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Gedanken zum Sonntag

Ewigkeitssonntag

Liebe Gemeinde,

Erde bleibt nicht Erde, Staub bleibt nicht Staub, unsere Namen erklingen noch einmal. Die Menschen, die uns etwas bedeuten, verlieren diese Bedeutung auch mit dem Tod nicht, weil unser Gott ihren Namen kennt, unseren Namen kennt und diese Namen bei ihm niemals vergessen sein werden.

Beim Propheten Daniel lesen wir vom Aufwachen der Toten aus dem Staub der Erde:

1Zu jener Zeit wird Michael auftreten, der große Engelfürst, der für dein Volk einsteht. Denn es wird eine Zeit so großer Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Aber zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen.
2 Und viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.
3 Und die Verständigen werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“

„Es wird eine Zeit so großer Trübsal sein“ – mit »Trübsal« ist eine heftige Bedrängnis gemeint. Es geht das Gefühl um, eingeschnürt und eingeengt zu sein. Es geht das um, was uns den Atem nimmt, was uns Angst macht. In dieser Zeit tritt der große Engelfürst Michael auf. So steht es am Anfang dieses 12.Kapitels des Buches „Daniel“. 

Wir erfahren den Namen eines Engels: Michael. Das ist in der Bibel sehr selten. Wir kennen noch den Engel Gabriel und aus dem apokryphen Buch Tobias den Engel Raphael.

Michael – der Engelfürst: Sein Name heißt übersetzt: »Wer ist wie Gott? « Das ist eine rhetorische Frage, die Antwort ist gleich mitgegeben: »Wer ist wie Gott? « »Nichts und niemand!« Es gibt keinen anderen, der stärker ist!
Michael steht als mächtiger Engel dafür ein, dass sich am Ende Gott gegen alles durchsetzt, was uns heute Angst macht, was uns die Luft zum Atmen nimmt, was uns traurig macht. 

Wenn die Not am größten ist, tritt Michael auf, der Engelfürst. Was wird geschehen? Das Volk Gottes wird gerettet werden. Alle, deren Name im Buch des Lebens steht.

Zuvor werden alle auferweckt aus dem Tod: die einen zum ewigen Leben, die anderen »zu ewiger Schmach und Schande«. Die ganze Bibel kennt diesen doppelten Ausgang. Gemeint sind damit Gericht und Heil. Woran entscheidet sich, welchen Weg wir gehen müssen?

Jesus hat darauf eine klare, eindeutige Antwort gegeben: »Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen.«

Das Wort, das Jesus gesprochen hat, gilt. Darin finde ich meinen Halt. Das Hören auf dieses Wort und der Glaube an ihn retten.

»Ja«, kann jetzt jemand einwenden, »aber ich trage doch Lasten mit mir herum: Geheimnisse oder Streitigkeiten, die ich nicht klären konnte. Ich bin anderen manches schuldig geblieben. « Jesus sagt: »Ich habe mein Leben dafür gegeben, damit ist dir alles abgenommen, du bist von dieser Last befreit. «

Allen, die auf Jesus hören und ihm glauben, steht am Ende der Weg in Gottes neue Welt offen.

Vom »Buch des Lebens« spricht Daniel. In diesem Buch stehen die Namen derer, die zum ewigen Leben auferweckt werden. Jesus nimmt diesen Gedanken von Daniel auf. Er lenkt den Blick auf das, was entscheidend ist für unser Leben. Er sagt: »Darauf kommt es zuletzt an: Dass Dein Name in diesem Buch steht! « »Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind. «

Das ist unsere Hoffnung: Asche bleibt nicht Asche, Staub bleibt nicht Staub. Jesus, der aus dem Tod ins Leben ruft, wird noch einmal unseren Namen nennen.

Das heißt für uns auch, dass die Menschen, die uns so viel bedeutet haben, die wir so geliebt haben und von denen wir uns verabschieden mussten, nicht für immer von uns getrennt sein werden.

Gott kennt die Namen derer, die mir so wertvoll waren und die jetzt nicht mehr bei mir sind. Gott wird diese Namen niemals vergessen. In dieser Hoffnung dürfen wir leben.

In dieser Hoffnung hat Daniel gelebt, der diese Vision erfahren hat. Wir alle kennen ihn von der faszinierenden Geschichte, wie er, ohne etwas verbrochen zu haben, den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde und Gott ihn durch seinen Engel wunderbar gerettet hat.

»Daniel in der Löwengrube«. Daniel ist mutig für seinen Glauben eingestanden. Er hat nicht aufgehört, zu seinem Gott zu beten, auch als der mächtige König des damaligen Weltreiches der Meder und Perser solches Beten ausdrücklich verboten hatte. Daniel wusste: Wichtiger als alles andere ist, dass mein Name in diesem Buch steht, im Buch des Lebens.

Der Glaube an die Auferstehung der Toten, das war schon immer das Fundament des christlichen Glaubens. Auf Jesus zu sehen, den Sieger über den Tod, darin liegt eine unbezwingbare Kraft. Die Kraft der Hoffnung für unser eigenes Leben und auch der Hoffnung für die Menschen, die wir geliebt haben und die durch den Tod von uns weggerissen wurden: Ehepartner, Kinder, Eltern, Freundinnen und Freunde. Bei manchen war es völlig überraschend, sie wurden herausgerissen aus dem Leben. Bei anderen war es lange vorauszusehen. Bei einigen hatte dieser Weg auf den Friedhof nach einer langen schweren Krankheit eher etwas von Befreiung und von Ruhe finden.

Wir erinnern uns an die Gesichter der Menschen, die vor einem Jahr noch mit uns gelebt haben. Wir erinnern uns noch einmal an gemeinsame Erlebnisse und Begegnungen. Wir erinnern uns an die Situation des Abschieds.

An das, was wir sagen und tun konnten, und an das, was offengeblieben ist. Es tut gut, die Erinnerungen an schöne Tage mit den Verstorbenen wachzuhalten. 

Und auch der Gang auf den Friedhof ist für viele von uns eine große Hilfe, um Abschied nehmen zu können. Es ist wertvoll, einen Ort zu haben, an dem wir traurig sein können, an dem wir unsere Gedanken sammeln können und ganz auf die Erinnerung an den Verstorbenen ausrichten können. Es tut gut, auf den Namen der Verstorbenen zu schauen. Es gibt Kraft und tröstet, diese Gedanken an die Verstorbenen zu einem Gebet werden zu lassen.

Und manchmal ist der Friedhof auch ein Ort, um sich gegenseitig zu trösten, anderen Menschen zu begegnen, die in einer ähnlichen Situation sind, um miteinander traurig zu sein. Die Trauer braucht ihren Ort, sie braucht ihre Zeit. Sie braucht ihren Raum. Zu trauern, das ist heilsam für die Seele. Einem anderen erzählen dürfen von dem Verstorbenen, jemanden haben, der zuhört, das tut gut und gibt neue Kräfte.

Heilsam ist es auch, darauf zu vertrauen, dass die Trauer einmal aufhören wird. Trauer braucht ihre Zeit, und jeder Mensch hat seine eigene Art zu trauern, aber sie soll sich auch nicht bis ins Unendliche ausdehnen, das Leben nicht ersticken.

Dass alle Trauer einmal aufhören wird, dafür setzt unser Bibelwort ein schönes Zeichen:

Die Rettung des Volkes wird angekündigt: »… zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle die im Buch geschrieben stehen. Und viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen …«

Das ist eine große Verheißung – und ein Trost. Ja, Gott überlässt die Verstorbenen nicht dem Tod. Es gibt ein Erwachen.

Vom Kirchenvater Augustin stammen diese hoffnungsvollen Worte:

»Auferstehung ist unser Glaube,

Wiedersehen ist unsere Hoffnung,

Gedenken unsere Liebe.

Aus Gottes Hand empfing ich mein Leben,

unter Gottes Hand gestalte ich mein Leben,

in Gottes Hand gebe ich mein Leben zurück.

Ihr, die ihr mich so geliebt habt,

seht nicht auf das Leben, das ich beendet habe,

sondern welches ich beginne.«

Das wünsche ich uns allen, dass wir es so sehen können: Für unsere Verstorbenen beginnt ein neues Leben. Sie sind jetzt befreit von ihren Schmerzen, von ihrer Angst, von ihrem Leiden. Sie fehlen uns, aber es hilft uns, daran zu denken, dass sie es jetzt besser haben, dass sie jetzt das erleben, was Paulus »die herrliche Freiheit der Kinder Gottes« nennt. Wir können das jetzt nicht sehen. Wir schauen auf das Grab und sehen die beiden Jahreszahlen auf dem Grabstein und den Strich dazwischen, der für das Leben des Verstorbenen steht. Es ist eine Versuchung, zu denken: »Das war’s, damit ist alles gesagt. So ist es und so wird es bleiben. Die Dunkelheit, die mich durch die Trauer überfallen hat, wird bleiben. «

Nein, so ist es nicht. Und so wird es auch nicht bleiben. Es gibt mehr und Größeres. Es gibt Licht in der Dunkelheit.

Es ist so, wie es Daniel aufgeschrieben hat: Ist die Not und Bedrängnis noch so groß – Gott ist noch viel größer. Die Trauer kann das Licht Gottes nicht auslöschen. Der Name des dreieinigen Gottes, der bei der Taufe über unserem Leben ausgesprochen wurde, leuchtet über uns, auch dann, wenn wir sterben müssen.

Wer sitzen bleibt am Bett eines Sterbenden und Trost spendet, wer die Hand hält, zuhört, einfach da ist – bringt den Glanz des Himmels in unsere Welt. Am Ende steht nicht die Nacht des Todes oder das dunkle Nichts, sondern ein strahlendes Leben mit einem Glanz, der alles vergessen lässt, was wir hier durchmachen mussten.
Für uns alle wünsche ich, dass über der Trauer dieses Licht aufgeht und dieser Tag heute kein dunkler Tag ist, sondern ein Tag der Hoffnung auf die neue Welt Gottes. Amen.

Der Friede GOTTES, der höher ist als all unser Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in CHRISTUS JESUS – Amen.

Predigt nach einer Vorlage von Pfarrer Markus Hägele