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Gedanken zum Sonntag

Rogate

Predigt zur Konfirmation am Sonntag, 14. Mai 2023

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Gibt es für jeden von uns einen Schutzengel? Das war eine der Fragen, die ihr aufgeschrieben habt ganz am Anfang des Konfirmandenjahrs. Wir haben die Fragen an die Pinnwand im Gemeindesaal gehängt. So haben sie uns durch das Konfirmandenjahr begleitet, und wir haben miteinander nach Antworten gesucht. Mit vielen Fragen von euch haben wir uns beschäftigt – mit den einen mehr und mit den anderen weniger. Zugegeben: Manche Frage ist dabei wohl auch zu kurz gekommen, und manche Antwort bin ich euch schuldig geblieben. Aber an dieser einen Frage sind wir immer wieder vorbeigekommen: Gibt es für jeden von uns einen Schutzengel? Diese Frage passt auch als Thema für die Konfirmation, fandet ihr. Mögen Engel euch begleiten- das wünschen wir euch heute, am Tag eurer Konfirmation!

Wie ist das, wenn Engel einen begleiten? Gibt es das wirklich? Haben Menschen das schon erlebt? Was steht in der Bibel zu diesem Thema? Wir haben miteinander in der Bibel nachgelesen. Fünf Texte haben wir angeschaut, und einer davon sollte der Predigttext für die Konfirmation werden. Welchen der Texte ihr dann ausgewählt habt, hat mich doch überrascht:

Jesus verließ die Stadt und ging wie gewohnt zum Ölberg. Die Jünger folgten ihm. Als er dort ankam, sagte er zu ihnen: »Betet, damit ihr die kommende Prüfung besteht!« Er selbst ging noch ein paar Schritte weiter –etwa einen Steinwurf weit. Dann kniete er nieder und betete. Er sagte: »Vater, wenn du willst, nimm diesen Becher weg, damit ich ihn nicht trinken muss! Aber nicht, was ich will, soll geschehen, sondern was du willst!« Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Todesangst überfiel ihn, und er betete noch angespannter. Dabei tropfte sein Schweiß wie Blut auf den Boden. Dann stand er vom Gebet auf und ging zurück zu den Jüngern. Er sah, dass sie vor lauter Trauer eingeschlafen waren. Er fragte sie: »Wie könnt ihr nur schlafen? Steht auf und betet, damit ihr die kommende Prüfung besteht!« (Lukas 22, 39-46)

Jesus betet im Garten Gethsemane. Er weiß, was auf ihn zukommen wird: Verhaftung, Folter und dann der Tod am Kreuz. Jesus hat Angst davor- Todesangst. Er schwitzt Blut und Wasser. Er fleht Gott an: Bitte nicht! Ich will das nicht. Ich kann das nicht. Ich schaffe das nicht. Aber dein Wille geschehe. Jesus ist allein. Seine Jünger sind eingeschlafen und können ihm keinen Beistand leisten in dieser schweren Stunde. Eine ernste, ja geradezu erschütternde Geschichte ist das, wie Jesus sich hier quält. Eine Geschichte, die wir sonst in der Karwoche hören, wenn am Altar in unserer Kirche schwarze Tücher hängen, wenn die Kerzen verlöschen und die Glocken verstummen, weil wir daran denken, wie Jesus am Kreuz gestorben ist.

Heute aber feiern wir einen fröhlichen Gottesdienst mit Festgeläut und festlicher Musik. Die Kerzen brennen, auf dem Altar stehen frische Blumen, und wir alle haben uns schön gemacht für diesen Festtag. Warum also heute ausgerechnet diese Geschichte, wie Jesus im Garten Gethsemane auf der schmutzigen Erde kniet und in seiner Todesangst zu Gott betet? Weil Jesus eben doch nicht allein bleibt in dieser Extremsituation. Gott schickt ihm einen Engel vom Himmel, der ihn stärkt.

Gibt es für jeden von uns einen Schutzengel? Ist Gott wirklich für uns da? Hört er unsere Gebete, wenn wir verzweifelt sind und nicht mehr können? Ich kenne Menschen, die sagen: „Ich kann nicht mehr an Gott glauben. Ich habe zu viel Schweres erlebt im Leben. Wenn es Gott gäbe, dann hätte er das doch verhindern müssen, all das Elend, das ich schon erlebt habe. Wenn es Gott gäbe, dann hätte er mich nicht so hängen lassen dürfen.“ Wenn ich die Lebensgeschichte dieser Menschen kenne, dann kann ich schon verstehen, wie sie zu dieser Meinung kommen. Aber es macht mich doch traurig: So vieles haben diese Menschen schon verloren in ihrem Leben, und nun auch noch den Glauben an Gott. Für mich will ich es anders versuchen. Ich will festhalten an meinem Glauben. Auch wenn es schwere Zeiten gibt in meinem Leben. Auch wenn Manches anders gekommen ist, als ich es mir gewünscht hätte. Auch wenn ich Gott manchmal fragen muss: „Warum das alles?“ Ich möchte festhalten an meinem Glauben. Und ich möchte euch ermutigen, das auch zu tun. Heute lasst ihr euch konfirmieren. Konfirmation bedeutet Stärkung – Stärkung im Glauben. Wir alle brauchen diese Stärkung im Glauben. Sogar Jesus, der doch unser Vorbild im Glauben ist, hat diese Stärkung gebraucht. Ja, Jesus hat festgehalten an seinem Glauben – auch da, wo er Gott nicht verstehen konnte: Muss das wirklich sein, dieser Weg ins Leiden? Muss ich wirklich am Kreuz sterben? Geht es nicht auch anders? So hat Jesus Gott gefragt. Und Gott hat seinen Glauben gestärkt. Gott hat Jesus einen Engel vom Himmel geschickt, um ihn zu stärken.

Warum musste Jesus eigentlich leiden und sterben? Gott hätte das doch auch anders regeln können, dass er uns unsere Schuld vergibt, oder nicht? Was wäre, wenn Gott einfach nur der große und allmächtige Gott wäre, irgendwo da oben im Himmel- und nicht auch dieser Mann am Kreuz, der da einen elenden Tod stirbt? In den schweren Zeiten meines Lebens würde ich mich dann schwerer tun damit, an Gott zu glauben. In den schweren Zeiten meines Lebens brauche ich Jesus. An den kann ich mich halten, denn er hat selbst Schweres durchgemacht. Und er hat es erleben dürfen, dass Gott ihm hilft in schweren Zeiten.

Gott hat Jesus einen Engel vom Himmel geschickt, um ihn zu stärken. Für mich ist das nicht nur irgendeine biblische Geschichte aus ferner Vergangenheit, die heute so nicht mehr passieren könnte. Ich bin überzeugt davon: Gott schickt auch heute seine Engel. Er schickt sie auch zu euch. Wenn es euch schlecht geht und ihr Trost und Hilfe braucht. Wenn ihr nicht mehr weiterwisst und guter Rat teuer ist. Wenn ihr es schwer habt und ihr jemanden braucht, der auf euch aufpasst, der euch beschützt und vor dem falschen Weg bewahrt. Gott schickt euch seine Engel. Mögen Engel euch begleiten auf allen euren Wegen.

Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer