Kategorien
Gedanken zum Sonntag

2. Sonntag nach Epiphanias

Predigt zum 2. Sonntag nach Ephiphanias, 14. Januar 2024

Hebräer 12,12-17: Macht deshalb die müden Hände und die erlahmten Knie wieder stark! Und schafft für eure Füße gerade Pfade. Denn was lahm ist, soll nicht auch noch fehltreten, sondern geheilt werden. Bemüht euch um Frieden mit allen Menschen und auch um Heiligkeit. Ohne sie wird niemand den Herrn sehen. Achtet darauf, dass niemand zurückbleibt und so die Gnade Gottes verliert. Lasst keinen Spross aus einer giftigen Wurzel aufgehen. Sonst richtet sie Unheil an, und viele werden durch sie vergiftet. Niemand soll unmoralisch oder ohne Gott leben wie Esau. Der hat für eine einzige Mahlzeit sein Recht als Erstgeborener verkauft. Ihr wisst ja: Als er später den Segen und damit sein Erbe haben wollte, wurde er verworfen. Er fand keine Möglichkeit, sein Leben zu ändern, obwohl er unter Tränen danach suchte.

Liebe Mitchristen!

Um eine einfache Mahlzeit geht es in diesem Bibeltext- um das sprichwörtliche Linsengericht, das Jakob gekocht hat. Seinem Bruder Esau gibt er von seinem Linseneintopf nur etwas ab, wenn der dafür auf sein Erstgeburtsrecht verzichtet- auf den Segen und auf das Erbe, das Esau als dem Älteren eigentlich zusteht. Ich stelle mir vor, dass Esau ziemlich müde ist an diesem Tag. Sicherlich ist er schon vor Morgengrauen losgezogen auf die Pirsch. Den ganzen Tag war er dann unterwegs, um einen Braten nach Hause zu bringen. Aber seine Jagd war erfolglos. Mit leeren Händen kommt er heim, müde und hungrig. Lecker duftet da der Linseneintopf seines Bruders. Und so lässt sich Esau von seinem Bruder Jakob erpressen und tauscht sein Erstgeburtsrecht gegen eine Teller Linsensuppe. Den Segen und das Erbe, das ihm zusteht, verkauft er völlig unter Wert, nur für eine einfache Mahlzeit. Später bereut er diesen Fehler und vergießt bittere Tränen deswegen. Aber es hilft nichts. Das Erstgeburtsrecht ist weg.

Esau kommt nicht mehr zu seinem Recht. Das hat die Konfirmanden beschäftigt, als ich am Mittwoch im Konfirmandenunterricht den Bibeltext mit ihnen gelesen habe. Menschen sollen zu ihrem Recht kommen, fanden sie. Und sie haben dabei an die Bauern gedacht, die in diesen Tagen auf die Straße gehen für ihr Recht- dafür, dass sie weiterhin auskömmlich wirtschaften können und das Höfesterben nicht weiter voranschreitet. Esau, der Jäger, kommt nicht mehr zu seinem Recht. Er gibt es leichtfertig aus der Hand. Ja, er verschenkt es geradezu, nur um seinen Bauch mit einer warmen Mahlzeit füllen zu können. Bittere Tränen weint er später darüber. Und auch heute werden noch viel zu viele Tränen geweint, fanden die Konfirmanden. Auch heute gibt es das: Wir treffen Entscheidungen, die wir später bereuen. Aber die Entscheidungen lassen sich nicht mehr rückgängig machen.

Wie konnte es so weit kommen, das Esau diese bitteren Tränen vergießen musste? Wie konnte ihm dieser Fehler passieren? Wie kann es bei uns so weit kommen, dass wir schwere Fehler begehen, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen, obwohl wir sie bitter bereuen? Manchmal sind wir eben müde und hungrig. Unser Bibeltext sagt uns: „Macht deshalb die müden Hände und die erlahmten Knie wieder stark! Und schafft für eure Füße gerade Pfade. Denn was lahm ist, soll nicht auch noch fehltreten, sondern geheilt werden. Bemüht euch um Frieden mit allen Menschen und auch um Heiligkeit.“ Führen so viele Ermahnungen nicht eher zu noch mehr Ermüdung und Mutlosigkeit, wenn ich mich frage: Wie soll ich das alles schaffen?

Mir hilft es, dass die Aufforderungen hier in der Mehrzahl stehen. Nicht alleine muss ich das schaffen, sondern miteinander sollen wir das schaffen. Dabei sollen wir uns gegenseitig unterstützen. Heiligkeit, Gnade, Segen Leben, Heilung und Frieden mit allen Menschen. Diese Begriffe fanden die Konfirmanden wichtig in diesem Textabschnitt. Das ist es, was wir brauchen, worum wir uns bemühen sollen. Ganz wichtig war den Konfirmanden dabei: Leben, Frieden und Heilung. Und der, der uns hilft, das wir so miteinander leben und uns gegenseitig stärken können. Der, der uns die Kraft gibt dafür: Gott der Herr. Seine Gnade ist die Wurzel, die uns trägt.

Manchmal verlieren wir das aus dem Blick, weil wir müde sind und den Weg nicht mehr sehen. Dann wächst eine andere Wurzel zwischen uns auf, die alles kaputt macht- wie ein giftiges Unkraut, das die guten und gesunden Pflanzen in einem Garten überwuchert. Was ist diese giftige Wurzel, die zwischen uns aufwächst? In dem Glaubenskurs, den wir letztes Jahr in unserer Gemeinde gemacht haben, gab es ein Bild dazu: Tief im Boden verwurzelt war da das Misstrauen, aus dem eine giftige Pflanze nach oben wächst. Misstrauen entfremdet uns von Gott, von den anderen und von uns selbst. Wer sich nicht geliebt weiß, der kann auch nicht lieben. Hier braucht es Heilung- die Wurzel muss raus. Aber wie? Wie kann das Vertrauen wieder wachsen?

Setzen wir unser Vertrauen auf Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Er meint es gut mit uns. Er will, dass wir genug haben zum Leben. Nicht nur das Allernötigste, wie Esau und sein Linsengericht, mit dem ihn sein Bruder Jakob erpresst hat. Jesus erpresst uns nicht. Er schenkt uns seine Liebe, ganz ohne Gegenleistung. Wir dürfen ihm vertrauen- aus freien Stücken, ohne Zwang. Das ist die Wurzel, die uns trägt- Vertrauen zu Jesus, der uns unendlich liebt. Gottvertrauen. Wenn wir uns von dieser Wurzel getragen wissen, dann wird da keine giftige Pflanze daraus wachsen. Dann werden es gute Früchte sein, die aus dieser Wurzel wachsen. Nicht solche, die wir später als Fehler erkennen und deswegen bittere Tränen vergießen müssen.

Wenn ich auf Jesus vertrauen, dann wächst auch mein Vertrauen ins Leben und zu meinen Mitmenschen: Es wird gut werden, und ich fange jetzt damit an. Aus dieser Überzeugung heraus kann ich dann leben. Und so wächst aus dieser guten Wurzel eine Baumkrone, die als Früchte die Liebe trägt- die Liebe zu Gott, zu den Menschen und zu mir selbst. Auf dieser Grundlage lässt es sich leben. Es wird genug zum Leben geben, denn Gott sorgt für mich. Darauf kann ich mich verlassen- auch heute in unserer Zeit.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer