaunenchor nun in unserer Gemeinde. Angeregt durch Pfarrer Bender könnten am 27.08.1074 im Gemeindesaal 6 Bläser begrüßt werden. Im Laufe der Zeit wuchs der Chor auf 13 Bläser an. Der Posaunenchor ist aus dem gemeindlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Sonntags- und Festtagsgottesdienste musikalisch zu begleiten. Auch bei den Gottesdiensten im Grünen tut er regelmäßig seinen Dienst- früher auch in den Außenorten, z. B. in Egesheim, wie die Egesheimer Chronik berichtet.

Seit 1988 hat Herr Willi Gurt aus Gosheim die Aufgabe der Chorleitung in großer Treue übernommen. So wird der Dienst des Chores in der Gemeinde nach altbewährter Tradition fortgeführt: „Gott loben, das ist unser Amt“ – diesen Auftrag können wir Posaunenchöre am leichtesten erfüllen nach dem Leitspruch von Johann Sebastian Bach: „soli deo gloria“ (Allein Gott sei Ehr), so Willi Gurt.

Eintracht. So heißt unser Posaunenchor nicht. Aber Eintracht ist nötig für ein harmonisches und melodisches gemeinsames Musizieren, so wie es unser Posaunenchor seit 50 Jahren pflegt. „Seid einträchtig gesinnt untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.“ (Römer 15, 5b-6). Auch der Apostel Paulus sagt uns in diesem Bibelwort: „Gott loben, das ist unser Amt.“ Einmütig sollen wir Gott loben, sagt er uns. Wie aus einem Munde soll das Lob kommen. Und doch darf es vielstimmig sein. Das lehren uns all die Chöre und Musikvereine, die das Wort „Eintracht“ in ihrem Namen führen. Das lehrt uns auch unser Posaunenchor: Einträchtig gesinnt sein und einmütig Gott loben- das können wir auch in der Verschiedenheit, die uns ausmacht. Jede und jeder von uns hat eine besondere Klangfarbe beizutragen zum einmütigen Lob Gottes. Und wenn es im Posaunenchor nur die Posaune gäbe, und nicht auch noch die Trompete, die Hörner und die Tuba, dann würde der Posaunenchor wohl eher eintönig statt einmütig klingen. Aber so ist es ja zum Glück nicht.

Wir loben Gott in der Vielstimmigkeit, die er uns geschenkt hat. In einem Chor wissen wir diese Vielstimmigkeit zu schätzen und genießen die klangliche Vielfalt, die sich daraus ergibt. In anderen Bereichen des Lebens fällt es uns leider oft schwerer, eine solche Eintracht in der Vielfalt, eine solche Einmütigkeit in der Verschiedenheit zu leben. Auch der Apostel Paulus hatte beim Schreiben des Römerbriefs eine Situation vor Augen, wo man sich schwer tat mit der Eintracht und der Einmütigkeit. In der Gemeinde in Rom gab es unterschiedliche Gruppen, die sich argwöhnisch gegenüberstanden. Da gab es die einen, die vom Judentum herkamen und wie gewohnt die jüdischen Bräuche und Vorschriften befolgten. Sie beachteten besondere Zeiten und aßen oft kein Fleisch, weil dies nach heidnischem Ritus geschlachtet wurde. Dann gab es die andere Gruppe, die nicht vom Judentum herkam und keine solchen Vorgaben und Gesetze befolgte. Paulus versuchte, zwischen diesen beiden Gruppen zu vermitteln: Wer sich nicht an die jüdischen Gesetze gebunden fühlt, soll sich deswegen nicht über die anderen erheben. Geht aufeinander ein. Achtet darauf, was die anderen benötigen. Jeder soll so handeln, wie es seinem Mitmenschen gefällt. Das tut diesem gut, und hilft, ihn aufzubauen. So die guten Ratschläge des Apostels Paulus, die heute genauso aktuell sind wie in der damaligen Zeit.

„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.“ So bringt Paulus seine guten Ratschläge auf den Punkt (Röm 15, 7). An diesem Bibelwort ist mir der zweite Teil besonders wichtig: Christus hat mich angenommen- er, der Spross aus der Wurzel Isais, der aufstehen wird, um über die Völker zu herrschen (Jes 11,10). Jesus Christus, der an Weihnachten zu uns kommt als kleines Kind in der Krippe. Er kommt im Frieden, ohne alle Zeichen äußerer Macht. Auf ihn darf ich vertrauen und mich darauf verlassen: Er, Jesus Christus hat mich angenommen. Das gibt mir die Kraft, andere anzunehmen- auch die, mit denen ich mich schwer tue, weil sie scheinbar so anders sind als ich. Ja, wir sind von Jesus Christus angenommen- trotz allen unseren Fehlern und Schwächen. Trotz allem Argwohn, mit dem wir uns begegnen. Obwohl es uns immer noch leichter fällt, zu sagen was uns trennt und uns in Gruppen und Kreise aufzuspalten, als das gemeinsame zu betonen und trotz aller Unterschiedlichkeit miteinander zum Lobe Gottes zu feiern- auch ökumenisch. Wir sind von Jesus Christus angenommen. Obwohl wir viel zu oft tatenlos schweigen, wenn Menschen anderen Glaubens und anderer Herkunft in unserem Land unfair behandelt oder gar drangsaliert und angegriffen werden. Wir sind von Jesus Christus angenommen. Obwohl wir uns selbst oft nicht annehmen können, weil wir unzufrieden mit uns sind und enttäuscht von uns, obwohl wir an uns zweifeln und an dem, was wir erreichen oder bewirken.

„Bereitet dem Herrn den Weg: Denn siehe, der Herr kommt gewaltig.“ So heißt es im Wochenspruch für die 3. Adventswoche (Jesaja 40,3+10). Ohne äußere Macht kommt Jesus Christus als Kind in der Krippe zu uns, und doch gewaltig, denn er nimmt die Last der Welt auf sich. Durch sein Kommen verändert sich etwas: Wir sind von Jesus Christus angenommen. Überall, wo diese Botschaft im Herzen von Menschen aufleuchtet, verändert sich etwas in der Welt. Manchmal ist es die Musik, die unsere Herzen so bewegt. Manchmal ist es ein gutes Wort, oder ein ermutigender Blick, der uns diese Hoffnung schenkt: Hoffnung ist die Geduld und die ermutigende Zuversicht. Hoffnung gibt uns die Kraft, mit der wir den annehmen können, der ankommt und der uns annimmt- so wie wir sind: Jesus Christus.

Immer dann, wenn es uns gelingt, uns selbst und unsere Mitmenschen anzunehmen, leuchtet etwas von dem Licht Christi auf- manchmal ganz unauffällig und unspektakulär. Und doch: Wo etwas von diesem Licht erstrahlt, das geschieht etwas Gewaltiges, mitten in der unserer Welt. Nach Paulus gibt es ein Zeichen, in dem diese Hoffnung erkennbar aufscheint: Gemeinsam singen und musizieren, und mit Freude im Herzen Gott zusammen loben- so wie wir sind, oft getrennt und in vielem uneins, manchmal schwach und ratlos, zögerlich oder zweifelnd. So wollen wir es auch heute miteinander tun, mit unseren Stimmen und mit den Instrumenten unseres Posaunenchors, denn: Gott loben, das ist unser Amt.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

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Einladung zur öffentlichen KGR Sitzung

Mittwoch, 11.12.2024 um 19.00 Uhr im Gemeindesaal in Wehingen

Öffentlicher Teil

Top 1

19:00 Uhr

Begrüßung

Andacht 

Top 2

Festlegung und Ergänzung der Tagesordnung

Top 3

Öffentliches Protokoll der letzten Sitzung vom 13.11.2024

Top 4

Architekturbüro Bühler stellt Entwürfe für Kirchen- Umbau vor

Top 5

a. Mitteilungen und Anregungen

b. Rückblick: 

  • Gemeindewanderung 17.11.2024
  • Buß- und Bettag 20.11.2024 
  • Adventskaffee – Nachmittag 01.12.Kinderg2024
  • Seniorenadvent 03.12.2024
  • Atempause 08.12.2024
  • Gemeindebrief – Dank ans Team – Info: Überweisungsträger sind integrierbar

c. Ausblick:

  • Vorbereitungstreffen zur Nacht der offenen Kirchen 12.12.2024
  • Planung MA-Dank-Gottesdienst am 02.02.2025
  • Konfifreizeit – Stand der Dinge
  • Info: GD im Grünen 27.07.2025 klappt an der Skihütte Wehingen

Top 6

KGR-Dienste: Planung GD 2024 (Churchtools)

Kirchkaffee 

Top 6

Bauausschuss: 

  • Entwürfe von Architekturbüro Bühler – Weiteres Vorgehen
  • Schließanlage für Wehingen – nicht mehr dringend, aber dennoch: Angebote einholen
  • Beleuchtung Kirchturm
  • Glasfaseranschluss im Finkenweg 12 – weiteres Vorgehen

Beschluss über Kostenaufteilung

Top 8

Kindergarten

Top 9

Finanzen

Top 10

Distrikt

  • Bericht von der Delegiertenversammlung 23.11.2024
  • Bericht von der Bezirkssynode 15.11.2024
  • Bericht von der Pfarrplan-Besprechung am 3.12.2024

Top 11

Verschiedenes

  • Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in RW möglich
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Gedanken zum Sonntag

2. Advent

Predigt zum Thema „Weihnachten im Knast“

 

Liebe Mitchristen!

 

Weihnachten feiern im Gefängnis- geht das? Ist Weihnachten nicht eher ein Fest für die, deren Leben in geordneten Bahnen verläuft? Die, bei denen alles klar geht: Wohnung, Beruf, Familie – was ebenso zum Leben gehört. Menschen, die gemütlich unter dem Weihnachtsbaum sitzen und mit ihren Kindern die Geschenke auspacken können. Wer so denkt, hat natürlich nicht ganz Unrecht. So kennen wir Weihnachten. Und auch, wenn wir Weihnachten vielleicht nicht jedes Jahr so gefeiert haben, dann hatten wir trotzdem das Gefühl: So sollte Weihnachten sein, so ist es richtig. Aber Weihnachten ist mehr als das, was wir uns normalerweise darunter vorstellen. Weihnachten ist mehr als nur gemütliche Familienidylle unter dem Weihnachtsbaum. Deswegen feiere ich auch mit den Gefangenen im Rottweiler Gefängnis jedes Jahr am 24. Dezember einen Weihnachtsgottesdienst- zusammen mit meinem katholischen Kollegen Diakon Leibrecht und musikalisch begleitet vom Rottweiler Posaunenchor. Dies ist ein Teil meiner Aufgabe als Gefängnisseelsorgerin für das Rottweiler Gefängnis.

 

Im Gefängnis ist es nicht gemütlich. Wenn ich dort im Gefängnis Weihnachten feiere, dann denke ich daran, dass es in Bethlehem im Stall sicherlich auch nicht gemütlich war. Maria und Josef waren Fremde in dieser Stadt Bethlehem. Sie waren von weither gekommen und wussten nicht, wo sie die Nacht verbringen sollten. Letztendlich mussten sie mit einer Notunterkunft vorliebnehmen. Dort im Stall hat Maria ihr Kind zur Welt gebracht. In eine Futterkrippe hat sie es legen müssen, denn Maria und Josef hatten sonst nichts.

 

Wenn ich Weihnachten feiere mit den Gefangenen, deren Leben nicht in geordneten Bahnen verläuft, dann denke ich daran, dass das Leben von Maria und Josef auch nicht in geordneten Bahnen verlief. Es war ganz aus der Bahn geworfen worden durch die Schwangerschaft und die Geburt des Jesuskindes. Sicher hätten die beiden sich erst später ein Kind gewünscht. Sicher hätten sie erst heiraten wollen, dann vielleicht noch etwas Geld sparen für die gemeinsame Wohnung. Josef konnte es erst gar nicht fassen, als er von der Schwangerschaft erfuhr. Zuerst wollte er Maria sogar verlassen, weil er dachte, sie hätte ihn betrogen. Gott konnte ihn gerade noch davon abbringen, indem er im Traum einen Engel zu ihm schickte.

 

Die Volkszählung brachte dann vollends alles durcheinander für Maria und Josef und ihr ungeborenes Kind. Wie kann man ein junges Paar mit einer hochschwangeren Frau auf eine solch beschwerliche Reise schicken, von Nazareth nach Bethlehem! Von Weihnachtsstimmung war nichts zu spüren damals, stattdessen einfach nur ein großes Durcheinander- äußerlich und innerlich. Denn Maria und Josef werden dieses Durcheinander sicherlich auch als ein Durcheinander der Gefühle erlebt haben: Zunächst einmal ist da das Gefühl der Ohnmacht: „Wir werden ungerecht behandelt, und wir können nichts dagegen machen. Die Mächtigen machen ihre Beschlüsse, und wir kleinen Leute müssen es ausbaden.“ Dann das Gefühl der Wut: „Denen sollte man es mal richtig zeigen, diesen Mächtigen in Rom, die da in ihren Palästen sitzen, und uns arme Leute macht man kaputt!“ Schließlich kommt das Gefühl der Verzweiflung: „Was da von uns verlangt wird, dieser weite Weg nach Bethlehem, das schaffen wir einfach nicht! Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll!“

 

Ohnmacht, Wut und Verzweiflung – diese Gefühle begegnen mir oft, wenn ich als Gefängnisseelsorgerin mit Gefangenen zu tun habe. Und auch außerhalb des Gefängnisses kennen wir diese Gefühle nur zu gut. Weihnachtliche Gefühle stellen wir uns anders vor. Ein Wunder, dass es trotzdem Weihnachten geworden ist für Maria und Josef. Ein Wunder, dass Josef nicht durchgedreht ist und einfach dreingeschlagen hat, bei all der ungerechten Behandlung, die er und seine Maria erlebt haben. Ein Wunder, dass er nicht verzweifelt ist und sich selbst aufgegeben hat. Dass er nicht vor der harten Wirklichkeit geflüchtet ist in irgendwelche Scheinwelten wie Drogen oder Alkohol. Denn Ohnmacht, Wut und Verzweiflung können leicht die Oberhand gewinnen und Menschen kaputt machen. Sie können der Grund sein, warum Menschen so weit kommen, dass sie Weihnachten im Gefängnis feiern müssen.

 

Genau darum erzähle ich auch den Menschen im Gefängnis vom Wunder der Weihnacht. Davon, dass Ohnmacht, Wut und Verzweiflung nicht das letzte Wort haben müssen. In diese harte und brutale Welt schickt Gott ein kleines Kind. Denn nicht das Harte und Brutale kann die Welt zum Guten ändern, sondern allein die Liebe. Durch die Liebe wird die Welt gerettet. In Jesus Christus kam die Liebe in die Welt. Er hat so viel Ungerechtigkeit erleiden müssen, schon als kleines Kind in der Krippe, und erst recht später, als er unschuldig zum Tode verurteilt wurde. Aber er hat diese Ungerechtigkeit durch Liebe überwunden. Er hat alle Schuld der Welt auf sich genommen, als er am Kreuz gestorben ist. Er hat auch die Verzweiflung überwunden. Durch seine Auferstehung hat er gezeigt, dass es weiter geht, auch da, wo wir keinen Ausweg mehr sehen.

 

Jesus Christus schenkt uns Hoffnung. Aus dieser Hoffnung heraus können wir unser Leben neu überdenken. Wir können dankbar sein für das Gute und Schöne, was wir in unserem Leben schon erleben durften. Ob wir in Freiheit leben oder im Gefängnis- wir dürfen uns darauf verlassen, dass trotz allem, was in unserem Leben schief gelaufen ist, einer da ist, der uns nicht fallen lässt: Jesus Christus, der die Armseligkeit und Verworrenheit dieser Welt am eigenen Leib erfahren hat. Im Stall von Bethlehem ist er für uns zur Welt gekommen. Er schenkt uns die Liebe – das größte Geschenk, das wir an Weihnachten bekommen. Bereiten wir uns vor auf sein Kommen- jetzt im Advent!

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

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Gedanken zum Sonntag

1. Advent

Predigt zum 1. Advent, 1. Dezember 2024

Liebe Mitchristen!

Advent heißt: Jesus kommt zu uns. Dabei denke ich an die Geschichte, wie Jesus in Jerusalem eingezogen ist (Matthäus 21, 1-11)- wie ein König, und doch ganz anders: Auf einem Esel reitet Jesus. Jesus kommt nicht auf dem hohen Ross zu uns. Warten auf den König- vor einigen Monaten haben das wir an den Fernsehbildschirmen miterlebt, als in England König Charles gekrönt wurde. Eine große Menschenmenge hatte sich da vor dem Palast versammelt, und gespannte Erwartung lag in der Luft. Viele der Menschen haben sich dem Anlass entsprechend gekleidet- in den Farben des Königreichs, oder mit einer Papierkrone auf dem Kopf. Dann öffnet sich die Balkontür. Die Menge wird unruhig. Alle recken die Hälse, denn jeder versucht, einen Blick zu erhaschen. Endlich betreten die Royals den Balkon. Begeisterung brandet auf. Fähnchen werden geschwenkt. Menschen winken und jubeln dem König zu.

Ein König kommt- das ist ein Festtag, mit einer feiernden und begeisterten Menschenmenge- in London in unserer Zeit genauso wie damals in Jerusalem zur Zeit von Jesus: Zweige wurden da von den Bäumen gerissen zum Winken wie mit Fähnchen. Kleider wurden auf der Straße ausgebreitet wie ein roter Teppich. Jesus, der Sohn Davids, zieht in Jerusalem ein, in die Davidsstadt, mit der so viele biblische Hoffnungen und Verheißungen verbunden sind: Das dort die Völker in friedlicher, versöhnungsbereiter Absicht zusammenströmen und sich versammeln und dass von dort aus die Botschaft des Friedens alle Völker in der Welt erreichen soll. Dass Gott von dort aus sein Versprechen von einem neuen Himmel und einer neuen Erde erfüllen wird: Mit dem himmlischen Jerusalem, der Tochter Zion, die mit ihren edelsteingeschmückten Toren auf das Kommen von Jesus wartet wie eine geschmückte Braut auf ihren Bräutigam: „Tochter Zion, freue dich!“ haben wir vorher miteinander gesungen.

Das sind Friedenshoffnungen, die weh tun in der heutigen Zeit, in einer von Kriegen zerrissenen Welt. Im Heiligen Land ist Krieg, Gaza liegt in Schutt und Asche, und der Waffenstillstand mit der Hamas im Libanon ist brüchig. Wir hoffen auf Gottes neue Welt des Friedens und der Gerechtigkeit: Ewigkeitssonntag und 1. Advent liegen nicht nur im Kalender nahe beieinander. Am 1. Advent beginnt ein neues Kirchenjahr. Dieser neue Anfang steht für Gottes Neuanfang: Das Reich Gottes kommt.  Mit der ersten brennenden Kerze am Adventskranz zieht Hoffnung in mein Herz ein. Es wird nicht immer alles so bleiben, wie es ist. Jesus wird kommen- der Heiland der Welt, der das Zerbrochene heil macht.

Advent ist die Vorbereitung auf das Kommen Jesu in meinem Leben. Der 1. Advent ist eine Wegmarke, ein Moment zum Innehalten. Alltag und Arbeit dürfen jetzt einmal ruhen: Jesus kommt. Darauf bereite ich mich vor. Das möchte ich feiern. Die Kerzen auf dem Adventskranz begleiten mich durch diese Zeit. Mit jeder entzündeten Kerze erhellt sich auch das Licht in mir. Jesus kommt in mein Leben. Er ist schon da, aber ich denke gerne und dankbar daran, wie es war, als er in mein Leben gekommen ist. Dankbar bin ich, dass ich Jesus in meinem Leben spüren kann, auch wenn die Zeit trübe und schwer ist, ich Sorgen habe und die Freude wenig Platz hat in meinem Leben. Advent- Jesus kommt in unsere Welt. Mit jeder entzündeten Kerze auf meinem Adventskranz wird es in mir heller, und überstrahlt die Dunkelheit draußen vor der Tür.

Adventskranz, Adventskalender, Weihnachtsdekoration, Wunschzettel und Weihnachtsmärkte. Das alles kann hilfreich sein, um sich auf das Fest einzustimmen, auf das Kommen von Jesus. Aber was dem einen hilfreich ist, kann dem anderen auch hinderlich dabei sein, sich wirklich vorzubereiten auf Weihnachten. „Was wünscht du dir zu Weihnachten?“ habe ich neulich meinen Sohn gefragt. „Lass mich in Frieden mit Weihnachtswünschen!“ hat er mir geantwortet. In dem Moment, als ich ihn gefragt habe, hat er es ganz offensichtlich als Belastung erlebt, sich krampfhaft einen Weihnachtswunsch überlegen zu müssen, und deshalb geantwortet: „Lass mich in Frieden damit.“ Keine sehr freundliche Antwort, aber eigentlich doch eine ernstzunehmende und zu Advent und Weihnachten sogar sehr passende Bitte.

Frieden wünscht sich mein Sohn- inneren Frieden, Seelenfrieden, Frieden auf Erden. Ja, denke ich- er hat Recht: Frieden, das ist wichtiger als alles Drumherum mit Lichterglanz und Geschenke Besorgen. Das alles sind nur Hilfsmittel. Wenn sie uns helfen, dass Jesus in unser Leben einzieht, dann ist es gut. Dann will ich weiter bei meinem Adventskranz sitzen und mein Herz erwärmen am Licht der Adventskerze. Aber wenn mir das alles nicht dabei hilft, dass ich Gottes Licht heller scheinen sehe in der Welt und in meinem Leben, dann darf ich diese Advents- und Weihnachtsbräuche getrost bleiben lassen. Mein Sohn braucht sich keinen Kopf machen, was er sich zu Weihnachten wünschen soll, wenn er das nicht möchte. Vielleicht fällt mir eine Überraschung für ihn ein. Oder es gibt für ihn zu Weihnachten einfach ein bisschen Geld, das er als Student wirklich brauchen kann.

 „Vorfreude. Einladung zum Advent“ heißt ein Buch von Johannes Kuhn. Auf S. 36 heißt es dort über das Warten auf das Kommen von Jesus: „Warten. Geduldig und bereit, sich auch stören zu lassen, wenn er ganz anders kommt, als wir eigentlich erwartet haben. Vielleicht muss da einiges beiseitegeschoben werden, damit Raum frei wird für ihn. Vielleicht manchmal sogar alles das, was wir als Zeichen der Bereitstellung vorsehen: Adventskranz und Stern, Tannenzweig und Kerzen, Liebesgaben und Lebkuchengebäck. Denn die machen’s nicht, sondern er macht’s. Er, an dessen Kommen Advent uns erinnert. Das heißt doch: Es wird nicht ewig so weitergehen. Wir werden nicht ewig die sein müssen, die wir nicht sein wollen. Wir haben ja gehört: Er kommt als ein Helfer.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer