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Gedanken zum Sonntag [2. Sonntag nach Trinitatis]

 

Predigt zum 2. Sonntag nach Trinitatis, 9. Juni 2024

Liebe Mitchristen!

In den Pfingstferien habe ich im Elsass Urlaub gemacht. Wir waren auch in den Vogesen, inmitten von wunderschöner Landschaft. Dort in den Vogesen haben wir Halt gemacht bei einem Soldatenfriedhof aus dem 1. Weltkrieg. Über 2.000 deutsche Soldaten waren dort begraben. Wenige Kilometer weiter gab es dasselbe Bild: Ein Soldatenfriedhof mit französischen Soldaten; auch dort Tausende von Grabkreuzen. Zwischen den beiden Soldatenfriedhöfen war eine Gedenkstätte- Mahnmal und Museum in Einem (Memorial du Linge in Orbey): Stacheldraht, Schützengräben, Kanonen- das ganze Grauen des 1. Weltkriegs war dort zum Greifen nahe.

Drei Fahnen waren gehisst und wehten am blauen Himmel über diesem düsteren Ort: Die deutsche Fahne, die französische Fahne und die Fahne von Europa. Die blaue Europafahne mit ihren gelben Sternen hat für mich an diesem Ort eine ganz neue Bedeutung bekommen: Wir haben Frieden in unserem Land. Wir haben Frieden mit unseren Nachbarländern. Denn wir haben die Europäische Union, in der wir mit unseren Nachbarländern in Europa gemeinsam unterwegs sind. An diesem düsteren Ort in den Vogesen, wo so viele junge Männer ihr Leben gelassen haben, habe ich tiefe Dankbarkeit dafür verspürt, dass wir die Europäische Union haben. Und mit meiner Stimme bei der Europawahl heute will ich mich dafür einsetzen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Denn Frieden ist nicht selbstverständlich. Für den Frieden müssen wir uns einsetzen. „Christus ist unser Frieden“, heißt es in der Bibel in Epheser 2,14. An die junge Christengemeinde in Ephesus sind diese Worte ursprünglich gerichtet. Ganz unterschiedliche Menschen waren in dieser Gemeinde im Namen Jesu Christi zusammengekommen: Solche, die sich dem Judentum zugehörig gefühlt haben, so wie Jesus Christus selbst. Und dann die Menschen aus den anderen Völkern, ohne jüdischen Hintergrund, die ebenfalls durch Jesus Christus zu neuer Freiheit und Glaubenshoffnung gefunden hatten. Was diese beiden Gruppen voneinander unterschied, war ihr Verhältnis zu den jüdischen Gesetzen und Glaubensvorschriften. Für die Gemeindemitglieder, die vom Judentum herkamen, waren diese Gesetze wertvoll und wichtig. Den anderen Gemeindemitgliedern waren diese zahlreichen Vorschriften fremd, und sie erschienen ihnen als Bürde und Last, die sie sich nicht auferlegen lassen wollten. Zu diesen Christinnen und Christen aus den anderen Völkern gehören letztlich auch wir.

Das ist ein menschlicher Grundkonflikt, wie wir ihn heute auch kennen – zwischen denen, die schon immer da waren- damals waren es die Judenchristen- und denen, die neu dazukommen,  so wie damals die Christen aus den anderen Völkern. Heute sind es die Menschen, die ihre Wurzeln schon immer hier in Deutschland haben, und die die neu dazukommen aus anderen Ländern- und aus vielen Gründen; z. B., weil sie Schutz und Hilfe brauchen, weil sie anderswo verfolgt sind.

„Christus ist unser Frieden.“ Diesen Frieden brauchen wir heute mehr denn je. Wir leben in einer Welt voller blutiger Kriege, in der Ukraine, in Gaza. Friedliche Lösungen sind in weite Ferne gerückt. Wir wissen keinen anderen Rat, als weiter Waffen zu liefern. Und doch werden Waffen allein diese Konflikte nicht lösen. „Christus ist unser Frieden.“ Diesen Frieden brauchen wir heute mehr denn je. Auch in unserem Land, wo ein Polizist gestorben ist, in Mannheim niedergemetzelt von einem, der das Asylrecht, das er in unserem Land bekommen hat, missbraucht hat für Terror und Gewalt. „Christus ist unser Frieden,“ heißt es in Epheser 2,14. Und weiter heißt es dort: „Er hat die Mauer niedergerissen, die sie trennte. Er hat die Feindschaft zwischen ihnen beseitigt, indem er seinen Leib hingab.“ Zwischen mir und meinem Mitmenschen, der mir so anders und so fremd vorkommt, hat Jesus Christus die Mauer eingerissen. Er hat die Feindschaft beseitigt, die sich zwischen den Menschen aufgebaut hat. Am Kreuz hat Jesus Christus sein Leben für uns gelassen. So will er uns befreien von dem Tunnelblick der Angst, die in unseren Mitmenschen immer nur das Fremde und Bedrohliche sieht, und nicht das, was uns verbindet.

Aber wie schwer ist das, wenn die Mauern zwischen den Menschen sich verhärtet haben. Wie schwer ist das, wenn die Kriege andauern und immer neue Menschenleben fordern. Wie schwer ist das, wenn der Hass weiter wächst zwischen den Kriegsgegnern. Und wie schwer ist das auch in unserem Land. Wie schwer ist es, ein offenes Land zu bleiben und eine Willkommenskultur zu leben für die Menschen, die bei uns neu dazukommen, weil sie verfolgt und bedroht sind in ihren Heimatländern. Schwer ist es wegen dieser Einzelnen, ganz Wenigen, die das Asylrecht missbrauchen, um Verbrechen zu begehen, so wie der Täter von Mannheim. Er wird die Konsequenzen tragen müssen. Unsere Aufgabe aber ist es, den Weg Jesu Christi weiterzugehen, auch wenn es schwer ist: Den Weg des Friedens. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Mauern niedergerissen werden zwischen den Menschen, und die Feindschaft beseitigt wird. Den Weg Jesu Christi wollen wir weitergehen. Leicht ist das noch nie gewesen.

In Gedanken bin ich noch einmal in den Vogesen an der Gedenkstätte zum 1. Weltkrieg, bei Schützengräben, Kanonen und Stacheldraht. Ich denke an den schwedischen Erzbischof Nathan Söderblom, der damals gelebt hat. Mit großem Engagement versuchte er, im 1. Weltkrieg eine Versöhnung der kriegführenden Nationen zu erreichen. Er war beteiligt am Kriegsgefangenenaustausch von 60.000 Deutschen und Engländern. 1930 hat er dafür den Friedensnobelpreis bekommen. Anders als viele Zeitgenossen ging es Nathan Söderblom um Frieden und Versöhnung. Er betete: „Herr, sieh auf die Verfolgten. Lösche den Hass aus. Erfülle alle Christen mit deinem Geist. Vereine uns schließlich in deinem ewigen Frieden.“

Wann öffnen sich die Aggressoren und Hassverblendeten dem Geist Jesu? So denken wir oft in unseren Herzen. Aber beten wir auch wie Natan Söderblom dafür? Oder haben wir die Hoffnung schon aufgegeben? Was kann uns Hoffnung geben- Hoffnung auf en friedliches Zusammenleben in unserem Land, in Europa, in der Welt? Jesus Christus ist unsere Hoffnung. Er ist das Fundament, auf dem wir gebaut sind. Er ist der Grundstein, der alles zusammenhält. Damit die Hoffnung wächst und wir Wege des Friedens finden. Jesus Christus hat uns den Frieden vorgelebt. Er hat uns gezeigt, dass die Liebe stärker ist als Hass und Gewalt. Auf diesem Fundament ist auch unsere Wehinger Christuskirche gebaut, so wie es am Grundstein hinten an der Wand geschrieben steht: Christus allein.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer