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Gedanken zum Sonntag

18. Sonntag nach Trinitatis

 

Predigt zur Konfirmanden- Vorstellung am Sonntag, 16. Oktober 2022

Offenbarung 21. 1-6: Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr da. Und ich sah die heilige Stadt: das neue Jerusalem. Sie kam von Gott aus dem Himmel herab –für die Hochzeit bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: »Sieh her: Gottes Wohnung ist bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein. Gott selbst wird als ihr Gott bei ihnen sein. Er wird jede Träne abwischen von ihren Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben, kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen.« Der auf dem Thron saß, sagte: »Ich mache alles neu.« Und er fügte hinzu: »Schreib alles auf, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr.« Dann sagte er zu mir: »Es ist geschehen! Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Durstigen Wasser geben, das aus der Quelle des Lebens fließt. Ich gebe es ihm umsonst.

 

Liebe Mitchristen!

„Leben nach dem Tod.“ Dieses Thema haben die Konfirmanden sich ausgewählt für ihren Begrüßungsgottesdienst. Da kann man sich fragen: Ist das nicht doch zu ernst als Thema? Passt das zu diesem Gottesdienst? Es ist doch ein fröhlicher Anlass. Schön, dass ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden da seid und euch hier in der Gemeinde auf eure Konfirmation vorbereitet. Wir freuen uns mit euch und über euch! „Leben nach dem Tod“ – passt dieses Thema zu euch Konfirmandinnen und Konfirmanden? Für euch fängt das Leben doch erst so richtig an. Ihr habt die Kindheit hinter euch gelassen. Und jetzt startet ihr durch, in euer Leben. Der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation, das ist so ein Schritt auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Das Leben liegt vor euch, und doch fragt ihr danach: Wie geht es nach diesem Leben einmal weiter? Es ist eine Frage, die uns alle beschäftigt, egal wie alt wir sind. Manchmal beschäftigt uns diese Frage jahrelang gar nicht. Und dann gibt es Zeiten und Jahre, da geht uns diese Frage so nahe, dass wir sie nicht zur Seite schieben können. Das ist immer dann so, wenn jemand gestorben ist, ein lieber Mensch, der für uns sehr wichtig war. Dann fragen wir uns: Wo ist dieser Mensch jetzt? Wie geht es ihm? Muss er jetzt nicht mehr leiden? Geht es ihm jetzt besser?

Als Jesus am Kreuz stirbt, verspricht er dem Schwerverbrecher, der neben ihm gekreuzigt wird: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23, 43) Und Paulus sagt: „Wir sind Bürger des Himmels.“ (Phil 3, 20) Dort ist unsere eigentliche Heimat, dort in Gottes neuer Welt. Jesus Christus ist dort. Wir werden einen neuen Körper bekommen. Es wird alles gut werden dort. So sagt es uns der Apostel im Philipperbrief. Ja, auch der Himmel und die Erde werden dann neu sein, sagt uns das Buch der Offenbarung. Gott wird unser Nachbar sein und gleich nebenan wohnen. Und er wird alle unsere Tränen abwischen, so dass alles Leid ein Ende hat.

Alles wird gut. Wir kommen aus dem Dunkel ins Licht. So ist es auch dargestellt auf dem Bild, das der Künstler Hieronymus Bosch gemalt hat einige Jahre vor der Reformation.  „Der Aufstieg in das himmlische Paradies“ heißt das Bild. Nackte Körper sind schemenhaft zu sehen. Unten rechts wartet einer in der Finsternis; ein anderer Körper steht in einer Art Tunnel, neben ihm – an Flügeln erkennbar – ein Engel; einen weiteren sieht man am Ende des Tunnels im Licht stehen. Dort erwartet ihn offenbar jemand: man sieht einen Arm, der ihn heranwinkt. Diese Personen ohne Flügel, das sind auf dem Bild von Hieronymus Bosch die Verstorbenen, die in den Himmel kommen. Diese Toten haben einen Körper – wie anders sollte man sie auch malen können? Aber es ist nicht zu erkennen, ob sie männlich oder weiblich sind, ob sie alt oder jung verstorben sind, ob sie krank waren oder behindert. Hieronymus Bosch malt, was in der Bibel steht. Er malt den Verstorbenen einen neuen Körper – nicht nur weil man sie sonst nicht malen könnte, sondern weil die Verstorbenen nach dem Tod einen neuen, einen unvergänglichen Körper bekommen. So haben wir es heute auch in der Lesung gehört: „Jesus Christus wird unseren unvollkommenen Körper seinem eigenen Körper gleichmachen, der Gottes Herrlichkeit widerspiegelt.“ (Phil 3, 21) Wir sind auch nach dem Tod ganze Menschen, mit Leib und Seele. Wir werden Gesichter haben, an denen Gott unsere Tränen abwischt. Wir werden eine Wohnung haben, die neben der Wohnung von Gott liegt. Wir werden Augen haben, mit denen wir das himmlische Jerusalem sehen.

Hieronymus Bosch malt die Reise der Verstorbenen in den Himmel: Sie gehen alle auf ein großes Licht zu. Fast scheint es, als würden sie angezogen von diesem Licht, als schwebten sie darauf zu. Ganz leicht sieht das aus. Am Ende werden sie erwartet. „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein,“ sagt Jesus Christus. Er sagt das zu einem Schwerverbrecher, der wegen seiner schlimmen Taten am Kreuz stirbt. Damit sagt uns Jesus: Wir werden erwartet, und niemand wird abgewiesen. Wer bei Gott ist, ist nicht tot. Unsere Lieben sind bei Gott, beim „Vater unser im Himmel“.

Hieronymus Bosch malt, was kein Mensch wissen kann: was nach dem Tod sein wird. Aber das, was er malt, haben doch manche Menschen auch schon so erfahren: Menschen, die dem Tod schon sehr nahegekommen waren. Sie erzählen von sogenannten Nahtoderfahrungen: Sie waren nach einem Unfall oder einer Operation schon „klinisch tot“, wurden dann aber wieder belebt, sozusagen zurück geholt ins Leben. Erstaunlich ist, dass das, was sie davon erzählen, in vielen Einzelheiten gleicht:  Sie berichten von einer „außerkörperlichen Erfahrung: Sie konnten sich selbst sehen und die Ärzte und Menschen, um sie herum; konnten Dinge beschreiben oder hören aus dem OP-Saal, die sie unmöglich wissen konnten: Sie sehen bereits verstorbene Verwandte und Freunde, die sie abholen. Sie hatten das Gefühl, in einem Tunnel zu sein und auf ein großes Licht zuzugehen. Sie spürten ein nie gekanntes Gefühl großen Friedens oder überwältigender Liebe und Geborgenheit. Diese Erfahrung war so schön, dass die meisten davon berichten, sie wären gern geblieben. Zurück im Leben haben sie keine Angst mehr vor dem Tod. Manche ändern ihr Leben, wechseln den Beruf, setzen sich für andere ein. Bei einer Umfrage im Jahr 2000 gaben 4 Prozent der Befragten an, eine sogenannte Nahtoderfahrung gemacht zu haben. Wenn man das hochrechnet, wären das 3 Millionen Deutsche – also eine ganze Großstadt. Nicht alle diese Menschen werden daraufhin religiös oder gar christlich. Viele reden auch nicht darüber, aus Angst, nicht ernst genommen zu werden.

Auch die Hirnforschung hat ihre Erklärungen für diese außergewöhnliche Erfahrung: Durch den Sauerstoffmangel im Gehirn werden Botenstoffe ausgeschüttet, die Glücksgefühle und Halluzinationen erzeugen – auch die Vorstellung, durch einen Tunnel zu gehen oder ein helles Licht zu sehen. Auch so lässt sich einordnen, was diese Menschen erzählen – Menschen, die ganz nah dran waren am Tod, aber eben doch nicht ganz tot waren. Ihre Erzählungen können uns helfen bei der Frage: Was kommt nach dem Tod? Aber eine eindeutige Antwort darauf können sie uns nicht geben.

Wir können es nicht wissen, was uns nach dem Tod erwartet. Wir können nur glauben, was uns in der Bibel von Gott versprochen ist: Nach dem Dunkel des Todes sind wir bei Gott in seinem Licht. Und auf dem ganzen Weg vom Dunkel ins Licht sind wir von Engeln begleitet. So hat es Hieronymus Bosch gemalt auf seinem Bild. Er hat dieses Bild aus seinem christlichen Glauben gemalt. Es ist ein Bild, das zu unserer christlichen Hoffnung passt. Diese christliche Hoffnung wollen wir miteinander leben in unserer Gemeinde. Schön, wenn Menschen dazukommen, die das auch wollen! Schön, dass ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden auch dabei seid. Wir werden nicht auf alle eure Fragen eine Antwort haben. Aber wir wollen miteinander nach Antworten suchen auf die Fragen, die uns bewegen.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer