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Gedanken zum Sonntag

Predigt zum Sonntag Okuli, 7. März 2021



Epheser 5, 1-9: So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört, auch nicht von schändlichem Tun und von närrischem oder losem Reden, was sich nicht ziemt, sondern vielmehr von Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das ist ein Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Liebe Mitchristen!

Ich kenne Menschen, die mit den Worten der Bibel nichts mehr anfangen können und der Kirche den Rücken gekehrt haben. An solche Menschen muss ich denken, wenn ich unseren heutigen Predigttext aus dem Epheserbrief höre. Ist das nicht ein richtiger Moralapostel, der da diesen Brief schreibt – ob das nun Paulus war oder einer seiner Schüler? Ist das nicht ein sexuell verklemmtes, ein freudloses Leben, das er da propagiert? Nicht einmal einen Witz darf man da mehr reißen, das gehört sich nicht. So höre ich es in diesem Bibeltext. 

Ist das also ein Bibeltext, den wir besser über Bord werfen sollten? Ein Text, der Menschen eher am Glauben zweifeln oder verzweifeln lässt als dass er Menschen zum Glauben führt? Zum Glauben an den lebendigen Gott, der die Liebe ist. Zum Glauben an Jesus Christus, der aus Liebe zu uns in den Tod gegangen ist. „Ihr seid Gottes geliebte Kinder. Lebt in der Liebe, so wie Christus uns geliebt hat. Ihr seid Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts“. Diese Worte höre ich auch in unserem Predigttext. Worte, die mir zu Herzen gehen. Worte, die mir so wichtig und wertvoll sind, dass ich diesen Bibeltext nicht über Bord werfen möchte – trotz allem, was mich beim ersten Hören an ihm stört. „Ihr seid Gottes geliebte Kinder. Ihr seid Licht in dem Herrn.“ Was mir so wichtig ist an diesen Worten: Da heißt es nicht: Seht zu, dass ihr so lebt, dass ihr Gottes Liebe verdient habt. Dann seid ihr Gottes geliebte Kinder. So hätte ich es eigentlich erwartet bei all den moralinsauren Ermahnungen in diesem Text. Aber so sagt es der Text nicht. Der Verfasser des Epheserbriefs will uns daran erinnern: Gottes Liebe müssen wir uns nicht verdienen. Wir sind Gottes geliebte Kinder. Wir sind Kinder des Lichts. Wir müssen es nicht erst werden. Wir sind es schon. Seine Liebe ist stärker als alle unsere Schuld und unser Versagen. So, wie wir sind, sind wir bei Gott willkommen. Wir sind Kinder des Lichts. Wir leben im Licht der Liebe Gottes. Jesus Christus steht für diese Liebe. Ich denke dabei nicht nur an sein Sterben. Ich denke auch an sein Leben. An seine heilende Liebe, die er in Worten und Taten weitergegeben hat. So hat er Menschen gesund gemacht, an Leib und Seele. Jesus Christus hat es gezeigt: Gottes Liebe hat etwas Befreiendes. Sie richtet auf, sie stärkt und tröstet und weckt Lust am Leben. Liebe, Freude, Lebenslust – passt das zusammen mit diesem anderen Teil unseres Bibeltextes, mit seinen einschüchternden Ermahnungen, die eher dazu geeignet sind, dass sie Angst und Abwehr hervorrufen als Lebenslust und Lebensfreude?

In der Predigtvorbereitung habe ich den Vorschlag gefunden, man könnte diese Bibelverse einfach weglassen und sich auf den Anfang und den Schluss unseres Textes beschränken, auf die schönen und ansprechenden Worte über das Licht und die Liebe. Ich finde das nicht redlich. Ich möchte mich nicht darum drücken, mich auch mit dem mittleren, schwierigen Teil unseres Textes auseinanderzusetzen. Worum geht es da? Es geht um sexuelle Verfehlungen. Es geht um Worte, die wie Messer sein können. Es geht um die Habgier, um das Immer-Mehr-Haben wollen. All das sind Dinge, die unser Leben kaputtmachen können. Da geht es nicht darum, dass wir als verklemmte Spaßbremsen unser Leben leben sollen. Ja, so kann man diesen Text lesen, und das ist die große Gefahr an diesem Text, dass man ihn so versteht. Oder besser gesagt: Dass man ihn so missversteht. Denn es ist ein wirklich tragisches Missverständnis der christlichen Botschaft, dass der Glaube an Gott uns die Freude am Leben nehmen will. Unsere Sexualität ist uns von Gott geschenkt. Unsere Worte, unser Witz und Humor ist uns von Gott geschenkt. Alles, was wir haben, an Geld und Besitz, ist uns von Gott geschenkt. Über alle diese guten Gaben dürfen wir uns freuen und Gott dafür danken. Dankbar dürfen wir sein für alles, was wir haben: Sexualität und Beziehungen, Worte und Witz, Hab und Gut. Danksagung. Das ist ein wichtiger, ein zentraler Punkt in unserem Bibeltext. Dankbar will ich sein für das, was Gott mir geschenkt hat an guten Gaben. Denn ich verdanke sie nicht mir selber. Ich habe sie nicht irgendwie verdient. Ich habe auch keinen Anspruch darauf. Wenn ein anderer mehr Besitz hat als ich, wenn ihm eine glückliche Beziehung geschenkt ist und mir nicht, dann muss ich mir das immer wieder sagen: Ich habe keinen Anspruch darauf. Es ist alles ein Geschenk. Für das, was ich habe, kann ich dankbar sein. Selbst wenn es scheinbar weniger ist als das, was andere haben. Habgier. Da fängt es an. Haben wollen, was mir nicht zusteht. Ob für meine materielle Bereicherung oder für meine sexuelle Befriedigung. Oder einfach, um mir einen Spaß daraus zu machen, andere mit Worten fertigzumachen. Unzucht, Habgier, närrische und lose Reden. Das klingt alles ziemlich altmodisch, ziemlich moralinsauer und verklemmt, was da in unserem Predigttext steht. Und doch ist es leider erschreckend aktuell. Menschen nutzen ihre Machtposition aus, um sich selber einen Vorteil zu verschaffen oder sich über andere zu erheben. Bundestagsabgeordnete, die bestechlich sind, die sich selber bereichern bei Geschäften mit Corona-Schutzmasken. Verbale Gewalt, Hetze und Häme im Internet. Sexueller Missbrauch, auch in unseren Kirchen, und die Aufarbeitung verläuft erschütternd langsam.  

Ich denke wieder an die Menschen, die ich kenne und die der Kirche den Rücken gekehrt haben. Nein, es sind nicht nur solche missverständlichen Bibelworte wie unser Predigttext, die diese Menschen dazu gebracht haben. Vor allem sind es die aktuellen Verfehlungen der Menschen, die zur Kirche gehören, die sie an der christlichen Botschaft zweifeln und verzweifeln lassen. „Wandelt als Kinder des Lichts. Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Das sollen wir tun. Das ist die Aufgabe, die Gott uns gegeben hat – Gabe und Aufgabe. Nicht zwanghaft und verbissen sollen wir das tun, sondern ruhig und gelassen. Der der christliche Anspruch ist dann besonders erfüllt, wenn wir nicht vergessen, dass wir nicht Christus selbst sind, ja auch nicht Gott selbst. Nur nachahmen sollen wir Gott, so heißt es am Anfang unseres Predigttextes. Nachahmen sollen wir ihn, und dem Beispiel Jesu folgen. Wir tun das mit unseren nur menschlichen Kräften, trotz unserer Fehler und unserer Schuld, in die wir uns auch immer wieder verstricken. Bei Gott sind unsere Fehler aufgehoben. Jesus Christus hat unsere Schuld auf sich genommen. Wir sind bei Gott willkommen, so wie wir sind. Und Gott traut es uns zu, ihn nachzuahmen. Dieses Zutrauen, das Gott zu uns hat, das könnte die erste Gegenmacht sein gegen die Mächte, die den Alltag und die Welt beherrschen wollen. Oder, mit dem Verfasser des Epheserbriefs gesprochen: Ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts. Gott traut es euch zu. 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer