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[Gedaken zum Sonntag] 4. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zum 4. Sonntag nach Trinitatis, 02.07.2023

 

1.Petrus 3,8-11.15-17 Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt. Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen. Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

 

Liebe Mitchristen!

Kennen Sie Christine Prayon? Christine Prayon hat im ZDF in einer Satiresendung mitgespielt, in der Heute Show. Da war sie die Kunstfigur Birte Schneider und hat damit viele Menschen zum Lachen gebracht. Manchmal habe ich diese Sendung auch angeschaut. Satiresendungen finde ich eigentlich lustig und unterhaltsam, und immer wieder auch gut zum daran Weiterdenken, wenn da unsere Welt und unsere Gesellschaft mit ihren Irrungen und Wirrungen aufs Korn genommen wird. Unsere Welt und unsere Gesellschaft mit ihren Irrungen und Wirrungen aufs Korn zu nehmen, das ist die Aufgabe einer solchen Satiresendung. Da geht es um schräge Vögel und um Entscheidungen, die haarscharf am Ziel vorbeigehen. Da geht es um die gesellschaftlichen Probleme vom Klimaschutz über das Heizungsgesetzt bis zu Waffenlieferungen in den Ukraine- Krieg. Das alles sind Themen, zu denen niemand eine einfache Lösung präsentieren kann. Und so mühen sich alle Verantwortlichen in Politik, Kirche und Gesellschaft, hier irgendwie das Bestmöglich zu entscheiden, zu unterstützen und nach außen zu vertreten. Der Schmerz, den uns das allen bereitet, dass wir mehr oder weniger ratlos vor diesen Problemen stehen und unsere Lösungsversuche eigentlich zur zeigen, wie hilflos wir sind- dieser Schmerz braucht Abhilfe. Eine Satiresendung kann eine solche Abhilfe sein. Da kann ich lachen über das, was mich so belastet und beschwert. Lachen hilft. Lachen ist gesund. Lachen befreit. Wenn ich eine Satiresendung anschaue, kann ich lachen über unsere Welt und Gesellschaft, über so manche Entscheidung von „denen da oben,“ über so manch Eigenwilliges und Unverständliches.

Muss es aber sein, dass ich dabei Menschen der Lächerlichkeit preisgebe? Muss es sein, dass ich Stimmung mache gegen Andersdenkende? Das fragt sich die Kabarettistin Christine Prayon offenbar schon seit Längerem. Und wenn Jan Böhmermann während der Corona- Pandemie in seiner Satiresendung über Nicht- Geimpfte redet und zwei Stinkefinger zeigt, dann ist das für sie keine Satire mehr, sondern Spaltung. Aus solchen und ähnlichen Gründen macht sie nun nicht mehr mit in der ZDF- Heute- Show. Ich möchte mich in meinen Ausführungen nicht an der Person von Christine Prayon festmachen, auch nicht an Meinungen, die sie vertritt, und die ich so nicht teilen kann. Aber hinter ihrem Rücktritt von der Heute Show steht für mich eine Grundfrage, die mich nicht loslässt, unabhängig von diesem Vorfall: Wie gehen wir miteinander um, in unserer Zeit und in unserer Gesellschaft, ja auch in unserer Kirche? Wie gehen wir mit Menschen um, die anders sind und anders denken als wir?

Die frühe christliche Gemeinde hat ihre ganz eigene, leidvolle Geschichte mit dieser Frage gehabt. Damals lebten sie in einer Gesellschaft, in der bis vor Kurzem alle eine einzige große Glaubensgemeinschaft gewesen waren. Heidnische Opferfeste wurden gefeiert, und die jeweiligen Herrscher wurden mehr oder weniger als Götter verehrt. Bei allen Unterschieden, die es zwischen den Menschen gab, war man sich in diesen Punkten doch einig. Niemand wollte hier aus der Reihe tanzen und sich von den anderen absondern. In dieser Zeit entstand die christliche Religion, und damit gab es eine Veränderung: Die Christen, das waren diejenigen, die sich jetzt auf einmal absonderten. Sie trafen sich in ihren Häusern und brachen miteinander das Brot, das für sie der Leib des von ihnen als Gott verehrten Herrn war und ihnen Anteil  an seinem Tod und seiner Auferstehung gab. Vor allem aber weigerten sie sich, den jeweiligen Herrscher wie einen Gott zu verehren. Und untereinander lebten sie einen Liebeskommunismus. Sie teilten alles, was sie hatten und kümmerten sich um die Hilfsbedürftigen, Armen und Alten in ihrer Gemeinschaft. Für die damalige Gesellschaft wurden sie so zum Fremdkörper, der bekämpft werden musste.

Für die ersten Christen war es eine Zerreißprobe, in einer solchen Gesellschaft zu leben. Diese Zerreißprobe machte auch vor ihrer eigenen Gemeinde nicht Halt. So kam es zu Spannungen und Konflikten in ihrer Gemeinschaft. Und trotz aller Liebe, die sie miteinander leben wollten, gebrauchten manche dabei Worte, die mehr Schaden als Heil anrichteten. Dabei kam es auch zu Verleumdungen gegenüber der nichtchristlichen Umwelt. Je mehr von diesen Konflikten nach außen drang, umso mehr schaute die weltliche Umgebung auf die Christen: War da nicht dieses Verbrechen, das nie aufgeklärt worden war? Sind daran nicht vielleicht die Christen schuld? Ein Teufelskreis war das. Eine Abwärtsspirale, die die Existenz dieser frühen christlichen Gemeinde gefährdete. Dieser Teufelskreis musste durchbrochen werden. Was tun? Auf Petrus werden sie hören. So dachte der Schreiber unseres Briefes und berief sich für sein Schreiben an die Gemeinden auf die Autorität des Petrus: Auch wenn Petrus zu diesem Zeitpunkt längst verstorben war: So hätte Petrus gewollt, dass wir miteinander umgehen. Das will der Schreiber des Briefs damit sagen.

Heute ist unsere Situation im Manchem ganz ähnlich wie die der damaligen jungen christlichen Gemeinde. Viele Menschen in unserem Umfeld stehen dem christlichen Glauben kritisch gegenüber. Menschen treten aus der Kirche aus, gerade auch junge Menschen. Das schmerzt uns. Unter gerade aus der Kirche Ausgetretenen hat es neulich eine Umfrage gegeben. Eine der Fragen war, ob die Befragten es wichtig finden, dass es die Kirche gibt. Und obwohl alle Befragten innerhalb der letzten 4 Wochen aus der Kirche ausgetreten waren, hat eine große Mehrheit von ihnen angegeben, dass sie es wichtig finden, dass es die Kirche gibt. „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist,“ heißt es im 1. Petrusbrief. Erzählen wir davon, warum es wichtig ist, Kirchenmitglied zu sein: Kirchensteuer wirkt! Sie wirkt hinein in unsere Gemeinden, die nur dann mit Leben gefüllt werden, wenn die Finanzierung gesichert ist. Sie wirkt hinein in unsere Gesellschaft, durch Kindergärten, durch Tafelläden und Beratungsstellen und vieles mehr.

Wie gehen wir miteinander um? Kann man daran, wie wir miteinander umgehen, erkennen, dass wir Christinnen und Christen sind, oder zeigen wir denen, die anders ticken als wir, auch nur den Stinkefinger, wie Jan Böhmermann in seiner Satireshow? Schaffen wir es, unsere Meinungsverschiedenheiten und Differenzen miteinander in fairer Weise auszutragen und auszuhalten, ohne persönliche Beleidigungen und Verletzungen von unserem Gegenüber, so verquer der uns auch vorkommen mag mit seinen anderen Ansichten und Lebensentwürfen? Diese Frage stellt uns der 1. Petrusbrief- auch und gerade in einer Zeit, in der das soziale Klima kälter geworden und Mobbing über soziale Medien an der Tagesordnung ist. „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist!“ Sagt den Menschen eurer Umgebung, warum ihr weiterhin Kirchenmitglied seid. Sagt ihnen, dass Gott mehr ist als ein von Menschen erfundenes Wort. Sagt den Menschen, dass euer Glaube in Jesus Christus gründet, den Gott zum Heil auf diese Erde gesandt hat. Er ist es, der auch heute noch unter uns wirken kann und will, dass wir versöhnt und in Frieden miteinander leben können.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer