Predigt für den 31. Januar 2021, letzter Sonntag nach Epiphanias
2. Petrus 1,16-19: Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
Liebe Mitchristen!
„Hier ist es wie im Urlaub.“ Diesen Satz sagte mein Sohn zu mir, als ich im November 2019 als Pfarrerin hier auf den Heuberg gekommen bin, und kurz darauf kam der erste Schnee. Er dachte dabei an die Winterurlaube, die wir gemeinsam im Hochschwarzwald verbracht haben. „Hier ist es wie im Urlaub.“ Neulich ist mir dieser Gedanke wieder gekommen – an einem kalten Wintermorgen. Ich stehe am Fenster und schaue hinaus. Die meterlangen Eiszapfen an der Dachrinne sind wie ein glitzernder Vorhang. Schnee bedeckt die Wiesen und die Dächer der Nachbarhäuser. Noch liegt Wehingen im Halbdunkel. Aber langsam wird es hell. Schon lassen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne den Hochberg in einem rotgoldenen Licht erstrahlen. Alles Dunkle und Schwere ist für einen Moment lang vergessen. Ein Urlaubsmoment – der Sonnenaufgang an einem Wintertag.
Die Nacht weicht zurück, ein neuer Tag beginnt. Zuerst geht der Morgenstern auf und erstrahlt mit seinem hellen Licht, bis dann die Sonne unter dem Horizont hervorkommt und die Dunkelheit vollends vertreibt. „Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da schein an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen. “ So heißt es in unserem Predigttext aus dem 1. Petrusbrief. Der Verfasser dieses Briefs hat den Morgenstern vor Augen. Jesus Christus ist dieser Morgenstern. Er ist das Licht, das die Dunkelheit durchbricht. Sein Licht vertreibt mehr als nur die Dunkelheit einer langen Winternacht. Das Licht von Jesus Christus vertreibt auch die Dunkelheit in meinem Herzen. Denn Nacht kann es auch in meinem Leben sein. In diesem langen Corona-Lockdown, wo die Zukunft ungewiss erscheint und wir nicht fröhlich und ausgelassen in Gemeinschaft mit anderen zusammenkommen können. Wenn die Trauer um einen Menschen, den ich geliebt habe, sich wie ein dunkler Schleier auf die Seele legt. Wenn Hass und Neid das Herz verfinstern. Wenn Verunsicherung um sich greift und die Angstmacher mit ihren Hetzparolen immer lauter und dreister werden. Dann ist es dunkel in meinem Herzen. Dann brauche ich Jesus Christus. Damit mir ein Licht aufgeht, und es wieder hell wird in meinem Leben. Damit ich wieder klar sehe und nicht den Angstmachern auf den Leim gehe. Damit ich meinen Weg in den neuen Tag mit Zuversicht und Freude gehen kann. Dazu brauche ich Jesus Christus. Er kann helfen, wenn ich mich an ihn wende und zu ihm bete. Denn von ihm hat Gott selbst gesagt: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Jesus Christus, der Morgenstern in unserem Herzen. Der Verfasser des 1. Petrusbriefs stellt ihn uns deutlich vor Augen, in all seinem Glanz und seiner Herrlichkeit. Damals, als sie als Jünger mit Jesus unterwegs waren, da waren sie Augenzeugen von seiner Herrlichkeit. Und in diesem viel später aufgeschriebenen Brief ist noch etwas spürbar von der Begeisterung, die die Jünger damals verspürt haben. Jesus hat ihr Herz bewegt. Er hat ihr Leben verändert. Das geht auch heute, auch in unserer Zeit. So sagt es uns unser Predigttext. Wir haben Jesus nicht gesehen. Aber dennoch steht er uns vor Augen. Er steht uns vor Augen durch die Geschichten, die wir von ihm hören, durch die Worte, die er gesprochen hat. Wir finden sie in der Bibel. Prophetische Worte sind das, so sagt es uns der Verfasser des 1. Petrusbriefs. Worte, die nicht irgendwann veralten und die wir einfach zur Seite legen und entsorgen können wie die ausgelesene Tageszeitung von gestern. Die Worte der Bibel sind prophetische Worte. Sie sind aktuell. Ich bin gemeint. In meinem Herzen soll es nicht weiter dunkel bleiben. Der Morgenstern soll scheinen in meinem Herzen, das Licht von Jesus Christus.
Offene Sinne und der richtige Moment sind wichtig, damit ein solches prophetisches Wort seine Strahlkraft entfalten kann. Dann aber rettet es, auch durch schwierige Zeiten. Auch wenn es draußen noch dunkel sein mag, in meinem Herzen ist es hell: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.“ Worte von Jesus Christus, die mich trösten in einer dunklen Situation. „Ich bin doch bei dir, alle Tage, immer.“ Das spricht Jesus Christus zu mir, wenn ich mich allein und verlassen fühle. „Ich habe vor dir eine Tür aufgemacht, die niemand mehr schließen kann.“ Dieses Wort von Jesus Christus höre ich, wenn ich nicht mehr weiter weiß.
Worte aus der Bibel, Worte von Jesus Christus, die unsere Dunkelheit erleuchten. Manchmal entfalten sie ihr Licht erst nur zaghaft. Wie der Morgenstern am nächtlichen Himmel. Erst ist er nur ein winziger Lichtpunkt. Dann wird er immer heller. Nach der langen Nacht kündigt er an: Der Tag bricht an, in seiner ganzen Schönheit. Neue Lebensmöglichkeiten, von Gott geschenkt. Im Licht von Jesus Christus sehe ich auch mein Leben in einem anderen Licht. Leuchtend voll Wärme und Liebe, auch in kalter und schwieriger Zeit. Rotgolden erstrahlt der Hochberg im Licht der aufgehenden Sonne an einem kalten Wehinger Wintermorgen.
Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer