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Gedanken zum Sonntag

Ewigkeitssonntag

 

Predigt zum Ewigkeitssonntag, 20. November 2022

 

Jesus entgegnete: »Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben. Aber ich habe es euch ja schon gesagt: Obwohl ihr meine Taten gesehen habt, schenkt ihr mir keinen Glauben. Alle, die mein Vater mir anvertraut, werden zu mir kommen. Und wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Denn dazu bin ich vom Himmel herabgekommen: Nicht um zu tun, was ich selbst will, sondern was der will, der mich beauftragt hat. Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat: Ich soll keinen von denen verlieren, die er mir anvertraut hat. Vielmehr soll ich sie alle am letzten Tag vom Tod erwecken. Denn das ist der Wille meines Vaters: Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten. Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken.«

 

Liebe Mitchristen!

Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Dieses Wort von Jesus Christus haben wir gerade im Predigttext gehört. Ein Bibelwort, das uns durch dieses Jahr begleiten will. Es ist die Jahreslosung für 2022. Das Jahr ist nun bald zu Ende. Viel ist passiert. Wie haben Sie dieses Jahr erlebt? Ein Jahr, in dem Sie Abschied nehmen mussten von einem geliebten Menschen. Ich denke an eine Frau, die ihren Mann verloren hat. „Ich kann es nicht mehr hören,“ so hat diese Frau erzählt. „Alle meinen zu wissen, wie ich mich jetzt verhalten soll. Ich kann die vielen guten Ratschläge einfach nicht mehr hören: Dass ich unter Leute soll, dass ich bestimmt wieder einen Partner finde, und was sie noch alles sagen. Und wenn sie es nicht sagen, denn sehe ich ihnen schon an, was sie denken. Aber ich vermisse ihn einfach weiter. Am meisten vermisse ich, seine Stimme zu hören. Es ist so still geworden hier im Haus. Und so still in mir.“

Vielleicht kennen Sie das. Vielleicht ist es auch bei Ihnen still geworden mitten im Leben. Heute sind wir hier, um an die Toten zu denken, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Das Leben ist voller Spuren des Vergangenen. Im Wohnzimmer bleibt ein Sessel bleibt leer. Im Garten ist keine Bewegung. Die Abende sind länger und einsamer. Trauriges Vermissen hat viele Arten sich auszudrücken. Die Sehnsucht nach der Stimme des Menschen, der ging, ist eine davon.

Jesus Christus ist keiner von denen, der uns gute Ratschläge geben will in der Trauer. Aber er spricht zu uns. Gerade auch dann, wenn es still geworden ist in unserem Leben. Gerade auch dann, wenn uns selber die Worte fehlen. Er verspricht es uns: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben. Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten.“

Das sind Worte von jemanden, der sich auskennt mit dem Tod und was danach kommt. Es sind Worte von Jesus Christus, der den Tod durchlitten und überwunden hat. Nicht alles können wir fassen, ja manches erscheint uns vielleicht sogar seltsam oder widerstrebt uns. Steile Worte sind das, und doch voller Hoffnung: „Am letzten Tag werde ich sie vom Tod auferwecken.“ Die Zeit wird kommen, in der etwas Neues eintritt. Der Augenblick wird kommen, in dem etwas Gewaltiges geschieht. Dann werden die Dinge danach nicht mehr so sein wie sie vorher waren.

Leben über den Tod hinaus in Ewigkeit, das verspricht uns Jesus Christus. Der Theologe Siegfried Kettling erklärt das in seinem Buch „Du gibst mich nicht dem Tode preis“, das er dem Gedenken an seinen tödlich verunglückten Sohn Mattias gewidmet hat. Dort schreibt er: „’Ewigkeit‘ meint im biblischen Denken (…) nicht ‚Zeitlosigkeit‘, nicht das Gegenteil von Zeit. ‚Ewigkeit‘ meint auch nicht ‚unendlich viel Zeit‘, nicht die Summe aller Zeiten. (…) Ewigkeit ist ein Würdeprädikat, das allein Gott gebührt. Ewiges Leben ist Teilhabe an Gottes Lebendigkeit. Gott gibt uns Anteil an sich selbst. (…) Ewigkeit heißt: ‚Wir werden bei dem Herrn sein.‘ Das ist genug.“ So weit Siegfried Kettling.

Ich denke noch einmal an unsere Jahreslosung für 2022, an dieses Wort von Jesus Christus: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Heute am Ewigkeitssonntag höre ich dieses Bibelwort anders als am Anfang des Jahres. Ich denke daran: Dieses Versprechen von Jesus Christus gilt nicht nur in diesem Leben. Dieses große Versprechen gilt weiter. Es gilt auch, wenn unser Leben in dieser Welt zu Ende geht und wir über die Schwelle des Todes gehen. Was erwartet mich hinter dieser Schwelle? Das kann ich nicht wissen. Kein lebender Mensch kann das. Aber auf dem Weg in diese unbekannten Räume hilft mir dieses Wort von Jesus Christus: „„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Mit diesem Spruch weiß ich: Ich bin nicht allein unterwegs auf meinem Weg. Hier in diesem Leben bin ich nicht allein, und auch nicht, wenn ich über die Schwelle des Todes gehe. Hinter der Schwelle des Todes erwartet mich Jesus Christus und sagt: Sei willkommen. Hier in unserer Christuskirche haben wir ein Bild dazu aufgehängt, ein Bild zur Jahreslosung. Eine geöffnete Tür ist auf diesem Bild zu sehen, und ein goldener Schlüssel, der von oben kommt. Jesus Christus schließt uns die Tür auf zum neuen Leben, zu seiner Ewigkeit. Was erwartet uns dort in der Ewigkeit, wenn wir die Türschwelle überschritten haben? Auf diesem Bild ist es ein helles, warmes Licht. Und ein gedeckter Tisch, der für uns bereit ist. Brot und Wein stehen da, als Zeichen für Jesus Christus, der am Kreuz sein Leben für uns gegeben hat. All die alten Geschichten, die mich belasten, meine Schuld und mein Versagen, das alles darf ich bei ihm ablegen. Die Tür steht offen für mich. Ich darf kommen, so wie ich bin. Der Tisch ist gedeckt für mich. Ich darf mich einladen lassen. Und ich darf sicher sein. Jesus schickt mich nicht weg. Wir alle sind willkommen bei ihm, wir Lebenden und auch unsere Verstorbenen. In diesem Vertrauen können wir auch in dieser Welt weiterleben. Trotz der schmerzlichen Lücke, die der geliebte Mensch an unserer Seite hinterlassen hat. Jesus Christus gibt auch uns, was wir zum Leben brauchen: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“

Wenn ich darauf vertrauen kann, dann verändert sich etwas in meinem Leben. Denn wer auf Jesus Christus hört, der ist befreit zum ewigen Leben. Dann fängt das ewiges Leben schon im Hier und Jetzt an. Gerade auch bei Trauernden erlebe ich das immer wieder. Ich denke an die trauernde Frau, die ich anfangs erwähnt habe. Einmal kam ihr Nachbarn mit Pflanzen aus seinem Garten zu Besuch. Für ihn waren die Pflanzen ein Zeichen von Gottes Liebe und Güte.  Das hat dieser Frau Mut gemacht, dass dieser Nachbar für sie an Gottes Schöpfungsmacht glaubte und sie daran teilhaben ließ. Und so konnte sie langsam, Schritt für Schritt, wieder Fuß fassen ihn ihrem Leben. Sie konnte das Leben wieder lieben lernen.

Gott eröffnet uns neue Wege. Gerade in der Zeit der Trauer will er für uns da sein mit seinem Wort. So können wir neuen Mut schöpfen für den Weg, der noch vor uns Lebenden liegt. Die Toten, die können wir getrost Gott anvertrauen. Wir müssen uns um sie weniger sorgen heute. Denn Jesus Christus hat es uns versprochen: „Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken.“ So wird es geschehen. Amen.

EG 361, 1+8+12 Befiehl du deine Wege

Pfrin. D. Kommer