Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Erntedankfest

 

Predigtgedanken zum Erntedankfest

Liebe Mitchristen!

Als ich heute Morgen aufgestanden bin, war es kalt in meiner Wohnung. Auch warmes Wasser gab es nicht. Was ist los, habe ich mich gefragt. Schnell bin ich darauf gekommen, dass mit der Heizung etwas nicht in Ordnung ist. Ich gehe also in den Keller. Unten am Ofen lese ich auf dem Display: „Störung“- dazu noch genauere Informationen, die ich nicht einordnen kann. Gestern am späten Abend hat sich die Heizung deshalb abgeschaltet, lese ich. Was nun? Soll ich am frühen Sonntagmorgen unseren Hausmeister anrufen oder gar den Kundendienst? Wir wollen nachher beim Gemeindemittagessen ja nicht im Kalten sitzen! Zum Glück ist da auf dem Display ein kleiner grüner Haken, den man anklicken kann. Ich drücke auf das Häkchen. Die Heizung springt wieder an. Bald wird es warm sein im Haus. Ich bin dankbar. Danke, Gott! Danke, dass ich habe, was ich zum Leben brauche: Essen und Trinken und eine warme Wohnung. Danke für alles, was auf den Feldern und Wiesen wächst und Mensch und Tier ernährt. Danke für das Holz aus dem Wald, mit dem ich meine Wohnung warm bekomme.

„Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“ So heißt es in der Bibel (1. Timotheus 4, 4-5). Danke sagen für Gottes gute Gaben- das legt uns dieser Bibeltext ans Herz. Danke sagen und das Gute sehen. So oft übersehen wir das Gute ja. Wir nehmen es als selbstverständlich, dass wir haben, was wir zum Leben brauchen, ja sogar viel mehr als das Lebensnotwendige. Und erst, wenn man mal in der kalten Wohnung sitzt, so wie ich heute Morgen, erst dann erinnert man sich, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man warm hat. In der Gewohnheit verliert man aus dem Sinn, dass der prall gefüllte Kühlschrank mit Köstlichkeiten aus aller Welt ein großes Privileg ist. Wasser der besten Qualität fließt zu einem günstigen Preis aus unseren Wasserhähnen.

Für das alles will ich dankbar sein. Und vielleicht ziehe ich in meiner Wohnung doch lieber noch einen wärmeren Pulli an, als die Heizung noch höher zu drehen. Denn ich bin dankbar, dass ich nicht ganz im Kalten sitze, und ich möchte mit dem kostbaren Gut, das Gott mir geschenkt hat, nicht verschwenderisch umgehen. Die Erde soll bewohnbar bleiben auch für kommende Generationen.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

15. Sonntag nach Trinitatis

 

Predigt zum Sonntag, 8. September 2024

 

Liebe Mitchristen!

 

„Ein kleiner Spatz zur Erde fällt, und Gott entgeht das nicht. Wenn Gott die Vögelein so liebt, weiß ich, er liebt auch mich.“ So habe ich vor langer Zeit als Kind im Kindergottesdienst gesungen. Gott liebt mich. Das war für mich die Botschaft dieses Liedes. Gott sorgt für mich. Er kennt jedes noch so kleine Tierlein. Gott ist für uns alle da, für Mensch und Tier. Ich war noch sehr klein damals, ein Kindergartenkind. Ich habe mir keine Sorgen gemacht. Ich habe nicht darüber nachgedacht, wie das wäre, wenn es mir so gehen würde wie dem kleinen Spatz in dem Lied. Der ist aus dem Nest gefallen und plumpst auf die Erde. Sein schützendes Zuhause hat er verloren. Seine Eltern können nicht mehr für ihn sorgen.

 

Ob Gott wohl für mich sorgen würde, wenn es mir so gehen würde wie diesem kleinen Spatz? Das habe ich mich damals als Kind nicht gefragt. Eigentlich habe ich damals so gelebt, wie Jesus es in der Bibel sagt: „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“ (Matthäus 6, 25-26) Als Kind habe ich mir keine Sorgen gemacht- nicht ums Essen und Trinken, nicht um die Kleidung, nicht um die Zukunft. Ich habe darauf vertraut: Meine Eltern sorgen für mich. Jeden Tag steht das Essen auf dem Tisch, und immer wieder gibt es frische Kleidung. Und wenn ich nachts mal Angst im Dunkeln habe, ist meine Mutter da und tröstet mich.

 

Sorgt euch nicht um euer Leben, sagt Jesus. Gott sorgt für euch, wie er für die Vögel unter dem Himmel und die Blumen auf dem Feld sorgt. Als Kind ist es einfach, so zu leben, wenn man in behüteten Verhältnissen aufwächst. Aber wie ist es als Erwachsener? Wie ist es, wenn ich selbst Sorge trage für Menschen, die mir anvertraut sind, für meine Kinder zum Beispiel? Sorgt euch nicht um euer Leben, sagt Jesus. Essen, Trinken, Kleidung: Euer Vater im Himmel weiß doch, dass ihr das alles braucht! Der morgige Tag wird für das Seine sorgen. (Matthäus 6, 34) Wenn ihr nur nach Gott und seiner Gerechtigkeit fragt, dann braucht ihr euch um sonst nichts mehr Sorgen zu machen.

 

So sorgenfrei leben, wer von uns kann das? Vieles gibt es, was uns beschäftigt und uns Sorgen macht: Die Menschen, die uns nahestehen; Familie und Freunde. All das, wofür wir Verantwortung tragen, im Beruf und privat. Unser Zusammenleben hier vor Ort und darüber hinaus: in unserem Land und weltweit. Da gibt es viel, was uns Sorge macht: Terroranschläge in unserem Land. Menschen, die das Asylrecht missbrauchen, um Gewalt und Schrecken zu verbreiten. Und andere, die das Asyl wirklich nötig hätten, bleiben dann irgendwo auf der Strecke oder werden an der Grenze abgewiesen. Der Rechtsruck in unserer Gesellschaft, die Kriege in Gaza und in der Ukraine, der Klimawandel, der nicht zu stoppen ist. Das alles macht Sorge.

 

Sorgt euch nicht, sagt Jesus. Sollen wir diese Sorgen also einfach beiseite schieben und so tun, als ob nichts wäre? Nein, das würde Jesus sicherlich nicht wollen, dass wir die Sorgen verdrängen. Denn dann sind sie ja immer noch da und wirken unterschwellig weiter. Auch dass wir einfach nur sorglos in den Tag hinein leben und uns nicht darum kümmern, was in unserer Welt passiert, wäre nicht im Sinne von Jesus. Gott hat uns die Welt anvertraut, dass wir sie bebauen und bewahren, lesen wir schon ganz am Anfang der Bibel (1. Mose 2, 15). Und auch um unsere Mitmenschen sollen wir uns kümmern, so wie es Jesus in der Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt (Lukas 10, 25-37).

 

Ja, wir sollen handlungsfähig bleiben. Wir sollen für diese Welt und unsere Mitmenschen Sorge tragen. Aber damit wir dies wirklich tun können, brauchen wir genau diesen guten Rat von Jesus: Sorgt euch nicht! Dieser gute Rat will uns sagen: Passt auf, dass euch die Sorge nicht zerfrisst! Lasst die Sorge nicht zu groß werden in eurem Leben! Denn ihr braucht eure Energie für Wichtigeres als fürs Sich-Sorgen-Machen! Es gibt etwas Größeres als die Sorge. Es gibt Gott. Er ist das Größte und Wichtigste. Deshalb- egal was kommt: Haltet fest an eurem Gottvertrauen! Alles andere wird sich dann schon finden.

 

Ich denke an eine Zeit in meinem Leben, als ich große Sorgen hatte. Der Vater meiner Kinder war schwer erkrankt und konnte nicht mehr für unsere Kinder sorgen. Ich selbst steckte beruflich in einer Sackgasse fest. Manchmal wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte- privat wie beruflich. Sorgt euch nicht! Diese Worte von Jesus habe ich in dieser schwierigen Zeit in meinem Leben anders gehört als sonst. Nicht als Hohn, weil ich meine vielen Sorgen ja doch nicht ablegen konnte. Nein, diese Worte von Jesus waren mir Ermutigung. Sie haben mir Hoffnung gemacht: Es geht weiter. Gott weiß einen Weg, auch wenn du ihn jetzt nicht sehen kannst. So habe ich diese Bibelworte damals für mich verstanden. Und ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass Gott für mich wirklich einen Weg gewusst hat durch diese Krise hindurch.

 

In dieser schweren Zeit habe ich das Gottvertrauen neu gelernt. Anders als damals, als ich als Kind fröhlich gesungen habe von Gott, der den kleinen Spatz kennt, und deswegen auch für mich mit seiner Liebe da ist. Ich war kein Kind mehr, ich war erwachsen- mit Lebenserfahrung, auch mit schmerzlicher. Aber alles in Gottes Hand legen, und auf ihn vertrauen, wenn ich nicht mehr weiterweiß, das darf ich noch immer. So wie es in der Bibel in 1. Petrus 5, 7 heißt: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

13. Sonntag nach Trinitatis

Predigt vom 25. August 2024

Liebe Mitchristen!

„Wir brauchen eine harte Hand. Nicht mit Rassismus. Aber wer sich hier nicht einfügt, der muss gehen.“ Es ist Samstagmorgen, und ich bin gerade beim Einkaufen, als ich diese Worte höre. Schnell bringe ich meinen Wunsch vor, nehme die Ware entgegen, bezahle und gehe. Diese Worte schockieren mich, und ich habe im Moment nicht die Kraft, dagegenzuhalten. Im Nachhinein bedauere ich das- auch wenn ich den Sprecher sicherlich nicht von seiner Meinung abgebracht hätte, wenn ich mit ihm eine Diskussion angefangen hätte. Und ich habe den Anfang des Gesprächs auch gar nicht mitbekommen. Ich weiß nicht, um was es eigentlich ging. Vielleicht um den schrecklichen Messerangriff auf dem Stadtfest in Solingen, der drei Menschen das Leben gekostet hat? Stand Samstagmorgen ist jedenfalls noch nicht klar, ob es sich bei dem flüchtigen Täter um jemanden mit Migrationshintergrund handelt, den man in ein fernes Heimatland abschieben könnte. Oder ging es um etwas ganz Anderes in dem Gespräch? Ich weiß es nicht. Aber diese Worte hallen in mir nach: „Wir brauchen eine starke Hand.“

Diese Worte lassen mich frösteln an diesem warmen und sonnigen Augustmorgen. Das Klima wird kälter in unserem Land, denke ich. Werden wir es schaffen, dass die Menschlichkeit nicht auf der Strecke bleibt? Werden wir unterscheiden können zwischen den wenigen Kriminellen, die ihre gerechte Strafe verdient haben und auch bekommen sollen, und all den anderen, die in friedlicher Absicht in unser Land gekommen sind? Werden wir es schaffen, die Demokratie zu verteidigen in unserem Land- allen Rufen nach einer harten Hand zum Trotz?

Nein, wir brauchen keine harte Hand. Wir brauchen kein autoritäres Regime, das Menschen einschüchtert. Wir brauchen niemanden, der sich über seine Mitmenschen erhebt und zu dem alle aufblicken sollen. Aufblicken sollen wir allen zu Gott, dem Herrn. Vor ihm sollen wir Ehrfurcht haben. Seine Gebote sollen wir halten: Unsere Eltern sollen wir ehren, die Schwachen schützen, die Fremden im Land nicht unterdrücken. „In deinem Herzen soll es keinen Platz für Hass geben. Hasse deinen Bruder und deine Schwester nicht!“ (3. Mose 19,17) „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (3. Mose 19,2)

Wir sind alle keine Heiligen. Wir sind nicht der liebe Gott. Manchmal werden wir wütend- oder es überkommt uns blankes Entsetzen über ein so schreckliches Blutbad wie die Messerattacke in Solingen. Und damit verbunden vielleicht auch mal der Wunsch nach einer harten Hand- nach einem Menschen, der Autorität hat und durchgreift in unserem Land. Wenn es uns so geht- wenn uns dieser Wunsch überkommen sollte, mögen wir dann an diesen Text in der Bibel denken. Und mögen wir daran denken: Es ist noch nie gut gegangen mit der harten Hand- weder in unserem Land noch anderswo. Es hat noch nie funktioniert, dass Gewalt durch Gegengewalt aus der Welt geschafft wird. Die israelischen Geiseln, die aus dem Gazastreifen jetzt nur noch tot geborgen werden, und die Tausende von toten Palästinensern in Gaza zeugen davon.

„In deinem Herzen soll es keinen Platz für Hass geben. Hasse deinen Bruder und deine Schwester nicht!“ Wie soll das gehen? Im Bibeltext heißt es weiter: „Stattdessen sollst du mit deinem Nächsten reden und ihn auf sein Verhalten ansprechen. So wirst du dich seinetwegen nicht mit Sünde belasten.“ (3. Mose 19,17) Ja, es ist schwer, sich an diese biblische Lebensregel zu halten. Und doch ist es der einzige Weg- in Israel- Palästina genauso wie in unserem Land: Aufeinander zugehen, voneinander wissen. Miteinander reden, sich gemeinsam für Frieden und Sicherheit einzusetzen- alle miteinander: die, die schon immer hier waren zusammen mit denen, die neu dazugekommen sind. Zusammenhalten, auch in unserem Land. Und sich nicht auseinanderbringen lassen von verbrecherischen Menschen, die nicht davor zurückschrecken, Anschläge zu verüben, bei denen Menschen sterben. Sie sollen die volle Härte unseres Rechtsstaats zu spüren bekommen. Aber wir wollen uns von ihnen nicht vom Weg des Friedens und der Verständigung abbringen lassen. Denn dann hätten sie ihr Ziel erreicht.

Wir wollen den Weg des Friedens und der Verständigung weitergehen, auch wenn es uns manchmal schwerfällt. Denn wir sind keine Heiligen. Und doch können wir den Hass bekämpfen in unserem Herzen. Wir können dafür sorgen, dass Wut und Entsetzen nicht die Oberhand gewinnen in unserem Leben. Wir können es, weil wir wissen, wer diese Welt mit starker Hand regiert: Gott der Herr, der Himmel und Erde geschaffen hat. In Jesus Christus ist er uns Menschen ganz nahe gekommen und hat uns die Mitmenschlichkeit gelehrt. Dazu hat Jesus Geschichten erzählt, wie z. B. das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas10,25-37).

Der Samariter in der Geschichte von Jesus war bestimmt kein Heiliger. Für die Menschen zur Zeit Jesu war klar: Einer aus Samaria- das ist keiner von uns. Dem ist nicht zu trauen. Von dem sollte man sich lieber fernhalten. Denn die Samariter waren Fremde. „Wenn ein Fremder bei euch lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Wie einen Einheimischen sollt ihr den Fremden ansehen, der bei euch lebt. Du sollst ihn lieben wie dich selbst.“ (3. Mose 19,33-34) Jesus beherzigt diese biblische Lebensregel, indem er den Fremden aus Samaria zum Subjekt seiner Geschichte macht. Damit sagt Jesus: Es ist falsch, die Fremden alle über einen Kamm zu scheren. Sie sind nicht alle böse und gefährlich. Da ist zum Beispiel dieser eine Fremde, der hilft- und die Einheimischen, von denen man eigentlich erwartet hätte, dass sie helfen, die helfen nicht.

„Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. Ich bin der Herr, euer Gott.“ Wir müssen nicht alle mit Heiligenschein herumlaufen, um diesem Bibelvers gerecht zu werden. Es reicht, wenn wir so heilig sind wie es dieser fremde Mann aus Samaria war, von dem Jesus erzählt. Es reicht, wenn wir die Augen offen halten und sehen, wo wir gebraucht werden. Es reicht, wenn wir bereit sind, unsere Vorurteile zu hinterfragen und uns positiv überraschen zu lassen von unseren Mitmenschen, so fremd sie uns auch sind. Es reicht, wenn wir uns daran festhalten: Die einzige starke Hand, die wir brauchen, ist Gottes Hand. Auf ihn wollen wir vertrauen in guten und in schweren Zeiten. Denn er hält die Welt und unser Leben in seiner Hand.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

8. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zum Sonntag 21.07.2024

 

Liebe Mitchristen!

 

Fällt es Ihnen leicht, morgens in aller Frühe aus dem Bett aufzustehen, wenn es noch dunkel ist und die anderen noch schlafen? Im Dunkeln aufstehen, das tun wir meistens nicht aus eigenem Antrieb. Wir tun das, wenn wir unserer Pflicht nachkommen müssen- zur Arbeit gehen oder in die Schule. „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten!“ So heißt es in der Bibel in Eph 5,14. Manchmal kam es mir auch so vor, wenn ich an einem dunklen Herbstmorgen frühmorgens um 6 Uhr meinen Sohn wecken wollte, bei dem es am Vorabend wieder mal spät geworden war: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten!“ Mein Sohn ist inzwischen erwachsen und stellt sich selbst seinen Wecker. Und ich bin froh, dass ich in der Regel nicht mehr ganz so früh raus muss.

 

Einmal sind wir alle zusammen so früh aufgestanden, meine Söhne und ich- mitten im Urlaub. Wir waren in Spanien, in der Nähe von Valencia. Meistens wollten wir da lieber ausschlafen. Aber an einem Urlaubsabend hatten wir die Idee: Morgen stehen wir mal ganz früh auf, wenn es noch dunkel ist. Dann gehen wir zum Strand und schauen uns den Sonnenaufgang am Meer an. Am nächsten Morgen ließen wir also den Wecker klingeln. Zum Glück geht in Spanien die Sonne später auf als bei uns. Im Hotel konnten wir als erst noch frühstücken- zusammen mit denen, die auch dort früh aufstehen, um ihrer Pflicht nachzukommen: Menschen, die beruflich unterwegs waren und in der Hotelbar in Arbeitskleidung ihren Kaffee tranken.

 

Für uns war das ein sehr besonderer Start in diesen Urlaubstag. Von Urlaubsatmosphäre war da zunächst einmal nichts zu spüren. Draußen im Dunkeln war es fast menschenleer. Nur eine Frau, die gerade ihren Hund ausführte, haben wir getroffen. Alles wirkte grau in grau in der düsteren Morgendämmerung: Graue Straßen, graue Häuser, grauer Strand, grauer Himmel, graues Meer. Aber dann kam langsam Farbei in die graue Welt: Hinten am Horizont der erste rötliche Schimmer: Die Sonne geht auf. Sie bringt Licht und Farbe in unsere Welt. Und wir haben es nicht bereut, dass wir an diesem Urlaubsmorgen so früh aufgestanden sind.

 

Von der Dunkelheit ins Licht zu kommen, das ist eine großartige Erfahrung. An diesem Urlaubsmorgen haben wir das ganz bewusst erlebt. Von der Dunkelheit ins Licht- das erfahren wir jedem Morgen neu. Ja, auch dann, wenn mal nicht die Sonne scheint. Selbst an bewölkten Tagen steht die Sonne hinter den Wolken und bringt Licht in unsere Welt und unser Leben. „Ihr wart früher Finsternis, nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.“ So heißt es in Eph 5,8. Dieses Bibelwort erinnert uns daran, wer das Licht unseres Lebens ist: Jesus Christus. Er bringt Licht und Hoffnung in unser Leben. Auch in die dunklen Ecken scheint das Licht von Jesus Christus; auch dorthin, wo es unaufgeräumt ist in unserem Lebenshaus. Auch dorthin, wo wir manches lieber unter den Teppich kehren würden.

 

Aber: Im Lichte Jesu Christi habe ich den Mut, auch das anzuschauen, was schief gelaufen ist in meinem Leben- meine Schuld und mein Versagen. Das alles kommt ans Licht. Zunächst einmal lässt mich das vielleicht erschrecken: Das will ich nicht. Das ist mir peinlich. Meine Schwächen und Fehler, meine dunklen Seiten, das soll doch niemand sehen. Und jetzt steht das alles voll im Licht! Aber dann, wenn dieses erste Erschrecken überwunden ist, dann ist es einfach nur noch befreiend: Endlich ist Schluss mit dem Versteckspiel. Endlich muss ich nicht mehr so tun, als ob alles immer glatt läuft bei mir. Endlich muss ich die dunklen Seiten meines Lebens nicht mehr unter den Teppich kehren. Denn unter den Teppich kehren, das ist richtig anstrengend. Die Kraft, die ich dafür aufgewendet habe, die kann ich jetzt für andere Aufgaben verwenden, wo sie viel sinnvoller eingesetzt ist.

 

„Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ (Eph 5,9) Wenn wir das so leben, dann lassen wir die Sonne rein in unsere Welt- egal ob es regnet oder schönes Wetter ist. Wenn wir die Güte leben- das bedeutet: Dass wir die Menschen, die uns begegnen, mit den Augen der Liebe ansehen. Ja, auch den Nachbarn, der uns so seltsam vorkommt. Auch die Kollegen, die das alles ganz anders machen wollen als wir. Auch die, mit denen wir nicht können. Seien wir gütig ihnen gegenüber. Sehen wir sie mit den Augen der Liebe. Seien wir auch gütig zu uns selbst. Denn für uns alle ist Jesus Christus gestorben und auferstanden.

 

Leben wir die Güte. Aber Güte allein genügt nicht. Es braucht auch Gerechtigkeit. Seien wir also fair. Geben wir jedem eine Chance. Machen wir keine künstlichen Unterschiede auf zwischen den Menschen. Ob Hautfarbe, Sprache oder Geschlecht- Gott hat nicht gewollt, dass wir die Menschen in Schubladen, Kategorien oder Raster einteilen. Gott hat alle Menschen geschaffen. Seien wir menschlich und fair zu allen. Und setzen wir uns lautstark zur Wehr, wenn Menschen ungerecht behandelt werden, diskriminiert oder unterdrückt.

 

Aller guten Dinge sind drei: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Wahrheit- das erscheint zunächst einmal einfach, ja beinahe selbstverständlich. Natürlich lebe ich die Wahrheit. Ich lüge niemanden an. Aber so einfach ist es nicht. Die Wahrheit leben, das heißt heute auch: Nicht allen einfachen Antworten Glauben schenken. Nicht allen starken Männern oder Frauen hinterherlaufen, die einem das Denken abnehmen wollen. Leben wir die Wahrheit, und haken wir lieber nochmal nach: Ist diese Nachrichtenquelle wirklich seriös, oder sind das Fake News? Dient das dem Leben, was hier als der richtige Weg propagiert wird, oder werden da Menschen ausgegrenzt und abgewertet?

 

Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit- diese drei sind wichtig. Diese drei brauchen wir. Darauf sollten wir unser Leben ausrichten. Eine große Aufgabe ist das. Aber eine Bürde sollte das nicht sein für uns, sondern eine Freude. Denn nicht aus uns selbst heraus müssen wir das alles hinkriegen. Es kommt von Jesus Christus. Er lässt sein Licht scheinen in unser Herz. Seine Auferstehung lässt uns auferstehen: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“ (Eph 5, 14) Wir dürfen leben im Licht von Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Das ist, wie wenn die Sonne aufgeht an einem sommerlichen Urlaubsmorgen. All das Grau in Grau ist auf einmal weggewischt, und wir stehen im goldenen, hellen Licht.

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

7. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zum Sonntag, 14. Juli 2024

Liebe Mitchristen!

Heute feiern wir Taufe. Die Tauffamilien haben lange geplant und vorbereitet. Vieles war zu regeln: Welchen Taufspruch nehmen wir für unser Kind? Wer gestaltet die Taufkerze? Wer übernimmt das Patenamt? Den Tauffamilien möchte ich heute gratulieren: Zur Taufe von ihren Kindern, die jetzt zu Jesus Christus gehören und zu seiner Gemeinde- hier in unserer Kirchengemeinde vor Ort und in der weltweiten Christenheit. Ein herzliches Willkommen unseren neuen Gemeindemitgliedern!

Gratulieren möchte ich den Tauffamilien auch dazu, dass sie christliche Patinnen und Paten gefunden haben für ihre Kinder: Menschen, die ihnen nahestehen und die Kirchenmitglieder sind. Menschen, die die Bereitschaft mitbringen, diese Kinder auf ihrem Lebens- und Glaubensweg zu begleiten. Schön, dass diese Patinnen und Paten heute ihr Ja gesprochen haben zu der Aufgabe, die sie übernommen haben. Solche Menschen brauchen wir in unserer Zeit: Menschen, die sich zur Kirche halten und sich dafür einsetzen, dass der christliche Glaube weitergegeben wird an die nächste Generation. Dass unter unseren Patinnen und Paten heute nicht nur evangelische, sondern auch katholische Kirchenmitglieder sind, erinnert uns daran, dass die Taufe in allen christlichen Konfessionen gefeiert wird. Es gibt nur die eine Taufe im Namen Jesu Christi.

Paten zu finden, die einer christlichen Kirche angehören und bereit sind, diese Aufgabe zu übernehmen, ist in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Neulich habe ich ein Gespräch geführt mit einer jungen Mutter, die keine christlichen Paten finden kann für ihr Kind. Sie gehört zu unserer Kirchengemeinde. Und sie möchte gerne, dass ihr Kind auch dazugehört. Sie möchte ihr Kind taufen lassen. Taufe ohne christliche Paten- geht das? Ist das nicht ein Taufhindernis? Es tut mir weh, dass wir uns an solchen Fragen aufhalten, wo es doch um etwas ganz Anderes geht- um etwas viel Größeres: Dass wir zu Jesus Christus gehören. Dass wir mit hineingenommen werden in sein Sterben und Auferstehen. Dass Jesus Christus uns Halt und Hoffnung gibt für unser Leben. Und wir reden über Taufhindernisse.

„Was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?“ So fragt in der Bibel in Apg. 6,36 ein hoher äthiopischer Beamte seinen Wegbegleiter Philippus. Philippus hatte durch eine göttliche Eingebung den Weg dieses reichen Afrikaners gekreuzt. Seit einer ganzen Weile saßen die beiden nun schon auf dem Reisewagen des Afrikaners, der sich langsam wieder in Richtung Äthiopien bewegte. Philippus hatte dem hohen äthiopischen Beamten geholfen, schwierige Bibelstellen zu verstehen. Und er hatte ihm von Jesus erzählt. Wie Jesus gelebt hat. Wie er den Menschen von Gott erzählt hat. Wie bei Jesus alle willkommen sind, auch die, die sonst übersehen werden. Die kleinen Kinder zum Beispiel. Oder die Zöllner, die zwar reich sind, aber von den anderen verachtet werden, weil sie mit der römischen Besatzungsmacht zusammenarbeiten. Gott lädt uns alle ein. Für uns alle ist Jesus gestorben und auferstanden.

Philippus erzählt und erzählt, und der äthiopische Beamte hört ihm gebannt zu. Denn was er da hört, geht ihm mitten ins Herz. Das ist es, wonach er schon lange gesucht hat. Schon lange hat er die heiligen Schriften der jüdischen Religion studiert. Er ist überzeugt davon: Das ist der richtige Weg- ja, es gibt nur einen Gott! Aber im Tempel in Jerusalem war der Afrikaner nicht willkommen. Er ist ein Eunuch, ein kastrierter Mann. So war es damals üblich für die hohen königlichen Beamten in Äthiopien- damit sie ihr Amt nicht von Generation zu Generation weitergeben. Vielleicht würde sich dieser Afrikaner heute als queer bezeichnen. Ein Mensch, der nicht in unser Schema von Mann und Frau passt. Damals wie heute haben es solche Menschen schwer, akzeptiert zu werden. Heißen wir sie willkommen in unserer Gemeinschaft, in unserem Ort, in unserer Kirchengemeinde?

„Was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?“ fragt der queere Afrikaner. Vieles hätte Philippus darauf antworten können, zum Beispiel so: Tut mir leid, aber du bist so anders als wir, du als Eunuch. Außerdem kommst du aus einer ganz anderen Kultur, aus einem fremden Land. Wie willst du dort deinen christlichen Glauben leben?  Und hast du überhaupt schon genug verstanden vom christlichen Glauben? Das braucht doch mehr Zeit, als hier nur ein paar Minuten die Bibel zu erklären! All das hätte Philippus dem afrikanischen Beamten antworten können. Aber so antwortet Philippus nicht. Nein, Philippus antwortet gar nicht mit Worten. Philippus antwortet mit Taten. Der Reisewagen hält an. Philippus und der äthiopische Beamte steigen aus. Dort ist Wasser, und Philippus tauft den Afrikaner an Ort und Stelle. So hat es Gott gewollt. Philippus hat seinen Auftrag erfüllt. Die Wege von Philippus und dem reichen Äthiopier trennen sich. Philippus bringt nun an einem anderen Ort die frohe Botschaft von Jesus Christus unter die Leute.

Der neu getaufte Äthiopier aber hat die Gewissheit: Ich gehöre zu Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Bei Jesus Christus bin ich willkommen, so wie ich bin. Fröhlich zieht der queere Afrikaner seiner Wege- zurück nach Äthiopien an den Hof der Königin, in deren Diensten er steht.

Was hindert’s, dass ich mich taufen lasse? Was hindert’s, dass ich mein Kind taufen lasse? Keine unnötigen Hindernisse sollen wir hier aufbauen. Das können wir aus dieser biblischen Geschichte lernen. Ich denke noch einmal an die junge Mutter aus unserer Gemeinde, die für ihr Kind keine christlichen Paten finden kann. Ich habe mit ihr gesprochen und habe ihr Mut gemacht. Mut, ihr Kind christlich zu erziehen und sich dabei von uns als Kirchengemeinde unterstützen zu lassen. In einigen Monaten werden wir die Taufe ihres Kindes feiern. Ich freue mich darauf.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

4. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zum Mitarbeiter- Dank- Gottesdienst am Sonntag, 23. Juni 2024

Liebe Mitchristen!

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe,“ heißt es in der Jahreslosung (1. Kor 16,14). Liebe, das ist das, was uns zusammenhält. Liebe, das ist wie das violette Band, das wir durch die Bankreihen gereicht haben. Ein Band, das uns verbindet. Für mich ist das ein schönes Bild, das passt zu unserem Gottesdienst heute, wo ich im Namen unseres Kirchengemeinderats und der ganzen Gemeinde Danke sagen darf an alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Danken möchte ich für alles, was Ihr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geleistet habt im vergangenen Jahr an haupt- und ehrenamtlicher Arbeit. Danke auch und gerade für das, was man nicht sieht, weil es im Verborgenen geschieht, und man vermutet gar nicht, wie viel Arbeit und Zeitaufwand dahinter steckt. Danke!

Danke für alle Liebe, die in solcher Arbeit steckt: Die Liebe zum Detail. Die Liebe zu unserer Gemeinde, in der wir zusammengehören und zusammenwirken. Die Liebe zu den Menschen, die uns anvertraut sind und die wir erreichen wollen. Die Liebe zu Gott, der uns in Jesus Christus nahegekommen ist und uns durch den Heiligen Geist stärkt bei allem, was wir anpacken. Er kann alles zum Guten wenden, auch das, was uns Schwierigkeiten macht. „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen,“ schreibt Dietrich Bonhoeffer. 

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Für mich steckt in diesem Bibelwort auch dieser Gedanke, den Dietrich Bonhoeffer hier auf den Punkt bringt: Dass ich mir alle Dinge zum Besten dienen lasse. Und damit verbunden, die Verheißung, das große Versprechen von Gott: Wenn ich das tue; wenn ich festhalte an der Liebe zu Gott und den Menschen, und aus allem, was mir vorgegeben ist und sich mir scheinbar in den Weg stellt, das Beste mache- wenn ich so lebe, dann darf ich es erfahren, dass sich Schwierigkeiten auflösen und Gott dort Gutes entstehen lässt, wo ich es nicht vermutet hätte. Ich denke, dieses Gottvertrauen brauchen wir, gerade in unserer Zeit, wo die Kirchengemeinden kleiner werden und wir uns von manch Liebgewordenen verabschieden müssen.

Letztes Jahr haben wir unseren Mitarbeiter- Dank- Gottesdienst als Abschiedsgottesdienst in unserem Johannes- Gemeindehaus gefeiert. Abschied tut weh. Aber wir bleiben nicht stehen beim Abschiedsschmerz. Wir vertrauen darauf: Gott wird es gut machen. Wir bitten Gott um seinen Segen für die neue Kindergartengruppe, die im September in diese Räume unseres ehemaligen Gemeindehauses einziehen wird, und auch um Gottes Segen für die neuen Mitarbeiterinnen, die dort tätig sein werden und durch ihre Liebe und Zuwendung den Kindergartenkindern etwas weitergeben von Gottes Liebe zu uns Menschen.

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Das Band, das wir durch die Bankreihen gereicht haben, ist fest und stabil, fast wie ein Seil. Tauziehen haben wir nicht gemacht mit diesem Seil. Nicht gegeneinander, sondern miteinander wollen wir arbeiten. Ja, so darf ich es immer wieder erleben hier in der Gemeinde: Wir ziehen alle an einem Strang, auch bei schwierigen Themen. So können wir etwas erreichen. So kann es vorangehen, hier in unserer Kirchengemeinde. So können wir Gottes Segen erfahren und weitergeben in der Gemeinschaft, die wir hier miteinander leben. Das Band der Liebe ist da, das uns zusammenhält. Bei allen Unterschieden, die es zwischen uns gibt- unterschiedliche Ideen und Erfahrungen im Glauben und im Leben. Das darf und soll so sein. Und wenn wir als große Überschrift über dem allen die Liebe haben, dann stört es nicht, dass der eine oder die andere hier auch mal anders tickt als ich.

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Das Band, das wir durch die Bankreihen gereicht haben, haben wir alle festgehalten. Sonst wäre es auf den Boden gefallen und unter den Kirchenbänken verschwunden. Wir haben eine Kette gebildet mit diesem Band. Ein bisschen sieht es auch aus wie eine Kette, unser violettes Band, mit seiner geflochtenen Struktur. Bei einer Kette sieht man die Struktur, wie sie gemacht ist, noch besser. Eine Kette ist zusammengesetzt aus vielen Kettengliedern. Und wenn ein Glied fehlt in der Kette, dann zerbricht die Kette. So wie unser Band auf den Boden gefallen wäre, wenn es einer losgelassen hätte. Wir gehören alle zusammen. Nur gemeinsam können wir den Glauben an Jesus und die Liebe Gottes weitergeben. Nur gemeinsam können wir Gemeinde bauen. Der Apostel Paulus vergleicht die christliche Gemeinde deswegen mit einem Körper mit vielen Körperteilen. (1. Kor 12, 12-17). Jedes Körperteil hat eine besondere Aufgabe im Körper. Manche erscheinen uns wichtiger. Manche sind uns eher peinlich. Aber alle Körperteile sind wichtig. Nur wenn alle zusammenwirken, ist es ein gesunder Körper.

Was könnte unterschiedlicher sein als die Körperteile an einem Körper? Was hat die Speiseröhre gemeinsam mit dem großen Zeh? So unterschiedlich wie die Körperteile an einem Körper sind auch wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Gemeinde. Bunt und unterschiedlich sind auch die Zettel, die wir mit Wäscheklammern an unsere violette Schnur gehängt haben. Und auf jedem dieser Zettel steht ein Wunsch für die Zukunft, im Kleinen wie im Großen, ein Wunsch für mich und meine Nächsten, für die Gemeinde, für unsere Welt. Manche Wünsche ähneln sich, manche sind ganz anders als was ich aufgeschrieben habe. Ja, bunt und unterschiedlich wie die Zettel, auf die wir sie geschrieben haben, sind auch unsere Wünsche.

Was ist allen gemeinsam? Was haben wir gemeinsam? Was hat die Speiseröhre gemeinsam mit dem großen Zeh? Sie gehört zu ein und demselben Körper. Ohne sie würde dem Körper was fehlen, wäre er krank oder behindert oder könnte gar nicht weiterleben. Was haben wir gemeinsam? Bunt und unterschiedlich sind die Zettel, die wir an unsere Schnur gehängt haben, und genauso bunt und unterschiedlich sind auch die Wünsche, die wir darauf geschrieben haben. Und doch hängen diese Zettel, so bunt und unterschiedlich sie auch sind, doch alle an ein und derselben Schnur. Die Schnur ist violett. Violett, das ist die Farbe der Kirche. Wir gehören alle zu einer Gemeinde- hier in Wehingen und in der weltweiten Christenheit. „Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ein Glied.“ Wir sind miteinander verbunden. Die Liebe Christi verbindet uns. Und dieses Band der Liebe wird niemals zerreißen. Denn die Liebe Christi bleibt. Darauf können wir uns verlassen, bei allem, was wir tun- hier in der Gemeinde und bei allen Aufgaben, die Gott uns anvertraut in unserem Leben. In diesem Sinne möchte ich mich auch weiterhin von der Jahreslosung leiten lassen und zuversichtlich in die Zukunft blicken: „Alles was ihr tut, geschehe in Liebe!“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Trinitatis

Predigt zum Tag der Heiligen Dreifaltigkeit, 26. Mai 2024

Liebe Mitchristen!

Überall in unseren Ortschaften hängen jetzt bunte Wahlplakate. Ja, es ist unübersehbar: Die nächsten Wahlen stehen kurz bevor, im Großen wie im Kleinen. Im großen, internationalen Kontext dürfen wir das Europaparlament neu wählen. Im kleinen, lokalen Kontext hier vor Ort wählen wir den Gemeinderat und den Kreistag- und in Wehingen ein paar Wochen später auch noch den Bürgermeister. Machen Sie gerne von Ihrem Wahlrecht Gebrauch? Wissen Sie schon, wo Sie Ihre Kreuze setzen werden? Oder fällt Ihnen die Wahl schwer, und Sie wissen nicht, wem Sie Ihre Stimme geben sollen? Haben Sie das Wählen deswegen womöglich schon aufgegeben, und planen am Wahlsonntag zu Hause zu bleiben?

Es ist ja nicht selbstverständlich, dass wir in einem Land leben, in dem demokratische und freie Wahlen stattfinden. Unser Grundgesetz hatte diese Woche Geburtstag. 75 Jahre ist es geworden. So viele Jahre gibt es die Demokratie, in der wir leben. Demokratie ist kein Selbstläufer, sie muss erhalten und gepflegt werden. Unser Bundespräsident Frank Walter Steinmeier ermutigt uns deswegen: „Gehen Sie zur Wahl! Überlassen Sie Ihre Stimme nicht anderen. Denn: Wer nicht wählt, lässt nur andere über die Zukunft unseres Landes entscheiden. Darüber, wie es weitergeht bei Arbeit und Wirtschaft, Bildung und Gesundheit, Pflege und Alterssicherung, in der Flüchtlingspolitik und bei der Integration, bei innerer und äußerer Sicherheit, bei Klima und Umwelt. Vielleicht war nie so spürbar wie jetzt, dass es in Wahlen auch um die Zukunft der Demokratie und die Zukunft Europas geht.“

„Gehen Sie zur Wahl,“ sagt unser Bundespräsident. Das sagt sich leicht. Aber: Was soll ich wählen? Wie soll ich entscheiden? Woher soll ich wissen, was die Zukunft bringen wird und welche Richtungsentscheidung deswegen jetzt nötig ist? „In Jesus Christus hat Gott uns erwählt, bevor der Welt Grund gelegt worden ist,“ heißt es in der Bibel in Epheser 1,4. Gott hat sich für uns Menschen entschieden. „Die Würde des Menschen ist unantastbar,“ heißt es in unserem Grundgesetz.

Jeder einzelne Mensch hat Würde und Wert, denn jeder Mensch ist ein Kind Gottes. Gott hat gewählt. Noch bevor ich das Licht der Welt erblickt habe, hat Gott mich erwählt. Ja, sogar schon bevor es die Welt überhaupt gab: „Bevor der Welt Grund gelegt worden ist.“ Gott hat gewählt. Gott hat diese Welt geschaffen, damit sie ein lebenswerter Raum ist für Mensch und Natur. Gott hat gewählt. Gott ist selbst ein Mensch geworden wie wir und hat hier auf der Erde gelebt: Jesus Christus ist am Kreuz für uns gestorben. So hat er uns die Erlösung geschenkt und uns frei gemacht von Sünde und Schuld- „auf dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist.“ (Epheser 1,10) Gott hat gewählt. Gott hat uns zu seinen Erben gemacht. Als Zeichen dafür hat er uns den Heiligen Geist gegeben- die Kraft, Gott zu loben und seine gute Botschaft weiterzusagen an andere Menschen. Die Kraft, sich dafür einzusetzen, dass wir unser Leben und unsere Welt so gestalten, wie es Gottes Wille entspricht. Denn alle Menschen sind Gottes Kinder.

Gott hat gewählt. Mich hat Gott gewählt. Ich bin wertvoll und wichtig für Gott. Weil Gott mich gewählt hat, deshalb kann ich auch wählen. Ich brauche mich nicht mehr in meinem stillen Kämmerlein zu verkriechen aus Angst, die falsche Entscheidung zu treffen. Ich brauche nicht am Wahlsonntag daheim zu bleiben, aus Sorge, dass ich meine Wahlentscheidung im Nachhinein bereuen könnte. Denn Gott hat mich gewählt. Mir hat er seine Welt als Erbe anvertraut. Mich hat er durch Jesus Christus erlöst. Mir hat er seinen Heiligen Geist gegeben.

Das, was ich in Gottes Welt zum Guten wenden kann, das soll ich tun. Manchmal kommt es mir wenig vor, was ich tun kann. Ein paar Kreuze auf einem Wahlzettel zum Beispiel- wen interessiert das schon? Und kann das wirklich so viel ändern? Aber jede Stimme zählt bei einer solchen Wahl. Das ist mir wertvoll und wichtig an unserer Demokratie. Und ja- auch im Kleinen kann ich viel bewirken; kann mich dafür einsetzen, dass Gottes schöne Welt bewohnbar bleibt für Mensch und Natur, auch für die kommenden Generationen. Ich kann mit meiner Stimme daran erinnern, dass bei Gott jedes Menschenleben zählt. Denn wir alle sind Gottes Kinder. Gott macht da keine Ausnahmen. Gott unterscheidet nicht danach, aus welchem Land wir kommen, welche Sprache wir sprechen, ob wir arm oder reich sind, ob uns die Gnade geschenkt wurde, in einem wohlhabenden Land geboren worden zu sein oder nicht.

Letztes Wochenende haben wir Pfingsten gefeiert. Beim ökumenischen Gottesdienst am Pfingstmontag war für mich spürbar, wie Gott unter uns wirkt durch seinen Heiligen Geist. Es war ein friedliches, fröhliches und buntes Fest des Glaubens, das wir zusammen gefeiert haben. Unsere Unterschiede haben dabei nicht gestört, sondern waren eine Bereicherung. Schön war es, dass die Erfahrung machen durften: Wir sind viele! Auch bei der Vorbereitung und Organisation war dies spürbar: Viele Ideen, und viele Schultern, auf die sich die Organisationsaufgaben verteilen- das ist entlastend und bereichernd! Konfessionsgrenzen haben dabei keine Rolle gespielt. Auch Sprachgrenzen wurden durchlässiger. Wer kein perfektes Deutsch kann, kann eine andere Muttersprache. Schön und bereichernd war es, den Klang ganz unterschiedlicher Muttersprachen zu hören bei den Fürbitten. Mir hat dieser Pfingstmontag gezeigt, welche bunte Fülle an unterschiedlich geprägten Menschen Gott uns geschenkt hat, hier auf dem Heuberg. Und alle sind Gottes Kinder.

Gott hat gewählt: Uns, die Menschen hat Gott gewählt. Darum werde ich auch wählen gehen, wenn demnächst bei uns Wahl ist fürs Europaparlament, für den Gemeinderat und den Kreistag, und in Wehingen etwas später dann noch für den Bürgermeister. Ich werde wählen gehen und werde mich mit meiner Stimme dafür einsetzen, dass es in unserer Welt in Zukunft bunt, friedlich und menschlich zugeht. Dass Mensch und Natur in dieser Welt leben können, auch in kommenden Generationen. So wie es in unserem Grundgesetz heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Ich möchte, dass das auch in Zukunft so ist. Dass wir das im Blick behalten. Denn Gott hat gewählt. Uns Menschen hat er gewählt als seine Kinder.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

 

Kategorien
Allgemein Gedanken zum Sonntag

Gedanken zum Konfirmanden-Abendmahl

 

Predigt zum Konfirmanden- Abendmahlsgottesdienst am 4. Mai 2024

Liebe Mitchristen!

„Was sollen wir zum Konfirmanden- Abendmahlsgottesdienst anziehen?“ Das haben mich die Konfirmanden in einer der letzten Konfirmandenunterrichtsstunden gefragt. Und ich habe mich gefragt: Soll ich ihnen jetzt sagen, ob ihre Kleidung dunkel oder hell, bunt oder einfarbig sein soll? Ob eine Jeans mit Löchern noch okay wäre oder wie kurz der Rock sein dürfte? Aber um all das ging es den Konfirmanden gar nicht bei ihrer Frage. Und ich hätte darauf auch keine konkrete Antwort gegeben, höchstens eine ungefähre Richtschnur. Eine genaue Kleiderordnung kann und will ich nicht vorgeben- nicht einmal für die Konfirmation. Den Konfirmanden ging es aber um etwas anderes bei ihrer Frage. Sie wollten einfach nur wissen: „Sollen wir beim Abendmahlsgottesdienst schon unsere Konfirmationskleidung anziehen oder einfach so kommen, wie wir sonst immer angezogen sind?“

Wir haben im Konfirmandenunterricht dann darüber gesprochen, wie es für die Konfirmanden besser passen würde. Es gab unterschiedliche Meinungen dazu. Schließlich hat sich die Meinung durchgesetzt: Die festliche Konfirmationskleidung ist dem eigentlichen Festtag vorbehalten, der Konfirmation. Der Abendmahlsgottesdienst am Vorabend wird in Alltagskleidung gefeiert. Es war die Entscheidung der Konfirmanden, es so zu halten. Aber nachdem diese Entscheidung gefallen war, fand ich doch auch, dass es so passt, ja womöglich sogar einen tieferen Sinn hat, wenn wir zum Abendmahlsgottesdienst in Alltagskleidung kommen. Sicherlich war es richtig, dass es hierzu unterschiedliche Meinungen gab, denn schließlich ist es etwas Besonderes, wenn wir zum Tisch des Herrn gehen. Die meisten von uns würden es nicht gutheißen, wenn da jemand mit zerrissenen Hosen käme.

Aber was würde Jesus dazu sagen? Er ist der Gastgeber. Er lädt uns beim Abendmahl an seinen Tisch. Ich denke, Jesus würde uns auch mit zerrissenen Hosen willkommen heißen. In der Bibel lesen wir, dass Jesus sich mit Menschen umgeben hat, mit denen sonst keiner etwas zu tun haben wollte (Lukas 15, 1-2). Mit Sündern hat sich Jesus zusammengesetzt und mit ihnen gegessen. Kaputte Menschen waren das- die mit den zerrissenen Kleidern oder mit den Röcken, die viel zu kurz waren. Bei den anständigen Menschen hat das für Empörung gesorgt: Wie kann Jesus nur! Wie kann man nur mit solchen Leuten Gemeinschaft haben! Jeder weiß doch, was das für welche sind!

Jesus wollte, dass die Leute verstehen, warum er das macht. Dazu hat er ihnen Geschichten erzählt- in diesem Fall gleich drei Geschichten. In allen diesen drei Geschichten passiert etwas Ähnliches. Jedes Mal geht es darum, dass etwas verloren geht. Bei der ersten Geschichte ist es ein Schaf aus einer Herde mit hundert Tieren (Lukas 15, 3-7). Bei der zweiten Geschichte ist es eine von zehn Silbermünzen (Lukas 15, 8-10). Und bei der dritten Geschichte ist es einer von zwei Söhnen (Lukas 15, 11-32).

Was macht ihr, wenn ihr etwas verliert, was euch sehr wichtig ist? fragt Jesus mit diesen Geschichten. Gebt ihr euch dann einfach zufrieden mit dem, was noch übrig ist und nicht verloren gegangen ist? Findet ihr euch damit ab, dass ihr jetzt eben nur noch 99 Schafe, nur noch 9 Silbermünzen oder nur noch einen Sohn habt? Gebt ihr das eine, das verloren gegangen ist, einfach auf? Oder seid ihr in Gedanken immer bei dem, was verloren gegangen ist- bei dem einen Schaf, bei dieser einen Silbermünze, bei diesem einen Sohn? Werdet ihr womöglich sogar alle Hebel in Bewegung setzen, um das Verlorene wieder zu finden? Werdet ihr eine Suchaktion starten, die bis in den letzten Winkel reicht, keinen Stein auf dem anderen lassen und alle Möglichkeiten durchgehen, um das Verlorene wieder zu finden?

Ja, das werdet ihr, sagt Jesus. Denn dieses eine Schaft, diese eine Silbermünze, dieser eine Sohn ist euch so wichtig, dass ihr alles dafür tun werdet, um ihn wieder zu finden. Und Gott sieht das ganz genauso wie ihr, sagt Jesus mit seinen Geschichten. Jeder einzelne Mensch ist Gott so unheimlich wichtig, dass Gott alles dafür gibt, dass dieser eine Mensch nicht verloren geht. Gott gibt alles für uns. Gott gibt für uns sein Leben. Am Kreuz ist Jesus Christus für unsere Sünden gestorben. Ja, zu Jesus dürfen wir so kommen wie wir sind- nicht nur in Festkleidung, auch in Alltagskleidung. Zu Jesus dürfen wir alles bringen- nicht nur das, worauf wir stolz sind und womit wir glänzen können. Auch das, wofür wir uns schämen, dürfen wir zu Jesus bringen. Auch das Kaputte in unserem Leben- unser Versagen, unsere Fehler, unsere Schuld.

Liebe Konfirmanden! Heute seid ihr in Alltagskleidung gekommen zum Abendmahl, in dem euch Jesus Christus die Vergebung der Sünden schenken will. Was euch bedrückt, was euch beschwert und belastet- all das dürft ihr hier in dieser Feier ablegen und euch davon freimachen. Legt es ab, so wie ihr heute Abend vor dem Schlafengehen eure Alltagskleidung ablegt, und morgen früh zur Konfirmation eure Festkleider anzieht. Lasst euch versöhnen mit Gott und empfangt seine Vergebung. Denn für Gott zählt jeder Einzelne. Gott gibt niemanden verloren. Jeder Einzelne, der den Weg zu Gott findet, ist Gott ein Freudenfest wert: „Freut euch mit mir, ich habe gefunden, was ich verloren hatte,“ sagt Gott (Lukas 15, 6+9) und lädt zum Fest ein: „Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein!“ (Lukas 15, 22-23) Ja, liebe Konfirmanden, das wird ein Fest morgen bei eurer Konfirmation, wenn ihr eure Festkleider anhabt. Und am allermeisten freut sich Gott über dieses Fest. Denn Gott will, dass alle Menschen den Weg zu ihm finden.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Jubilate

Predigt zum Thema „Unser Freund heißt Jesus Christ“ beim Familiengottesdienst am 21.04.2024

Liebe Mitchristen!

„Unser Freund heißt Jesus Christ“- das habt ihr Kinder vom Evangelischen Johannes-Kindergarten uns ganz eindrücklich erzählt, vorgespielt und vorgesungen. Wie ist das, wenn ihr einen Freund habt? Was könnt ihr mit eurem Freund oder eurer Freundin alles machen? Wann ist so ein Freund wichtig? Wenn ihr zusammen spielen wollt. Wenn ihr miteinander fröhlich seid und Feste feiert- zum Beispiel euren Geburtstag. Aber auch, wenn ihr mal traurig seid oder euch jemand geärgert hat. Gerade dann ist es auch ganz wichtig, einen Freund oder eine Freundin zu haben. Mit meiner besten Freundin kann ich über alles reden- auch über Sachen, die ich sonst niemandem erzähle- weil sie mir vielleicht peinlich sind, oder weil sie einfach zu persönlich sind. Meine Freundin lacht mich nicht aus. Sie lacht höchstens mit mir zusammen, nicht über mich. Mit meiner besten Freundin kann ich zusammen fröhlich sein und schöne Dinge unternehmen. Und wenn es mir mal nicht so gut geht, dann ist sie auch da. Dann hört sie mir zu und versucht, mir zu helfen.

Jesus hatte auch Freunde. Das waren seine Jünger. Mit denen hat Jesus viel erlebt. Sie waren zusammen unterwegs in den Dörfern und in den Städten und haben den Menschen von Gott erzählt. Gut, dass Jesus da nicht alleine unterwegs war. Alleine kann es manchmal ganz schön schwer sein. Zum Besipiel, wenn jemand zu einem sagt: „Du darfst nicht mitspielen.“ Das wollen wir zu niemandem sagen. Alle sollen mitspielen dürfen. Denn es ist schlimm, wenn man alleine ist und keine Freunde hat. Niemand soll allein sein.

Das können wir von Jesus lernen. Jesus wollte alle dabeihaben. Jesus wollte, dass alle mitmachen dürfen- auch die Kinder. Auch wenn sie noch ganz klein sind und nicht alles verstehen, was die Erwachsenen über Gott reden. Jesus wollte sie dabei haben. Die Jünger von Jesus haben das nicht verstanden. Sie haben gedacht: Die Kinder stören hier, wenn Jesus von Gott erzählt. Die Kinder sind noch zu klein, um das zu verstehen. Also wollten sie die Kinder wegschicken- und die Eltern gleich mit, die ihre Kinder zu Jesus bringen wollten. Aber Jesus sagt: „Nein! Das geht nicht! Ihr dürft die Kinder nicht wegschicken. Die Kinder sollen kommen. Gott freut sich über die Kinder ganz besonders.“

Jesus schimpft mit den Jüngern. Dabei sind das doch seine Freunde. Manchmal passiert es eben, dass man sich nicht einig ist unter Freunden. Hattet ihr schon einmal Streit mit eurer Freundin oder eurem Freund? Manchmal endet so ein Streit damit, dass wir zueinander sagen: „Du bist nicht mehr mein Freund.“ Das ist schlimm. Hoffentlich schaffen wir es dann, dass wir uns wieder vertragen. Damit wir wieder Freunde sein können nach dem Streit. Jesus sagt zu seinen Jüngern nicht: „Ihr seid nicht mehr meine Freunde.“ Und die Jünger sagen das auch nicht zu Jesus. Die Jünger merken: Es war falsch, was wir gemacht haben. Jesus hat Recht. Die Kinder sollen kommen. Also gibt es keinen Streit. Jesus und die Jünger vertragen sich wieder.

Und die Kinder freuen sich. Die Kinder dürfen zu Jesus kommen, ganz nach vorne, vorbei an all den großen Erwachsenen, die ihnen die Sicht versperrt haben. Sie dürfen sich von Jesus umarmen lassen, wenn sie das wollen, und sich von Jesus segnen lassen. Jesus ist ein richtig guter Freund. Wenn andere mich ärgern, dann ist er da und hilft mir. So wie die Jünger die Kinder wegschicken wollten, aber Jesus verhindert das und hilft den Kindern. Ja, Jesus kann helfen- auch heute. Wenn ich zu ihm bete, dann hört er mich. Wenn ich bete, dann kann ich Jesus alles sagen- auch das, was ich sonst nur meiner besten Freundin erzähle, weil es mir sonst peinlich ist oder einfach zu persönlich. Bei Jesus brauche ich mich nicht zu schämen. Jesus ist immer mein Freund- auch wenn ich mal alleine bin und sonst niemand da ist, der mir hilft. Jesus bleibt mein Freund.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

 

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Predigt zu Karfreitag, 29. März 2024

Liebe Mitchristen!
Es ist Karfreitag. Das Geläut unserer vier Glocken, das sonst immer zu unseren Gottesdiensten einlädt, bleibt heute stumm. Am Karfreitag ist es still. Die Glocken schweigen. Kein einziges noch so kleines Glöckchen erklingt. Nichts. Schweigen. Karfreitag, dass ist der Tag, an dem Jesus gestorben ist. In aller Stille begehen wir diesen Feiertag. Auch Jesus selbst schweigt, als er am Kreuz hängt. So erzählt es uns das Matthäusevangelium (Mt 27, 33-56). Jesus schweigt. Er, Jesus, der immer so viele Geschichten wusste. Der in Gleichnissen von Gott erzählt hat, der für uns da ist. So wie ein guter Vater, der seinen verlorenen Sohn nach langer Abwesenheit wieder daheim willkommen heißt und ihm vergibt. So wie ein guter Hirte, der keines seiner Schafe verloren gibt- auch nicht ein einziges. So wie eine sorgfältige Hausfrau, die ihr ganzes Haus auf den Kopf stellt und nicht aufgibt, bis sie ihre verlorene Silbermünze wieder gefunden hat (Lk 15, 1-32). Ja, Jesus konnte erzählen. Mit seinen Geschichten konnte er den Menschen Mut und Hoffnung machen. Und diskutieren konnte er. So manches Streitgespräch hat er geführt mit den religiös Gebildeten seiner Zeit. Mit seinen Worten konnte Jesus die Dinge zurechtrücken. Mit seinen Worten konnte Jesus den Menschen die Augen öffnen und sie von ihren falschen Wegen abbringen. Jesus konnte Glauben wecken, trösten, ermutigen, heilen- alles mit seinen Worten.
Aber jetzt am Kreuz schweigt Jesus. Sollte das alles, was er zuvor mit seinen Worten bewirkt hat, jetzt vorbei sein? Hat Jesus jetzt nichts mehr zu sagen- ausgerechnet jetzt, wo die Menschen doch eine Erklärung bräuchten, die da um das Kreuz herumstehen. Jemanden, der ihnen hilft zu verstehen, was hier gerade passiert. Jemand, der ihnen sagt, dass das noch gilt, was Jesus alles gesagt und getan hat, als er mit seinen Jüngern in Israel unterwegs war und die Herzen so vieler Menschen für Gott geöffnet hat. Aber Jesus erklärt nichts, als er am Kreuz hängt. Jesus schweigt.
Still ist es deswegen nicht an diesem ersten Karfreitag, dort draußen vor den Toren Jerusalems, dort oben auf dem Hügel Golgatha. Laut wird es zugegangen sein bei dem Glücksspiel, das die Soldaten unter dem Kreuz spielten. Jesus ist noch nicht gestorben, da teilen sie schon seine Kleider unter sich auf: Wer wird wohl das große Los ziehen und das Obergewand von Jesus bekommen? Der Stoff ist noch gut; mit dem Kleidungsstück kann man was anfangen- vielleicht hat der Gewinner dieses Glücksspiels sogar gejubelt? Die Soldaten unter dem Kreuz, sie haben schon viele Menschen sterben sehen. Es kümmert sie nicht mehr, ob da gerade jemand qualvoll am Kreuz stirbt.
Menschen können abstumpfen, können ihre Fähigkeit zum Mitleiden und zur Mitmenschlichkeit verlieren. Ideologische Verblendungen, eigene Gewalterfahrungen, Hass, der geschürt wird- das alles kann Menschen so verändern. Ich denke an den Krieg in der Ukraine, der nun schon seit über zwei Jahren andauert. An die Soldaten, die dort auf beiden Seiten kämpfen, an die Gräueltaten, die dort begangen wurden und weiter begangen werden, Tag für Tag. Ich denke an Terroristen. An die, die am vergangenen Freitag in Moskau ein Blutbad angerichtet haben. An die Hamas- Kämpfer, die am 7. Oktober 2023 in Israel wehrlose Zivilisten brutal niedergemetzelt haben. Ich denke an den Gazakrieg, der hier seinen Anfang genommen hat- an die Tausenden von Menschen, die in diesem Krieg ihr Leben verloren haben, an die Palästinenser im Gazastreifen, die nirgendwo in Sicherheit sind. Kümmert es uns, dass unsere Welt gerade aus den Fugen gerät? Stört es uns noch, dass sich die Rüstungsspirale immer weiter nach oben dreht? Beunruhigt es uns, dass sich Juden in unserem Land nicht mehr sicher fühlen? Haben wir noch Mitleid mit den Opfern des Terroranschlags in Moskau, mit der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen?
Jesus schweigt. Auch uns bleibt oft nur Schweigen. Ratloses Schweigen, hilfloses Schweigen. Wir wissen keinen Ausweg aus den Krisen dieser Zeit. Wir wissen keine Lösung. Uns fehlen die Worte. Aber Schweigen ist schwer zu ertragen. Jesus schweigt stundenlang, dort am Kreuz auf Golgatha. Für die, die um das Kreuz herumstehen, ist das zu viel. Und so tun sie das, was Menschen tun, wenn das Schweigen unerträglich wird und sie doch keine passenden Worte finden. Unter dem Kreuz wird es laut. Es ist, wie wenn sich ein Ventil öffnet. Spott, Ironie, Sarkasmus- das alles prasselt auf Jesus ein: „Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz!“ „Anderen hat er geholfen, und kann sich selber nicht helfen. Er ist der König von Israel, er steige nun herab vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben.“ „Er hat Gott vertraut, der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.“ „Halt, lass uns sehen, ob Elia komme und ihm helfe!“ (Mt 27,39-43.49)
Sind das die Gaffer, die so reden? Die Unfalltouristen, die in unseren Tagen die Rettungskräfte behindern und Bilder von Unfalltoten ins Internet stellen? Sind das diejenigen, die heutzutage im Internet einen shitstorm lostreten? Diejenigen, die Hasstiraden posten, um anderen damit zu schaden? Oder ist es einfach nur Enttäuschung und Frustration, die sich hier wütend Bahn bricht? Das Blatt hat sich gewendet. Der, dem sie am Palmsonntag als König zugejubelt haben, hat ihre Erwartungen nicht erfüllt. Wollen sie ihn wirklich nur verspotten, oder erwarten sie doch eine Antwort von ihm? Eine Erklärung, damit alles wieder Sinn macht. Ein Machtwort. Oder besser noch: Eine mächtige Tat: Steig herab vom Kreuz. Wir können es nicht ertragen, dass du dort so hilflos hängst. Du warst doch unsere Hoffnung und unsere Hilfe. Und jetzt stirbst du so einen schändlichen Tod und lässt uns allein zurück.
Hätte Jesus da nicht antworten sollen? Hätte er nicht erklären sollen, dass sein Sterben einen Sinn hat? Dass es so sein muss, damit sich niemand mehr von Gott verlassen fühlen muss, auch nicht im schwersten Leiden? Dass für uns dadurch Vergebung möglich wird, ein Neuanfang trotz aller Schuld? Aber Jesus schweigt. Machtlos und wehrlos hängt er am Kreuz und schweigt. In diesem Moment ist er ganz Mensch, ganz Leidender. Und gerade dadurch uns so nah in unseren dunklen Stunden, wenn uns die Worte fehlen. Worte des Trostes, die wir Trauernden sagen wollten. Und dann stehe ich diesen Menschen gegenüber und sehe das ganze Elend in ihrem Blick, und die Worte bleiben mir im Hals stecken. Angesichts des Todes wird der Mensch stumm und sprachlos. Und auf die oberflächlichen Worte, auf das „Kopf hoch“ und „Wird schon wieder“ will ich auch nicht zurückgreifen. Besser gar keine Worte als solch falscher Trost.
Jesus fehlen die Worte. Und nach drei Stunden kommt zum Schweigen noch die Dunkelheit. Nichts ist mehr zu hören. Der Gekreuzigte schweigt. Die Welt ist stumm. Nichts ist mehr zu sehen. Die Welt verhüllt vor Trauer ihr Gesicht. Erst kurz vor seinem Tod spricht Jesus. Nein, er spricht nicht, er schreit. Sein Todesschrei ist es. In die Dunkelheit hinein schreit Jesus diesen einen Satz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus schreit und stirbt. Verstörend sind seine letzten Worte, die das Matthäusevangelium überliefert, diese tiefe Gottverlassenheit, die Jesus verspürt hat in seiner letzten Stunde. Und doch ist dieser Schrei ein Gebet. Alte und vertraute Worte sind das, die Jesus in seiner höchsten Not einfallen, Worte aus Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Mit Jesus schreit alles in der Welt, das gequält wird. Wo ist Gott in diesem Moment? Wo ist Gott in unserer Zeit? Wo war er im Oktober bei dem Hamas- Terror in Israel? Wo war er, als vergangenen Freitag der Terroranschlag in Moskau geschah? Wo ist Gott in den Kriegsgebieten, in der Ukraine, im Gazastreifen und anderswo, wo Menschen sterben und verwundet werden an Körper und Seele? Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Wo ist Gott zu finden, wenn nicht dort am Kreuz, wenn nicht in diesem Schrei äußerster Gottverlassenheit? Denn es ist Gott selbst, der dort leidet. Gott, der nicht will, dass Menschen leiden. Er kann nicht stumm am Kreuz hängen, und seine Geschwister sterben durch Krieg, Terror und Gewalt. Gott ist es nicht egal, wie es auf seiner Welt zugeht. Er stirbt nicht ohne Protest gegen alle, die den Tod mit dem Taschenrechner betreiben. Für Gott zählt jedes Menschenleben. Sein Schrei ist auch der Schrei der Vergewaltigten, Gefolterten und Ermordeten in unserer Zeit. Gott leidet mit. Im Aufschrei. Im Protestschrei gegen das Leiden wird Gott unser Bruder- in Jesus Christus, der am Kreuz für uns gestorben ist.
Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer