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Gedanken zum Sonntag

4. Advent, 20. Dezember 2020


Gottesdienst mal anders in einer besonderen Zeit


Der 4. Advent steht unter dem Zeichen der Freude.
Den Weg zur Krippe (Weihnachten) mit Freude vorbereiten! Wie kann eine frohe Botschaft in diesen besonderen Zeiten lauten? Wie passt es zusammen?

Diese Freude ist an diesen Sonntag tatsächlich im Wochenspruch zu spüren:
Freuet euch in dem Herrn allewege, abermals sage ich:
Freuet euch! Der Herr ist nahe! Philipper 4,4.5b (Luther 2017)

Im Philipperbrief stehen diese hoffnungsvollen Worte
Trotz Bedrängnis oder Krise oder Pandemie sich auf etwas Besonderes, wie auf das Kommen Gottes als Mensch freuen.

Wie auch im Psalm 126:
Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Dann wird man sagen unter den Heiden:
Der Herr hat Großes an ihnen getan!
Der Herr hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
Herr, bringe zurück unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Südland.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und streuen ihren Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.
Psalm 126 (EG 750)


Predigtgedanken zu Genesis 18, 1-5, 9-15, in der Form eines Tagebucheintrags

Liebes Tagebuch,

Heute ist der 20. Dezember 2020, eigentlich der 4. Advent. Eigentlich hätte heute der letzte Adventsgottesdienst vor dem Weihnachtfest stattfinden sollen. Wie es im Leben ist, kommt alles anders, als wir es uns gewünscht haben.
Heute findet in der Kirchengemeinde kein Gottesdienst statt. Lockdown auch für unsere Kirchengemeinde. Dann bleibe ich eben zuhause.
Es ist trotzdem ein komisches Gefühl. Wie soll der Lockdowm weihnachtliche Stimmung bringen? Was hat es überhaupt mit Weihnachten zu tun?
Darauf hin habe ich dann meine Bibel genommen und nach dem Predigttext geschaut. Da war ich schon erstaunt einen Text aus dem Alten Testament zu finden, nicht mal einen Text aus den Prophetenbüchern, was sonst vor Weihnachten üblich ist. Im Buch Genesis 18, 1-5 las ich dann:
„1Und der Herr erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde 3und sprach: Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. 4Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füße zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. 5Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Denn darum seid ihr bei eurem Knecht vorübergekommen. Sie sprachen: Tu, wie du gesagt hast….“ (Luther 2017)

Was hat denn wohl Abraham mit dem 4. Advent eigentlich zu tun.  Erstaunlich finde ich es schon. Schaue ich tiefer in dem Text, entdecke ich, dass der HERR in Mamre (also Gott), Abraham besucht, während dessen er sich in der Mittagshitze im Schatten ausruht und seine Gedanken walten lässt. Abraham erhebt den Kopf und sieht drei Männer vor ihm stehen. Also drei Männer jetzt – vorher war es der HERR. Na gut, ich weiß, dass Gott, der HERR, seine Boten hat. Waren nun die drei Männer Engel!? Der Text erinnert mich an einem Bild Marc Chagall. Darauf hat der Maler die drei Männer als Engel dargestellt. Denn bekannterweise haben Engel Flügel. Chagall hat diese Flügel sogar sehr groß gemalt.  Auf dem Bild sitzen sie an einem Tisch, denn Abraham hat nach den Regeln der Gastfreundschaft gehandelt und den Gästen ein Essen vorbereiten lassen. Sogar ein gutes Essen: Ein zartes, junges Kalb ist dafür geschlachtet worden. Es klingt nach einem Festessen, wie wenn doch was zu feiern wäre! Ich wollte daraufhin wissen, was dann passierte:

„9Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!…“ (Luther 2017)

Auf einmal fragen die Männer doch nach Sara. Was soll denn mit ihr sein? Sie bleibt aber im Hintergrund. Marc Chagall zeichnet sie so am Bildrand, zurückgezogen – sie hält sich zurück, wie es sich für eine Frau damals gehört. Tatsächlich sprechen die Männer weiter mit Abraham und erzählen ihm, dass er in einem Jahr Nachwuchs bekommen wird, von seiner Frau Sara. Was mich jedoch wundert, ist, dass Sara in dem Moment hinter der Tür im Zelt stehen blieb. Ich wäre vermutlich vor Erstaunen in den Raum getreten, so wie ich mich kenne. Nein, sie bleibt an ihrem Platz und „lacht bei sich selbst“. Was mag sie wohl dabei gedacht haben? Ist es ein Lächeln des Staunens gewesen? Ein Lächeln, in dem doch noch eine leise Hoffnung steckt? Eine Hoffnung, die wahr werden könnte, denn an Gottes Verheißung soll man nicht zweifeln, oder? 
Eigentlich kann sie doch keine Kinder mehr bekommen. Obwohl die Situation des alten Ehepaares dagegenspricht, ist vielleicht doch eine Hoffnung in den Worten der drei Männern zu hören: “dann soll Sara, deine Frau einen Sohn haben.“
Sara bleibt ruhig, hinter der Tür, besonnen und dann, weiter im Text: 
„13Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14 Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.“ (Luther 2017)

Da kommt doch Gott selbst ins Spiel, denn der HERR fragt Abraham nach dem Grund des Lachens. Er weißt doch wie alt beide sind. Und überhaupt, wie hat er das leise Lachen gehört? Oder war es ihm klar, dass Sara sowieso nicht daran glaubt und darüber „lacht“? Und doch ist es eindeutig zu hören: Die Verheißung ist Gottes Verheißung. Warum daran zweifeln? Sara ist es jetzt vielleicht peinlich, dass der HERR ihr Lachen gehört hat. Wie halt so Menschen sind, leugnet sie es. Wer mag es schon ertappt zu werden und auch noch von Gott.
An dieser Stelle fällt mir Maria, die Mutter Jesu ein. Wie war es nochmal? Im Lukasevangelium wird berichtet, wie Maria Besuch des Engels Gabriel bekommt. Sie, die junge und unverheiratete Frau, „erschrak“, als er sie begrüßt. „Welch ein Gruß ist das“, denkt sie. War es ein Erschrecken oder ein Staunen? Ein Staunen wäre doch passend, nicht wahr? Denn sie, eine junge Frau wie viele andere aus dem Volk Israel, hat keine besondere Herkunft, die diese Form der Begrüßung berechtigt: „Der Engel sagt, „Sei gegrüßt, du Begnadete!“ Ein Staunen über unglaubliches geschieht – Ein Staunen über die Ankündigung einer Geburt, die unwahrscheinlich für ihre Augen erscheint.

Liebes Tagebuch, 
Marc Chagall hat diese Geschichte (schon wieder er, ich weiß!) – aber er hat diese Erzählung in einem Kirchenfenster dargestellt. In einem blauen Hintergrund à la Chagall steht Maria in einem gelben Schein verhüllt. Links von ihr, schwebt der Engel Gabriel auf sie zu. Was mich zum Staunen bei dem Bild bringt, ist, dass sie das Kind schon im Arm hat. Warum hat Marc Chagall das Kind Jesus bei der Ankündigung schon als geboren dargestellt?
Warum wird am 4. Advent die Erzählung Sara als Predigttext vorgeschlagen, wenn wir uns Weihnachten nähern, als der Tag, an dem wir Jesu Geburt gedenken und feiern? In der Tat, bei näherer Betrachtung könnte ich jetzt Sara und Maria nebeneinanderstellen. 
Zuerst ist es die Geschichte von zwei Frauen, die eine betagt, die andere noch jung und unverheiratet. Und dann geschieht beiden Ähnliches: Sie bekommen Besuch von Gott, in einer Engelgestalt oder wie bei Sara sind es drei Männer, die vor Abrahams Zelt stehen.
Und dann werden in beiden Geschichten Verheißungen offenbart. Verheißungen, die beide Frauen zum Staunen bringen, zum „Lachen“.
Das Erstaunliche ist, dass beide Frauen sich darauf einlassen. Sara fürchtet sich, denn der HERR steht vor ihr. Nach dem langen Weg, den sie mit Abraham gegangen ist und allem, was sie auf diesem Weg erlebt hat, hätte sie vielleicht nichts mehr zum Stauen gebracht. Sara nimmt doch die Verheißung ernst.
Und Maria stimmt dem Engel zu: „mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Es ist vermutlich der Grund, warum Marc Chagall das geborene Kind in seiner Darstellung Maria in die Arme legt.

Liebes Tagebuch, 
ich komme langsam zum Schluss. Aber an diesem 4. Advent 2020 ist alles aufregend. In einer Zeit, in der wir anders leben müssen, als wir es gewohnt waren: Die Weihnachtsgeschenke sind nicht alle besorgt worden, denn viele Läden haben zu – Die Großfamilie trifft sich nicht, wie es immer Tradition war – und „o du fröhliche“ wird zuhause im kleinen Kreis oder vor dem Bildschirm gesungen. Ja, aus dem Staunen kommen wir nicht raus.
Weihnachten anders feiern, denn sich ärgern bringt Verbitterung und Wut. Dies wiederum schließt die Herzen für Neues, für Überraschungen:
Was könnte es sein, was mich oder anderen Menschen zum Staunen bringen kann?
  • Einen Brief schreiben, sogar digital kann ich Briefmarken jetzt kaufen.
  • Jemanden anrufen, einen Freund, eine Freundin, die nicht besucht werden kann.
  • Den Nachbar, die Nachbarin besuchen, über dem Gartenzaum ihm oder ihr sagen, dass er/sie nicht allein ist.
Im Staunen Sara und Maria können wir erkennen, dass Gott für Überraschungen sorgt.

O liebes Tagebuch, es wäre doch schön, wenn wir wie Maria singen könnten: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.“ (Lk 2, 47), denn „Freuet euch in dem Herrn allewege, abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!“ Philipper 4,4.5b (Luther 2017)
Lachen und Staunen erlaubt!
Amen

Lachen und Staunen
Leere Gassen – leere Straßen
Lachen und Staunen
Mundschutz – freier Blick
Lachen und Staunen
Dunkle Straßen – ein Licht erscheint
Lachen und Staunen
Augen blinzeln – das Licht erstrahlt
Lachen und Staunen
Ein Wort – Worte des Trostes
Lachen und Staunen
Ein Wort – Worte des Vertrauens
Lachen und Staunen
Ein Kind wird geboren – Worte der Hoffnung
Lachen und Staunen
Augen auf – Ohren auf
Lachen und Staunen
Gott wird Mensch – Worte werden wahr
Jesus ist geboren
Lachen und Staunen

Sophie Heinzelmann, Prädikantin, 20.12.2020
Gottesdienst mal anders in einer besonderen Zeit
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Gedanken zum Sonntag

Predigt zum 3. Advent, 13. Dezember 2020


Lukas 1, 67-19: Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat
durch den Mund seiner heiligen Propheten – dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund, an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Liebe Mitchristen!
Zacharias singt ein Loblied auf Gott. Ausgerechnet Zacharias. Neun Monate lang war er stumm. Zacharias, der Priester im Tempel von Jerusalem, der immer ein gutes Wort wusste für alle, die dorthin zum Gebet kamen. Ihm hat es die Sprache verschlagen. Etwas Unvorhergesehenes war passiert. Etwas, womit er nicht klarkam. Seine Frau Elisabeth war schwanger, und das in ihrem hohen Alter. Der Engel sagte zu Zacharias: Fürchte dich nicht! Und er erzählte Zacharias, dass Gott große Pläne hat mit seinem ungeborenen Sohn: Johannes der Täufer, der Vorläufer von Jesus, dem Sohn Gottes. Fürchte dich nicht, sagt der Engel. Aber Zacharias fürchtet sich. Ängste und Zweifel nagen an ihm. Das verschlägt ihm die Sprache. Zacharias wird stumm. Neun Monate lang.
Neun Monate Corona. Hat es auch uns die Sprache verschlagen? Längst können wir das Wort „Corona“ nicht mehr hören, auch wenn es eigentlich nichts anderes bedeutet als Krone. In Schweden feiern sie heute das Luciafest. Weiß gekleidete Mädchen tragen Lichterkronen auf dem Kopf. Licht vertreibt die Dunkelheit. Das feiern sie dort am 13. Dezember, einem der dunkelsten Tage des Jahres. Kann man heute ein Fest feiern und singen vom Licht, das die Dunkelheit vertreibt? Kann man in diesem Jahr Weihnachten feiern? In welcher Form wird eine Feier möglich sein? Wer wird mit uns feiern? Werden wir zum Gottesdienst zusammenkommen? Und was ist mit denen, die allein sind? Fragen, die sich wie dunkle Schatten über unsere Seele legen. Ängste und Zweifel nagen an uns und lassen uns verstummen, machen uns sprachlos wie Zacharias. Aber Zacharias bleibt nicht sprachlos. Zacharias singt. Er singt ein Lied von der Erlösung. Er singt ein Lied vom Licht, das die Dunkelheit durchbricht. Er singt ein Lied von Gott, der seine Menschen nicht vergessen hat. Und Zacharias singt ein Lied auf seinen neugeborenen Sohn Johannes, der ein Prophet des Höchsten sein wird.
Zacharias – ich stelle ihn mir vor als einen glücklichen Vater, der sein winziges, neugeborenes Kind in den Armen hält. Ein Kind wie jedes andere. Rein äußerlich betrachtet spricht nichts dafür, dass gerade dieses Kind ein Prophet Gottes sein wird – der, der die Menschen hinweist auf Jesus, den Sohn Gottes. Aber Zacharias sieht mehr als das, was vor Augen liegt. Er sieht mit dem Herzen. Gott hat ihm dazu seinen Geist gegeben. Gottes Geist hat Zacharias das Herz geöffnet und den Mund. Die lange Zeit der Sprachlosigkeit ist vorbei. Auch wenn es noch lange dauern wird, auch wenn Zacharias es selbst gar nicht mehr erleben wird: An diesem Tag weiß Zacharias: Gott selber wird kommen. Klein und unscheinbar wird er kommen, in einem winzigen, neugeborenen Kind. Und rein äußerlich wird nichts, wirklich gar nichts dafürsprechen, dass dieses Kind Gottes Sohn ist. Denn dieses Kind wird kein Kind aus gutem Hause sein, so wie Johannes der Täufer, der Sohn von Zacharias, dem Priester am Tempel in Jerusalem. Dieses Kind wird in einem elenden Stall geboren werden, irgendwo unterwegs, unter katastrophalen Bedingungen. Und doch ist gerade dieses Kind Jesus Christus, Gottes Sohn, das Licht, das die Dunkelheit vertreibt, auch an den dunkelsten Tagen des Jahres.
Denn Gott hat seine Menschen nicht vergessen. Auch nicht nach neun Monaten Pandemie. Auch nicht, wenn wir Weihnachten nicht so feiern können, wie wir es gewohnt sind. Weihnachten findet statt. Wir müssen nicht verstummen und sprachlos bleiben. In unseren Herzen und in unseren Häusern dürfen wir singen: Vom Licht, das die Dunkelheit vertreibt. Von Gott, der in einem kleinen Kind zu uns kommt und die dunklen Schatten von unserer Seele nimmt. Vom Kind in der Krippe, das unser Leben hell macht, auch in schwierigen Zeiten. Gott gebe uns seinen Heiligen Geist, der uns die Herzen und den Mund öffnet, dass wir uns auf Weihnachten freuen können. Denn an Weihnachten kommt Gott uns besuchen. Gott kommt an Weihnachten, egal wieviel Besuch wir sonst noch empfangen dürfen an diesem Festtag: „Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“
Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer
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2. Advent

Predigt zum 2. Advent, 6. Dezember 2020

Jakobus 5, 7+8: So seid nun geduldig, Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.

Liebe Mitchristen!

Es ist Winter. Dick und weiß liegt der Schnee auf Wiesen, Wäldern und Feldern. Die Natur schläft unter dieser weißen Decke. Das Wachsen, das Blühen und das Früchte Bringen hat jetzt Pause. Ein paar einzelne Äpfel hängen noch am Apfelbaum. Neue Äpfel gibt es erst wieder nächstes Jahr. Auf die neue Ernte muss man warten. Die Jahreszeiten müssen erst darübergehen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. „Der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und den Spätregen.“ So beschreibt unser Predigttext aus dem Jakobusbrief dieses jahreszeitliche Warten. Und er vergleicht es mit dem Warten auf das Kommen unseres Herrn Jesus. Auf ihn warten wir im Advent. Warten auf Weihnachten. Was kommt, muss erst wachsen. Wir brauchen Geduld dazu. Noch liegt eine dichte Schneedecke auf unseren Herzen. Wird es uns an Weihnachten wirklich warm ums Herz werden? Werden wir es spüren und erleben dürfen, was die Engel uns verkünden: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren?“ „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit.“ Werden wir wirklich von Herzen einstimmen können in dieses Lied – auch wenn wir den Heiligabendgottesdienst oben bei der Skihütte beim Steighof feiern werden statt hier in der Kirche? Auch wenn wir „O du fröhliche“ nur dort im Freien miteinander singen werden, auf Abstand, mit Mundschutz und Voranmeldung?

Vielleicht können wir die Antwort auf diese Fragen heute noch nicht geben. Wir sind eben noch in der Wartezeit auf Weihnachten. Es ist erst der zweite Advent. „So seid nun geduldig, Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn.“ Wir brauchen Geduld im Advent – und ganz besonders in dieser Adventszeit, in der vieles so anders ist als sonst. Geduld brauchen wir – Geduld mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen. Immer wieder reißt uns ja auch der Geduldsfaden. Gerade jetzt, in dieser langen Krise, wünschten wir uns so sehr, dass das Warten ein Ende hätte und diese heimtückische Pandemie endlich soweit eingedämmt wäre, dass wir wieder unser normales Leben leben könnten. Die Ungeduld treibt die Menschen auf die Straßen und in die Arme von fragwürdigen Protestbewegungen. Die Ungeduld lässt Menschen unvernünftig werden, so dass sie sich und andere dem Risiko einer Ansteckung aussetzen. Die Ungeduld bringt Menschen dazu, sich resigniert und frustriert zurückzuziehen. Die Ungeduld ist ein schlechter Ratgeber. Unser Predigttext gibt uns einen anderen Rat: „Seid geduldig.“ Manche Dinge lassen sich eben nicht beschleunigen. Das gilt für das Zurückdrängen einer Pandemie genauso wie für das Wachsen und Werden in der Natur.

Noch ist nicht Erntezeit. Noch ist Winter. Die Natur hat sich zurückgezogen unter eine weiße Schneedecke. So wie oben bei der Skihütte am Steighof. Am Freitag waren wir dort, um vor Ort zu überlegen, wie wir den Heiligabendgottesdienst feiern können. Kalt war es, aber auch wunderschön in der weiten, weißen Landschaft. So wie in dem Lied „Leise rieselt der Schnee.“ Ein Lied, dass die Weihnachtsvorfreude beschreibt. „Still und starr ruht der See.“ Aber trotz aller äußeren Kälte einer frostigen Winterlandschaft, die da beschrieben wird, heißt es in dem Lied weiter: „In den Herzen wird’s warm, still schweigt Kummer und Harm, Sorge des Lebens verhallt, freue dich, s‘ Christkind kommt bald.“

Das Lied erinnert mich daran: Ob es uns an Weihnachten wirklich warm ums Herz wird, das ist keine Frage der Außentemperatur. Auch dann nicht, wenn wir den Weihnachtsgottesdienst notgedrungen im Freien feiern, um uns und unsere Mitmenschen vor Ansteckung zu schützen. In den Herzen kann es trotzdem warm werden. Denn Gott kommt zur Welt und wird Mensch. Er kommt zu uns, auch und gerade in diesem Jahr, wo wir Weihnachten so anders feiern werden als sonst. Das ist die wahre Weihnachtsfreude: Gott lässt uns nicht im Stich. Er ist für uns da, unser Heiland, unser Erlöser. Bereiten wir uns vor auf dieses große Fest, auf das Kommen unseres Herrn Jesus Christus.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

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1. Advent

 

Predigt zum 1. Advent, 29. November 2020

Sacharja 9,9-10: Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Liebe Mitchristen!

Wir feiern heute den 1. Advent. Mit dem Advent beginnt in unserer Kirche das neue Jahr. Ein neues Kirchenjahr. Alles ist wieder auf Anfang eingestellt. Neuanfang. Das wünsche ich mir nach dem schwierigen Jahr, das hinter uns liegt mit dem Lockdown im Frühjahr. Neuanfang, das wünsche ich mir, gerade jetzt, wo wir mitten in der zweiten Infektionswelle sind, und bis so viele Menschen geimpft sind, dass das Corona-Virus keine Gefahr mehr für uns darstellt, ist es noch ein weiter Weg. Neuanfang. In der Kirche beginnt das neue Jahr ganz leise, nicht mit Feuerwerk und lauten Böllern, wie wir es von Silvester gewohnt sind. Das neue Kirchenjahr beginnt mit dem flackernden Licht einer einzigen Kerze. Dieses eine Licht am Adventskranz ist noch schwach. Aber es brennt. Es leuchtet, still und beharrlich.

Etwas Neues beginnt. Noch können wir es nicht ganz erkennen. Noch sind unsere Gesichter hinter Masken verborgen, noch singen wir die Adventslieder nur in unserem Herzen mit, und nicht mit unserem Mund. So sind wir heute versammelt im Schein der 1. Adventskerze. So hören wir heute die Botschaft: Jesus wird kommen. Er wird den Frieden bringen. Dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. Wörtlich heißt das: Einer, der Hilfe erfahren hat. Das stimmt mich nachdenklich. Ich denke an die Menschen, die in helfenden Berufen tätig sind: Menschen, die in unseren Krankenhäusern und Altenheimen ihren Dienst tun, auch heute am 1. Advent, sonntags wie werktags. Wir brauchen sie, in der jetzigen Situation mehr denn je. In der Krise haben wir ihnen Beifall geklatscht. Und wir wissen alle, dass das, was sie leisten, oft mehr ist als ein Mensch ertragen kann, und das bei geringer Bezahlung. Nicht nur Helfer sein zu müssen, sondern auch einer, der Hilfe erfahren hat. Dürfen diese Menschen das erleben?

Nur als einer, der selbst auch Hilfe erfahren hat, kann Jesus anderen helfen. Jesus hat Hilfe erfahren. Hilfe von oben. Hilfe von Gott. So kann er souverän sein: Gottes König. Er hat es nicht nötig, in der Luxuskarosse zu kommen. Er braucht keine Pauken und Trompeten. Er muss keine Soldaten einbestellen, die auf Kommando am Straßenrand salutieren. Stattdessen winken zerlumpte Menschen spontan mit Palmzweigen.

Abstand in der Länge eines Palmzweigs müssen wir heute halten, um unsere Mitmenschen zu schützen. Damit ihnen geholfen werden kann. Damit wir alle Hilfe erfahren dürfen im neuen Kirchenjahr, das heute beginnt. Gottes Hilfe kommt. Gottes König ist für uns da – Jesus Christus. Auch wenn das neue Kirchenjahr heute erst ganz klein und unscheinbar anfängt, mit der 1. Kerze am Adventskranz.

So klein und unscheinbar wie Gottes König, der sich einen Esel ausgesucht hat als Reittier. Von dem Esel wollte ich Ihnen gerne ein Bild zeigen in dieser Predigt. Von unserem Technik-Team bekam ich dazu die Rückmeldung: Das Bild ist zu klein, um es mit dem Beamer an die Wand zu werfen. Ein kleines, ein unscheinbares Bild. Nur ein Esel ist darauf zu sehen, sonst nichts. Das Bild ist stark verpixelt, die Bildqualität könnte wirklich besser sein. Aber gerade dieses kleine und schlichte Bild passt heute.

So klein und unscheinbar der Esel auch ist, er hat doch eine tragende Rolle. Gottes König trägt er zu uns. Er kommt auf einem Esel, dem Reittier der armen Leute. In den verwinkelten Gassen Jerusalems wäre auch kein Platz für jemanden, der auf dem hohen Ross sitzt. Auch nicht in unserer krisengebeutelten Zeit. Da brauchen wir auch jemanden, der bei uns da unten ist. Nicht jemanden, der von oben herab zu uns spricht.

Jesus kommt zu uns auf einem Esel. Ein Esel kennt die Krippe seines Herrn, lesen wir in der Bibel. Und wer von oben auf den Esel sieht, der entdeckt ein Kreuz, den Aalstrich: ein schwarzer Streifen vom Eselshals an fast über den ganzen Rücken – dazu ein zweiter schwarzer Strich, von einem Vorderbein zum anderen. Dieser zweite schwarze Strich kreuzt sich mit dem ersten. Jesus kommt zu uns auf einem Esel. Von der Krippe bis zum Kreuz führt sein Weg. Für uns ist er diesen Weg gegangen: Jesus, das Licht der Welt. Sein Hoffnungslicht scheint auch in unsere Dunkelheit, auch in diese Adventszeit, die in diesem Jahr stiller ist als sonst. Jesus bringt uns den Frieden. Alles wird gut, das ist sein Versprechen.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

 

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Ewigkeitssonntag

Predigt zum Ewigkeitssonntag, 22. November 2020

Offenbarung 21, 1-7: Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.

Liebe Mitchristen!

Es ist Herbst. Die Blätter fallen, die Bäume werden kahl. Das Grün des Sommers und die Farben der Blumen sind nur noch Erinnerung. Wenn wir Abschied nehmen müssen von einem geliebten Menschen, dann fühlt sich das an wie Herbst. Was war, ist nicht mehr. Der Klang der vertrauten Stimme, das gemeinsame Lachen, die Gespräche, die Nähe. „Der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr“, sagt das Bibelwort aus Apokalypse 21.

Apokalypse. Weltuntergang. Mit jedem Menschen, der stirbt, geht eine eigene Welt unter. Die Blätter, die von den Bäumen fallen, kommen nicht wieder zurück. Auf dem Herbstbild, das ich mitgebracht habe, ist ein Zaun im Vordergrund. Da ist eine Grenze, die wir nicht überwinden können. Sie haben diese Grenze erlebt, als sie Abschied nehmen mussten von Ihren Angehörigen. Corona war so eine Grenze. Wie ein unsichtbarer Zaun um das Krankenhaus und das Altenheim herum, und sie konnten nicht hinein zu Ihren Angehörigen, konnten nicht Abschied nehmen. Der Tod ist so eine Grenze, wie ein Zaun, der uns trennt von unseren Lieben. Sie sind jetzt dort auf der anderen Seite des Zaunes, und wir bleiben hier zurück auf dieser Seite. Zwischen Diesseits und Jenseits ist ein Zaun, für uns Menschen unüberwindlich.

Am Zaun hängt ein Blatt und leuchtet in sonnigem Goldgelb, in der Farbe des Sommers. „Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst.“ Gott macht alles neu. Er stillt unseren Durst nach Leben, nach Farben, nach Berührungen und Wärme. Das goldgelbe Blatt am Zaun erinnert mich daran. Wie ein Blatt im Wind, so zerbrechlich und verletzlich ist Gott selbst geworden. Ein Blatt, das hängen bleibt am Zaun, an der Grenze zwischen Diesseits und Jenseits. Jesus Christus hängt am Kreuz und stirbt. Sein Leben ist zu Ende, wie bei dem Herbstblatt, das vom Baum gefallen ist. Und doch ist es Gott selbst, der da am Kreuz sein Leben gibt für uns. Golden erstrahlt das Herbstblatt vor dem ewigen Blau des Himmels. Gott ist für uns da. Sein Himmel steht uns offen. Gold und Blau. Beides ist untrennbar verbunden. Der Zaun dazwischen spielt keine Rolle mehr. Die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits ist überwunden. Jesus Christus ist auferstanden von den Toten.

Apokalypse. Weltuntergang. Mit jedem Menschen, der stirbt, geht eine eigene Welt unter. Die biblische Apokalypse weist über diesen Weltuntergang hinaus. Nach dem Tod geht es weiter. Gott schafft eine neue Welt. Für uns und für unsere Lieben, die durch den Tod von uns getrennt wurden. Dann werden wir wieder vereint sein, alle beieinander, und Gott wird uns allen so nahe sein wie der Freund im Nachbarhaus. Dann ist der graue Zaun, der uns trennt, endgültig von der Bildfläche verschwunden. Dann verschwindet das dunkle Grau von Trauer und Schmerz, und keine Tränen verschleiern mehr unseren Blick. Dann ist alles in Gottes goldenes Licht getaucht, im ewigen Blau seines Himmels, der uns offen steht. So wie es uns in Apokalypse 21 versprochen ist:

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen; und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer

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Predigt am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr 15.11.2020


Predigt über Lukas 16,1-9 am Vorletzten Sonntag im Kirchenjahr, den 15.11.2020 in Wehingen 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde,

wir sind uns wohl einig:  Dieses Gleichnis vom untreuen Verwalter ist am Schluss nicht leicht zu verstehen. Hatten wir nicht schon von genügend anderen Korruptionsskandalen gehört? Kann es sein, dass unser Herr uns
heute Morgen einen solchen Fall als leuchtendes Vorbild vor Augen malt? Wir Christen wollen doch gerade nicht so sein!

Jedoch, liebe Gemeinde, es macht Jesus hier und an
anderen Stellen überhaupt nichts aus, uns auch an einem solchen Spitzbuben wie diesem Haushalter eine göttliche Wahrheit zu zeigen. Wer meint, dass Jesus nur Leute mit Heiligenschein malt, – wer nicht weiß, dass bei ihm auch Betrüger Modell stehen müssen, um seine Wahrheit zu sagen, der hat nichts verstanden von seiner Botschaft. 

Untreu war der Verwalter, niemand will das beschönigen. Von einem guten Verwalter wird erwartet, dass er treu erfunden wird, dass die Kasse stets stimmt, bis auf den letzten Cent.  
So war’s hier leider nicht. Der Herr bringt und nimmt die Bücher, macht Kassensturz und jagt den Betrüger mit Schimpf und Schande davon. Die Anschuldigungen stimmen! Der Verwalter fragt sich nun: »Wovon lebe ich dann?  Soll ich mich als Grabe–Arbeiter verdingen? Das schaffe ich nicht. Soll ich betteln gehen? Dafür schäme ich mich, das geht auch nicht.« Er sagt: »Ich muss mir Freunde verschaffen, damit sie mich nachher aufnehmen.« So lässt er die Schuldner seines Herrn kommen und stellt ihnen ermäßigte Schuldscheine aus. Erhebliche Summen gehen dem Herrn verloren. Aber das soll dem Gefeuerten später zugute kommen. 

Ein gewiefter Bursche: Er treibt seine Untreue auf die Spitze, macht sich neuen Betrugs und der Urkundenfälschung schuldig. Und der Herr lobt ausgerechnet ihn! Wofür? Nicht für sein böses Tun. Nicht für sein verwerfliches Handeln. Nicht für seinen Betrug davor und danach. Nein. Jesus redet ja vom bösen, betrügerischen Verwalter. 
Was wird dann gelobt? 
»Dass er klug gehandelt hatte.« Betrug bleibt Betrug und ist durch nichts zu entschuldigen. Einzig und allein seine Klugheit wird hier gelobt. Das zeigt der (letzte) Satz: »Die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.« In Punkto Klugheit könnt ihr also von den Kindern dieser Welt sogar noch eine Menge lernen – für euren Glauben, für eure Nachfolge. Es geht also jetzt um die Klugheit dieses Mannes. Von ihr sollen wir heute lernen. Wann also sind wir klug? 

1. Wir sind klug, wenn wir unsere Lage erkennen

Dieser Mann hat seine Entlassungspapiere praktisch schon in den Händen, die Quittung für unsauberes Herumwirtschaften, den blauen Brief. Beobachter konnten dem Treiben nicht länger zusehen und hatten ihn angezeigt wegen Veruntreuung. Unser Verwalter weiß: »Dieser blaue Brief ist ernst zu nehmen. Was mein Chef schreibt, das meint er auch so.« Er sagt nicht: »Es wird schon nicht so schlimm werden.«  Oder: »Mein Chef wird schon ein oder zwei Augen zudrücken.«  Oder: »Er wird sich erinnern wie viel ich früher geleistet habe.«  Der Verwalter ist sich bewusst:  »Bei meiner Rechenschaft bin ich verloren.  Alles wird offenbar, aufgedeckt, ich kann nichts vertuschen oder entschuldigen.« 

Und das, liebe Gemeinde, ist unsere Lage, Ihre Lage, meine Lage. Wir müssen Rechenschaft geben. »Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.« So haben wir vorhin den Wochenspruch für die neue Woche gehört.
Es ist interessant, wie verschieden die Menschen darauf reagieren: »Ich bin schon recht, mir kann niemand was nachsagen.« Oder: »So schlimm wird´s schon nicht werden.« Oder: »Die anderen sind auch nicht besser«, »Oder: Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind« – aber mit solchen Sätzen verkennen Menschen ihre Lage. 
Die Bibel sagt: »Das Dichten und Trachten des Menschen ist böse von Jugend auf.« Und wir sagen: »Ach was, in jedem ist irgendwo noch ein guter Kern.« 
Die Bibel sagt: »Der Tag der Rechenschaft kommt.«
Und wir sagen: »Ach, das ist doch alles ein Warten auf den St. Nimmerleinstag.«
Nach Lage der Dinge und Sicht der Bibel kann ich nicht bestehen mit meinem gelebten Leben vor Gott. Das ist meine Lage.  »Es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben.«  »Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen« (Röm 3, 23). 

Der Verwalter hat diese seine Lage erkannt und nicht schöngeredet. Er lügt sich nicht in die Tasche, sondern
ist ehrlich sich selbst gegenüber, gesteht sich seine Lage ein wie der eine Schächer zur Rechten des gekreuzigten
Jesus. Der bekannte im Sterben: »Wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.« Eine solche Haltung, in der die eigene verlorene Lage erkannt wird, nennt Jesus klug. Und das ist der erste Schritt zu einer heilsamen Wende. 
Wir sind klug, wenn wir unsere Lage erkennen. 

2. Wir sind klug, wenn wir die rechte Vorsorge treffen. 

Nicht nur, dass er seine Lage erkennt, wird gelobt, sondern auch, dass er die rechte Vorsorge trifft.  Er sagt sich: »Selbsthilfe genügt nicht. Ich bin auch kein Münchhausen, der sich an der eigenen Krawatte aus diesem Schlamassel ziehen könnte.«   
Und da kommt ihm ein rettender Gedanke, die zündende Idee, nämlich: Einfach die Pächter seines Chefs zu sich zu bitten. Damals hat man ja noch die Pacht nicht in Hartgeld, sondern in Naturalien bezahlt, in Öl und
Weizen und Gerste. 
Und dann kommen diese Leute und er bewilligt ihnen großartige begünstigte Verträge.  Es geht um Tausende von Zentnern Weizen und um viele Hektoliter Öl. 
Er sagt: »Wenn ich ihnen so viel gebe, dann werden die doch in der Zukunft für mich sorgen.« 

Liebe Gemeinde, gewiss ist das eine ganz krumme Tour! Wir wollen nicht durch noch so schöne Worte diese krumme Tour geradebiegen. Keiner soll den Betrug bei diesem Schlauberger nachmachen. Aber das ist seine Klugheit, dass er angesichts seiner Lebenslage die rechte Vorsorge trifft durch eine Hilfe, die nicht in ihm, sondern außerhalb seiner selbst liegt.

Und ich frage: Sind Sie auch so klug? Sind Sie auch daran, Vorsorge zu treffen jenseits Ihrer Kräfte? 
Bei einem alten Ausleger fand ich folgenden Kommentar: »Was der Haushalter tat? Er versorgte sich nicht aus seinen, sondern aus seines HERRN Gütern. Das tue du auch! In dir findest du nichts, was dir nütze ist zur Seligkeit. Doch du findest in Christus Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit vor Gott, Leben und Seligkeit. Hier raube, was du rauben willst.« 
Das meint Christus mit Klugheit: An ihn glauben, sich versorgen und beschenken lassen, reich werden »aus des HERRN Gütern«, reich werden durch den, der arm wurde für uns, damit wir »durch seine Armut reich würden«
(2. Kor 8, 9).

Der Mann im Gleichnis hat sich durch die Güter seines Herrn Freunde gemacht, um für ein Leben nach der peinlichen Rechenschaft zu sorgen. 

Was heißt das übertragen auf uns? Wir denken vom
Wochenspruch her an die Rechenschaft in der Ewigkeit: Da helfen uns keine Freunde. Nein, da steht jeder für sich allein und Freunde helfen nicht. Aber ein Freund kann helfen, nur ein einziger Freund! Dieser Freund heißt
Jesus Christus, Gottes menschgewordener Sohn. Im alten Gesangbuch steht das schöne Lied »Der beste Freund ist in dem Himmel«. Darin heißt es:
Die Menschen sind wie eine Wiege,
mein Jesus stehet felsenfest.
Und ob ich gleich darniederliege,
doch seine Treu mich nicht verlässt.
Drum hab ich’s immer so gemeint:
Mein Jesus ist der beste Freund.

Er ließ sich selber für mich töten,
es floss für mich sein teures Blut.
Er steht mir bei in allen Nöten
und spricht für meine Sache gut.
Drum hab ich’s immer so gemeint:
Mein Jesus ist der beste Freund.

Für uns selbst sind wir verlorene Leute. Aber mit ihm, in ihm, durch ihn werden unsere Veruntreuungen annulliert. Im Glauben an ihn weiß ich Gott selbst auf meiner Seite, er selbst nimmt mich an, er selbst nimmt mich auf.
Wir sind klug, wenn wir die rechte Vorsorge treffen.

3.Wir sind klug, wenn wir keine Zeit verlieren. 

Der böse Verwalter bedenkt das Ende. Er handelt unverzüglich, hat keine Zeit zu verlieren, er sagt: »… Schreibe flugs … schreibe flugs.«  Er sagt nicht: »Kommt Zeit, kommt Rat.« Er sucht nicht die lange Bank, auf die er diese Entlassungsakte hinschiebt. Er sagt sich auch nicht: »Ach was, dazu hat’s doch noch später Zeit. Wenn ich alt werde, dann werde ich fromm und dann kann ich immer noch beten, zur Kirche gehen und mein Haus bestellen.«  So sagt er nicht. Er weiß: »Morgen könnte es zu spät sein.« Darum sagt er: »Schreibe flugs!« 

Wissen wir, wie viel Zeit wir noch haben? Der Teufel sagt »Morgen, morgen, nur nicht heute«, aber Gott sagt »Heute«. Auf der langen Bank fängt der Teufel die meisten Leute. Diese Wahrheit ist in einer alten mittelalterlichen Legende enthalten.
An einem Königshof lebte ein Hofnarr. Eines Tages schenkte dieser König dem Narren einen goldenen Stab mit einer einzigen Auflage: Diesen Stab dem weiter zu schenken, der närrischer sei als der Narr. 
Eines Tages wurde der König sterbenskrank und legte sich auf sein Bett. 
Da erschien der Hofnarr zu Besuch und sagte: »Herr König, ich höre, Sie wollen eine große Reise antreten.« Der König kurz: »Ja, ich will nicht, aber ich muss…Von dieser Reise kommt überhaupt niemand zurück.« 
Der Narr: »Ja, Herr König, dann haben Sie sicher Quartiermacher vorausgeschickt, die Ihnen Wohnung besorgen?« – »Zu dem bin ich in meinem Leben nicht gekommen.« – »Ja«, sagte der Narr,« haben Sie nicht gewusst, dass Sie diese Reise antreten werden?« 
»Doch«, sagte der König, »das wusste ich von Kind auf.« Da öffnete der Narr seine Jacke, holte den goldenen Stab hervor und legte ihn dem König auf die Decke und sprach: »Wenn’s so ist, König, wenn’s so ist, dann gehört der Stab Dir!«

Liebe Gemeinde, klug sind wir, wenn wir keine Zeit verlieren, sondern beten: »Herr, lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, auf dass ich klug werde.« 

Wann sind wir klug?  
Drei Antworten gibt unsere Geschichte: 

Wir sind recht klug, wenn wir die Lage erkennen, 
wenn wir die rechte Vorsorge treffen, 
wenn wir keine Zeit verlieren.   Amen.
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Gedanken zum Sonntag

Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr

 

Predigt zum Sonntag, 8. November 2020

 

Paulus schreibt in 1. Thessalonicher 5, 1-6: Von den Zeiten aber und Stunden, Brüder und Schwestern, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen:

„Friede und Sicherheit“, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen. Ihr aber seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.

 

Liebe Mitchristen!

 

vor ein paar Jahren waren wir im Urlaub in Spanien am Meer. Urlaub, das bedeutet bei uns meistens: Ausschlafen und den Tag spät beginnen. Aber für einen dieser Urlaubstage hatten wir uns etwas Anderes vorgenommen. Wir wollten früh aufstehen und den Sonnenaufgang am Meer erleben. Verschlafen machten wir uns am frühen Morgen auf den Weg. Kaum ein Mensch war um diese Zeit unterwegs. Grau lag der Strand und das Meer in der Morgendämmerung. Aber am Horizont, weit draußen im Meer, da zeigt sich schon ein Silberstreif. Bald ist es so weit. Die Sonne geht auf. Erst dringen nur wenige Sonnenstrahlen zu uns durch. Dann kommt die Sonne hinter dem Horizont hervor. Und sie taucht alles in ein goldenes Licht: Himmel und Erde, Meer und Strand. Ein unbeschreibliches und unvergessliches Erlebnis. Wach sein, nicht der Bequemlichkeit und der Müdigkeit nachgeben und schlafen wie die anderen. Darum geht es auch in unserem heutigen Predigttext. „So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein“, heißt es da. Wenn wir an diesem Tag so lange geschlafen hätten wie an den anderen Urlaubstagen, dann hätten wir dieses Erlebnis nie gehabt: in das goldene Licht der aufgehenden Sonne getaucht zu sein an diesem wunderbaren Sommermorgen am Meer.

 

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht mit diesem Bild und dieser Erzählung von meinem vergangenen Urlaubserlebnis. Können Sie sich da hineinversetzen? Oder ärgert es Sie einfach nur, dass ich hier über vergangene Urlaubserlebnisse an sonnigen Küsten rede, jetzt in diesem Jahr, wo man im Sommer den Mittelmeerurlaub absagen musste und den Urlaub stattdessen im verregneten Norddeutschland verbracht hat. Und inzwischen kann man nicht einmal mehr innerhalb von Deutschland ein Urlaubshotel buchen.

 

Friede und Sicherheit, ein Leben im sonnigen Licht eines Urlaubsstrandes, das wünschen wir uns so sehr in diesen Zeiten, in dieser Pandemie, die unser Leben durcheinandergeworfen hat. Und mancher ist dafür auch bereit, sich in der falschen Sicherheit zu wiegen, dass diese Maßnahmen, die jetzt zur Eindämmung dieser Pandemie getroffen werden, übertrieben sind und wir doch einfach unser normales Leben weiterleben könnten. „Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen.“ Das sind harte Worte, die unser Predigttext uns hier mit auf den Weg gibt. Wir sollen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Wir sollen nicht so tun, als ob Frieden wäre und alles gut, und in Wirklichkeit ist es gar nicht so. Wir sollen nicht wegschauen und die Augen verschließen vor den Problemen. Wach sollen wir sein und nüchtern. Wach sein, das bedeutet: Der Krise ins Auge schauen und mit dem Ende rechnen. Mit dem Ende unseres vertrauten Lebensstils, mit dem Ende unseres eigenen Lebens, mit dem möglichen Ende der Menschheit.

 

Vielleicht kann uns die Corona-Krise hier wachrütteln. Sie zeigt uns, wie verletzlich wir sind, wie wenig selbstverständlich es ist, dass sich unser Lebensstil auf diesem hohen Niveau bewegt, an das wir uns gewöhnt haben. Ein Niveau, von dem wir alle wissen, dass es unserer Erde zu viel abverlangt, mehr als sie tragen kann. Wir verbrauchen Ressourcen, die wir nicht haben und leben auf Kosten der kommenden Generationen. Werden wir es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten schaffen, unser Leben so zu gestalten, dass die Erde auch für unsere Kinder und Enkel ein bewohnbarer Planet bleibt? Verschließen wir nicht die Augen vor diesem Problem. Bleiben wir wach, bleiben wir nüchtern. Lassen wir uns nicht einlullen und in falscher Sicherheit wiegen, als ob alles in bester Ordnung wäre. Die Fridays for Future Bewegung will uns hier wachrütteln, und mit Recht. Gott hat uns diese Erde anvertraut. Es ist unsere Verantwortung, wie wir mit ihr umgehen.

 

„Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht“, sagt Paulus in unserem Predigttext. Das klingt beunruhigend und verstörend. Kann ich da nachts überhaupt noch ruhig schlafen, wenn ich das ernst nehme? Müssen mir nicht die Sorgen den Schlaf rauben, die ganz persönlichen Ängste, Nöte und Einsamkeiten jetzt in der Corona-Pandemie genauso wie die globale Sorge über die Klimaerwärmung mit all ihren Folgen: Dürre, Hunger, Flucht und Kriege?

 

Paulus erinnert uns daran: „Ihr alle seid Kinder des Lichts und des Tages.“ Auch wenn ich wach und nüchtern die Probleme in der Welt und in meinem Leben in Angriff nehmen soll –die Sorgen darüber sollen mir nicht komplett den Schlaf rauben. Im Licht von Jesus Christus kann ich all das Schwere und Belastende ertragen und immer wieder neue Perspektiven und Lösungsansätze entdecken. Denn Jesus Christus ist für mich gestorben und auferstanden. Deswegen bin ich ein Kind des Lichts, und die Dunkelheit kann mich nicht schrecken – trotz allen ungelösten Problemen, Sorgen und Belastungen. Auch wenn immer wieder das Böse und der Tod seine Macht in unserer Welt zeigt, so wie jetzt in Form eines kleinen Virus. Das alles wird nicht das letzte Wort haben, sondern Jesus Christus. Sein Tag wird kommen und den Grauschleier von unserer Seele nehmen. So wie die Sonne die Dunkelheit durchbricht an einem Sommermorgen am Meer, und die grauen Sandkörner funkeln lässt wie Gold.

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer              

 

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Gedanken zum Sonntag

Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis, 01. November 2020

 
Einspielen „By the rivers of Babylon..“

 

Liebe Gemeinde,

 

Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen an diesen Song, der in den 1980er Jahren wochenlang auf Platz 1 in den  Charts war.  Der Text dieses Songs ist der Anfang von Psalm 137.
„An den Flüssen Babylons saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.
Doch die Feinde,  die uns verschleppt hatten aus der Heimat, verlangten von uns auch noch Jubellieder.
Wie könnten wir Lieder zur Ehre Gottes singen im fremden Land?“
Es ist der Klagepsalm der Israeliten, die 597 v. C. von der feindlichen Großmacht der Babylonier  aus Jerusalem verschleppt wurden. Sie wurden zwangsumgesiedelt und zum Leben in der Fremde gezwungen. Und nun sitzen sie da – am Euphrat und am Tigris -… und weinen. Voller Sehnsucht nach der Heimat, dem Gelobten Land, der goldenen Stadt Jerusalem mit dem Berg Zion. Sie trauern der guten alten Zeit nach. Sie vermissen ihre Heimat, ihr Heiligtum, ihren Tempel. Ja, wenn sie wieder in der Heimat wären, dann könnten sie Lieder singen und beten. Und lachen und leben. Aber doch nicht hier, in Babylon, in der Fremde, im Feindesland!

 

Und dann kommt ein Brief aus der Heimat, aus Jerusalem. Jeremia hat ihn geschrieben. Ich lese unseren heutigen Predigttext aus Jer. 29, 1-14

 

Liebe Gemeinde,
wie gut, wenn es in einer schwierigen Situation ein Zeichen der Anteilnahme gibt, wenn deutlich wird, dass jemand an einen denkt. 
Gott denkt an die Israeliten, das macht der Brief Jeremias deutlich. Auch wenn sie sich immer wieder von ihm abgewandt haben, so ist es ihm nicht egal, wie es ihnen geht. 
Die Israeliten haben sich sicher über Post aus Jerusalem gefreut. Aber was sie dann lesen mussten dürfte sie überrascht haben.  Sie hatten so sehr gehofft, bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Und was lesen sie da: „Baut Häuser, pflanzt Gärten, nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter,… mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet….“ Kurz gesagt: Richtet euch auf einen längeren Aufenthalt ein.
Akzeptiert eure gegenwärtige Situation und macht das Beste daraus. Trauert nicht den alten Zeiten nach, sondern gestaltet die Gegenwart.Setzt euch da, wo ihr jetzt wohnt, dafür ein, dass man dort gut leben kann. Integriert euch zum Wohle der Stadt. Und v.a. betet für sie, betet für sie zu eurem Gott, damit es ihr und somit auch euch gut geht.
Für die Israeliten, die meinten, Gott sei nur in Jerusalem zu finden und nur dort könne man zu ihm beten, ist das ein revolutionär neuer Gedanke. Gott ist doch da, auch in der Fremde, sogar in Babylon, in dieser vermeintlich so gottlosen Stadt.
Suchet der Stadt Bestes und betet für sie. Was könnte das für uns in Zeiten von Corona bedeuten?
Wir leben zwar nicht im Exil, aber doch in einer Art Gefangenschaft. Viele unter uns trauern auch um ihr altes Leben – ich tue es jedenfalls.
Ich halte die Regelungen zur Eindämmung der Pandemie für richtig und dennoch:
Mir fällt es sehr schwer, dass wir unsere Kinder und Enkel gerade nicht so häufig treffen können.
Mir fehlt das Singen in unserem Chor.
Ich fände es schön, wenn ich nicht dauernd überlegen müsste, ob ich jemanden treffen kann und v.a. würde ich sehr gerne wieder Gottesdienste ohne Mundschutz feiern, Gottesdienste, in denen ich keinen  Abstand halten muss und in denen ich wieder fröhlich singen kann.
Welchen Brief würde Gott uns heute schreiben?  Oder gilt dieser Brief des Jeremia auch uns heute?
Sicher gilt auch für uns: Suchet der Stadt Bestes und betet für sie!
Aber vielleicht auch:
Geht kreativ mit dieser Situation um.
Seid dankbar, dass ihr gesund seid.
Seid dankbar für die modernen Telekommunikationsmöglichkeiten, mit denen ihr Kontakt halten könnt.
Seid dankbar für Freunde, Nachbarn, Familienangehörige, die sich um euch kümmern.
Seid dankbar für ein leistungsfähiges Gesundheitswesen.
Vielleicht aber auch:
Überlegt mal, was gerade falsch läuft, in der Gesellschaft, in den Schulen, in der Wirtschaft aber auch in unseren Kirchengemeinden.
Die Kirchen mussten ja im Frühjahr viel Kritik einstecken: sie seien während der Pandemie abgetaucht, hätten alte Menschen in den Seniorenheimen und Sterbende allein gelassen.
Mich hat ein Artikel in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ vom 26. März sehr beeindruckt. Dort wurden die Namen der katholischen Priester abgedruckt, die in Norditalien gestorben sind, weil sie sich um  Menschen gekümmert haben, die mit Covid 19 infiziert waren – bis zu diesem Tag mehr als 50.

 

Julian Urban, 38, Arzt aus der Lombardei schreibt folgendes:
„Vor neun Tagen kam ein 75 Jahre alter Priester zu uns. Er war ein freundlicher Mann, hatte ernsthafte Atemprobleme, brachte aber eine Bibel mit. Es beeindruckte uns, dass er sie den anderen vorlas und den Sterbenden die Hand hielt.
Wir waren alle zu müde, entmutigt, psychisch und physisch fertig, um ihm zuzuhören. Jetzt aber müssen wir es zugeben: Wir Menschen sind an unsere Grenzen gekommen. Wir sind erschöpft, wir haben zwei Kollegen, die gestorben sind, andere von uns wurden infiziert. Wir müssen erkennen, dass wir Gott brauchen. Wir bitten ihn nun um Hilfe, wenn wir ein paar freie Minuten haben. Wir reden miteinander und können es noch nicht glauben, dass wir als Atheisten jetzt jeden Tag auf der Suche nach Frieden sind. Dass wir den Herrn bitten, uns zu helfen, uns Kraft zu schenken, damit wir uns um die Kranken kümmern können.
Gestern ist der 75-jährige Priester gestorben. Obwohl es in unserem Krankenhaus innerhalb von drei Wochen über 120 Todesfälle gab und wir alle erschöpft und verstört sind, hat es dieser Priester trotzdem geschafft, uns einen FRIEDEN zu bringen, den wir nicht mehr zu finden hofften.“
Suchet der Stadt Bestes … Dieser Priester hat dies sicherlich getan.

 

… und betet für sie:
Allein den Betern kann es noch gelingen
Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten,
so schrieb der Dichter Reinhold Schneider 1936 angesichts der immer brutaler auftretenden Nationalsozialisten.
Die Christen in der ehemaligen DDR haben dies beherzigt. Die Montagsgebete führten schließlich zum unblutigen Umsturz des damaligen DDR Regimes.
In Tuttlingen haben wir von unseren Pfarrern Ende März ein Corona – Abendgebet bekommen, in dem wir gezielt für alle, die unter dieser Situation leiden, beten können.
Vielleicht erinnern Sie sich auch an die Aktion „Deutschland betet gemeinsam“, an der sich Ende März ganz viele christliche Kirchen beteiligten, weil allen klar war, dass wir dringend auf Gottes Hilfe angewiesen sind.
Angesichts der steigenden Infektionszahlen überall auf der Welt, angesichts der Unsicherheiten in Bezug auf Medikamente und einen Impfstoff, gilt für mich weiterhin:
Lasst uns für die Politiker und Politikerinnen beten, dass sie weise Entscheidungen zum Wohle des Landes treffen,
Lasst uns  für das Krankenhauspersonal beten,
 Lasst uns für die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen beten, die an Impfstoffen und Medikamenten forschen.
Lasst uns für die Menschen beten, die an Covid 19 erkrankt sind und um ihr Leben ringen.
Wir sind nach wie vor dringend auf Gottes Hilfe angewiesen.
Im Frühjahr ging eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft  durch unser Land.  Das war sicher eine positive Begleiterscheinung dieser Pandemie. Ich würde mir solch eine Solidarität und Hilfsbereitschaft auch weiterhin wünschen. Sie wäre sicher im Sinne von „Suchet der Stadt Bestes“!

 

Was sagt Jeremias Brief uns sonst noch?
Ganz sicher gilt auch für uns:
„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, … Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass  ich euch gebe Zukunft und Hoffnung,“
Für ‚Frieden steht‘ im Urtext das Wort ‚Shalom‘.  Gott kündigt Shalom an:   Unversehrtheit und Heil. Nicht nur Befreiung von jedem Unheil und Unglück  sondern auch Gesundheit, Wohlfahrt, Sicherheit, Frieden und Ruhe, 
Selbst unter solch widrigen Umständen wie dem Exil leuchtet Gottes Liebe auf.
Ich denke, die Israeliten damals waren über die Aussicht, weitere 70 Jahre im Exil  leben zu müssen, nicht begeistert. Die wenigsten hatten die Aussicht, die so heiß ersehnte Heimkehr nach Jerusalem noch zu erleben.
Was bedeutet dann diese Zusage Gottes für die Exilanten damals?
Was bedeutet sie für uns heute?
Sie kennen sicher den Spruch „Es ist  besser ein Licht zu entzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen“.
Diese Zusage Gottes war solch ein Licht inmitten der Dunkelheit des Exils, sie gab Hoffnung und ermutigte zum Durchhalten. „Auch in der Fremde bin ich bei euch und möchte, dass es euch gut geht. Und ich verspreche euch, dass eure Leidenszeit ein Ende haben wird.“
Diese Zusage Gottes ist für mich auch solch ein Licht inmitten der Dunkelheiten unserer Zeit.
In der Welt gibt es Naturkatastrophen und von Menschen gemachte Katastrophen, aber Gott begleitet uns in solchen Katastrophen. Ich denke, wir können gerade in schwierigen Zeiten immer wieder Spuren der Liebe und Begleitung Gottes entdecken.
Und er gibt uns die Hoffnung, dass am Ende alles gut wird, dass auch diese Leidenszeit zu Ende gehen wird.
Als Christinnen und Christen glauben wir an den auferstandenen Jesus Christus, der den Tod besiegt hat.
Als Christinnen und Christen glauben wir an den auferstandenen Jesus Christus, der versprochen hat jeden Tag bei uns zu sein bis ans Ende der Zeit. 
Und als Christinnen und Christen glauben wir an eine Zukunft in der neuen Welt Gottes, in der endlich alle Tränen abgewischt sind und Not, Leid, Geschrei und der Tod ein Ende haben werden, an eine Zukunft, in der der Zustand des ‚Shalom‘ verwirklicht sein wird.
In einem Liedvers heißt es:
Du, Herr, heißt uns hoffen und gelassen vorwärts schau‘n.
Deine Zukunft steht uns offen, wenn wir dir fest vertrau‘n.
Amen!
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Gedanken zum Sonntag

Predigt zur Konfirmation am Sonntag, 25. Oktober 2020

Psalm 103,1-13: Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: Der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler. Der HERR schafft Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden. Er hat seine Wege Mose wissen lassen, die Kinder Israel sein Tun. Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. Er wird nicht für immer hadern noch ewig zornig bleiben. Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.

Liebe Mitchristen,

„Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.“ So heißt es in Psalm 103. Gott ist wie ein Vater. An vielen Stellen in der Bibel ist Gott so beschrieben. Ja, auch in dem Bibeltext, der in jedem christlichen Gottesdienst gemeinsam miteinander gesprochen wird, in dem Gebet, das Jesus Christus uns geschenkt hat. Dieses uns allen vertraute Gebet beginnt mit dem Wort Vater: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Keine Vorstellung von Gott ist uns vertrauter als die von Gott als Vater. 

Ist das also nicht einfach selbstverständlich, dass wir Gott so sehen? Gott unser Vater. Dieses Thema hat unser heutiger Konfirmationsgottesdienst. Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden habt ein Fragezeichen hinter dieses Thema gemacht. Gott – unser Vater? Ihr Jugendliche stellt Fragen, und das ist gut so. Fragen, die uns Erwachsene zum Nachdenken bringen. Auch über das, was uns längst selbstverständlich geworden ist. Auch über das, von dem wir denken, das kann oder sollte man nicht in Frage stellen: Gott – unser Vater? Wenn ihr hier euer Fragezeichen setzt, dann heißt das nicht, dass ihr Gott in Frage stellen wollt. Es ist das genaue Gegenteil davon. Ihr wollt Gott nicht in Frage stellen. Ihr wollt Gott ernstnehmen in seiner Größe und Unbegreiflichkeit. Ihr wollt uns daran erinnern, was auch in der Bibel steht: „Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott“ (2. Mose 20,4). 

Jede Vorstellung, die wir uns von Gott machen, ist so ein Bildnis. Auch die Vorstellung von Gott als Vater. Ihr habt Recht, wenn ihr sagt: Gott ist nicht einfach nur so wie ein Vater, und wenn ich das so akzeptiere, dann habe ich Gott verstanden. Damit werden wir Gott nicht gerecht, und den Menschen auch nicht – auch nicht den menschlichen Vätern. Gott ist doch Gott. Und ein Vater ist ein Vater. Mein Vater ist ein Mensch wie ich. Ein ganz besonderer Mensch, ein Mensch, der mir wichtig ist und dem ich viel verdanke. Aber lässt er sich wirklich mit Gott vergleichen? Gott, der Himmel und Erde ins Dasein gerufen hat, das ganze Universum mit seinen unendlichen Weiten? 

Gott ist mehr als ein Vater. Gott ist größer als alle Bilder, die wir uns von ihm machen. Und das gilt auch für dieses Bild, für die Vorstellung von Gott als Vater. Es ist nur eine Möglichkeit von vielen, wie wir uns Gott vorstellen und ihm näherkommen können. Die Bibel, die uns sagt: „Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott“ – sie kennt viele solcher Gottesbilder und Gottesvorstellungen. Wenn wir so wollen, ist sie ein ganzes Bilderbuch voller Bilder von Gott. Gott als Vater ist nur eines davon. Auch als Mutter können wir uns Gott zum Beispiel vorstellen. Im Buch des Propheten Jesaja lesen wir, wie Gott den Menschen verspricht: „Ich will euch trösten, wie einen eine Mutter tröstet“ (Jes. 66,13).

Die Bibel, ein ganzes Bilderbuch voller Gottesbilder und das Bibelwort: „Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott“. Das scheint auf den ersten Blick ein großer Widerspruch zu sein. Aber das ist es nicht, ganz im Gegenteil: Gerade weil die Bibel ein ganzes Bilderbuch voller Gottesvorstellungen ist, nur deswegen können wir dieses Gebot überhaupt einhalten: „Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott“. Nur in der Vielfalt der Bilder und Vorstellungen werden wir Gott in seiner Größe gerecht. Denn es hilft ja nichts, wenn wir uns gar keine Vorstellung von Gott machen. Wir sind Menschen. Wir brauchen Vorstellungen von Gott. Ja, Gott selbst will, dass wir uns Vorstellungen von ihm machen. Gott will nicht einfach nur groß und unbegreiflich für uns bleiben. Gott will für uns da sein. So wie ein Vater für seine Kinder da ist. So, wie ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden einen Vater beschrieben habt: Hilfsbereit und manchmal auch streng. Einer, der ist auch in schweren Zeiten für euch da ist. Einer, der für euch sorgt, einer, der euch so akzeptiert, wie ihr seid. 

Ich wünsche euch, dass ihr das in eurem Leben immer wieder erfahren dürft: Gott sorgt für mich und hilft mir. So wie ein guter Vater, so wie eine liebende Mutter. Gottes Segen begleitet mich durchs Leben – in allen Höhen und Tiefen, egal was kommt. Gott ist für mich da. In diesem Glauben wollen wir euch bestärken, heute am Tag eurer Konfirmation.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer


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Gedanken zum Sonntag

Predigt zum Konfirmanden-Abendmahlsgottesdienst am Samstag, 17. Oktober 2020

 
1. Könige 19, 4-8: Elia aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Ginster und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Liebe Mitchristen!

Manchmal geht es einfach nicht mehr weiter. Manchmal kann man einfach nicht mehr. Im Frühjahr musstet ihr, liebe Konfirmanden, eure Konfirmation auf Herbst verschieben, fast von einem Tag auf den anderen. Jetzt ist es Herbst. Jetzt feiern wir eure Konfirmation. Konfirmation unter ganz anderen Bedingungen als ihr euch das gewünscht hättet. Beim Konfi-Tag letzte Woche habt ihr eure Wünsche gesagt: Dass die Konfirmation wie geplant stattfindet, dass man feiern kann. Dass die ganze Familie in die Kirche gehen darf. Nicht alles davon ist möglich. Einigen Verwandten musstet ihr schon absagen für den Konfirmationsgottesdienst, weil wir auf Abstand sitzen müssen und dadurch weniger Plätze haben. Da kann man schon auch mal zu viel kriegen. Irgendwann reicht es auch mal. So wie bei Elia. 

„Es ist genug“, sagt Elia. „Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll.“ Er wollte, dass der Glaube an Gott wieder wird wie früher, dass wieder mehr Leute an Gott glauben. Als das nicht passiert, packt ihn zuerst die Wut und dann die Verzweiflung. Er geht in die Wüste und legt sich unter einen Busch. Dort schließt er die Augen und schläft ein, und wünscht sich dabei, nie wieder aufzuwachen. 

Elia ist so erschöpft, dass er es nicht aus eigener Kraft wieder auf die Beine schafft. Von selber kommt er nicht mehr hoch unter seinem Busch. Er schafft es nicht, diese Wüste zu verlassen. Er braucht Hilfe von außen. Es muss jemand kommen und ihn wachrütteln. Die Bibel sagt, dass es ein Engel Gottes war. Er bringt Elia Brot und einen Krug mit Wasser. „Steh auf und iss!“ sagt der Engel. 

Aber Elia schafft es immer noch nicht wieder auf die Beine. Er isst und trinkt zwar, was ihm gebracht wird, aber zu mehr ist er nicht fähig. Noch einmal muss der Engel zu ihm kommen und ihm zu Essen und zu Trinken bringen. Noch einmal muss er zu Elia sagen: „Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ Und Elia steht auf. Er isst und trinkt. Er schöpft neue Kraft. Er geht einen neuen Weg, den Weg zu dem Berg, an dem Mose vor langer Zeit die 10 Gebote von Gott bekommen hat. Kein leichter und bequemer Weg ist das. Es ist ein steiniger Weg, es ist ein langer Weg: 40 Tage und 40 Nächte lang. Aber Elia weiß: Er ist nicht allein auf diesem Weg. Gott ist bei ihm. Er gibt ihm die Kraft, die er braucht, um diesen Weg zu gehen.

 „Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor dir!“ Auch wir sind in der Konfirmandenzeit einen Weg miteinander gegangen – einen Weg, der anders war, als wir uns das alle vorgestellt hatten. Und wohin unsere Wege uns in Zukunft führen werden, wissen wir auch nicht wirklich. „Ich hoffe, dass mein Glaube an Gott noch stärker wird, dass ich nicht aufhöre zu glauben.“ Von meinem Glauben erhoffe ich mir: Mut und Zuversicht auch in schweren Zeiten – keine Gefühle von Einsamkeit.“ Das sind Gedanken von euch Konfirmanden, wie ihr sie am Konfi-Samstag letzte Woche gesagt habt. 

Ja, auch ihr habt einen weiten Weg vor euch – so wie Elia in unserer Geschichte. Vieles liegt wohl noch im Nebel, und wir wissen nichts darüber. Manches Wegstück scheint vielleicht recht steinig und mühsam zu sein, oder auch einfach nur weit. Sicher gibt es auch schöne und angenehme Wegstücke, die sich jetzt vielleicht schon abzeichnen.

„Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ Wir sind heute eingeladen, uns von Gott stärken zu lassen für den Weg der vor uns liegt. Brot und Traubensaft steht für uns bereit – das Brot des Lebens und der Kelch des Heils. Auch wenn es nur ein kleiner Bissen Brot ist und ein kleiner Schluck Traubensaft: Es reicht aus als Stärkung für den weiten Weg der vor uns liegt, denn es ist Jesus Christus selbst, der sich uns schenkt in Brot und Traubensaft. Er nimmt uns unsere Last ab. Er ist für uns gestorben und auferstanden. Er kennt das Leben mit seinen Höhen und Tiefen, mit seinen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten. Auf ihn können wir uns verlassen, heute und in Zukunft.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer