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Gedanken zum Sonntag

letzter Sonntag nach Epiphanias

 

Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias, 29. Januar 2023

Matthäus 17, 1-9: Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete weiß wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Als er noch so redete, siehe da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. Und als sie von Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Liebe Mitchristen!

Wo können Sie am besten Abstand gewinnen vom Alltag und die alltäglichen Sorgen hinter sich lassen? Das können ganz verschiedene Orte oder auch Zeiten sein. Vielleicht ist es für Sie eine stille Zeit am Morgen, die Sie sich gönnen. Oder ein Spaziergang in der Natur, Gespräche mit Freunden. Vielleicht ist es für Sie auch der Gottesdienst, den wir hier am Sonntagmorgen feiern. Für viele Menschen haben in diesem Zusammenhang die Berge eine ganz besondere Bedeutung. Schon im Alten Testament ist das so, bei Mose und Elia. Berge sind ein Ort, wo Menschen auch heute Gottes Größe und seine Nähe erfahren. Man tritt heraus aus den Niederungen des Alltags. All die Berge, die hier um uns herum sind, stehen dafür. Sie zeigen uns, dass immer wieder Menschen da waren, denen diese Berge etwas in Bezug auf ihren Glauben bedeutet haben: Menschen, die eine Kapelle gebaut haben in Wehingen auf dem Bürgle. Menschen, die in Gosheim das weiße Kreuz aufgestellt haben. An diesen schönen Orten, wo man ins Weite sieht, dort fühlt man sich Gott in besonderer Weise nahe. Dort hat man einen Überblick über die umliegende Gegend. Das hilft auch dabei, einen Überblick zu bekommen über sein eigenes Leben und sich zu besinnen auf Gott, dem wir unser Leben verdanken.

Ich denke an solche Gipfelerlebnisse bei Spaziergängen oder Wanderungen in den Bergen oder auch bei anderer Gelegenheit, wenn ich mir vorstelle, wie es Petrus und den anderen Jüngern in unserer Bibelgeschichte ging. Es ist eine sehr besondere Erfahrung, die diese drei Jünger gemacht haben – Petrus, Johannes und Jakobus. Sie haben Jesus oben auf dem Berg ganz anders erlebt, als sie sie ihn sonst kannten. Und das, obwohl Petrus schon vorher ein besonderes Erlebnis oder eine besondere Erkenntnis hatte mit Jesus. Petrus hatte erkannt: Jesus ist wirklich der Messias. Jesus ist Gottes Sohn. Petrus konnte seinen Glauben an Jesus bekennen, schon bevor er mit Jesus oben auf dem Berg war. Dort oben hat Petrus dann mit eigenen Augen gesehen: Jesus ist der Sohn Gottes! Jetzt ist sich Petrus ganz sicher, zusammen mit den anderen beiden Jüngern: Jesus wird bald seine Herrschaft sichtbar aufrichten, und wir, die Jünger, wir werden daran beteiligt sein! Endlich etwas Sichtbares und Erfahrbares! Endlich kommt Gott und ist uns ganz nahe! Endlich wird das Elend auf der Welt ein Ende haben! Jesus Christus erstrahlt in hellem Licht, und zusammen mit ihm noch die ganz Großen der Geschichte Israels, die ganz großen Männer des Glaubens: Mose und Elia, diese beiden, die Gott auch auf einem Berg erfahren durften.

Kein Wunder, dass Petrus diesen ganz besonderen Augenblick einfach festhalten möchte. Dieser großartige Glücksmoment soll für immer bleiben. „Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.“ So sagt es Petrus. Ich denke, diese Reaktion ist völlig nachvollziehbar für jeden, der schon einmal einen echten Glücksmoment erlebt hat im Leben. In einem solchen Moment denken wir: So soll es bleiben! Aber Gott lässt sich nicht auf Dauer festhalten. Gott bleibt der ganz Andere, der Unbegreifliche. So geht es uns auch heute: Ob es Glücksmomente in unserem Leben sind oder Momente besonderer Gotteserfahrung – es bleiben immer nur Momente. Und doch sind diese Momente etwas ganz Wichtiges. Diese Gipfelerlebnisse geben unserem Glauben Halt, so dass er tragfähig bleibt in den Tiefen des Lebens. Ja, auch wenn wir von diesen Glücksmomenten wieder heruntersteigen müssen in die Tiefen und die Niederungen des Alltags – Gott ist bei uns und begleitet uns.

Gott ist bei uns und begleitet uns – auch, wenn das oft ganz anders aussieht, als wir es erwarten und uns wünschen. Elia hat das schon viel früher als Petrus auf einem Berggipfel erlebt, dass Gott ganz anders ist, als er es erwartet hat. Zu Elia kam Gott nicht im Sturm, auch nicht im Erdbeben oder im Feuer. Elia hat erfahren: Gott kommt ganz leise und sanft, ganz anders als erwartet. Und so erleben es auch Petrus und die beiden anderen Jünger mit Jesus auf dem Berg. Es läuft anders als erwartet. Petrus würde gerne Hütten bauen. Dass er das möchte, hat er noch gar nicht richtig ausgesprochen, da fällt ihm aus der Wolke eine Stimme ins Wort.  Wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft ihn dieses Wort von oben: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; hört auf ihn!“

Unsere Aufgabe ist nicht, Hütten zu bauen. Unsere Aufgabe ist nicht, sich einrichten in den Glücksmomenten. Unsere Aufgabe ist, weiterzugehen durch die Höhen und Tiefen des Lebens und dabei auf Jesus zu hören. Zu hören auch auf unbequeme Worte von Jesus, auf Worte wie diese, die Jesus auch auf einem Berg gesprochen hat: „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt 5, 4ff) Hört auf Jesus! Den Jüngern fährt diese himmlische Stimme in die Glieder und ihnen zittern die Knie.  Wie geht es uns heute damit, mit diesen Worten aus der Bergpredigt, in einer Zeit, in der die Selbstverständlichkeit in Europa Frieden zu haben, weg ist seit jetzt fast einem Jahr. So lange dauert der Krieg in der Ukraine nun schon bald. Dieser Krieg macht uns ratlos – so ratlos, dass uns nur noch militärische Mittel einfallen, um ihn einzudämmen. Werden sie den Frieden bringen? Hört auf Jesus ,sagt uns die Bibel. Wir sind herausgefordert, das in unserer Zeit zu tun –  mitten im Elend und Unfrieden unserer Welt. 

Ja, immer wieder gibt es zum Glück auch Gipfelerlebnisse in unserem Leben und Glauben. Gipfelerlebnisse, die uns helfen, auch durch die schwierigen Zeiten hindurchgehen zu können. Ich denke dabei noch an einen anderen Berg – an den Hügel Golgatha. Auf Golgatha stirbt Jesus am Kreuz.  „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; hört auf ihn!“ Gerade auch auf Golgatha gelten diese Worte.  Das göttliche Licht scheint überall – gerade auch an den verworrenen und dunklen Orten. Auch und gerade am Kreuz wird es greifbar, was Jesus in der Bergpredigt versprochen hat: Dass die Leidenden getröstet werden. Dass den Sanftmütigen das Erdreich gehört. Dass die Friedensstifter Gottes Kinder heißen. Es geht nicht immer alles einfach und glatt auf. Es gibt eben nicht nur die Gipfelerlebnisse, sondern auch die tiefen auch die dunklen Täler. Gerade auch jetzt in unserer Zeit, in der wir diesen furchtbaren Krieg in der Ukraine erleben müssen, gerade da wollen wir daran festhalten, dass Jesus Christus für uns da. Für die drei Jünger wird seine Herrlichkeit sichtbar auf dem Berg. Aber erst nach Kreuz und Auferstehung dürfen sie davon berichten. Denn gerade im Leiden am Kreuz wird Gottes Herrlichkeit sichtbar in Jesus Christus. Auf seinen Namen sind wir getauft.  Und er hat es uns versprochen, er wird bei uns sein. Nicht nur an den Höhepunkten unseres Lebens und bei den Gipfelerlebnissen unseres Glaubens, sondern an jedem Tag- alle Tage bis ans Ende der Welt.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer