Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Predigt zum 1. Sonntag nach Epiphanias, 10. Januar 2020


Römer 12, 1-8: Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens. Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied. Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude.

Liebe Mitchristen!

Wir feiern Gottesdienst – jeder und jede an seinem und ihrem Ort, bei sich zuhause, nicht zusammen in der Kirche. Ein vernünftiger Gottesdienst ist das, wenn wir so feiern und dadurch das Infektionsrisiko minimieren. Aber ist das dann überhaupt noch ein Gottesdienst? Gehört zum Gottesdienst nicht dazu, dass wir uns leibhaftig begegnen, dass wir körperlich anwesend sind und in Kontakt miteinander kommen? Was wird aus unserer Gemeinde, wenn solche Begegnungen fehlen? Wie können wir unter diesen Bedingungen Gemeinschaft erleben und die christliche Botschaft von Gottes Liebe mit Leben erfüllen? Der Apostel Paulus konnte auch nicht immer leibhaftig anwesend sein in den christlichen Gemeinden, die er betreut hat. Dazu war das Gebiet zu groß, in dem er als Missionar tätig war. Aber er hat einen Weg gefunden, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben. Er hat Briefe geschrieben. Manchmal sogar an Gemeinden, die er gar nicht persönlich kannte, so wie die Gemeinde in Rom. Vielleicht ist das so ähnlich, wie wenn wir einen Gottesdienst auf Youtube hochladen und damit auch Menschen erreichen, die wir gar nicht kennen. Eine andere Art von Gottesdienst ist das, eine, die für uns ungewohnt ist, und bei der wir die persönliche Begegnung vermissen. Aber es ist eben auch Gottesdienst. Es gibt viele Arten von Gottesdienst. 

Es gibt viele Wege, wie die christliche Botschaft von Gottes Liebe zu den Menschen kommt. Darüber schreibt Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom. Er schreibt darüber, was aus seiner Sicht ein vernünftiger Gottesdienst ist: „Dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei.“ Hingabe gehört zu einem vernünftigen Gottesdienst dazu, egal wie und wo er gefeiert wird. Dass wir ganz dabei sind bei dieser Feier, aus vollem Herzen mitbeten und aus voller Kehle mitsingen. Dann sind wir ganz mit dabei, auch mit unserem Körper, mit unserer Stimme. Wie wertvoll das ist, dass wir beim Gottesdienst auch unsere Stimme erheben dürfen und mitsingen, das wissen wir erst, seitdem wir in unseren Gottesdiensten notgedrungen auf das gemeinsame Singen verzichten, damit niemand sich dabei ansteckt. Und wie wertvoll es ist, wenn wir uns nach dem Gottesdienst zum Abschied die Hand geben oder uns umarmen können, das wissen wir auch erst, seitdem wir aus Liebe daraus verzichten, damit niemand krank wird. Wie werden wir uns freuen, wenn wir das alles wieder unbeschwert tun können, wenn diese Pandemie ein Ende hat! Aber noch ist es nicht so weit. Noch brauchen wir Geduld und die Vernunft, zu der uns der Apostel Paulus in unserem Predigttext ermutigt. Prüfen sollen wir, „was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ 

Ich könnte mir denken, der Apostel Paulus hat es auch manchmal schmerzlich vermisst, dass er nicht leibhaftig anwesend sein konnte in den Gemeinden, die ihm so wichtig waren. Vielleicht ist das auch der Grund, warum er so viel über den Leib geschrieben hat in seinen Briefen. Leibhaftig und mit allen Sinnen – so haben die Menschen auch zu seiner Zeit in ihren Gemeinden ihre Gottesdienste gefeiert. 

Unser Körper gehört dazu, wenn wir Gottesdienst feiern. Ja, auch dann, wenn wir nicht leibhaftig anwesend sein können in unserer Kirche. Eine Frau aus unserer Gemeinde hat mir erzählt, wie sie den Fernsehgottesdienst bei sich daheim mitfeiert. Zuerst richtet sie sich zuhause einen gottesdienstlichen Platz ein. Sie zündet Kerzen an. Sie holt ihr Gesangbuch. Bei den Liedern singt sie laut mit, und beim Beten steht sie auf. Mich hat das beeindruckt, wie diese Frau mit aller Hingabe und mit ihrem ganzen Körper den Gottesdienst mitfeiert, zuhause in ihrem Wohnzimmer. 

Und auch wenn wir uns nicht leibhaftig begegnen, heute beim Gottesdienst in unserer Kirche, wir sind und bleiben miteinander verbunden. Auch wenn wir uns nicht körperlich spüren wie sonst im Händedruck unseres Gegenübers, als Gemeinde Jesu Christi sind wir ein Leib, wie Paulus das sagt. In Jesus Christus sind wir alle miteinander verbunden, so wie Gliedmaßen an einem Körper. Ein Bild, aus dem eine unglaubliche Nähe spricht – näher geht es gar nicht mehr. Gerade weil Paulus weit weg ist und mit seinen Gemeinden nur durch Briefe in Kontakt bleiben kann, ist ihm dieses Bild so wichtig und so wertvoll: „Wir, die vielen, sind ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des anderen Glied.“ Wir bleiben verbunden. Wir hängen zusammen als Gemeinde. Nur zusammen sind wir als Gemeinde überlebensfähig. Jeder und Jede von uns trägt seinen und ihren Teil dazu bei. Und gerade in der jetzigen, so schwierigen Zeit, entdecken wir immer neue Begabungen in unserer Gemeinde. Denn Gottesdienst ist nicht nur, wenn wir sonntagmorgens in unserer Kirche zusammenkommen. Gottesdienst ist überall da, wo Menschen dort, wo sie sind einen Abglanz von Gottes Reich geben. Feiern wir also unser Leben als Gottesdienst. Und loben wir Gott mit unseren Liedern und Gebeten, genauso wie mit unseren Taten – mit Freude und Hingabe, aus vollen Herzen und voller Überzeugung. 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

2. Sonntag nach Weihnachten

2. Sonntag nach Weihnachten – 03. Januar 2021

Gottesdienst mal anders in einer besonderen Zeit

Das neue Jahr hat begonnen. Vielleicht haben Sie sich auch für dieses neue Jahr gute Vorsätze vorgenommen. Ja, der Wunsch nach Veränderung nach dem „komischen“ Jahr 2020 ist groß
  • Endlich mal wieder frei verreisen 
– endlich mal wieder Freunde besuchen
– endlich wieder mal aus voller Kehle singen 
Und noch mehr, oder?

Der Wochenspruch zum Beginn des neuen Jahres strahlt noch das Licht von Weihnachten aus– das Licht, das das Kind in unserem Leben ausstrahlen möchte:
„Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“. Joh 1, 14b


Wie auch im Psalm 100:
Jauchzet dem Herrn, alle Welt!
Dienet dem Herrn mit Freuden,
kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken!
Erkennet, dass der Herr Gott ist!
Er hat uns gemacht und nicht wir selbst
zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide.
Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben;
danket ihm, lobet seinen Namen!
Denn der Herr ist freundlich, und seine Gnade währet ewig
und seine Wahrheit für und für.
Psalm 100 (EG 740)


Denkimpulse zur Jahreslosung 2021

BARMHERZIGKEIT!

Was ist denn eine Jahreslosung?

Die Jahreslosung wird alle vier Jahre von der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen ausgewählt. Dabei wird in den Blick genommen, dass der Bibelvers in einer knappen Formulierung Hoffnung und Trost ausdrückt und zum Nachdenken bringt.

Wie heißt denn die Losung für das Jahr 2021?

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Lukas 6, 36

Das erste was auffällt, ist dieses Wort, das zweimal verwendet wird: barmherzig.
Zweitens stelle ich fest, dass dieser Vers doch wie eine Aufforderung klingt!

Woher stammt dieses Wort?
Zuerst sind mit „barmherzig“ verwandt Barmherzigkeit, Herz und arm. Wenn ich in der französischen und englischen Bibel schaue, entdecke ich an der Stelle die Worte „miséricordieux“ auf Französisch und „mercifull“ auf Englisch.
Beide Begriffe stammen aus dem lateinischen:
„cor“ = coeur = Herz und miseria= Not, Unglück.
Das deutsche Wort hat seine Abstammung im Althochdeutsch und wird zusammengesetzt aus „arm“ (unglücklich und später das Gegenteil von Reich bedeutend) und aus „Herz“, in dem Fall als Ort der Gefühle, der Empfindungen. 
Dennoch wird doch die Redewendung „barmherzig sein“ gebraucht im Zusammenhang mit einer Autoritätsperson, die seinen Untertanen vergibt, gnädig ist, wie unter anderem in einem bekannten Gleichnis, Schulden erlassen werden (Mt 18, 21-35). 

In dem Zusammenhang fallen mir zwei Einrichtungen ein, deren Namen mit der Jahreslosung zusammenhängen.
Es ist gar nicht so lange her, dass auf dem Heuberg Ordensschwestern in den Kindergärten oder bei der Sozialstation tätig waren.
Vielleicht hilft es zurückzuschauen, woher der Orden stammt und warum der Orden so heißt, wie er heißt.
Ich nehme Sie kurz und bündig mit in die französische Geschichte des 16. Jhdt.:  In Frankreich herrschen die Monarchie und eine große Spannung zwischen Katholiken und Protestanten. Es ist eine Zeit der Religionskriege, die 1598 mit dem Edikt von Nantes ein wenig zur Ruhe kommt. Kriege und Pest haben die Bevölkerung in großen Teilen zur Armut geführt.
Vinzenz von Paul (Vincent Depaul) ist 1581 im Südwesten Frankreichs geboren bei Pouy heute St. Vincent de Paul, in les Landes. Er wächst auf dem Bauernhof seiner Eltern in einer katholischen Familie in einer Region, in der damals die Konfrontation zwischen Katholiken und Evangelischen zu spüren ist, auf. 1600 wird er zum Priester geweiht und mit 19 Jahren Gemeindepfarrer. Die folgenden Jahre sind durch wechselnde Arbeitsplätze, bis hin zum Hauslehrer geprägt. Und was ihm doch sehr beschäftigt hat, war die Frage, wie die Nachfolge Jesu aussehen solle. Was sollte er dafür und dazu beitragen?
Schließlich wurden aus seiner Berufung Taten: nicht nur Menschen die frohe Botschaft bringen, sondern sie auch in ihrer Not begleiten: Ihren Hunger und Krankheiten lindern. 1633 wurde schließlich die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern gegründet (compagnie des Filles de la Charité). Dieser Orden hatte und hat heute noch so zu sagen, ihr Kloster auf der Straße, mitten im Leben der Menschen.
Über Strasburg kam der Orden nach Deutschland. In der Region ist uns das Mutterhaus in Untermarchtal mit unterschiedlichen Einrichtungen im Raum Rottweil und Balingen bekannt.

Das Wort „charité“ ist mir in den letzten Monaten im Zusammenhang mit der Pandemie öfters über dem Weg gelaufen!
Was heute zum Universitätsklinikum in Berlin gehört hat mal mit anderen Absichten angefangen. 
Also gehen wir auf das Jahr 1710 in Berlin zurück. Die Pest wütet in Osteuropa. Präventiv lässt der König Friedrich I in Preußen ein sogenanntes Pesthaus vor den Toren Berlin herrichten. Die Pest bleibt dieses Mal der Stadt fern. Aus dem Pesthaus wird ein Hospiz für verarmte alte Menschen, für uneheliche Schwangere und für Bettler. Später ist aus dem Hospiz ein Lazarett und ein Hospital geworden, bis hin zu dem heutigen Universitätsklinikum.

Interessant jedoch ist der Name des Krankenhauses. „Charité“ stammt wieder mal aus dem Lateinischen „caritas“, Nächstenliebe – Dienst an den Menschen in der Not. 
Wie stehen Caritas und Barmherzigkeit zueinander? Wie passen diese Einrichtungen zu der Jahreslosung?
Ob mit „Charité“ oder „Barmherzigkeit“ geht es in beiden Fällen darum, die Not der Menschen auf Grund der Nächstenliebe zu lindern. Menschen werden begleitet, ob im Kindergarten, im Krankenhaus, in der Beratungsstelle – mit dem Ziel ihnen Hoffnung auf eine besseres leben zu schenken oder die Not zu lindern, um das Leben lebenswerter zu gestaltet.

Ist damit der erste Teil der Losung geklärt?
„Seid barmherzig“ den Kranken, den Armen, der Traurigen, den Hungernden gegenüber, um ein paar Beispiele zu nennen. Jesu selbst ist auf diejenige zugegangen, die am Rand der Gesellschaft standen. Er war Vorbild zurzeit Vinzenz von Paul und ist es immer noch. Diese Aufforderung ist in der Konsequenz seines und meines Tuns eine Form der Nachfolge Jesu.
Mit Barmherzigkeit gebe ich dem anderen einen Raum der Geborgenheit, des Zuhörens, des Sattwerdens. Da fallen mir natürlich viele Bereiche der Diakonie und der Caritas ein. 

Ist nicht noch mehr in dem Wort zu finden?
Zur Barmherzigkeit gehört doch auch Vergebung, haben wir weiter oben festgestellt – Erlass von Schulden – gnädig sein. Das klingt wiederrum nicht so einfach.
Wie oft fällt es uns Menschen schwer zu vergeben?
Jemandem in der Not helfen, ist eine praktische Tätigkeit, die wir trotzt, des Wohlstands brauchen und immer brauchen werden, um Meschen ihre Würde zu bewahren, ihr Leben wertvoll zu halten. 

Wie kann der Mensch dennoch diese Aufforderung standhalten?
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Barmherzig sein – ja
Praktisch tätig sein – ja
Gnädig sein und vergeben – jein, würde ich als normal sterblicher Mensch spontan sagen.
Kann ich so einfach vergeben, wie in dem Vers gefordert wird? 
Ich meine, das dies zu einer der größten Herausforderungen im Glauben gehört.
Um in Frieden mit sich selbst zu leben, sind wir Menschen auf Vergebung angewiesen. Der Weg dazu kann jedoch ein langer sein!
Wenn ich den Vers in seinem Kontext im Kapitel 6 des Lukasevangeliums anschaue, wundert mich nichts mehr.
Er steht in der Feldrede, eine kürzere Fassung mit auch mal anderen Schwerpunkten der Bergpredigt, die die meisten von uns aus dem Matthäusevangelium kennen.
Dabei werden die zwischenmenschlichen Beziehungen in einem anderen Licht geworfen, aus anderen Perspektiven betrachtet. 
Um nur ein Beispiel zu nennen: Jeder von uns, weiß, dass zum Beispiel eine Eskalation der Gewalt nicht unbedingt zum Frieden führt, dass Vorurteile, Urteile und auf das eigene Ich pochen zu Neid und Ungerechtigkeit führen kann. 
Es hat doch seinen Sinn gehabt, warum sich Martin Luther King auf diese Herausforderungen der Bergpredigt, bzw. der Feldrede bei Lukas berufen hat. 
Aber welcher Sinn hat es diese Aufforderung auszuführen, wenn ich nicht selbst von dieser Barmherzigkeit hier im Vers berührt werde.
Wenn ich nicht selbst die Barmherzigkeit Gottes erfahre, damit das Leben lebenswert bleibt. Martin Luther King war von der Barmherzigkeit Gottes überzeugt. Er wusste auch, dass in der Nachfolge Jesu zu leben nur mit gebündelten Kräften zum an Kraft gewinnt. Der Vers wird mit einem Plural eingeleitet. „Seid“. Was wiederrum die Beispiele der obengenannten Einrichtungen zeigt.

Deshalb steht die Aufforderung barmherzig zu sein nicht allein da. Sie wird mit einem Vergleich ergänzt: wie auch euer Vater barmherzig ist!
Jesu Taten und Zuwendung jedem Menschen, wenn er/sie in oder auch abseits der damaligen Gesellschaft stand, waren ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes – „meines Vaters“, wie er sagte. 
Gott hat sich uns Menschen zugewandt. 
Weihnachten erinnert uns jedes Jahr daran – Ostern schließt nicht den Kreis, sondern eröffnet neue Wege.
Das Geschenk der Gnade, die Christen in der Taufe empfangen ist der Impuls, die Nährkraft, die die Menschen bewegen soll, „barmherzig“ zu sein. 
Diese Nährkraft ist die, die uns in Bewegung bringt. Ebenso gibt sie uns den Mut und die Kraft Entscheidungen zu treffen und das Leben zu ändern. Dabei ist das Leben des Nächsten, wie auch das meine, gemeint.

Welche Herausforderungen werden wir im Jahr 2021 erfahren? 
Vielleicht kann uns die Jahreslosung in unserm Tun,
bei den Entscheidungen, die wir treffen müssen, 
im Hinblick auf die Mitmenschen und ihre Lebensumstände,
in zwischenmenschlichen Beziehungen leiten.
Warum nicht?

Amen


B Begleiten – begegnen
A Armut – Arbeitslosigkeit
R Reparieren – raten
M Mut – Missstände
H Hören – Herz 
E Erleben – erfahren
R Reue – retten                                                             
Z Zeit haben – Zeugnis
I Integration – Ihr
G Gott – Gerechtigkeit
K Kraft – Kaffee
E Einsicht – erkennen
I Irren – Ich
T Teilen – Telefonseelsorge



Sophie Heinzelmann, Prädikantin, 03.01.2021
Gottesdienst mal anders in einer besonderen Zeit

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Predigt zu Weihnachten 2020


Predigt zu Weihnachten 2020

Lukas 2, 1-14: Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Liebe Mitchristen!

Alles wird gut. Mit diesen Worten haben wir uns Mut gemacht beim Lockdown im Frühjahr. Viele Monate sind seither vergangen. Alles wird gut – diese mutmachenden Worte höre ich inzwischen kaum noch. Dabei brauchen wir diesen Zuspruch doch – gerade jetzt an Weihnachten. Nicht nur in diesem Jahr. Jedes Jahr ist das unser größter Weihnachtswunsch: Dass alles gut wird. Dass wir Weihnachten als freudiges und harmonisches Fest feiern können, im Gottesdienst in froher Runde, und auch im Familienkreis mit unseren Lieben aus nah und fern. Wird alles gut? Wie oft haben wir uns vor Weihnachten schon diese Frage gestellt: Wird alles klappen beim Krippenspiel? Habe ich bei den Weihnachtseinkäufen nichts vergessen? Schaffen wir es, dass es keinen Streit gibt beim Familientreffen? Fragen, die wir uns in diesem Jahr nicht mehr stellen müssen. Alles ist anders in diesem Jahr. Niemand von uns hätte sich vor einem Jahr vorstellen können, dass wir den Weihnachtsgottesdienst nur auf youtube miteinander feiern werden. Dass in der Adventszeit die Läden geschlossen werden, und die Familien an Weihnachten nur in ganz kleinem Kreis oder gar nicht zusammenkommen. Kein Wunder, dass uns dieser Satz nur noch schwer über die Lippen kommt: Alles wird gut. 

Ich möchte festhalten an diesem mutmachenden Satz, gerade auch jetzt, wo wir Weihnachten so ganz anders feiern als sonst. Alles wird gut, denn Gott kommt zu uns an Weihnachten. Auch in diesem Jahr. Auch wenn unsere Welt keine heile Welt ist, keine Weihnachtsidylle wie wir sie uns wünschen. Aber Weihnachten ist mehr als das, was wir uns normalerweise darunter vorstellen. Gott kommt – gerade auch dahin, wo es nach menschlichem Ermessen nicht zu erwarten ist. Als Kind armer Leute wird er geboren, dort in Bethlehem. Maria und Josef, die Eltern, sind verachtete Leute. Sie sind Fremde dort in der Stadt, niemand will etwas mit ihnen zu tun haben. So finden sie kein Quartier und müssen die Nacht in einem Stall verbringen. Dort wird das Kind geboren, Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Retter der Welt. Die ersten, die von dieser Geburt erfahren, sind die Hirten von Bethlehem – Menschen am Rande der Gesellschaft, draußen auf dem Feld bei den Schafen, ohne ein warmes Bett, ohne gemütliches Zuhause im Familienkreis. Menschen, die es am eigenen Leib erfahren haben, wie hart das Leben ist. Menschen, die vielleicht frustriert sind, oder sogar wütend auf die, die es besser haben als sie. Menschen, die vielleicht Angst haben vor ihrer Zukunft: Wie soll es bloß weitergehen? Aber gerade zu diesen Hirten kommt Gott. Gerade ihnen schickt er einen Engel, der ihnen die Botschaft bringt: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ 
Ein Engel kommt. Einer, den Gott geschickt hat. Ob er aussah wie die Engel auf den Bildern, mit Flügeln und im weißen Gewand? Oder doch wie ein Mensch, in gewöhnlichen Kleidern und ohne Flügel? Die Weihnachtsgeschichte, wie sie in der Bibel steht, sagt uns das nicht. Es ist nicht wichtig, wie der Engel aussieht. Wichtig ist seine Botschaft. Wichtig ist, dass er da ist – zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Engel gibt es auch in unserer Zeit: Die Freundin, die anruft; die Familie, die einen Brief schreibt; der Nachbar, der fragt, ob man Hilfe braucht. Gottes Nähe und Gottes Schutz beflügelt Menschen, dass sie für andere Menschen zu Engeln werden können. Ein Engel, von Gott geschickt, und doch ganz und gar menschlich. Aber auch da, wo wir es nicht erfahren, dass ein Mensch für uns zum Engel wird, auch da ist Gott für uns da. Wo menschliche Nähe und Liebe aufhört, auch da ist Gott. Gott lässt uns nicht im Stich, auch wenn Menschen uns verlassen. Ja, gerade da, wo niemand es vermutet, ist Gott nahe. Gerade da erklingt die Botschaft der Engel: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ 

So war es damals bei den Hirten auf dem Feld, draußen vor der Stadt, wo niemand gerne sein wollte. Und weil das damals so war, deshalb gilt es auch für uns heute an Weihnachten 2020: Alles wird gut. Im Stall von Bethlehem, am Rande der Gesellschaft, wurde Gottes Sohn geboren. Gerade diesen Platz hat sich Gott dafür ausgesucht. In diese zerrüttete Welt schickt Gott ein kleines und wehrloses Kind. Gerade dort haben die Hirten es erfahren, dass es eine Zukunft für sie gibt, vor der sie sich nicht zu fürchten brauchen. Sie haben erfahren, wie sich diese zerrüttete Welt zum Guten ändern kann. Durch ein kleines Kind. Allein durch die Liebe. In Jesus Christus kam die Liebe in die Welt. Er hat so viel erleiden müssen, schon als kleines Kind in der Krippe, und erst recht später, als er unschuldig zum Tode verurteilt wurde. Aber durch die Liebe hat er das alles überwunden: Alle Schuld der Welt, alles Leid und alle Verzweiflung. Durch sein Sterben und Auferstehen hat er gezeigt, dass es weiter geht, auch da, wo wir keinen Ausweg mehr sehen. 

Jesus Christus. Er schenkt uns die Hoffnung: Alles wird gut. Aus dieser Hoffnung heraus feiern wir Weihnachten – auch in diesem Jahr. Auch und gerade heute, an diesem besonderen Weihnachtsfest. Dankbar können wir zurückblicken auf all das Gute und Schöne, was wir in unserem Leben schon erleben durften.  Dass wir Weihnachten dieses Jahr nicht so feiern können, wie wir es gewohnt sind, muss uns nicht bekümmern. Denn wir haben Jesus Christus. Er hat die Armseligkeit und Verworrenheit dieser Welt am eigenen Leib erfahren. Im Stall von Bethlehem ist er für uns zur Welt gekommen. Er schenkt uns die Liebe – das größte Geschenk, das wir an Weihnachten bekommen. Fürchte dich nicht, sagt der Weihnachtsengel. Alles wird gut.  

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer
Kategorien
Gedanken zum Sonntag

4. Advent, 20. Dezember 2020


Gottesdienst mal anders in einer besonderen Zeit


Der 4. Advent steht unter dem Zeichen der Freude.
Den Weg zur Krippe (Weihnachten) mit Freude vorbereiten! Wie kann eine frohe Botschaft in diesen besonderen Zeiten lauten? Wie passt es zusammen?

Diese Freude ist an diesen Sonntag tatsächlich im Wochenspruch zu spüren:
Freuet euch in dem Herrn allewege, abermals sage ich:
Freuet euch! Der Herr ist nahe! Philipper 4,4.5b (Luther 2017)

Im Philipperbrief stehen diese hoffnungsvollen Worte
Trotz Bedrängnis oder Krise oder Pandemie sich auf etwas Besonderes, wie auf das Kommen Gottes als Mensch freuen.

Wie auch im Psalm 126:
Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Dann wird man sagen unter den Heiden:
Der Herr hat Großes an ihnen getan!
Der Herr hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
Herr, bringe zurück unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Südland.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und streuen ihren Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.
Psalm 126 (EG 750)


Predigtgedanken zu Genesis 18, 1-5, 9-15, in der Form eines Tagebucheintrags

Liebes Tagebuch,

Heute ist der 20. Dezember 2020, eigentlich der 4. Advent. Eigentlich hätte heute der letzte Adventsgottesdienst vor dem Weihnachtfest stattfinden sollen. Wie es im Leben ist, kommt alles anders, als wir es uns gewünscht haben.
Heute findet in der Kirchengemeinde kein Gottesdienst statt. Lockdown auch für unsere Kirchengemeinde. Dann bleibe ich eben zuhause.
Es ist trotzdem ein komisches Gefühl. Wie soll der Lockdowm weihnachtliche Stimmung bringen? Was hat es überhaupt mit Weihnachten zu tun?
Darauf hin habe ich dann meine Bibel genommen und nach dem Predigttext geschaut. Da war ich schon erstaunt einen Text aus dem Alten Testament zu finden, nicht mal einen Text aus den Prophetenbüchern, was sonst vor Weihnachten üblich ist. Im Buch Genesis 18, 1-5 las ich dann:
„1Und der Herr erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde 3und sprach: Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. 4Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füße zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. 5Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Denn darum seid ihr bei eurem Knecht vorübergekommen. Sie sprachen: Tu, wie du gesagt hast….“ (Luther 2017)

Was hat denn wohl Abraham mit dem 4. Advent eigentlich zu tun.  Erstaunlich finde ich es schon. Schaue ich tiefer in dem Text, entdecke ich, dass der HERR in Mamre (also Gott), Abraham besucht, während dessen er sich in der Mittagshitze im Schatten ausruht und seine Gedanken walten lässt. Abraham erhebt den Kopf und sieht drei Männer vor ihm stehen. Also drei Männer jetzt – vorher war es der HERR. Na gut, ich weiß, dass Gott, der HERR, seine Boten hat. Waren nun die drei Männer Engel!? Der Text erinnert mich an einem Bild Marc Chagall. Darauf hat der Maler die drei Männer als Engel dargestellt. Denn bekannterweise haben Engel Flügel. Chagall hat diese Flügel sogar sehr groß gemalt.  Auf dem Bild sitzen sie an einem Tisch, denn Abraham hat nach den Regeln der Gastfreundschaft gehandelt und den Gästen ein Essen vorbereiten lassen. Sogar ein gutes Essen: Ein zartes, junges Kalb ist dafür geschlachtet worden. Es klingt nach einem Festessen, wie wenn doch was zu feiern wäre! Ich wollte daraufhin wissen, was dann passierte:

„9Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!…“ (Luther 2017)

Auf einmal fragen die Männer doch nach Sara. Was soll denn mit ihr sein? Sie bleibt aber im Hintergrund. Marc Chagall zeichnet sie so am Bildrand, zurückgezogen – sie hält sich zurück, wie es sich für eine Frau damals gehört. Tatsächlich sprechen die Männer weiter mit Abraham und erzählen ihm, dass er in einem Jahr Nachwuchs bekommen wird, von seiner Frau Sara. Was mich jedoch wundert, ist, dass Sara in dem Moment hinter der Tür im Zelt stehen blieb. Ich wäre vermutlich vor Erstaunen in den Raum getreten, so wie ich mich kenne. Nein, sie bleibt an ihrem Platz und „lacht bei sich selbst“. Was mag sie wohl dabei gedacht haben? Ist es ein Lächeln des Staunens gewesen? Ein Lächeln, in dem doch noch eine leise Hoffnung steckt? Eine Hoffnung, die wahr werden könnte, denn an Gottes Verheißung soll man nicht zweifeln, oder? 
Eigentlich kann sie doch keine Kinder mehr bekommen. Obwohl die Situation des alten Ehepaares dagegenspricht, ist vielleicht doch eine Hoffnung in den Worten der drei Männern zu hören: “dann soll Sara, deine Frau einen Sohn haben.“
Sara bleibt ruhig, hinter der Tür, besonnen und dann, weiter im Text: 
„13Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14 Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.“ (Luther 2017)

Da kommt doch Gott selbst ins Spiel, denn der HERR fragt Abraham nach dem Grund des Lachens. Er weißt doch wie alt beide sind. Und überhaupt, wie hat er das leise Lachen gehört? Oder war es ihm klar, dass Sara sowieso nicht daran glaubt und darüber „lacht“? Und doch ist es eindeutig zu hören: Die Verheißung ist Gottes Verheißung. Warum daran zweifeln? Sara ist es jetzt vielleicht peinlich, dass der HERR ihr Lachen gehört hat. Wie halt so Menschen sind, leugnet sie es. Wer mag es schon ertappt zu werden und auch noch von Gott.
An dieser Stelle fällt mir Maria, die Mutter Jesu ein. Wie war es nochmal? Im Lukasevangelium wird berichtet, wie Maria Besuch des Engels Gabriel bekommt. Sie, die junge und unverheiratete Frau, „erschrak“, als er sie begrüßt. „Welch ein Gruß ist das“, denkt sie. War es ein Erschrecken oder ein Staunen? Ein Staunen wäre doch passend, nicht wahr? Denn sie, eine junge Frau wie viele andere aus dem Volk Israel, hat keine besondere Herkunft, die diese Form der Begrüßung berechtigt: „Der Engel sagt, „Sei gegrüßt, du Begnadete!“ Ein Staunen über unglaubliches geschieht – Ein Staunen über die Ankündigung einer Geburt, die unwahrscheinlich für ihre Augen erscheint.

Liebes Tagebuch, 
Marc Chagall hat diese Geschichte (schon wieder er, ich weiß!) – aber er hat diese Erzählung in einem Kirchenfenster dargestellt. In einem blauen Hintergrund à la Chagall steht Maria in einem gelben Schein verhüllt. Links von ihr, schwebt der Engel Gabriel auf sie zu. Was mich zum Staunen bei dem Bild bringt, ist, dass sie das Kind schon im Arm hat. Warum hat Marc Chagall das Kind Jesus bei der Ankündigung schon als geboren dargestellt?
Warum wird am 4. Advent die Erzählung Sara als Predigttext vorgeschlagen, wenn wir uns Weihnachten nähern, als der Tag, an dem wir Jesu Geburt gedenken und feiern? In der Tat, bei näherer Betrachtung könnte ich jetzt Sara und Maria nebeneinanderstellen. 
Zuerst ist es die Geschichte von zwei Frauen, die eine betagt, die andere noch jung und unverheiratet. Und dann geschieht beiden Ähnliches: Sie bekommen Besuch von Gott, in einer Engelgestalt oder wie bei Sara sind es drei Männer, die vor Abrahams Zelt stehen.
Und dann werden in beiden Geschichten Verheißungen offenbart. Verheißungen, die beide Frauen zum Staunen bringen, zum „Lachen“.
Das Erstaunliche ist, dass beide Frauen sich darauf einlassen. Sara fürchtet sich, denn der HERR steht vor ihr. Nach dem langen Weg, den sie mit Abraham gegangen ist und allem, was sie auf diesem Weg erlebt hat, hätte sie vielleicht nichts mehr zum Stauen gebracht. Sara nimmt doch die Verheißung ernst.
Und Maria stimmt dem Engel zu: „mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Es ist vermutlich der Grund, warum Marc Chagall das geborene Kind in seiner Darstellung Maria in die Arme legt.

Liebes Tagebuch, 
ich komme langsam zum Schluss. Aber an diesem 4. Advent 2020 ist alles aufregend. In einer Zeit, in der wir anders leben müssen, als wir es gewohnt waren: Die Weihnachtsgeschenke sind nicht alle besorgt worden, denn viele Läden haben zu – Die Großfamilie trifft sich nicht, wie es immer Tradition war – und „o du fröhliche“ wird zuhause im kleinen Kreis oder vor dem Bildschirm gesungen. Ja, aus dem Staunen kommen wir nicht raus.
Weihnachten anders feiern, denn sich ärgern bringt Verbitterung und Wut. Dies wiederum schließt die Herzen für Neues, für Überraschungen:
Was könnte es sein, was mich oder anderen Menschen zum Staunen bringen kann?
  • Einen Brief schreiben, sogar digital kann ich Briefmarken jetzt kaufen.
  • Jemanden anrufen, einen Freund, eine Freundin, die nicht besucht werden kann.
  • Den Nachbar, die Nachbarin besuchen, über dem Gartenzaum ihm oder ihr sagen, dass er/sie nicht allein ist.
Im Staunen Sara und Maria können wir erkennen, dass Gott für Überraschungen sorgt.

O liebes Tagebuch, es wäre doch schön, wenn wir wie Maria singen könnten: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.“ (Lk 2, 47), denn „Freuet euch in dem Herrn allewege, abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!“ Philipper 4,4.5b (Luther 2017)
Lachen und Staunen erlaubt!
Amen

Lachen und Staunen
Leere Gassen – leere Straßen
Lachen und Staunen
Mundschutz – freier Blick
Lachen und Staunen
Dunkle Straßen – ein Licht erscheint
Lachen und Staunen
Augen blinzeln – das Licht erstrahlt
Lachen und Staunen
Ein Wort – Worte des Trostes
Lachen und Staunen
Ein Wort – Worte des Vertrauens
Lachen und Staunen
Ein Kind wird geboren – Worte der Hoffnung
Lachen und Staunen
Augen auf – Ohren auf
Lachen und Staunen
Gott wird Mensch – Worte werden wahr
Jesus ist geboren
Lachen und Staunen

Sophie Heinzelmann, Prädikantin, 20.12.2020
Gottesdienst mal anders in einer besonderen Zeit
Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Predigt zum 3. Advent, 13. Dezember 2020


Lukas 1, 67-19: Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat
durch den Mund seiner heiligen Propheten – dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund, an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Liebe Mitchristen!
Zacharias singt ein Loblied auf Gott. Ausgerechnet Zacharias. Neun Monate lang war er stumm. Zacharias, der Priester im Tempel von Jerusalem, der immer ein gutes Wort wusste für alle, die dorthin zum Gebet kamen. Ihm hat es die Sprache verschlagen. Etwas Unvorhergesehenes war passiert. Etwas, womit er nicht klarkam. Seine Frau Elisabeth war schwanger, und das in ihrem hohen Alter. Der Engel sagte zu Zacharias: Fürchte dich nicht! Und er erzählte Zacharias, dass Gott große Pläne hat mit seinem ungeborenen Sohn: Johannes der Täufer, der Vorläufer von Jesus, dem Sohn Gottes. Fürchte dich nicht, sagt der Engel. Aber Zacharias fürchtet sich. Ängste und Zweifel nagen an ihm. Das verschlägt ihm die Sprache. Zacharias wird stumm. Neun Monate lang.
Neun Monate Corona. Hat es auch uns die Sprache verschlagen? Längst können wir das Wort „Corona“ nicht mehr hören, auch wenn es eigentlich nichts anderes bedeutet als Krone. In Schweden feiern sie heute das Luciafest. Weiß gekleidete Mädchen tragen Lichterkronen auf dem Kopf. Licht vertreibt die Dunkelheit. Das feiern sie dort am 13. Dezember, einem der dunkelsten Tage des Jahres. Kann man heute ein Fest feiern und singen vom Licht, das die Dunkelheit vertreibt? Kann man in diesem Jahr Weihnachten feiern? In welcher Form wird eine Feier möglich sein? Wer wird mit uns feiern? Werden wir zum Gottesdienst zusammenkommen? Und was ist mit denen, die allein sind? Fragen, die sich wie dunkle Schatten über unsere Seele legen. Ängste und Zweifel nagen an uns und lassen uns verstummen, machen uns sprachlos wie Zacharias. Aber Zacharias bleibt nicht sprachlos. Zacharias singt. Er singt ein Lied von der Erlösung. Er singt ein Lied vom Licht, das die Dunkelheit durchbricht. Er singt ein Lied von Gott, der seine Menschen nicht vergessen hat. Und Zacharias singt ein Lied auf seinen neugeborenen Sohn Johannes, der ein Prophet des Höchsten sein wird.
Zacharias – ich stelle ihn mir vor als einen glücklichen Vater, der sein winziges, neugeborenes Kind in den Armen hält. Ein Kind wie jedes andere. Rein äußerlich betrachtet spricht nichts dafür, dass gerade dieses Kind ein Prophet Gottes sein wird – der, der die Menschen hinweist auf Jesus, den Sohn Gottes. Aber Zacharias sieht mehr als das, was vor Augen liegt. Er sieht mit dem Herzen. Gott hat ihm dazu seinen Geist gegeben. Gottes Geist hat Zacharias das Herz geöffnet und den Mund. Die lange Zeit der Sprachlosigkeit ist vorbei. Auch wenn es noch lange dauern wird, auch wenn Zacharias es selbst gar nicht mehr erleben wird: An diesem Tag weiß Zacharias: Gott selber wird kommen. Klein und unscheinbar wird er kommen, in einem winzigen, neugeborenen Kind. Und rein äußerlich wird nichts, wirklich gar nichts dafürsprechen, dass dieses Kind Gottes Sohn ist. Denn dieses Kind wird kein Kind aus gutem Hause sein, so wie Johannes der Täufer, der Sohn von Zacharias, dem Priester am Tempel in Jerusalem. Dieses Kind wird in einem elenden Stall geboren werden, irgendwo unterwegs, unter katastrophalen Bedingungen. Und doch ist gerade dieses Kind Jesus Christus, Gottes Sohn, das Licht, das die Dunkelheit vertreibt, auch an den dunkelsten Tagen des Jahres.
Denn Gott hat seine Menschen nicht vergessen. Auch nicht nach neun Monaten Pandemie. Auch nicht, wenn wir Weihnachten nicht so feiern können, wie wir es gewohnt sind. Weihnachten findet statt. Wir müssen nicht verstummen und sprachlos bleiben. In unseren Herzen und in unseren Häusern dürfen wir singen: Vom Licht, das die Dunkelheit vertreibt. Von Gott, der in einem kleinen Kind zu uns kommt und die dunklen Schatten von unserer Seele nimmt. Vom Kind in der Krippe, das unser Leben hell macht, auch in schwierigen Zeiten. Gott gebe uns seinen Heiligen Geist, der uns die Herzen und den Mund öffnet, dass wir uns auf Weihnachten freuen können. Denn an Weihnachten kommt Gott uns besuchen. Gott kommt an Weihnachten, egal wieviel Besuch wir sonst noch empfangen dürfen an diesem Festtag: „Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“
Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer
Kategorien
Gedanken zum Sonntag

2. Advent

Predigt zum 2. Advent, 6. Dezember 2020

Jakobus 5, 7+8: So seid nun geduldig, Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.

Liebe Mitchristen!

Es ist Winter. Dick und weiß liegt der Schnee auf Wiesen, Wäldern und Feldern. Die Natur schläft unter dieser weißen Decke. Das Wachsen, das Blühen und das Früchte Bringen hat jetzt Pause. Ein paar einzelne Äpfel hängen noch am Apfelbaum. Neue Äpfel gibt es erst wieder nächstes Jahr. Auf die neue Ernte muss man warten. Die Jahreszeiten müssen erst darübergehen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. „Der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und den Spätregen.“ So beschreibt unser Predigttext aus dem Jakobusbrief dieses jahreszeitliche Warten. Und er vergleicht es mit dem Warten auf das Kommen unseres Herrn Jesus. Auf ihn warten wir im Advent. Warten auf Weihnachten. Was kommt, muss erst wachsen. Wir brauchen Geduld dazu. Noch liegt eine dichte Schneedecke auf unseren Herzen. Wird es uns an Weihnachten wirklich warm ums Herz werden? Werden wir es spüren und erleben dürfen, was die Engel uns verkünden: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren?“ „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit.“ Werden wir wirklich von Herzen einstimmen können in dieses Lied – auch wenn wir den Heiligabendgottesdienst oben bei der Skihütte beim Steighof feiern werden statt hier in der Kirche? Auch wenn wir „O du fröhliche“ nur dort im Freien miteinander singen werden, auf Abstand, mit Mundschutz und Voranmeldung?

Vielleicht können wir die Antwort auf diese Fragen heute noch nicht geben. Wir sind eben noch in der Wartezeit auf Weihnachten. Es ist erst der zweite Advent. „So seid nun geduldig, Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn.“ Wir brauchen Geduld im Advent – und ganz besonders in dieser Adventszeit, in der vieles so anders ist als sonst. Geduld brauchen wir – Geduld mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen. Immer wieder reißt uns ja auch der Geduldsfaden. Gerade jetzt, in dieser langen Krise, wünschten wir uns so sehr, dass das Warten ein Ende hätte und diese heimtückische Pandemie endlich soweit eingedämmt wäre, dass wir wieder unser normales Leben leben könnten. Die Ungeduld treibt die Menschen auf die Straßen und in die Arme von fragwürdigen Protestbewegungen. Die Ungeduld lässt Menschen unvernünftig werden, so dass sie sich und andere dem Risiko einer Ansteckung aussetzen. Die Ungeduld bringt Menschen dazu, sich resigniert und frustriert zurückzuziehen. Die Ungeduld ist ein schlechter Ratgeber. Unser Predigttext gibt uns einen anderen Rat: „Seid geduldig.“ Manche Dinge lassen sich eben nicht beschleunigen. Das gilt für das Zurückdrängen einer Pandemie genauso wie für das Wachsen und Werden in der Natur.

Noch ist nicht Erntezeit. Noch ist Winter. Die Natur hat sich zurückgezogen unter eine weiße Schneedecke. So wie oben bei der Skihütte am Steighof. Am Freitag waren wir dort, um vor Ort zu überlegen, wie wir den Heiligabendgottesdienst feiern können. Kalt war es, aber auch wunderschön in der weiten, weißen Landschaft. So wie in dem Lied „Leise rieselt der Schnee.“ Ein Lied, dass die Weihnachtsvorfreude beschreibt. „Still und starr ruht der See.“ Aber trotz aller äußeren Kälte einer frostigen Winterlandschaft, die da beschrieben wird, heißt es in dem Lied weiter: „In den Herzen wird’s warm, still schweigt Kummer und Harm, Sorge des Lebens verhallt, freue dich, s‘ Christkind kommt bald.“

Das Lied erinnert mich daran: Ob es uns an Weihnachten wirklich warm ums Herz wird, das ist keine Frage der Außentemperatur. Auch dann nicht, wenn wir den Weihnachtsgottesdienst notgedrungen im Freien feiern, um uns und unsere Mitmenschen vor Ansteckung zu schützen. In den Herzen kann es trotzdem warm werden. Denn Gott kommt zur Welt und wird Mensch. Er kommt zu uns, auch und gerade in diesem Jahr, wo wir Weihnachten so anders feiern werden als sonst. Das ist die wahre Weihnachtsfreude: Gott lässt uns nicht im Stich. Er ist für uns da, unser Heiland, unser Erlöser. Bereiten wir uns vor auf dieses große Fest, auf das Kommen unseres Herrn Jesus Christus.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

1. Advent

 

Predigt zum 1. Advent, 29. November 2020

Sacharja 9,9-10: Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Liebe Mitchristen!

Wir feiern heute den 1. Advent. Mit dem Advent beginnt in unserer Kirche das neue Jahr. Ein neues Kirchenjahr. Alles ist wieder auf Anfang eingestellt. Neuanfang. Das wünsche ich mir nach dem schwierigen Jahr, das hinter uns liegt mit dem Lockdown im Frühjahr. Neuanfang, das wünsche ich mir, gerade jetzt, wo wir mitten in der zweiten Infektionswelle sind, und bis so viele Menschen geimpft sind, dass das Corona-Virus keine Gefahr mehr für uns darstellt, ist es noch ein weiter Weg. Neuanfang. In der Kirche beginnt das neue Jahr ganz leise, nicht mit Feuerwerk und lauten Böllern, wie wir es von Silvester gewohnt sind. Das neue Kirchenjahr beginnt mit dem flackernden Licht einer einzigen Kerze. Dieses eine Licht am Adventskranz ist noch schwach. Aber es brennt. Es leuchtet, still und beharrlich.

Etwas Neues beginnt. Noch können wir es nicht ganz erkennen. Noch sind unsere Gesichter hinter Masken verborgen, noch singen wir die Adventslieder nur in unserem Herzen mit, und nicht mit unserem Mund. So sind wir heute versammelt im Schein der 1. Adventskerze. So hören wir heute die Botschaft: Jesus wird kommen. Er wird den Frieden bringen. Dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. Wörtlich heißt das: Einer, der Hilfe erfahren hat. Das stimmt mich nachdenklich. Ich denke an die Menschen, die in helfenden Berufen tätig sind: Menschen, die in unseren Krankenhäusern und Altenheimen ihren Dienst tun, auch heute am 1. Advent, sonntags wie werktags. Wir brauchen sie, in der jetzigen Situation mehr denn je. In der Krise haben wir ihnen Beifall geklatscht. Und wir wissen alle, dass das, was sie leisten, oft mehr ist als ein Mensch ertragen kann, und das bei geringer Bezahlung. Nicht nur Helfer sein zu müssen, sondern auch einer, der Hilfe erfahren hat. Dürfen diese Menschen das erleben?

Nur als einer, der selbst auch Hilfe erfahren hat, kann Jesus anderen helfen. Jesus hat Hilfe erfahren. Hilfe von oben. Hilfe von Gott. So kann er souverän sein: Gottes König. Er hat es nicht nötig, in der Luxuskarosse zu kommen. Er braucht keine Pauken und Trompeten. Er muss keine Soldaten einbestellen, die auf Kommando am Straßenrand salutieren. Stattdessen winken zerlumpte Menschen spontan mit Palmzweigen.

Abstand in der Länge eines Palmzweigs müssen wir heute halten, um unsere Mitmenschen zu schützen. Damit ihnen geholfen werden kann. Damit wir alle Hilfe erfahren dürfen im neuen Kirchenjahr, das heute beginnt. Gottes Hilfe kommt. Gottes König ist für uns da – Jesus Christus. Auch wenn das neue Kirchenjahr heute erst ganz klein und unscheinbar anfängt, mit der 1. Kerze am Adventskranz.

So klein und unscheinbar wie Gottes König, der sich einen Esel ausgesucht hat als Reittier. Von dem Esel wollte ich Ihnen gerne ein Bild zeigen in dieser Predigt. Von unserem Technik-Team bekam ich dazu die Rückmeldung: Das Bild ist zu klein, um es mit dem Beamer an die Wand zu werfen. Ein kleines, ein unscheinbares Bild. Nur ein Esel ist darauf zu sehen, sonst nichts. Das Bild ist stark verpixelt, die Bildqualität könnte wirklich besser sein. Aber gerade dieses kleine und schlichte Bild passt heute.

So klein und unscheinbar der Esel auch ist, er hat doch eine tragende Rolle. Gottes König trägt er zu uns. Er kommt auf einem Esel, dem Reittier der armen Leute. In den verwinkelten Gassen Jerusalems wäre auch kein Platz für jemanden, der auf dem hohen Ross sitzt. Auch nicht in unserer krisengebeutelten Zeit. Da brauchen wir auch jemanden, der bei uns da unten ist. Nicht jemanden, der von oben herab zu uns spricht.

Jesus kommt zu uns auf einem Esel. Ein Esel kennt die Krippe seines Herrn, lesen wir in der Bibel. Und wer von oben auf den Esel sieht, der entdeckt ein Kreuz, den Aalstrich: ein schwarzer Streifen vom Eselshals an fast über den ganzen Rücken – dazu ein zweiter schwarzer Strich, von einem Vorderbein zum anderen. Dieser zweite schwarze Strich kreuzt sich mit dem ersten. Jesus kommt zu uns auf einem Esel. Von der Krippe bis zum Kreuz führt sein Weg. Für uns ist er diesen Weg gegangen: Jesus, das Licht der Welt. Sein Hoffnungslicht scheint auch in unsere Dunkelheit, auch in diese Adventszeit, die in diesem Jahr stiller ist als sonst. Jesus bringt uns den Frieden. Alles wird gut, das ist sein Versprechen.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Ewigkeitssonntag

Predigt zum Ewigkeitssonntag, 22. November 2020

Offenbarung 21, 1-7: Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.

Liebe Mitchristen!

Es ist Herbst. Die Blätter fallen, die Bäume werden kahl. Das Grün des Sommers und die Farben der Blumen sind nur noch Erinnerung. Wenn wir Abschied nehmen müssen von einem geliebten Menschen, dann fühlt sich das an wie Herbst. Was war, ist nicht mehr. Der Klang der vertrauten Stimme, das gemeinsame Lachen, die Gespräche, die Nähe. „Der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr“, sagt das Bibelwort aus Apokalypse 21.

Apokalypse. Weltuntergang. Mit jedem Menschen, der stirbt, geht eine eigene Welt unter. Die Blätter, die von den Bäumen fallen, kommen nicht wieder zurück. Auf dem Herbstbild, das ich mitgebracht habe, ist ein Zaun im Vordergrund. Da ist eine Grenze, die wir nicht überwinden können. Sie haben diese Grenze erlebt, als sie Abschied nehmen mussten von Ihren Angehörigen. Corona war so eine Grenze. Wie ein unsichtbarer Zaun um das Krankenhaus und das Altenheim herum, und sie konnten nicht hinein zu Ihren Angehörigen, konnten nicht Abschied nehmen. Der Tod ist so eine Grenze, wie ein Zaun, der uns trennt von unseren Lieben. Sie sind jetzt dort auf der anderen Seite des Zaunes, und wir bleiben hier zurück auf dieser Seite. Zwischen Diesseits und Jenseits ist ein Zaun, für uns Menschen unüberwindlich.

Am Zaun hängt ein Blatt und leuchtet in sonnigem Goldgelb, in der Farbe des Sommers. „Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst.“ Gott macht alles neu. Er stillt unseren Durst nach Leben, nach Farben, nach Berührungen und Wärme. Das goldgelbe Blatt am Zaun erinnert mich daran. Wie ein Blatt im Wind, so zerbrechlich und verletzlich ist Gott selbst geworden. Ein Blatt, das hängen bleibt am Zaun, an der Grenze zwischen Diesseits und Jenseits. Jesus Christus hängt am Kreuz und stirbt. Sein Leben ist zu Ende, wie bei dem Herbstblatt, das vom Baum gefallen ist. Und doch ist es Gott selbst, der da am Kreuz sein Leben gibt für uns. Golden erstrahlt das Herbstblatt vor dem ewigen Blau des Himmels. Gott ist für uns da. Sein Himmel steht uns offen. Gold und Blau. Beides ist untrennbar verbunden. Der Zaun dazwischen spielt keine Rolle mehr. Die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits ist überwunden. Jesus Christus ist auferstanden von den Toten.

Apokalypse. Weltuntergang. Mit jedem Menschen, der stirbt, geht eine eigene Welt unter. Die biblische Apokalypse weist über diesen Weltuntergang hinaus. Nach dem Tod geht es weiter. Gott schafft eine neue Welt. Für uns und für unsere Lieben, die durch den Tod von uns getrennt wurden. Dann werden wir wieder vereint sein, alle beieinander, und Gott wird uns allen so nahe sein wie der Freund im Nachbarhaus. Dann ist der graue Zaun, der uns trennt, endgültig von der Bildfläche verschwunden. Dann verschwindet das dunkle Grau von Trauer und Schmerz, und keine Tränen verschleiern mehr unseren Blick. Dann ist alles in Gottes goldenes Licht getaucht, im ewigen Blau seines Himmels, der uns offen steht. So wie es uns in Apokalypse 21 versprochen ist:

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen; und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Predigt am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr 15.11.2020


Predigt über Lukas 16,1-9 am Vorletzten Sonntag im Kirchenjahr, den 15.11.2020 in Wehingen 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde,

wir sind uns wohl einig:  Dieses Gleichnis vom untreuen Verwalter ist am Schluss nicht leicht zu verstehen. Hatten wir nicht schon von genügend anderen Korruptionsskandalen gehört? Kann es sein, dass unser Herr uns
heute Morgen einen solchen Fall als leuchtendes Vorbild vor Augen malt? Wir Christen wollen doch gerade nicht so sein!

Jedoch, liebe Gemeinde, es macht Jesus hier und an
anderen Stellen überhaupt nichts aus, uns auch an einem solchen Spitzbuben wie diesem Haushalter eine göttliche Wahrheit zu zeigen. Wer meint, dass Jesus nur Leute mit Heiligenschein malt, – wer nicht weiß, dass bei ihm auch Betrüger Modell stehen müssen, um seine Wahrheit zu sagen, der hat nichts verstanden von seiner Botschaft. 

Untreu war der Verwalter, niemand will das beschönigen. Von einem guten Verwalter wird erwartet, dass er treu erfunden wird, dass die Kasse stets stimmt, bis auf den letzten Cent.  
So war’s hier leider nicht. Der Herr bringt und nimmt die Bücher, macht Kassensturz und jagt den Betrüger mit Schimpf und Schande davon. Die Anschuldigungen stimmen! Der Verwalter fragt sich nun: »Wovon lebe ich dann?  Soll ich mich als Grabe–Arbeiter verdingen? Das schaffe ich nicht. Soll ich betteln gehen? Dafür schäme ich mich, das geht auch nicht.« Er sagt: »Ich muss mir Freunde verschaffen, damit sie mich nachher aufnehmen.« So lässt er die Schuldner seines Herrn kommen und stellt ihnen ermäßigte Schuldscheine aus. Erhebliche Summen gehen dem Herrn verloren. Aber das soll dem Gefeuerten später zugute kommen. 

Ein gewiefter Bursche: Er treibt seine Untreue auf die Spitze, macht sich neuen Betrugs und der Urkundenfälschung schuldig. Und der Herr lobt ausgerechnet ihn! Wofür? Nicht für sein böses Tun. Nicht für sein verwerfliches Handeln. Nicht für seinen Betrug davor und danach. Nein. Jesus redet ja vom bösen, betrügerischen Verwalter. 
Was wird dann gelobt? 
»Dass er klug gehandelt hatte.« Betrug bleibt Betrug und ist durch nichts zu entschuldigen. Einzig und allein seine Klugheit wird hier gelobt. Das zeigt der (letzte) Satz: »Die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.« In Punkto Klugheit könnt ihr also von den Kindern dieser Welt sogar noch eine Menge lernen – für euren Glauben, für eure Nachfolge. Es geht also jetzt um die Klugheit dieses Mannes. Von ihr sollen wir heute lernen. Wann also sind wir klug? 

1. Wir sind klug, wenn wir unsere Lage erkennen

Dieser Mann hat seine Entlassungspapiere praktisch schon in den Händen, die Quittung für unsauberes Herumwirtschaften, den blauen Brief. Beobachter konnten dem Treiben nicht länger zusehen und hatten ihn angezeigt wegen Veruntreuung. Unser Verwalter weiß: »Dieser blaue Brief ist ernst zu nehmen. Was mein Chef schreibt, das meint er auch so.« Er sagt nicht: »Es wird schon nicht so schlimm werden.«  Oder: »Mein Chef wird schon ein oder zwei Augen zudrücken.«  Oder: »Er wird sich erinnern wie viel ich früher geleistet habe.«  Der Verwalter ist sich bewusst:  »Bei meiner Rechenschaft bin ich verloren.  Alles wird offenbar, aufgedeckt, ich kann nichts vertuschen oder entschuldigen.« 

Und das, liebe Gemeinde, ist unsere Lage, Ihre Lage, meine Lage. Wir müssen Rechenschaft geben. »Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.« So haben wir vorhin den Wochenspruch für die neue Woche gehört.
Es ist interessant, wie verschieden die Menschen darauf reagieren: »Ich bin schon recht, mir kann niemand was nachsagen.« Oder: »So schlimm wird´s schon nicht werden.« Oder: »Die anderen sind auch nicht besser«, »Oder: Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind« – aber mit solchen Sätzen verkennen Menschen ihre Lage. 
Die Bibel sagt: »Das Dichten und Trachten des Menschen ist böse von Jugend auf.« Und wir sagen: »Ach was, in jedem ist irgendwo noch ein guter Kern.« 
Die Bibel sagt: »Der Tag der Rechenschaft kommt.«
Und wir sagen: »Ach, das ist doch alles ein Warten auf den St. Nimmerleinstag.«
Nach Lage der Dinge und Sicht der Bibel kann ich nicht bestehen mit meinem gelebten Leben vor Gott. Das ist meine Lage.  »Es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben.«  »Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen« (Röm 3, 23). 

Der Verwalter hat diese seine Lage erkannt und nicht schöngeredet. Er lügt sich nicht in die Tasche, sondern
ist ehrlich sich selbst gegenüber, gesteht sich seine Lage ein wie der eine Schächer zur Rechten des gekreuzigten
Jesus. Der bekannte im Sterben: »Wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.« Eine solche Haltung, in der die eigene verlorene Lage erkannt wird, nennt Jesus klug. Und das ist der erste Schritt zu einer heilsamen Wende. 
Wir sind klug, wenn wir unsere Lage erkennen. 

2. Wir sind klug, wenn wir die rechte Vorsorge treffen. 

Nicht nur, dass er seine Lage erkennt, wird gelobt, sondern auch, dass er die rechte Vorsorge trifft.  Er sagt sich: »Selbsthilfe genügt nicht. Ich bin auch kein Münchhausen, der sich an der eigenen Krawatte aus diesem Schlamassel ziehen könnte.«   
Und da kommt ihm ein rettender Gedanke, die zündende Idee, nämlich: Einfach die Pächter seines Chefs zu sich zu bitten. Damals hat man ja noch die Pacht nicht in Hartgeld, sondern in Naturalien bezahlt, in Öl und
Weizen und Gerste. 
Und dann kommen diese Leute und er bewilligt ihnen großartige begünstigte Verträge.  Es geht um Tausende von Zentnern Weizen und um viele Hektoliter Öl. 
Er sagt: »Wenn ich ihnen so viel gebe, dann werden die doch in der Zukunft für mich sorgen.« 

Liebe Gemeinde, gewiss ist das eine ganz krumme Tour! Wir wollen nicht durch noch so schöne Worte diese krumme Tour geradebiegen. Keiner soll den Betrug bei diesem Schlauberger nachmachen. Aber das ist seine Klugheit, dass er angesichts seiner Lebenslage die rechte Vorsorge trifft durch eine Hilfe, die nicht in ihm, sondern außerhalb seiner selbst liegt.

Und ich frage: Sind Sie auch so klug? Sind Sie auch daran, Vorsorge zu treffen jenseits Ihrer Kräfte? 
Bei einem alten Ausleger fand ich folgenden Kommentar: »Was der Haushalter tat? Er versorgte sich nicht aus seinen, sondern aus seines HERRN Gütern. Das tue du auch! In dir findest du nichts, was dir nütze ist zur Seligkeit. Doch du findest in Christus Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit vor Gott, Leben und Seligkeit. Hier raube, was du rauben willst.« 
Das meint Christus mit Klugheit: An ihn glauben, sich versorgen und beschenken lassen, reich werden »aus des HERRN Gütern«, reich werden durch den, der arm wurde für uns, damit wir »durch seine Armut reich würden«
(2. Kor 8, 9).

Der Mann im Gleichnis hat sich durch die Güter seines Herrn Freunde gemacht, um für ein Leben nach der peinlichen Rechenschaft zu sorgen. 

Was heißt das übertragen auf uns? Wir denken vom
Wochenspruch her an die Rechenschaft in der Ewigkeit: Da helfen uns keine Freunde. Nein, da steht jeder für sich allein und Freunde helfen nicht. Aber ein Freund kann helfen, nur ein einziger Freund! Dieser Freund heißt
Jesus Christus, Gottes menschgewordener Sohn. Im alten Gesangbuch steht das schöne Lied »Der beste Freund ist in dem Himmel«. Darin heißt es:
Die Menschen sind wie eine Wiege,
mein Jesus stehet felsenfest.
Und ob ich gleich darniederliege,
doch seine Treu mich nicht verlässt.
Drum hab ich’s immer so gemeint:
Mein Jesus ist der beste Freund.

Er ließ sich selber für mich töten,
es floss für mich sein teures Blut.
Er steht mir bei in allen Nöten
und spricht für meine Sache gut.
Drum hab ich’s immer so gemeint:
Mein Jesus ist der beste Freund.

Für uns selbst sind wir verlorene Leute. Aber mit ihm, in ihm, durch ihn werden unsere Veruntreuungen annulliert. Im Glauben an ihn weiß ich Gott selbst auf meiner Seite, er selbst nimmt mich an, er selbst nimmt mich auf.
Wir sind klug, wenn wir die rechte Vorsorge treffen.

3.Wir sind klug, wenn wir keine Zeit verlieren. 

Der böse Verwalter bedenkt das Ende. Er handelt unverzüglich, hat keine Zeit zu verlieren, er sagt: »… Schreibe flugs … schreibe flugs.«  Er sagt nicht: »Kommt Zeit, kommt Rat.« Er sucht nicht die lange Bank, auf die er diese Entlassungsakte hinschiebt. Er sagt sich auch nicht: »Ach was, dazu hat’s doch noch später Zeit. Wenn ich alt werde, dann werde ich fromm und dann kann ich immer noch beten, zur Kirche gehen und mein Haus bestellen.«  So sagt er nicht. Er weiß: »Morgen könnte es zu spät sein.« Darum sagt er: »Schreibe flugs!« 

Wissen wir, wie viel Zeit wir noch haben? Der Teufel sagt »Morgen, morgen, nur nicht heute«, aber Gott sagt »Heute«. Auf der langen Bank fängt der Teufel die meisten Leute. Diese Wahrheit ist in einer alten mittelalterlichen Legende enthalten.
An einem Königshof lebte ein Hofnarr. Eines Tages schenkte dieser König dem Narren einen goldenen Stab mit einer einzigen Auflage: Diesen Stab dem weiter zu schenken, der närrischer sei als der Narr. 
Eines Tages wurde der König sterbenskrank und legte sich auf sein Bett. 
Da erschien der Hofnarr zu Besuch und sagte: »Herr König, ich höre, Sie wollen eine große Reise antreten.« Der König kurz: »Ja, ich will nicht, aber ich muss…Von dieser Reise kommt überhaupt niemand zurück.« 
Der Narr: »Ja, Herr König, dann haben Sie sicher Quartiermacher vorausgeschickt, die Ihnen Wohnung besorgen?« – »Zu dem bin ich in meinem Leben nicht gekommen.« – »Ja«, sagte der Narr,« haben Sie nicht gewusst, dass Sie diese Reise antreten werden?« 
»Doch«, sagte der König, »das wusste ich von Kind auf.« Da öffnete der Narr seine Jacke, holte den goldenen Stab hervor und legte ihn dem König auf die Decke und sprach: »Wenn’s so ist, König, wenn’s so ist, dann gehört der Stab Dir!«

Liebe Gemeinde, klug sind wir, wenn wir keine Zeit verlieren, sondern beten: »Herr, lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, auf dass ich klug werde.« 

Wann sind wir klug?  
Drei Antworten gibt unsere Geschichte: 

Wir sind recht klug, wenn wir die Lage erkennen, 
wenn wir die rechte Vorsorge treffen, 
wenn wir keine Zeit verlieren.   Amen.
Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr

 

Predigt zum Sonntag, 8. November 2020

 

Paulus schreibt in 1. Thessalonicher 5, 1-6: Von den Zeiten aber und Stunden, Brüder und Schwestern, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen:

„Friede und Sicherheit“, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen. Ihr aber seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.

 

Liebe Mitchristen!

 

vor ein paar Jahren waren wir im Urlaub in Spanien am Meer. Urlaub, das bedeutet bei uns meistens: Ausschlafen und den Tag spät beginnen. Aber für einen dieser Urlaubstage hatten wir uns etwas Anderes vorgenommen. Wir wollten früh aufstehen und den Sonnenaufgang am Meer erleben. Verschlafen machten wir uns am frühen Morgen auf den Weg. Kaum ein Mensch war um diese Zeit unterwegs. Grau lag der Strand und das Meer in der Morgendämmerung. Aber am Horizont, weit draußen im Meer, da zeigt sich schon ein Silberstreif. Bald ist es so weit. Die Sonne geht auf. Erst dringen nur wenige Sonnenstrahlen zu uns durch. Dann kommt die Sonne hinter dem Horizont hervor. Und sie taucht alles in ein goldenes Licht: Himmel und Erde, Meer und Strand. Ein unbeschreibliches und unvergessliches Erlebnis. Wach sein, nicht der Bequemlichkeit und der Müdigkeit nachgeben und schlafen wie die anderen. Darum geht es auch in unserem heutigen Predigttext. „So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein“, heißt es da. Wenn wir an diesem Tag so lange geschlafen hätten wie an den anderen Urlaubstagen, dann hätten wir dieses Erlebnis nie gehabt: in das goldene Licht der aufgehenden Sonne getaucht zu sein an diesem wunderbaren Sommermorgen am Meer.

 

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht mit diesem Bild und dieser Erzählung von meinem vergangenen Urlaubserlebnis. Können Sie sich da hineinversetzen? Oder ärgert es Sie einfach nur, dass ich hier über vergangene Urlaubserlebnisse an sonnigen Küsten rede, jetzt in diesem Jahr, wo man im Sommer den Mittelmeerurlaub absagen musste und den Urlaub stattdessen im verregneten Norddeutschland verbracht hat. Und inzwischen kann man nicht einmal mehr innerhalb von Deutschland ein Urlaubshotel buchen.

 

Friede und Sicherheit, ein Leben im sonnigen Licht eines Urlaubsstrandes, das wünschen wir uns so sehr in diesen Zeiten, in dieser Pandemie, die unser Leben durcheinandergeworfen hat. Und mancher ist dafür auch bereit, sich in der falschen Sicherheit zu wiegen, dass diese Maßnahmen, die jetzt zur Eindämmung dieser Pandemie getroffen werden, übertrieben sind und wir doch einfach unser normales Leben weiterleben könnten. „Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen.“ Das sind harte Worte, die unser Predigttext uns hier mit auf den Weg gibt. Wir sollen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Wir sollen nicht so tun, als ob Frieden wäre und alles gut, und in Wirklichkeit ist es gar nicht so. Wir sollen nicht wegschauen und die Augen verschließen vor den Problemen. Wach sollen wir sein und nüchtern. Wach sein, das bedeutet: Der Krise ins Auge schauen und mit dem Ende rechnen. Mit dem Ende unseres vertrauten Lebensstils, mit dem Ende unseres eigenen Lebens, mit dem möglichen Ende der Menschheit.

 

Vielleicht kann uns die Corona-Krise hier wachrütteln. Sie zeigt uns, wie verletzlich wir sind, wie wenig selbstverständlich es ist, dass sich unser Lebensstil auf diesem hohen Niveau bewegt, an das wir uns gewöhnt haben. Ein Niveau, von dem wir alle wissen, dass es unserer Erde zu viel abverlangt, mehr als sie tragen kann. Wir verbrauchen Ressourcen, die wir nicht haben und leben auf Kosten der kommenden Generationen. Werden wir es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten schaffen, unser Leben so zu gestalten, dass die Erde auch für unsere Kinder und Enkel ein bewohnbarer Planet bleibt? Verschließen wir nicht die Augen vor diesem Problem. Bleiben wir wach, bleiben wir nüchtern. Lassen wir uns nicht einlullen und in falscher Sicherheit wiegen, als ob alles in bester Ordnung wäre. Die Fridays for Future Bewegung will uns hier wachrütteln, und mit Recht. Gott hat uns diese Erde anvertraut. Es ist unsere Verantwortung, wie wir mit ihr umgehen.

 

„Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht“, sagt Paulus in unserem Predigttext. Das klingt beunruhigend und verstörend. Kann ich da nachts überhaupt noch ruhig schlafen, wenn ich das ernst nehme? Müssen mir nicht die Sorgen den Schlaf rauben, die ganz persönlichen Ängste, Nöte und Einsamkeiten jetzt in der Corona-Pandemie genauso wie die globale Sorge über die Klimaerwärmung mit all ihren Folgen: Dürre, Hunger, Flucht und Kriege?

 

Paulus erinnert uns daran: „Ihr alle seid Kinder des Lichts und des Tages.“ Auch wenn ich wach und nüchtern die Probleme in der Welt und in meinem Leben in Angriff nehmen soll –die Sorgen darüber sollen mir nicht komplett den Schlaf rauben. Im Licht von Jesus Christus kann ich all das Schwere und Belastende ertragen und immer wieder neue Perspektiven und Lösungsansätze entdecken. Denn Jesus Christus ist für mich gestorben und auferstanden. Deswegen bin ich ein Kind des Lichts, und die Dunkelheit kann mich nicht schrecken – trotz allen ungelösten Problemen, Sorgen und Belastungen. Auch wenn immer wieder das Böse und der Tod seine Macht in unserer Welt zeigt, so wie jetzt in Form eines kleinen Virus. Das alles wird nicht das letzte Wort haben, sondern Jesus Christus. Sein Tag wird kommen und den Grauschleier von unserer Seele nehmen. So wie die Sonne die Dunkelheit durchbricht an einem Sommermorgen am Meer, und die grauen Sandkörner funkeln lässt wie Gold.

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer