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Gedanken zum Sonntag

Volkstrauertag

 

Predigt- Gedanken vom Volkstrauertag, 19.11.2024

Liebe Mitchristen!

 Heute ist Volkstrauertag. Ein Tag, an dem wir der Gefallenen der beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts gedenken, und auch aller aktuellen Opfer von Krieg und Gewalt. Aktuelle Opfer von Krieg und Gewalt gibt es viele. Ratlos stehen wir vor den Kriegsereignissen in Israel- Palästina und in der Ukraine. „Was ihr nicht getan habt einen von diesen Geringen, das habt ihr mir auch nicht getan.“ So sagt es uns Jesus in unserem heutigen Predigttext, dem Gleichnis vom Weltgericht (Mt 25, 31-46). Was ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen in diesen unruhigen Zeiten, in denen die Welt erschüttert ist von immer neuen Kriegen und Krisen? „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen,“ sagt Jesus in unserem Predigttext. In jedem bedürftigen Menschen begegnet uns Jesus Christus. Welche Bedürfnisse sehen wir in unserer Zeit der globalen Krisen? Laut sind die Stimmen, die ein Bedürfnis nach mehr Waffen proklamieren. „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Schwerter zu Pflugscharen“ haben die christlichen Kirchen in der Vergangenheit diesen lauten Stimmen entgegengehalten. Und heute? Ist die Sehnsucht nach Frieden ohne Waffen, nach gewaltfreier Konfliktlösung zwischen Menschen, Volksgruppen und Staaten nur noch ein naives Gerede von Gestern, das in unserer heutigen Weltlage nichts mehr taugt? Ich habe selbst keine Antwort auf diese Frage. Aus meiner Perspektive in einem friedlichen Land möchte ich nicht über andere urteilen, die von ihren Nachbarländern überfallen werden und nun im Kriegszustand oder in ständiger Bedrohung leben. Ich möchte mich nicht anmaßen, von ihnen zu verlangen, dass sie die Waffen schweigen lassen und das Unrecht still erdulden sollen. Aber ich bin dankbar, dass es nicht nur die lauten Stimmen gibt, die immer mehr Waffen fordern für die Kriegs- und Krisengebiete dieser Welt. Ich bin dankbar dafür, dass die leisen Stimmen, die sich für Frieden ohne Waffen einsetzen, nicht ganz verstummt sind. Unter dem Motto „sicher nicht – oder?“ feiern wir in diesen Tagen die Ökumenische Friedensdekade.

Die Ökumenische Friedensdekade möchte auch Impulse setzen, wie Kirchen und Religionsgemeinschaften, aber auch Politik und Zivilgesellschaft einen Beitrag zu einem umfassenden Schalom leisten können. „Angesichts der gerade auch in der jungen Generation spürbaren Verunsicherung und der zunehmenden Krisen weltweit ist es überfällig, den Begriff der Sicherheit neu zu denken und von einer militärischen Sicherheitslogik auf eine zivile Friedenslogik umzuschwenken“, betont Jan Gildemeister, der Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) ist. „Wir verspüren eine große Verunsicherung, wie Frieden in Zukunft ausgestaltet werden kann. Sicher nicht mit Maßnahmen, die zu einer neuen Aufrüstungsspirale führen und Ressourcen verschwenden, die an anderer Stelle dringend benötigt werden. Oder?“, räumt Jan Gildemeister ein.

„Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen,“ sagt Jesus in unserem Predigttext. Jesus ist den friedlichen Weg gegangen. Er hat uns die Liebe vorgelebt. Seine Liebe hatte nichts mit süßlichem Kitsch zu tun. Jesus war nicht harmoniesüchtig. Er konnte auch Klartext reden. Er hat sich nicht einschüchtern lassen. Jesus Christus hat die Liebe gelebt bis zum letzten Atemzug- selbst gegenüber seinen Feinden. Ist das ein Modell, das tragfähig ist in unserer Zeit? Ich möchte den radikalen Einsatz für den Frieden, den Jesus uns vorgelebt hat, nicht über Bord werfen in diesen friedlosen Zeiten. Gerade heute brauchen wir ihn mehr denn je. Auch wenn ich keinen Ausweg weiß: Ich will den Frieden ohne Waffengewalt immer wieder ins Gespräch bringen in unserer Zeit: Dabei weiß ich auch: So wie Jesus werde ich das niemals schaffen. Aber der Glaube an Jesus Christus gibt mir die Kraft, dranzubleiben an der Suche nach Frieden-  trotz aller Rückschläge und Misserfolge. Denn ich weiß: Trotz aller Zerbrochenheit, trotz allem Unfrieden, den wir in dieser Welt erleben: Jesus Christus lässt uns nicht im Stich. Er ist da. Er redet Klartext. Er will, dass wir uns einsetzen für andere, in denen er uns selbst begegnet. Wenn ich es immer wieder versuche mit dem Frieden und der Liebe, dann wird Jesus mich nicht im Stich lassen. Auch wenn ich es mal wieder nicht geschafft habe; wenn ich lieblos war zu anderen, zu mir selbst und zu Gottes Schöpfung. Jesus liebt mich immer noch. Denn auf die Liebe von Jesus kann ich mich verlassen. Seine Liebe ist größer als mein Versagen. Für meine Sünden hat er sein Leben gegeben, allein aus Liebe. Und an Jesus Christus ist deutlich geworden: Die Liebe ist stärker als der Tod. Jesus ist auferstanden von den Toten. Das gibt mir die Hoffnung, auch angesichts der schrecklichen Kriegsnachrichten und der nie enden wollenden militärischen Konflikte in unserer Zeit.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer