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Gedanken zum Sonntag

2. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zum 2. Sonntag nach Trinitatis, 29. Juni 2025

 

Liebe Mitchristen!

Gestern war ich mit meinem Sohn in Spaichingen im Freibad. Es war ein richtig heißer Sommertag. Beim Schwimmen im Wasser gab es Erfrischung, aber die Hitze machte auch durstig. Also nichts wie hin zum Freibad-Kiosk. Dort steht schon eine lange Schlange durstiger Menschen. Werbeschilder preisen an, was es dort alles Leckeres zu trinken gibt: Bier, Wasser, Limo, Kaffee und Eisgetränke. Endlich bin ich an der Reihe. Eine Flasche Wasser will ich kaufen. Wasser löscht den Durst am besten, finde ich. 3 € kostet die Flasche- ein stolzer Preis für einen halben Liter Wasser. Aber wir haben Durst, also kaufe ich sie.

Zurück auf der Liegewiese setzen wir uns auf unsere Badetücher und trinken das Wasser, Schluck für Schluck. Es tut gut, wie das kühle Wasser die Kehle hinunterrinnt und der Durst langsam verschwindet. Ich lese, was auf der Flasche aufgedruckt ist: „Kostbar“ steht da geschrieben. Ob diese Wasserflasche wohl deswegen so viel gekostet hat, weil es kostbares Wasser ist? Eigentlich ist Wasser immer kostbar, denke ich- nicht nur im Freibad, wo alles ein bisschen teurer ist, weil die Kioskbetreiber ja auch davon leben können müssen. Kostbares, teures Wasser ist für mich eigentlich auch kein Problem. Ich habe ja genug Geld, um es bezahlen zu können, auch wenn die kleine Flasche im Freibad etwas teurer war als sonst. Und bei mir zuhause, da wird mir das Wasser sogar frei Haus geliefert. Ich brauche nur den Wasserhahn aufzudrehen.

In den ärmeren Ländern dieser Erde ist das anders. Viele Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Viele müssen täglich weite Wege gehen bis zur nächsten Wasserstelle, und das Wasser mühsam nach Hause tragen. Durch die Klimaerwärmung verschärft sich dieses Problem noch, und noch mehr Menschen sind von solcher Wasserknappheit und Not betroffen. Wasserknappheit führt zu Konflikten und Kriegen. Und Kriege führen dazu, dass Menschen das Nötigste zum Leben fehlt- Wasser und Nahrung. Oder der Entzug von Wasser und Nahrung wird als Druckmittel eingesetzt in kriegerischen Auseinandersetzungen.

Wasser ist kostbar. Aber teuer sollte es nicht sein, und schon gar nicht unbezahlbar oder unerschwinglich. Denn Wasser ist ein Grundbedürfnis. Ohne Wasser sterben wir schon nach wenigen Tagen. Wasser brauchen wir zum Leben- Wasser und Nahrung. „Auf ihr Durstigen, hier gibt es Wasser! Kommt, kauft euch zu essen! Kommt und kauft ohne Geld! Wein und Milch- sie kosten nichts!“ Mit diesen Worten macht in der Bibel in Jesaja 55, 1 ein Prophet auf sich aufmerksam. Marktschreierisch und mit lauter Stimme preist er seine Waren an: Wasser, Wein und Milch gibt es an seinem Getränkestand, außerdem leckeres Essen: „Hört doch auf mich, dann bekommt ihr Gutes zu essen und könnt köstliche Speisen genießen!“ (Jesaja 55, 2)

Dieser marktschreierische Prophet befand sich nicht in Israel, sondern in Babylon. Aber auch dort war sicher eine Gluthitze, so dass sein Angebot sehr verlockend gewesen sein muss. Und das nicht nur für die Kundschaft mit dem dicken Geldbeutel. Mit seinem lauten Rufen wendet sich der Prophet gerade auch an die, die den halben Liter Wasser nicht bezahlen können, den sie an diesem heißen Tag so dringend bräuchten: „Kommt und kauft ohne Geld!“

Es sind die Menschen, die aus Israel stammen und die hier in Babylon in der Fremde sind, die der Prophet mit seinen Worten ansprechen will. Und diese Menschen werden aufmerksam auf ihn. Plötzlich laufen sie nicht mehr mit leeren Gesichtern und leeren Herzen aneinander vorbei. Plötzlich gibt es da mehr als den üblichen Tunnelblick und Alltagstrott. Plötzlich ist da dieser Gedanke, dieser Geistesblitz: Vielleicht kann man ja doch etwas ändern an den schlimmen Zuständen in der Welt. Vielleicht ist doch nicht alles sinnlos. Vielleicht hat Gott uns ja doch nicht vergessen. Vielleicht ist Gott wirklich für uns da. Für die Israeliten, die nach Babylon verschleppt worden waren, war das alles aus dem Blick geraten. Die erste Generation, die dort in die Fremde nach Babylon verschleppt worden war, die hatte noch die Hoffnung hochgehalten. Die hatte sich noch an den Wasserflüssen von Babylon zu Gottesdiensten versammelt, hatte geweint und gebetet und sich nach ihrer Heimat gesehnt: „An den Flüssen von Babylon saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.“ (Psalm 137, 1) Aber die Zeit verging, und mit ihr auch die alte Generation, die die Heimat noch kannte. Und so hängten die Israeliten ihre Harfen in die Weiden, und ihr Gesang verstummte.

Aber die Stimme des Propheten an seinem Marktstand verstummte nicht. Sie wurde umso lauter. Dieser Prophet lebte mit seinem Volk in Babylon im Exil. Wir nennen ihn den zweiten Jesaja. Denn mit seiner Einladung zu hören schöpfte er aus der Botschaft des früheren, des ersten Propheten Jesaja. „Hört doch auf mich!“ sagt die Stimme des zweiten Jesaja. Hört, was Gott euch sagen will: Gebt euer Geld nicht für Sinnloses aus. Investiert nicht in das, was den Tod bringt. Investiert in das Leben! „Warum wollt ihr Geld ausgeben für das, was kein Brot ist? Warum wollt ihr euren mühsam verdienten Lohn für etwas vergeuden, das nicht satt macht?“ (Jesaja 55, 2) „Ich will mit euch einen Bund schließen, der für immer besteht.“ (Jesaja 55, 3) Ich habe euch nicht vergessen, niemals. Mein Wort gilt immer und ewig. Ich lasse euch nicht im Stich. Egal, wo ihr seid. Ihr braucht keine großen und beeindruckenden Gotteshäuser, um mich anzubeten. Ich braucht keine megamäßigen Versammlungen und Großveranstaltungen. Ja, auch in der Fremde bin ich immer bei euch, auch hier in Babylon, fern von Jerusalem. Auch wenn der Jerusalemer Tempel zerstört ist und dort kein Stein mehr auf dem anderen steht. Meine Liebe zu euch ist unzerstörbar.

Das lässt die Israeliten aufhorchen, dort im fernen Babylon. Auf einmal gilt es nicht mehr, was ihnen ihre Eltern gesagt haben: Lasst uns die Vergangenheit totschweigen mit all ihren Schrecken. Auf einmal wird der Teufelskreis aufgebrochen, und das Trauma von Vertreibung und zerstörter Heimat wird nicht mehr von Generation zu Generation weitervererbt. Auf einmal ist der stumpfe Blick zu Boden wie weggewischt, und es ist ein Leuchten in ihren Augen. Vielleicht ist es nur eine kleine Veränderung, kaum wahrnehmbar. Aber der Prophet, den wir den zweiten Jesaja nennen, der merkt, was geschehen ist: „Jetzt!“ sagt er. Jetzt ist es soweit – endlich! Jetzt ist eure Sehnsucht erwacht! Jetzt habt ihr gemerkt: Es gibt noch mehr als das tägliche Sich-Abrackern für den Lebensunterhalt.

Essen und Trinken, Wasser und Brot, das brauchen wir zum Leben. Aber wir brauchen noch so viel mehr. Da gibt es einen Hunger, einen Durst nach mehr: die Sehnsucht nach Sinn, nach Erfüllung, nach Leben in Gottes Fülle. Die Sehnsucht nach Gott, der uns gewollt und geliebt hat vom allerersten Anfang unseres Lebens an. Fragt nach ihm! „Sucht den HERRN, jetzt ist er zu finden! Ruft zu ihm, jetzt ist er nahe!“ (Jesaja 55, 6).

Wir Heutigen sind gar nicht so weit weg von den Israeliten damals in Babylon. Äußerlich haben wir, was wir zum Leben brauchen, und kaum jemand von uns muss um das tägliche Brot bangen. Aber innerlich ist da oft diese große Leere, und der Glanz in unseren Augen ist verloschen. Manche tragen die Lasten vergangener Generationen mit sich herum, so wie damals die Israeliten das Trauma von Vertreibung und zerstörter Heimat. Viele machen sich Sorgen um die Zukunft in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, wo Krieg als Mittel der Politik inzwischen schon zur Normalität geworden ist- eine Normalität, an die wir als Christen uns nie gewöhnen dürfen! Andere sind schon völlig abgestumpft, oder sperren die schlechten Nachrichten aus aller Welt aus ihrem Leben aus, weil sie sie nicht mehr ertragen können. Aber Gott schenkt uns neuen Glanz in unseren Augen. Gott schärft unseren Blick für die Not unserer Mitmenschen; für Leid und Ungerechtigkeit- hier bei uns und in aller Welt. Gott stillt unseren Lebensdurst. Gott gibt uns das Brot des Lebens in Jesus Christus, seinem Sohn. Er lädt uns alle ein an seinen Tisch, damit wir die Schatten der Vergangenheit hinter uns lassen und neue Kraft tanken können für unser Leben. Denn Jesus Christus hat es uns versprochen: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch eure Last abnehmen.“ (Matthäus 11, 28)

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

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Gedanken zum Sonntag

Konfirmation

Predigt zur Konfirmation am Sonntag, 18. Mai 2025

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

 

heute ist es so weit. Heute feiert ihr eure Konfirmation. Lange habt ihr euch darauf vorbereitet- fast ein ganzes Jahr lang. Viel haben wir gelernt über Gott und den Glauben. Und auch untereinander seid ihr euch nähergekommen, habt Beziehungen geknüpft und Freundschaften geschlossen. Die Zeit, die wir in der Konfirmandengruppe miteinander verbracht haben, ist nun zu Ende. Ich wünsche euch, dass vieles bleibt: die Kontakte, die ihr untereinander geknüpft habt, und auch der Kontakt zu Gott. Mit Gott wart ihr ja schon immer in Kontakt. Gott kennt euch vom ersten Atemzug eures Lebens an. Er hat euch seine Liebe gezeigt, indem er euch Menschen zur Seite gestellt hat, die für euch da sind. Heute sind sie mit euch in den Gottesdienst gekommen: Eure Eltern und Großeltern, eure Paten und Geschwister, eure Verwandten und Freunde.

 

Von Anfang an war auch Gott für euch da: „Er befiehlt seinen Engeln, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Eine aus eurer Konfirmandengruppe hat dieses Bibelwort aus Psalm 91,11 am Tag ihrer Taufe als Taufspruch zugesprochen bekommen. Und ab heute ist dieser Spruch auch ihr Konfirmationsspruch. Das zeigt: Dass Gott uns behütet und beschützt, dass Gott uns seine Engel schickt, das brauchen wir nicht nur, wenn wir noch klein sind- so wie die meisten von uns es bei ihrer Taufe waren. Gottes Schutz und Begleitung brauchen wir unser ganzes Leben lang.

 

Jede Lebensphase hat ihre eigenen Herausforderungen. Immer brauchen wir Gott und seine Hilfe, um diese Herausforderungen gut bewältigen zu können. Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden seid jetzt in einer Lebensphase, wo ihr mehr und mehr auf eigenen Füßen steht und eure eigenen Wege durchs Leben geht. Das ist großartig, wenn man das Leben so vor sich hat, wenn man mehr und mehr selbständig wird und eigene Entscheidungen trifft. Manchmal kann es aber auch belastend sein. Denn bei den großen Lebensentscheidungen können wir die Tragweite kaum ermessen: Hoffentlich entscheide ich mich richtig, denke ich dann. Hoffentlich werde ich diese Entscheidung später nicht bereuen. Ja, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden: Ihr dürft euch darauf verlassen: Ihr seid nicht allein bei euren Entscheidungen. Gott ist bei euch. Er schickt euch seine Engel. Ihr werdet es manchmal merken, dass sie euren Weg kreuzen- oder sich sogar euch in den Weg stellen, um euch vor falschen Entscheidungen zu bewahren.

 

Gott lässt uns nicht allein. Er gibt uns Halt im Leben- wie ein Geländer, an dem ich mich festhalten kann in steilem Gelände, damit ich nicht vom Weg abkomme und haltlos in die Tiefe stürze. So ein Halt im Leben sind die 10 Gebote, die wir vorher von euch gehört haben. Wenn ich mich an die halte, dann komme ich gut durchs Leben. Soll ich nun vor jeder größeren Entscheidung, die ich im Leben zu treffen habe, erstmal an meinen 10 Fingern die 10 Gebote abzählen? Das wäre sicherlich kein Fehler. Aber manchmal muss ich vielleicht so kurzfristig entscheiden, dass nicht einmal das mehr möglich ist. Dann kann ich mich immer noch auf das besinnen, wie Jesus die 10 Gebote zusammengefasst hat: Gott lieben, meinen Mitmenschen lieben, und auch mich selbst lieben (Mt 22,37-39).

 

Für euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, ist die Liebe ganz zentral. „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Dieses Bibelwort aus 1. Joh 4,16 haben sich gleich zwei von euch als Konfirmationsspruch ausgesucht. Dieser Spruch gibt auch Antwort auf eine schwierige Frage: Wie kann ich mir Gott vorstellen? Ich kann Gott ja nicht sehen, nicht hören, nicht tasten, nicht riechen und nicht schmecken. Und doch kann ich Gott erfahren, lehrt dieses Bibelwort: Gott erfahre ich immer dann, wenn ich Liebe erlebe, denn Gott ist die Liebe. Und die Liebe unter uns Menschen ist Gottes größtes Geschenk an uns. Wenn wir in der Liebe bleiben, dann bleiben wir in enger Verbindung mit Gott.

 

Aber wie merke ich, ob die Liebe echt ist, oder ob sich jemand nur bei mir einschmeicheln will oder sich gar einen üblen Scherz mit mir erlaubt? „Lasst uns nicht lieben bloß mit Worten und mit dem Munde, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.“ (1. Joh 3,18) So heißt es auch in einem der Bibelworte, die ihr für den heutigen Tag ausgewählt habt. Um die Wahrheit geht es in diesem Bibelwort. Liebe muss wahrhaftig und ehrlich sein. Mit den Gefühlen anderer Menschen darf ich nicht spielen. Und auch meine eigenen Gefühle soll ich ernstnehmen. Wahrhaftige und echte Liebe- das ist, wenn ich dem anderen auch sagen kann, wo er mich verletzt hat. Dann können wir zusammen einen Neuanfang machen. Denn wenn ich nicht über meine Verletzungen reden kann, dann können sie auch nicht heilen. Dann bleibt dieses Unausgesprochene ein Dauerthema und belastet unsere Beziehung.

 

Sich gegenseitig die Wahrheit sagen zu können, das ist wichtig in der Liebe. An der Wahrheit merke ich, ob die Liebe echt ist oder nur süßes Gesäusel. An der Wahrheit und an der Tat. Sich gegenseitig helfen und unterstützen, das ist wahre Liebe. Und wahre christliche Liebe zeigt sich nicht nur gegenüber den Menschen, die mir am allernächsten stehen wie Familie und Freunde. Wahre Liebe zeigt sich vor allem gegenüber den Menschen, die sie am meisten brauchen- die Schwachen, die Kranken, die Gemobbten.

 

Konfirmation, das bedeutet: Bekräftigung, Bestärkung. Der Segen, den ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden heute empfangt, der soll euch bestärken in eurem Glauben und auf eurem Lebensweg. Mit dem Konfirmationsversprechen, das ihr heute ablegt, bekräftigt ihr eure Taufe mit eurem eigenen Ja. Das ist der Sinn der Konfirmation- dass ihr selbst Ja sagt zu eurer Taufe. Und wir alle freuen uns mit euch und feiern mit euch eure Ja zum christlichen Glauben- das Ja zu Jesus Christus, der uns versprochen hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ (Joh 11,25) Auch so ein Bibelwort, dass eine von euch sich als Konfirmationsspruch ausgesucht hat. Ja, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden: Ihr dürft euch darauf verlassen: Der Glaube an Jesus Christus trägt. Ein ganzes Leben lang und darüber hinaus.

 

Immer bei Gott bleiben, das ganze Leben lang und darüber hinaus, davon hören wir auch in dem Konfirmationsspruch aus Psalm 23,6, den sich gleich drei von euch ausgesucht haben: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, das wünsche ich euch allen: Gottes Güte, Gottes Barmherzigkeit auf allen euren Wegen. Möge Gottes Segen euch durchs Leben begleiten. Möge Gott immer eure Zuflucht und euer Zuhause sein.

 

Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

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Konfirmation

Predigt zur Konfirmation am 11. Mai 2025

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

 

ihr habt viel gelernt über den christlichen Glauben in unserer Konfirmandenzeit. Nun feiert ihr Konfirmation, und wir können auch etwas von euch lernen. Denn auch wir, die Erwachsenen, können noch viel lernen über den christlichen Glauben. Als christliche Gemeinde sind wir ein Lerngemeinschaft. Gemeinsam sind wir unterwegs auf dem Weg des Glaubens. Wenn wir uns gegenseitig zuhören- nicht nur die Jugendlichen den Erwachsenen, sondern auch die Erwachsenen den Jugendlichen- dann können wir viel voneinander lernen. Dann ist unsere Kirchengemeinde ein Ort des lebendigen Austauschs über den christlichen Glauben.

 

Heute hören wir, was ihr als Jugendliche über den christlichen Glauben denkt, was euch daran wichtig ist- am heutigen Tag eurer Konfirmation und darüber hinaus. Denn auch wenn die Konfirmation der Abschluss ist von unserem gemeinsamen Konfirmandenjahr: Die Konfirmation ist eigentlich kein Zielpunkt, sondern ein Startpunkt. Ihr startet heute eure eigenständiges Christenleben. Heute ist der Tag, an dem ihr euch öffentlich dazu bekennt: Ja, ich will zu Jesus Christus und zu seiner Kirche gehören. Ich will mich weiter mit dem christlichen Glauben beschäftigen und bin bereit, mich von Gott immer wieder überraschen zu lassen.

 

Was kann euch dabei helfen, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden? Sicherlich die Menschen, die euch wichtig sind und auf eurem Lebensweg begleiten: Eure Freunde, eure Familien. Heute ist Muttertag. Eure Mütter haben euch von Anfang an durchs Leben begleitet. Ihr seid nun keine kleinen Kinder mehr, die rund um die Uhr ihre Mutter brauchen. So besteht für eure Mütter die Aufgabe jetzt darin, euch eure eigenen Wege gehen zu lassen, mehr und mehr- bis aus euch Jugendlichen dann Erwachsene geworden sind. Aber auch im Erwachsenenleben braucht man vertraute Menschen, die für einen da sind und einem mit Rat und Tat zur Seite stehen. Auch eure Mutter kann und wird hoffentlich auch in Zukunft so ein Mensch für euch sein. Menschen braucht man, um am Glauben dranzubleiben und den Weg durchs Leben gut meistern zu können. Auch wir hier in der Kirchengemeinde wollen solche Menschen für euch sein. Lasst euch auch weiterhin einladen zu unseren Gottesdiensten und in unsere Räume.

 

Was kann euch noch dabei helfen, dranzubleiben am christlichen Glauben, und euer Leben so zu leben, dass es ein gutes Leben wird- für euch, für eure Mitmenschen, für Gott? Ich hoffe, euer Konfirmationsspruch kann euch auch eine solche Hilfestellung geben auf eurem Lebensweg. Ihr habt die Aufgabe sehr ernst genommen, euch einen Konfirmationsspruch auszusuchen, der zu euch passt. Jede und jeder hat seinen eigenen, ganz persönlichen Bibelspruch ausgewählt. Und so sind es acht verschiedene Konfirmationssprüche, die wir euch heute mit auf den Weg geben.

 

Es ist ein weiter Horizont, der sich aufspannt mit euren Konfirmationssprüchen: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht,“ heißt es in Lk 21,33. Im gestrigen Abendmahlsgottesdienst hatten wir das Thema, wie alles angefangen hat; wie Gott die Welt gemacht hat in seiner unendlichen Weisheit. Mit diesem Konfirmationsspruch schließt sich nun der Bogen- hin zu der Frage: Was wird sein, wenn diese Welt, in der wir leben, an ihr Ende kommt? Die Antwort aus diesem Bibelwort ist: Dann ist Gott immer noch für uns da. Gottes Wort bleibt in Ewigkeit. Auf Gott und sein Wort können wir uns verlassen, auch wenn alles zu Ende ist.

 

Ja, auch am Ende unseres eigenen Lebens gilt das: Gott ist immer bei uns. Gott verlässt uns nicht. Denn Gott ist stärker als der Tod. In Jesus Christus hat er uns gezeigt: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Jesus Christus ist auferstanden von den Toten. So wie Jesus Christus selbst es sagt in einem weiteren Konfirmationsspruch von euch: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ (Joh 11,25) Große und starke Worte sind das, die Jesus Christus hier spricht. Worte, die unseren Glauben stärken und motivieren: Gott ist immer bei uns, egal was passiert. An allen Tagen unseres Lebens und darüber hinaus. Ja, sogar wenn die Welt untergeht: Gott ist immer noch für uns da. Jesus Christus verspricht das seinen Jüngern auch an Himmelfahrt, als er sich von ihnen verabschiedet. Zwischen Ostern und Himmelfahrt war er als Auferstandener sichtbar bei ihnen. An Himmelfahrt endete diese Zeit. Jesus stieg mit seinen Jüngern auf einen Berg. Bevor die Wolke ihn verhüllte und er zu seinem Vater in den Himmel ging, sagte er seinen Jüngern zum Abschied: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Dieses Bibelwort aus Mt 28,20 ist auch ein Konfirmationsspruch von euch.

 

Gott ist immer bei uns. Gott schützt uns. Gott schickt uns seine Engel. Manchmal können wir etwas davon spüren, dass da ein Schutzengel war, der mich vor Gefahr behütet hat. Da war ein Mensch zur rechten Zeit am rechten Ort, und ich bin nicht vom Weg abgekommen. Einer eurer Konfirmationssprüche fasst diese Erfahrung in Worte: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ (Ps 91,11) Aber manchmal ist es schwierig, Gott zu erfahren. Manchmal gibt es Zeiten im Leben, da spüre ich nicht, dass Gott für mich da ist. Manchmal bete ich, und meine Gebete werden scheinbar nicht erhört. Kann ich trotzdem sicher sein, dass Gott für mich da ist, wenn ich bete? „Gott ist nahe allen, die ihn anrufen.“ (Ps 145,18) So heißt es in einem eurer Konfirmationssprüche.

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden! Ich möchte euch dazu ermutigen, an diesem Glauben festzuhalten: Gott ist da für mich- gerade auch in den schwierigen Zeiten des Lebens. Nicht nur Kummer und Leid können solche schwierigen Zeiten des Lebens ausmachen. Auch Schuld kann unser Leben verdunkeln. Jesus Christus ist für unsere Schuld am Kreuz gestorben und hat sie überwunden. Auf ihn können wir vertrauen- auch dann, wenn vieles schief gelaufen ist in unserem Leben. Wenn wir ihn um Vergebung bitten, dann schenkt er uns einen Neuanfang.

 

Wie kann so ein Neuanfang aussehen? Wie schaffe ich es, mich nicht in Schuld zu verstricken? Nicht immer ist das ein einfacher Weg. Oft ist es ein Kampf. Oft scheint uns das Böse verlockender als das Gute. „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Röm 12,21) So heißt ein weiterer Konfirmationsspruch von euch. Ich wünsche euch, dass ihr diesen Weg gehen könnt in eurem Leben. Dass ihr euch immer wieder für das Gute einsetzt, auch da, wo es schwerfällt. Lasst euch nicht davon abbringen, dass andere das nicht tun, und damit scheinbar gut durchs Leben kommen. Gott will nicht, dass ihr der Dunkelheit Raum gebt in eurem Leben. Gott will für euch ein Leben im Licht. Auch einer von euren Konfirmationssprüchen erinnert daran: „Lass dein Licht leuchten- so wie Gott es in dich gelegt hat,“ heißt es in Mt 5,16.

 

Ja, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden! Gott will, dass ihr leuchtet- für euch, für eure Mitmenschen, für unsere Welt. Denn Gott hat ganz viele und ganz unterschiedliche Begabungen in euch gelegt. Diese Begabungen sind wichtig- und zwar nicht nur die, für die es Schulnoten gibt. Die anderen Begabungen, die Gott in euch gelegt hat, sind genauso wichtig, auch wenn sie sich nicht auf diese Weise messen lassen. Oft brauchen wir diese Begabungen sogar mehr als die anderen. Wir brauchen Menschen, die ein offenes Ohr für andere haben. Menschen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen. Menschen, die sehen, wo Hilfe benötigt wird, und dann mit anpacken, ohne lange zu überlegen.

 

Von all euren Begabungen ist diese die wichtigste: Füreinander da sein, und den anderen Menschen in Liebe begegnen. Wir haben vorher von Euch die Zusammenfassung der 10 Gebote gehört, die Jesus uns mit auf den Weg gegeben hat: Gott lieben, den Mitmenschen lieben, mich selbst lieben. Die Liebe ist das wichtigste von allem. Ja, Gott selbst ist die Liebe. Auch dieses Bibelwort ist einer eurer Konfirmationssprüche: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1. Joh 4,16). Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, ich wünsche Euch, dass Euch das gelingt in Eurem Leben: In der Liebe zu bleiben, und im Glauben an Gott. Auf ihn und seine Liebe dürft ihr euch verlassen. Denn Gott hat uns alle von Anfang an geliebt. Aus seiner Liebe leben wir, an jedem Tag unseres Lebens.

 

Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

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Misericordias Domini

Predigt zum Sonntag Misericordias Domini, 4. Mai 2025

Liebe Mitchristen!

Das Bild vom guten Hirten ist in unserer christlichen Tradition tief verwurzelt. Vor einigen Jahren ist es mir um diese Jahreszeit ganz neu vor Augen getreten. Mein jüngerer Sohn ging damals noch zur Schule, und ich war mit ihm im Auto unterwegs. Wir fuhren durchs Eyachtal zwischen Haigerloch und Horb. Auf einmal ging es nicht mehr voran. Eine Schafherde war auf der Landstraße unterwegs. Die grüne Wiese längs der Straße wurde an dieser Stelle durch den Bach zerteilt, und so mussten die Schafe ein Stück auf der Straße laufen- wirklich nur ein kurzes Stück. Aber uns kam es damals sehr lang vor, bis Hunderte von Schafen ihren Weg gefunden hatten. Und es war ein merkwürdiges Gefühl, so im Auto zu sitzen und von laut mähenden Schafen umringt zu sein. Die Autofenster haben wir dann doch lieber zugemacht, damit die Schafe uns nicht zu nahekamen, und auch wegen dem strengen Geruch der Schafe. Zu unserem Erstaunen überholte uns irgendwann ein Auto. Die Hirtin stieg aus und sammelte die letzten Schafe der Herde um sich. Ein anderer Hirte ging der Herde voran. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten alle Schafe den Weg über die Straße geschafft, und wir konnten mit unserem Auto weiterfahren. 

Mit großer Ruhe und Geduld haben die Hirtin und der Hirte ihre Arbeit gemacht. Die grüne Aue und das frische Wasser, von denen der Psalm 23 in der Bibel berichtet, haben wir auch erlebt an diesem Nachmittag. Aber eben auch Schafdreck und Gestank. Sehr bodenständig und erdverbunden schien mir das Hirtendasein nach diesem Erlebnis- sicherlich eine harte und anstrengende Arbeit. Und wie anstrengend muss das Hirtenleben erst sein in Gegenden, wo auch der Wolf wieder heimisch geworden ist. Da müssen die Hirten ihre Herden schützen- mit Wolfsschutzzäunen und Herdenschutzhunden.

Ein kontroverses Thema, ob der Wolf wieder seinen angestammten Platz bekommen soll in unseren Wäldern. Ja, der Wolf gehört zur natürlichen Tierwelt bei uns. Und doch tun wir uns schwer mit seiner Rückkehr- nicht nur die Hirten, die handfeste wirtschaftliche Gründe dafür haben. In unserem kulturellen Gedächtnis verkörpert der Wolf die dunkle, gefährliche Seite des Lebens- das, was uns Angst einjagt. So haben wir den Wolf schon als Kinder kennen gelernt- im Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf. Dass diese Vorstellung mit dem realen Wolf womöglich gar nichts zu tun hat, ändert daran wenig. Ängste haben ihre eigene Realität.

Für die Menschen zur Zeit Jesu waren Wölfe und andere wilde Tiere keine fremden Wesen aus einer Märchenwelt. Sie waren eine ganz reale Bedrohung für Mensch und Tier. Vor diesem Hintergrund verstehen wir besser, was Jesus meint, wenn er sagt: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht- und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie.“ (Joh 10,11-12) Der Mietling ist ein Lohnarbeiter, der für den Besitzer der Schafherde die Schafe hütet. Die Schafe gehören ihm nicht, aber er hat die Verantwortung für sie. Jetzt kommt der Wolf. Der Lohnarbeiter bekommt Angst und läuft weg. Die Schafe lässt er dabei im Stich; sie werden vom Wolf angefallen.

Der Wolf kommt- das Dunkle und Gefährliche bricht in mein Leben ein. Wann habe ich das schon erlebt? Und was war das für ein Wolf? Ein Schicksalsschlag, der mich aus der Bahn geworfen hat? Eine Krankheit? Oder ein Mensch, der bedrohlich war für mich? Wie habe ich auf diesen Wolf reagiert? Bin ich weggelaufen, so wie der Lohnarbeiter in der Geschichte von Jesus? War es die richtige Entscheidung, wegzulaufen? Oder hätte ich bleiben sollen, um der Gefahr ins Auge zu sehen, um andere vor dieser Gefahr zu schützen?

Es gibt viele Wölfe, die unser Leben überschatten können: Angst und Leid, Hass und Neid. Von Anfang an war das so. Die Bibel erzählt schon auf ihren ersten Seiten davon (1. Mose 4): Da ist Kain, der es nicht ertragen kann, dass sein Bruder Abel bei Gott einen Stein im Brett hat. Dabei hat Kain eigentlich alles, was er braucht. Er hat seinen Acker. Er hat eine gute Ernte eingefahren. So könnte er dankbar und zufrieden sein. Aber der Neid auf seinen Bruder Abel verdunkelt sein Leben. Finster senkt er seinen Blick. Diese dunklen Gefühle von Kain werden für seinen Bruder Abel zu einer realen Bedrohung. Kain lockt seinen Bruder in einen Hinterhalt und erschlägt ihn. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Ja, sogar dem eigenen Bruder, für den er doch eigentlich hätte da sein sollen. „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ sagt Kain zu Gott (1. Mose 4,9). Ja, das hätte er sollen.

Hirten sollen wir füreinander sein. So sollen wir miteinander gegen die Dunkelheit kämpfen- gegen den Wolf, gegen alle Angstmacherei und rechte Hetze, die uns auseinanderdividieren will. Die Menschenrechte gelten für alle Menschen gleich- das muss auch in unserem Land uneingeschränkt gelten. Wenn eine Partei sich nicht daran hält, dann ist es richtig, diese als gesichert rechtsextremistisch einzustufen. Gott jedenfalls macht keine Unterschiede zwischen den Menschen. Für Gott ist es egal, ob jemand Migrationshintergrund hat oder nicht. Er fragt nicht nach Herkunft, Aussehen und Sprache. Jesus sagt: „Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.“ (Joh 10,16)

Hirten sollen wir füreinander sein- auf lateinisch: Pastoren. Und ich sage bewusst: Wir. Denn das gilt für uns alle- nicht nur für die hauptamtlichen Pastoren, Pfarrerinnen und Pfarrer. Und so freut es mich besonders, heute in diesem Gottesdienst Christina Hauser für ihre neue Aufgabe als Altenheim-Gottesdienst-Leiterin einsegnen zu dürfen. Hirten sollen wir füreinander sein, ja Pastoren. Das ist ein hoher Anspruch- nicht nur an uns Pfarrerinnen und Pfarrer, auch an alle anderen, die ernsthaft Jesus Christus nachfolgen wollen. Können wir diesem Anspruch überhaupt gerecht werden? Immer wieder gibt es da auch die Erkenntnis: Ich kann es nicht allen recht machen. Manchmal folgt darauf die schmerzliche Erfahrung: Für diese Menschen habe ich nicht so da sein können, wie sie es gebraucht hätten. Dann geht es mir wie diesem Lohnarbeiter, von dem Jesus erzählt: „. Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht.“ (Joh 10, 12)

Manchmal versagen wir, und handeln so wie dieser Mietling. Wir sind nur Menschen. Alle unsere Versuche, füreinander da zu sein, sind immer nur Stückwerk. Vieles gelingt, und es ist gut. Aber immer wieder versagen wir auch. Deswegen brauchen wir Jesus Christus. Er ist mehr als nur ein Mensch: Jesus Christus, Gottes Sohn. Er ist für uns da. Er ist der gute Hirte. Er lässt sein Leben für seine Schafe. Er ist nicht weggelaufen vor der Dunkelheit, vor dem Wolf, der uns bedroht. Er hat dem Wolf ins Gesicht geschaut und hat ihn besiegt. Sünde, Leid und Tod- all das, was unser Leben kaputtmacht- Jesus Christus hat es überwunden. Er ist für uns in den Tod am Kreuz gegangen und ist auferstanden zu neuem Leben- Leben in Fülle.

Die Bruchstücke unseres Lebens fügt er zusammen und macht es ganz und heil. Nur aus eigener Kraft können wir es nicht schaffen, dass wir füreinander da sind und unser Leben so leben, dass es gut ist für uns und die anderen. Aber wenn wir uns an Jesus Christus halten als unseren guten Hirten, dann können wir getrost in die Zukunft gehen und die Lasten der Vergangenheit hinter uns lassen. Wir haben einen Hirten, der für uns da ist. Aus dieser Quelle schöpfen wir die Kraft, dass wir auch füreinander da sein können.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

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Palmsonntag

Predigt zum Konfirmationsjubiläum am Palmsonntag, 13. April 2025

Liebe Mitchristen!

„Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre wie Jünger hören.“ So heißt es im heutigen Predigtwort in Jesaja 50,4. Ein Prophet ist es, der hier spricht. Einer, der sich selbst als Diener Gottes versteht; als Gottesknecht.

Liebe Jubelkonfirmanden, viele Jahrzehnte ist es nun her, dass Sie konfirmiert wurden. Die Liste der Pfarrer, die Sie konfirmiert haben, liest sich fast wie eine Chronik unserer Wehinger Kirchengemeinde: Pfarrer Karnowksy, Pfarrer Autenrieth, Pfarrer Bender, Pfarrer Bihl. Und auch diejenigen unter Ihnen, die nicht hier in Wehingen konfirmiert wurden, sondern in Waldenbuch oder im Stuttgarter Westen, werden sich sicherlich noch gut an ihren damaligen Pfarrer erinnern. Wie haben Sie Ihren Pfarrer erlebt- damals in Ihrer Konfirmandenzeit und an Ihrer Konfirmation? War er für Sie so ein Diener Gottes wie in unserem Predigtwort? Einer, der es verstand, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden? Einer, dem Gott das Ohr geweckt hat- der eine Antenne hatte für das, was Sie als junge Menschen damals bewegt hat; und eine Antenne für Gott und das, was er uns in unserer Zeit zu sagen hat?

Den christlichen Glauben weitergeben an die nächste Generation, das ist ja keine leichte Aufgabe. Und der Konfirmandenunterricht kann schon auch ermüdend sein. Pfarrer Bender, der vor 50 Jahren hier in dieser Kirche einige von Ihnen konfirmiert hat, der wusste das auch. In seiner Konfirmationspredigt vom 16. März 1975 hat er das offen angesprochen: „Vorüber sind die anstrengenden Konfirmandenstunden am Mittwochnachmittag. (…) Im Wesentlichen wird es so sein, dass mindestens eine gewisse Genugtuung darüber auftritt, dass dieses Konfirmanden-Jahr heute seinen Abschluss findet. Sind wir ehrlich, irgendwo ging es uns allen so.“

Und doch konnte Pfarrer Bender in seiner Konfirmationspredigt auch mit ein bisschen Stolz berichten: „Von einer Teilnehmerin hörte ich: Ich möchte gerade nochmal mitmachen.“ Vielleicht haben Sie, die Jubelkonfirmanden, eine Idee, welche Konfirmandin das wohl gesagt hat, damals vor 50 Jahren. Interessant fand ich auch, dass Pfarrer Bender allen Konfirmanden eines Jahrgangs denselben Konfirmationsspruch gegeben hat. Wer von einem anderen Pfarrer konfirmiert wurde, hat das sicherlich anders erlebt. Da hat jeder Konfirmand einen eigenen Denkspruch bekommen. Ja, oft hat man sogar darauf geachtet, dass derselbe Denkspruch bei einer Konfirmation nicht mehrmals vorkommt.

„Mein Konfirmationsdenkspruch soll ein Bibelwort sein, das mich im Leben begleitet und leitet. Schön, heilig, friedlich und liebevoll soll er sein- ein Spruch, der mich an gute und schlechte Zeiten erinnert- vor allem aber an schöne Dinge und an meine Konfirmandenzeit.“ So denken unsere jetzigen Konfirmanden über ihren Konfirmationsspruch. Vielleicht können Sie, die Jubelkonfirmanden, Ihren Denkspruch noch einmal neu auf sich wirken lassen mit diesen Gedanken unserer jetzigen Konfirmanden im Hinterkopf.

Diese Bibelworte haben Sie, liebe Konfirmationsjubilare, zugesprochen bekommen am Tag Ihrer Konfirmation: Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder sollen heißen (1. Joh 3,1). Weil du so wert bist vor meinen Augen geachtet, musst du auch herrlich sein und ich habe dich lieb, spricht der Herr (Jes 43,4). Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens (Hebr 12,2). Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten (Joh 6,35). Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist (Ps 51,12). Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen (Mt 5,9). Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? (Mk 4,38).

„Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ Das war der Denkspruch, den Pfarrer Bender vor 50 Jahren für alle seine Konfirmanden ausgewählt hat. Ein ungewöhnlicher Konfirmationsspruch. Ein Denkspruch im ganz wörtlichen Sinne: Ein Spruch zum darüber Nachdenken. „Manchem vielleicht etwas zu dunkel im Augenblick.“ So sah es selbst Pfarrer Bender in seiner damaligen Konfirmationspredigt. Was ist der Zusammenhang, in dem dieser Denkspruch steht?

Jesus ist mit seinen Jüngern im Boot, weit draußen auf dem See Genezareth. Das Wetter schlägt um. Sturm kommt auf. Das Boot gerät in Seenot. Aber Jesus schläft seelenruhig hinten im Boot. Die Jünger sind außer sich: Wie kann es sein, dass Jesus diese lebensgefährliche Situation einfach verschläft? Sie wecken ihn auf und sagen zu ihm: „Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“

Liebe Jubelkonfirmanden, vielleicht haben Sie das auch schon erleben müssen in Ihrem Leben; in den vielen Jahrzehnten voller Höhen und Tiefen, die Sie seit Ihrer Konfirmation erlebt haben. Vielleicht haben Sie es da auch schon erleben müssen, dass der Wind Ihnen so richtig ins Gesicht bläst. Dass die Wogen ganz hoch gehen in Ihrem Leben. So wie Pfarrer Bender das damals in seiner Predigt ausgedrückt hat: „Ihr tut euer Bestes in eurem Alltag und rechnet mit Jesus. Aber Jesus greift scheinbar nicht ein, obwohl ihr keinen Ausweg mehr seht aus eurer Lage: Wir gehen unter! Das ist eure Feststellung.“ Und weiter predigt Pfarrer Bender damals: „Ich möchte euch Mut machen, liebe Buben und Mädchen, Jesus herauszufordern, dass er sich um euch kümmern soll. (…) Fragt nach ihm! Sucht Antwort! Schreit zu ihm ihn eurer Not!“ Mit diesen Worten hat Pfarrer Bender damals seine Konfirmationspredigt geschlossen.

„Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ Ein ungewöhnlicher Konfirmations-Denkspruch, eine ungewöhnliche Konfirmationspredigt- damals vor 50 Jahren hier in dieser Kirche. Ich denke noch einmal an den Propheten aus dem Jesajabuch, der sich Gottesknecht nannte. Der es verstand, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden. Dem Gott selbst das Ohr erweckt hatte, so dass er hören konnte wie ein Jünger. Von ihm lesen wir, dass er auch schwere Zeiten durchgemacht hat: „Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.“ (Jes 50,6)

Diesem Prophet blies nicht nur der Wind ins Gesicht. Ihm wurde ins Gesicht gespuckt. Verachtet und verspottet wurde er. Jesus hat das selbst auch erleben müssen. Nach seinem glorreichen Einzug in Jerusalem drehte sich schon bald der Wind, und die Stimmung kippte. Jesus wurde verspottet und misshandelt. Mit seinem unrühmlichen Tod am Kreuz schien seine Geschichte zu Ende zu sein. „Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ Auch Jesus stellte so eine verzweifelte Frage am Ende seines irdischen Lebens: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46)

Aber gerade im tiefsten Tal der Verzweiflung ist Gott ganz nahe und lässt seine Hilfe erfahren. „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich,“ heißt es in Psalm 23,4. Oder wie es der Gottesknecht im Jesajabuch sagt: „Aber Gott der Herr hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden.“ (Jes 50,7) Auch die Jünger Jesu durften diese Erfahrung machen: Der Sturm auf dem See Genezareth ist nicht das Ende. Jesus kann retten auch aus der größten Not. Am Kreuz hat er alles auf sich genommen, was uns das Leben schwer macht und uns von ihm trennt- all die finsteren Täler von Schuld und Leid, die unser Leben verdunkeln. Ja, sogar das finstere Tal des Todes hat er durchschritten und überwunden. Jesus ist auferstanden! Fragt nach ihm! Sucht Antwort! Schreit zu ihm in eurer Not!

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

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Lätare

 

Predigtgedanken

Liebe Mitchristen,

wenn der Frühling das Gras auf den Wiesen wieder grün und saftig werden lässt, kommen auch die Schafherden wieder aus ihren Winterquartieren auf die Weiden. Der Anblick einer solchen Schafherde hat etwas Idyllisches und Entspannendes. Leicht übersieht man dabei, dass die Arbeit des Schäfers kein leicht verdientes Brot ist: Jeden Tag bei den Schafen zu sein, bei jedem Wetter.                       

Was schon für den Hirten in unserer Zeit und unserem Land gilt, gilt erst recht für den Hirten, der in Psalm 23 beschrieben wird. Wer in Israel zur Zeit der Bibel Hirte war, der musste sich immer wieder auf die schwierige Suche nach Weideplätzen und Wasserstellen machen in diesem trockenen und kargen Land. Er musste bereit sein, seine Herde gegen wilde Tiere wie Löwen zu verteidigen.                           

Gott der Herr ist mein Hirte. So heißt es in Psalm 23. Es ist ein Bild dafür, wie Gott für uns da ist. Psalm 23 macht keine Idylle aus diesem Bild. Er weiß darum, dass es nicht selbstverständlich ist, das Lebensnotwendige zu haben, wenn es dort heißt: Gott weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Der Psalm weiß auch um die Tiefpunkte des Lebens, die finsteren Täler. Die Wirklichkeit, in der wir leben, wird hier nicht geleugnet: eine Welt, in der es immer wieder Unglücke gibt, und auch wir nicht verschont bleiben. Für den Psalmbeter hat jedoch nicht das finstere Tal das letzte Wort, sondern Gott: „Denn du bist bei mir.“ So brauchen wir uns nicht zu fürchten, denn am Ende steht die Geborgenheit bei Gott. 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

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Lätare

Gedanken zum Sonntag Lätare, 30. März 2025

Liebe Mitchristen,

Lätare, so heißt der 4. Sonntag in der Passionszeit. Lätare, das bedeutet: Freut euch! Mitten in der Passionszeit, in der wir an das Leiden und Sterben von Jesus Christus denken, ist dies zunächst einmal eine unerwartete Aufforderung. Welche Freude kann hier gemeint sein? Sicherlich keine oberflächliche Freude und kein schneller Trost, sondern eine Freude, die auch um die schweren Erfahrungen des Lebens weiß.

Es ist ein Wort aus Jesaja 66, 10, das dem Namen dieses Sonntags zu Grunde liegt: „Freut euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freut euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.“

Die Freude, von der hier die Rede ist, ist so etwas wie das Licht am Ende eines Tunnels. Jahrzehntelang lag alles am Boden. Jerusalem und sein Tempel waren zerstört, und die Oberschicht der Bevölkerung war ins Exil nach Babylon verschleppt worden. Die Menschen damals hatten den Boden unter den Füßen verloren. Alles, was ihnen wichtig gewesen war, hatten sie verloren. Es ist eine Erfahrung, die auch uns Heutigen nicht erspart bleibt, wenn Krisen und Anfechtungen unser Leben erschüttern.

„Freut euch!“ Das soll keine Freude auf Kommando sein, sondern eine neue Perspektive. Mitten in der Passionszeit ist dieses Sich-freuen schon ein Vorgeschmack auf Ostern – auch und gerade für die, die sich schwer tun mit der Glaubensfreude, weil ihr Leben von Leid und Schuld verdunkelt ist. Diese Freude hat ihre Bodenhaftung in Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Von Ostern her bringt er Licht in unser Leben und schenkt neue Perspektiven.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

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Reminiszere

Predigt zum Konfi 3- Abendmahlsgottesdienst am 16.03.2025

Liebe Mitchristen!

Das Abendmahl ist etwas ganz Besonderes, dann Jesus selbst lädt uns ein an seinen Tisch. Er hat es uns versprochen: Wenn wir Abendmahl feiern, ist er selbst dabei. Das Brot und der Wein oder Traubensaft- das ist Jesus Christus, der sein Leben für uns gegeben hat durch seinen Tod am Kreuz. Das ist alles sehr geheimnisvoll und schwer zu begreifen, sogar für uns Erwachsene. Vielleicht hilft uns zum Verständnis diese Geschichte:

Wenn der Pullover zu kurz wird

Luis geht mit seinen Eltern gerne in die Kirche. Das ist manchmal so geheimnisvoll, denkt er. Aber manchmal ist es auch ganz witzig. Dann, wenn Familiengottesdienst ist. Da gefallen ihm die Lieder und der Pfarrer erzählt eine Geschichte.

„Morgen ist Abendmahl“ sagte der Vater eines Tages. „Luis, möchtest du mitgehen?“ Luis hatte schon manches vom Abendmahl gehört: Da trinken alle Leute aus einem Glas und bekommen ein ganz kleines Häppchen Brot. „Das soll alles sein“ überlegte Luis. Aber irgendwie interessierte es ihn. Und warum das Abendmahl „Abendmahl“ heißt, obwohl es doch morgens in der Kirche ist, machte ihn auch neugierig.

„Erzählst du mir wieder eine Geschichte?“ fragte Luis abends im Bett, als sein Vater im „Gute Nacht“ sagen wollte. Eine Geschichte gehörte zum Gute Nach sagen dazu. „Gerne,“ sagte der Vater. „Heute erzähle ich dir eine Jesusgeschichte. Du kennst ja schon einige Jesusgeschichten. Jesus hatte Freunde, mit denen er unterwegs war. Eines Tages, es war in Jerusalem, lud Jesus seine Freunde zum Essen ein. „Ich will mich von euch verabschieden“, sagte er. „Ihr müsst jetzt ohne mich klarkommen.“ Da waren seine Freunde sehr traurig. „Ich will euch noch ein Abschiedsgeschenk machen“ sagte Jesus. Er nahm Brot und Wein und teilte es aus. „Es soll eine Erinnerung an das sein, was uns gemeinsam wichtig ist. Mit Brot und Wein schließen wir einen Freundesbund, von dem uns auch der Tod nicht trennen kann.“

„Weißt du Luis, wenn wir morgen zum Abendmahl gehen, dann gehören wir und die anderen Christen auch zum Freundschaftsbund von Jesus. Es ist das besondere Zeichen der Christen. Und ich möchte auch dazugehören, deswegen gehe ich dort hin“, sagte der Vater. „Und ich auch“ meinte Luis.

„Manchmal teile ich mit meinen Freunden einen Kaugummistreifen. Jeder bekommt nur ein bisschen davon. Aber allen schmeckt es lecker und wir sind dann echt gute Freunde“ dachte Luis. Dann sagte er „Gute Nacht“.

Am nächsten Morgen gingen sie gemeinsam in die Kirche. Mutter war auch dabei. Luis war gespannt. „Kommt, denn es ist alles bereit“ sagte der Pfarrer nach einiger Zeit. Dann ging es los. Mit seinen Eltern und anderen Leuten ging Luis nach vorne zum Altar. Sie stellten sich im Kreis auf. Luis war aufgeregt und fühlte, wie sein Herz pochte. „Alle wollen zum Freundeskreis von Jesus gehören“ dachte er. „Auch der alte Mann dort drüben und Nike, der gerade Konfirmand ist.“ Niki kannte er gut. Manchmal waren die beiden schon gemeinsam mit ihren Skates gefahren.

Luis spürte, wie die Menschen im Kreis ganz feierlich waren. Außer dem Pfarrer sprach niemand. Dann bekam er das Brot in die Hand. Der Pfarre schaute ihn dabei freundlich an. Anschließend kam der Traubensaft. Der wurde in der Runde weitergegeben und jeder lächelte den anderen an, wenn er den Kelch weitergab. „Wie unter Freunden“, dachte Luis. Dann reichte ihm sein Vater den Kelch.

Beim Mittagessen zu Hause fragte die Mutter: „Na, wie war’s?“ „Vielleicht ein bisschen wenig von allem. Aber sonst ganz gut“, meinte Luis witzig. „Dass der Niki da war, fand ich toll, aber sonst habe ich bei dem Brot und dem Wein nichts Besonderes gemerkt. Das schmeckt ganz normal“, sagte Luis etwas nachdenklich.

„Hey Luis, du wächst ja gerade. Ich sehe es deutlich, wie du größer wirst!“ sagte plötzlich der Vater. „Besonders deine Nase und die Ohren werden größer.“ „Du spinnst ja“, meinte Luis trocken, nachdem er sich an die Nase und an die Ohren gefasst hatte. „So schnell kann man doch nicht wachsen, das weiß doch jeder, das merkt man doch erst, wenn der Pullover zu kurz wird.“

„Ach so“, meinte der Vater. „Da habe ich mich wohl geirrt. Aber vielleicht kannst du es verstehen, dass es dir heute schon ähnlich ergangen ist.“ „Ja, wann denn?“ „Na, heute morgen in der Kirche. Hast du da nicht gedacht: Ich muss jetzt sofort etwas Besonderes merken, als du das kleine Stückchen Brot und den Saft bekommen hast?“ „Ja, schon“ sagte Luis nachdenklich, „aber das ist ja vielleicht etwas anderes.“ „Nicht unbedingt“ meinte der Vater. „Schau, als Jesus gesagt hat: „Das ist mein Leib“, da hat er gemeint: Ich bin wie das Brot, das ihr esst. Ich will euch verändern. Ihr werdet es selbst gar nicht merken. Aber etwas von mir wird in euch wachsen. Wie vieles, was Gott schenkt. Man merkt es erst später!“

„Ach so“, meinte Luis, „das hättest du mir aber auch vorher sagen können.“ „Na ja, weißt du, Erwachsene wachsen eben auch immer noch ein bisschen“ sagte der Vater und schöpfte sich nochmals einen Teller voll mit Spaghetti und Tomatensoße. „Wie unter Freunden“ dachte Luis.

(Quelle: Friedrun Krautwurm, Ein kleines Stück Brot, Ernst Kaufmann Verlag, Lahr)

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

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Septuagesimä

„Nur die Besten sterben jung.“

Predigt zum Sonntag, 16. Februar 2025

 

Liebe Mitchristen!

 

„Nur die Besten sterben jung.“ So heißt ein Lied der Heavy- Metal- Band böhse onkelz. In diesem Lied geht es um Freundschaft, um den Glauben an ein Leben nach dem Tod und um die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem verstorbenen Freund dort in der anderen Welt. Es geht also um Glauben, Liebe und Hoffnung; Themen, die auch für uns als Christen ganz wichtig sind. Von christlicher Glaubenshoffnung ist in diesem Lied allerdings nicht die Rede. Es sind Menschen, die in der Regel eher weniger mit der Kirche und dem christlichen Glauben zu tun haben, die sich durch dieses Lied trösten lassen, wenn sie viel zu früh Abschied nehmen müssen von einem geliebten und vertrauten Menschen.

 

„Nur die Besten sterben jung.“ Eine Kollegin von mir hat einen jungen Motorradfahrer beerdigt, der bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Bei der Beerdigung wurde auf Wunsch der Hinterbliebenen dieses Lied abgespielt. Meine Kollegin hat das als Zumutung empfunden- dieses Lied von dieser Band bei diesem Anlass. „Nur die Besten sterben jung“ – stimmt das wirklich? Die Besten, das sind doch die, die ein wirklich gutes und vorbildliches Leben leben. Die Besten, das sind doch die, die es wirklich verdient hätten, dass sie in Frieden alt werden. Dass sie ein langes und glückliches Leben haben. Ja, den Bösen, denen wünschen wir vielleicht einen frühen Tod an den Hals- aber doch nicht den Guten, doch nicht den Besten!

 

„Nur die Besten sterben jung.“ Die Band böhse onkelz hat dieses Lied einem Freund gewidmet, der bei einem Messerangriff sein Leben verlor. War dieser Freund wirklich so gut, gehörte er wirklich zu den Besten? Ich weiß es nicht. Ich kenne auch die genauen Hintergründe seines gewaltsamen Todes nicht. Aber ich muss denken an die Menschen, die in unserem Land Opfer von Gewalttaten geworden sind- bei der sinnlosen Amokfahrt in München. Zwei der Schwerverletzten sind gestern Abend gestorben- ein zweijähriges Kind und seine Mutter.

 

Warum müssen ausgerechnet die jung sterben, die sich nichts zu Schulden kommen lassen haben, und andere, die schon vielen Menschen Böses angetan haben, denen passiert nichts? Leute wie Putin, die einen Krieg angefangen haben, der Abertausende von Menschen das Leben gekostet hat- auf beiden Seiten der Front. Solche Leute haben womöglich ein gutes Leben bis ins hohe Alter.

 

Warum ist das so? Diese Frage ist wohl so alt wie die Menschheit. Und schon genauso lange suchen die Menschen nach Antworten. „Nur die Besten sterben jung.“ Diese provokative Antwort der Band böhse onkelz ist nur eine von vielen Antwort- Versuchen auf diese Frage. In der Bibel lesen wir im Buch Kohelet im 7. Kapitel, Vers 15: „Beides habe ich beobachtet in meinem Leben, das rasch vorüberzieht: Da ist ein gerechter Mensch. Der kommt ums Leben, obwohl er die Gebote befolgte. Und da ist ein ungerechter Mensch. Der hat ein langes Leben, obwohl er Böses tat.“

 

Da spricht einer zu uns aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Wir nennen ihn Prediger. Auf Hebräisch heißt das: Kohelet. „Versammler“ bedeutet dieses Wort eigentlich. Gemeint ist also einer, der Menschen um sich versammelt und zu ihnen spricht- über das Leben und den Glauben. Lebensberatung oder Coaching würden wir das heute wohl nennen. Was können wir in unserer Zeit lernen von diesem biblischen Coach, den wir den Prediger nennen? Gleich im ersten Satz von unserem Predigttext gibt er uns zu bedenken: Das Leben zieht rasch vorüber. Es ist wie ein Windhauch, der heute weht und morgen schon vorbei ist. Das ist die Grundeinstellung des Predigers, die sich durch dieses ganze biblische Buch hindurchzieht. Aber obwohl der Prediger diese Grundeinstellung hatte, war er keiner, der den Kopf hängen ließ oder in den Sand steckte. Ganz im Gegenteil war er der Meinung: Wenn das Leben so kurz und so vergänglich ist, dann ist es umso wichtiger, jeden Tag zu genießen und als ein Geschenk von Gott anzunehmen. Ja, den Menschen, die bei ihm als Coach Rat und Hilfe gesucht haben, denen sagt er es wie es ist: Das Leben ist kurz. Das Leben ist vergänglich. Und manchmal, da müssen wir erleben, dass gerade diejenigen jung sterben, die ein vorbildliches Leben geführt haben. Und die anderen, die Bösen, die bleiben fit bis ins hohe Alter. So ist es eben, sagt der Prediger.

 

Wie können wir damit klarkommen, dass es so ist? Dazu gibt der Prediger folgende Ratschläge: Mach dich nicht verrückt deswegen. Denke nicht, du müsstest um jeden Preis verstehen, warum das so ist. Bemühe dich nicht ständig, überaus klug zu sein. (Kohelet 7,16) Wenn du dich da reinsteigerst, dann wird es selbstzerstörerisch. Auch, wenn du meinst, du müsstest alles richtig machen und so die Welt retten. Wenn du übertrieben gerecht sein willst, dann wird es genauso selbstzerstörerisch. Trotzdem sollst du deinen Verstand gebrauchen und bei Gott und seinen Geboten bleiben, denn Dummheit und Gottlosigkeit können lebensverkürzend sein. Finde also das rechte Maß zwischen übertriebener Grübelei und Die-Welt-retten-Wollen und den anderen beiden Extremen: Den Verstand ausschalten und die christlichen Werte über Bord werfen. Zum Abschluss seiner Coaching- Stunde gibt der Prediger allen Ratsuchenden noch einen guten Rat mit auf den Weg: „Wer Gott achtet, der entkommt dem allen.“ (Kohelet 7,15)

 

Ich denke an eine Frau aus der Gemeinde, mit der ich mich letzte Woche unterhalten habe über die aktuelle Weltlage. Über Krieg und Terror, die die Welt und unser Land zerreißen. Über die Sorge um die Demokratie und den Rechtsruck in unserer Gesellschaft. Über die Klimakatastrophe und die fehlenden Bemühungen, sie in den Griff zu bekommen. Und diese Frau aus unserer Gemeinde hat mir erzählt von ihrem Gottvertrauen: Gott weiß schon, wohin das alles führen soll. Denn Gott hat einen Plan für uns und unsere Welt. Dieses Gottvertrauen hat mich beeindruckt, denn es ist kein weltfremdes Gottvertrauen. Die Frau, mit der ich gesprochen habe, steht mitten im Leben. Und auch der Prediger in der Bibel meint keine fromme Weltflucht, kein Sich-Zurückziehen in den Elfenbeinturm des Glaubens, wenn er sagt: „Wer Gott achtet, der entkommt dem allen.“ Denn der Prediger sagt auch: „Es ist gut, wenn du an der einen Sache festhältst und dennoch von der anderen nicht deine Hände lässt.“

 

Halten wir uns also fest am Gottvertrauen und lassen wir trotzdem nicht die Finger davon, in unserer Welt das zum Guten zu verändern, was in unseren Kräften steht. Setzen wir uns ein für Demokratie. Gehen wir wählen am nächsten Sonntag. Lassen wir es nicht unwidersprochen stehen, dass ganze Bevölkerungsgruppen in unserem Land in Misskredit geraten wegen einzelner böser Menschen, die Terroranschläge wie in München verüben. Verlieren wir nicht die Verhältnismäßigkeit aus dem Blick. Vergessen wir die Armen nicht. Bleiben wir dran am Klimaschutz, auch wenn es schwer fällt. Aber lassen wir uns auch nicht verrückt machen von all diesen drängenden Themen. Vertrauen wir auf Gott. Er hat einen Plan für diese Welt und für unser Leben.

 

„Wer Gott achtet, der entkommt allem.“ Für den Prediger ist das die eigentlich zu erreichende Weisheit: Anzuerkennen, dass wir nicht alles verstehen können und dass die Welt so unvollkommen ist, wie sie ist. Im Gottvertrauen leben. Die Wirklichkeit, wie sie ist, ernst nehmen. Offen sein. Aufmerksam sein. Achtsam sein. Und dann auch die Erfahrung machen dürfen: Auch nach einem Schicksalsschlag wie dem Tod eines vertrauten Menschen, der viel zu früh von uns gehen musste, kann ich wieder aufstehen und vertrauensvoll weitergehen.

 

„Wer Gott achtet, der entkommt allem.“ Wir können und müssen nicht allein die Welt retten. Wir können und müssen auch nicht perfekt sein. Wir können nur unser Bestes geben und darauf vertrauen, dass auch in schwierigen Zeiten, wenn sich die Welt in ihrer ganzen Ungerechtigkeit zeigt, dass wir auch da auch Gott achten und darauf vertrauen, dass Gott einen Plan hat.

 

„Nur die Besten sterben jung.“ So heißt das Lied von der Band böhse onkelz. Um Glaube, Liebe und Hoffnung geht es in diesem Lied. Für mich sind es christliche Inhalte, die mit diesen drei Worten verbunden sind: Der Glaube an Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Die Liebe, mit der Gott uns geliebt hat, von Anfang an. Er hat uns das Leben geschenkt. Unser Leben steht in seiner Hand. Die Hoffnung, dass es mehr gibt als das, was wir vor Augen haben: Einen Ort für unsere Toten. Ein Wiedersehen nach dem Tod. Einmal wird Gott alles neu machen. Dann wird alles gut. Das ist unsere christliche Hoffnung. Und so möchte ich schließen mit den Worten des Apostels Paulus aus 1. Korinther 13, 13: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

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4. Sonntag vor der Passionszeit

Predigt vom Sonntag, 9. Februar 2025

Liebe Mitchristen!

Als mein Sohn klein war, hat er von jemandem aus der Kirchengemeinde eine Fahrradklingel geschenkt bekommen, auf der stand: „Gott hört mich.“ Pfarrerskinder haben es nicht leicht. Die Eltern sind viel unterwegs und mit anderem beschäftigt. Da haben sie manchmal nicht viel Zeit, um ihren Kindern zuzuhören. Mit dieser Begründung hat der Schenkende mir damals erklärt, warum er gerade dieses Geschenk für meinen kleinen Sohn ausgewählt hat: Wenn die Eltern ihm schon nicht zuhören, dann soll er sich jedenfalls darauf verlassen können, dass Gott ihm zuhört. Ein bisschen dreist fand ich dieses Geschenk ja schon: Eine Fahrradklingel mit dem Spruch: „Gott hört mich.“ Aber aus der Perspektive des Kindes macht sie sicherlich Sinn: Da kann ich damit klingeln und auf mich aufmerksam machen, wenn die Erwachsenen sonst nicht auf mich hören, weil sie mit anderem beschäftigt sind.

Diese kleine Anekdote ist nun 20 Jahre her. Die Fahrradklingel gibt es längst nicht mehr, und auch das Kinderfahrrad nicht, an dem wir sie angebracht hatten. Mein Sohn ist inzwischen erwachsen. Aber das Geschenk ist mir in Erinnerung geblieben- gerade weil es so dreist war. Da hat sich jemand getraut, mich darauf aufmerksam zu machen: Pass auf, dass du bei all den Verpflichtungen, die du hast, nicht das Wichtigste vergisst: Auf die leisen Stimmen zu hören. Für die Menschen da zu sein, die dich wirklich brauchen- deine Kinder, deine Familie, die Menschen ganz in deiner Nähe. Lass dich nicht verrückt machen von all dem, was auf dich einströmt: Erwartungen, die an dich gestellt werden. Manche sind überzogen und gar nicht erfüllbar. Die Schreckensnachrichten aus aller Welt. Lass dich nicht lähmen von ihnen. Du hast deine Aufgabe im Hier und Jetzt. Einen kleinen Teil kannst du dazu beitragen, dass die Welt ein bisschen menschlicher wird: Höre auf die leisen Töne. Höre auf Gottes Stimme. Er hat einen Auftrag für dich. Und du darfst sicher sein: Gott hört auch dich. Gott lässt dich nicht allein.

Auf die leisen Töne hören. Achten auf die Zeichen, die Gott uns gibt. Neugierig bleiben wie ein Kind, das die Welt verstehen will. Das können wir von Mose lernen, wie die Bibel von ihm erzählt in 2. Mose 3. Dort geht Mose seinem Alltagsgeschäft nach und hütet die Schafe seines Schwiegervaters, wie jeden Tag. Aber an diesem Tag ist etwas anders als sonst: Da hinten brennt ein Busch. Das kommt öfter vor dort in der Wüste, wo Mose unterwegs ist. Aber trotzdem- hier passiert etwas Besonderes, denn dieser Busch brennt und brennt, aber er verbrennt nicht. Na und? Mose hätte weiterziehen können mit seinen Schafen. Das tut er aber nicht. Mose lässt sich herausrufen aus seinem Alltag. Wie das leise Klingeln einer Fahrradklingel, so hat dieser brennende Busch seine Aufmerksamkeit angezogen: Gott hört mich. Ja, Gott gibt es wirklich. Gott ist da- ganz nah. An diesem brennenden Busch mitten in der einsamen Wüste wird es für Mose erfahrbar und begreiflich. So greifbar nahe ist Gott für Mose, dass er seine Schuhe auszieht- denn der Boden, auf dem Mose steht, der kommt ihm auf einmal heilig vor.

Auf die leisen Töne hören, Gottes Stimme heraushören, und dabei sicher sein: Gott hört mich. In der biblischen Geschichte sagt Gott zu Mose: „Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.“ Ja, Gott hört gerade die leisen Stimmen. Das Weinen der Kinder. Das Seufzen der Mütter in den Kriegs- und Katastrophengebieten dieser Welt, wo sie nicht wissen, wie es weitergehen soll, wenn die Lebensmittelhilfen aus Amerika jetzt eingestellt werden. Das Stöhnen der Gequälten, Unterdrückten und Ausgebeuteten. Kein Flüchtling, der auf dem Mittelmeer ertrinkt, ist bei Gott vergessen. Gott ist da- auch in den Flüchtlingsbaracken und Lagern in unserer Zeit. Und Gott will, dass es Abhilfe gibt. Gott will, dass den Elenden geholfen wird. Zu Mose sagt er in unserer Geschichte: „Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“ (2. Mose 3, 9-10) Mose erlebt diesen göttlichen Auftrag als Zumutung und antwortet: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?“ (2. Mose 3, 11) Ja, wer bin ich? So können wir uns auch heute fragen. Ich kann doch nicht die Welt retten. Soll ich mich bei den Mächtigen dieser Welt für Frieden einsetzen? Ich bin doch nur ein kleines Licht. Was verlangst du von mir, Gott? Diese Aufgabe ist mir zu groß.

Ich denke an die vielen tausend Menschen, die in diesen Tagen für Demokratie und gegen den Rechtsruck in unserer Gesellschaft auf die Straße gegangen sind. Menschen, die sich nicht damit zufrieden geben, dass sie ja doch nichts machen können gegen das Erstarken der AFD, die in unserem Land wieder Menschen ausgrenzen will wegen ihrer Herkunft oder ihrem Aussehen. Für mich zeigen diese Demonstrationen: Wir können etwas tun. Wir können uns einsetzen für Menschenwürde und Menschenrechte, für Freiheit und Demokratie. „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe?“ fragt Mose. Und Gott antwortet ihm: „Ich will mit dir sein.“ (2. Mose 3, 12)

Ja, Gott hört. Er hört gerade auch die leisen Stimmen, die von uns oft überhört werden. Und Gott schaut nicht nur zu von ganz weit oben im Himmel. Nein, Gott lässt sich anrühren von Leid seiner geliebten Menschen. Gott kommt herunter auf die Erde. Gott wird ein Mensch wie wir, und nimmt alles auf sich- Sünde, Leid und Tod. Am Kreuz hat Jesus Christus das alles für uns überwunden. In der Mose- Geschichte sagt Gott zu Mose: „Ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Land hinaufführte in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt.“ (2. Mose 3, 8)

Gott fährt nicht mit Gewalt drein. Gott schickt uns Menschen. Zu den Israeliten in Ägypten schickt er Mose, um sie in die Freiheit zu führen. Aber wie soll Mose den Israeliten in Ägypten erklären, dass Gott ihn geschickt hat? Wie kann man Gott erklären? „Sag mir deinen Namen.“ Das ist Moses Bitte an Gott. Eine sehr grundsätzliche Bitte, und sehr schwer zu erfüllen. Denn Gott lässt sich nicht erklären und von Menschen nie völlig begreifen. Gott übersteigt unser menschliches Vorstellungsvermögen. Aber Gott lässt Moses Bitte nicht unbeantwortet. Gott nennt Mose seinen Namen. Im hebräischen Urtext stehen dort nur vier Buchstaben: JHWH. Vokale werden ja nicht geschrieben im Hebräischen. „Der Unaussprechliche, der Ewige“ – so umschreiben unsere jüdischen Glaubensgeschwister den Namen Gottes, der von ihnen aus Ehrfurcht nicht ausgesprochen wird. „Ich werde sein, der ich sein werde.“ „Ich bin, der ich bin.“ „Ich bin da.“ Oder: „Ich bin für euch da.“ So lässt sich dieser Gottesname am ehesten übersetzen. Klar ist: Diese vier Buchstaben JHWH kommen nicht von einem Substantiv her, sondern von einem Verb: von dem Wort „sein“. Das ist wichtig und richtig- denn fassen können wir Gott nur in dem, was er tut: hören, herabkommen, beauftragen, beistehen. Das alles tut Gott in der Geschichte von Mose. Und das tut er auch noch heute, auch für uns.

So wie es auf der kleinen Kinder- Fahrradklingel geschrieben stand, die mein Sohn vor langer Zeit geschenkt bekommen hat: „Gott hört mich.“ Das gilt- so wie damals, so auch heute. Es gilt für uns alle. Hören wir also auf die leisen Töne. Hören wir, was Gott uns zu sagen hat in unserer Zeit. Lassen wir uns ansprechen und ermutigen von Gott. Damit wir die Welt zum Guten verändern können- und wenn es auch nur wenig erscheint, was im Rahmen unserer Möglichkeiten ist. Denn Gott hat es versprochen: „Ich bin für euch da.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer