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Gedanken zum Sonntag

Palmsonntag

 

Predigt zur Goldenen Konfirmation am Palmsonntag, 10. April 2022

Johannes 17, 1-9: Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen: Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche; so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast. Ich bitte für sie. Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein. 

 

Liebe Jubilarinnen und Jubilare, liebe Mitchristen,

Wir feiern goldene Konfirmation. Wir schauen zurück auf Lebenswege. 50 Jahre sind seit Ihrer Konfirmation vergangen. Am 19. März 1972 war das, als Pfarrer Autenrieth Sie hier in der Christuskirche konfirmiert hat. Damals, bei Ihrer Konfirmation, da haben Sie auf dem Weg in die Zukunft geschaut – gespannt und erwartungsvoll, wie unsere jetzigen Konfirmanden, die kurz vor der Konfirmation stehen. Sicher waren damals nicht nur Optimismus und Zuversicht vorhanden. 1972 – das war die Zeit des Kalten Krieges und des RAF-Terrors. Das war das Jahr der blutigen Geiselnahme bei den Olympischen Spielen in München. Ich weiß nicht, wie Sie diese Nachrichten damals berührt haben. Sie transportieren ja nicht nur Fakten, sondern eine tiefere Botschaft über uns und unser Leben: Es ist in Gefahr. Wir sind von vielen Seiten bedroht. Und unsere Zukunft ist nicht gesichert.

Was trägt uns hindurch durch ungewisse Zeiten? Was hat Ihnen geholfen in Ihrem Leben, damit Sie Ihren Weg gestärkt weitergehen konnten? Vielleicht waren da Menschen, die zu Ihnen gehalten haben. Vielleicht waren da gute Erfahrungen. Vielleicht waren da Anstrengungen, die sich gelohnt haben. Und vielleicht waren da auch Erfahrungen mit dem Glauben. Vielleicht haben Sie es immer wieder gespürt: Ich bin nicht allein. Und was ich wirklich wert bin, das entscheiden nicht die Menschen, die mich beurteilen und bewerten. Was ich wirklich wert bin, das entscheidet sich bei Gott. Denn ich bin Gottes geliebtes Kind. Gott ist für mich da, egal was die Zukunft bringt. Gott kann ich alles anvertrauen, wenn ich zu ihm bete.

Ich weiß nicht, ob Sie diese Erfahrung machen durften. Vielleicht gab es da auch Zeiten in Ihrem Leben, in denen Ihnen die Kirche und der christliche Glaube eher fremd geworden sind. Aber heute sind Sie gekommen, hier in die Kirche, in der Sie damals vor 50 Jahren Ihre Konfirmation gefeiert haben. Heute wollen Sie Ihre Bitten und Ihren Dank für die vergangenen 50 Jahre vor Gott bringen und mit den vertrauten Worten zu ihm zu beten: Vater unser im Himmel. Vater Unser: Das sind die Worte Jesu. Er selbst hat uns dieses Gebet geschenkt. Er hat seine Jünger gelehrt, so zu beten. Und so wurde dieses Gebet weitergegeben von Generation zu Generation – in den Familien, im Gottesdienst, im Konfirmandenunterricht. Vater unser, das bedeutet auch: Wir dürfen Gott Vater nennen. Jesus selber hat so gebetet. „Vater, die Stunde ist gekommen.“ „Vater, verherrliche du mich bei dir.“ Dieses Gebet Jesu überliefert uns das Johannesevangelium im 17. Kapitel. Jesus betet. Seine Verhaftung steht unmittelbar bevor. Sein Weg ins Leiden, ans Kreuz, in den Tod. Das Gebet Jesu, das das Johannesevangelium überliefert, hat einen ganz anderen Klang als das, was wir aus den anderen Evangelien kennen. In Todesangst betet Jesus dort im Garten Gethsemane: „Vater, nimm diesen Kelch von mir!“ (Mk 14, 36). Ja, Jesus war auch ganz Mensch, schwach und verzagt. Er hat wirklich gelitten, hatte Angst und hatte Schmerzen. Jesus, der Mensch. Wenn wir Angst haben und Schmerzen, wenn wir denken, unser Weg ist zu schwer für uns und wir schaffen das nicht -dann können wir sicher sein: Jesus versteht, wie es uns jetzt geht. Er hat das alles selber auch schon durchgemacht. Jesus, ganz menschlich. Das hilft mir, dass ich ihm meine eigene Not anvertrauen kann.

Wir feiern Konfirmationsjubiläum in einer schwierigen Zeit. Wir stehen fassungslos vor dem blutigen Krieg in der Ukraine. Die grausamen Bilder von zerstörten Städten und ermordeten Zivilisten lassen uns nicht mehr los. Das Elend der traumatisierten Flüchtlinge geht uns nahe. Wir machen uns Sorgen um die Zukunft: Welche Einschränkungen auf uns noch zukommen als Folge dieses Krieges? Wir hätten einen solchen Krieg nicht für möglich gehalten.

Gerade in schwierigen Zeiten brauche ich den Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der zusammen mit Gott dem Vater und dem Heiligen Geist die Welt in seinen Händen hält. Von ihm kann ich Hilfe erwarten in all dem Elend, das mich umgibt. Nicht ein Mensch, nur der Sohn Gottes kann die Not wenden. Jesus, der Sohn Gottes. So begegnet er uns im Johannesevangelium. Auch bei seinem Gebet vor seiner Verhaftung, auch da ist Jesus ganz der Sohn Gottes: „Vater, verherrliche du mich bei dir.“ Im tiefsten Elend zeigt sich Gottes Herrlichkeit – in Jesus Christus am Kreuz. Am Kreuz hält Jesus segnend die Hände über uns alle und sagt uns: Dir sind deine Sünden vergeben. Jesus macht sein Angebot – es enthält auch die Bereitschaft, die Kraft zum Frieden. Jesus sagt uns: Keiner von uns ist schon am Ende. Gott schenkt uns Zukunft. Er gibt uns sein Wort. Und er lädt uns ein, sein Wort zu bewahren – das Wort von Gottes Liebe, die stärker ist als der Tod, stärker als alles Leid und alle Schuld. Das Wort von Jesus Christus, der uns ewiges Leben verspricht. Das ist der Halt, den wir als Christinnen und Christen im Glauben haben: Die Hoffnung, dass unser Leben Zukunft hat trotz aller Bedrohungen, trotz Elend, Not und Tod.

Das sind große Worte. Und vielleicht erscheinen sie dem einen oder der anderen von Ihnen eine Nummer zu groß – gerade in Zeiten wie der unsrigen, wo das Elend der Welt zum Himmel schreit, und wir uns fragen: Warum greift Gott nicht ein? Warum lässt Gott das alles zu? Fragen, die einen ins Zweifeln bringen können. Kommen die Worte der Bibel nicht ins Wanken angesichts solcher Schrecken? Ja, es ist alles andere als selbstverständlich, beim christlichen Glauben zu bleiben, so wie Sie es bei Ihrer Konfirmation vor 50 Jahren versprochen haben. In manchen Zeiten ist es ganz einfach, in anderen ist es jeden Tag eine neue Herausforderung. In seinem Gebet in Johannes 17 sagt Jesus uns: Wir gehören zu Gott, trotz aller Zweifel, die wir immer wieder haben. Und Jesus betet für uns zu Gott. Er betet darum, dass wir es schaffen, am Glauben dranzubleiben: „Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein.“

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer