Kategorien
Gedanken zum Sonntag

Letzter Sonntag nach Epiphanias

 

Predigt von Pfarrerin Esther Kuhn-Luz

Am 30. Jan. 2022, Letzter Sonntag nach Epiphanias

Liebe Gemeinde,

wir brauchen immer wieder Worte, mit denen wir gestärkt werden, wenn wir nicht richtig weiter wissen. Worte, die jemand zu uns sagt oder schreibt, Worte, die wir lesen… auch in der Bibel. Und da lesen wir heute in einem Brief eines Mannes, der wohl der Apostel Petrus war, wie er mit seinen Worten Menschen stärkt, ihnen Mut macht, nicht zu verzweifeln, sondern die innere von Gott geschenkte Hoffnung zu behalten.

Predigttext: 2. Petr.1,16-19

Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.

Petrus schreibt an die kleinen christlichen Gemeinden, die sehr angegriffen wurden. Zum einen von römischer Militärmacht, aber auch von Menschen, die andere Religionen hatten.  Was – ihr glaubt an einen Gott, den man nicht sieht? Ihr glaubt an einen Mann, den ihr Christus nennt, Gottes Sohn – und der auferstanden sein soll? Wo sind die Beweise? Erzählt ihr nicht nur Fabeln?
Das war nicht einfach, diesen Angriffen etwas entgegenzusetzen. Denn – sie waren manchmal selber in diesem Zwiespalt. Auf der einen Seite spürten sie diese starke Kraft in ihnen: an Christus zu glauben, an seine Auferstehung. Und diese Hoffnung – dass Gott jeden Tag da ist, mich begleitet, egal, welchen Weg ich gehe, wo ich gerade innerlich und äußerlich bin.
Das zu spüren tat gut. Aber – ganz ehrlich war es auch immer wieder schwer, mit der Unsichtbarkeit Gottes zu leben.

Mit diesen innerern Zweifeln, mit dieser Verunsicherung leben wir ja in unserer Zeit heute auch. Auch wir sind inzwischen kleine Gemeinden – und werden herausgefordert. Von kritischen Fragen von außen und von innen.

Auch die Pandemie fordert uns in unserem Glauben heraus. Mich fragen immer wieder Erwachsene und auch Jugendliche:
Hat Corona etwas mit Gott zu tun? Hat uns Gott Corona als Strafe geschickt?
Nein. Da ist in mir eine ganz klare Antwort. Gott schickt nicht einfach Pandemien.

Die Pandemie ist keine Strafe Gottes – aber sie zeigt uns auf, dass wir als Menschheit nicht mehr auf die Grenzen achten, die Gott uns Menschen in seiner Schöpfung gegeben hat. Die Erde bebauen und zu bewahren.
Die wichtigen Diskussionen um die Klimakrise zeigen uns, welche Grenzen überlebenswichtig sind: es kann nicht um ständig weiteres Wachsen gehen, sondern um die Frage: was brauche ich, was brauchen wir, um gemeinsam gut leben zu können?
Die Coronakrise ist ein Brennglas auf die Zerbrechlichkeit der Welt. Es macht Leid noch sichtbarer. Es zeigt, wie verwundbar wir alle sind – und dass wir uns gegenseitig brauchen, um uns zu unterstützen. Es zeigt, dass es nichts bringt, nur für sich selber zu sorgen, nur für die eigene Freiheit einzutreten. Wir müssen solidarisch miteinander sein. Wir gehören als große Menschheitsfamilie zusammen. Auch in der Beschaffung und Verteilung des Impfstoffes.  Es genügt nicht, nur für sich selber achtsam zu sein, sondern immer den Blick auch dafür zu haben, was andere gerade brauchen. Hier bei uns in Deutschland – in Europa – auf der Welt. Denn – alles hängt mit allem zusammen.
Gott hat uns Verantwortung füreinander gegeben.
Ja, aber – fragen manche weiter – was tut Gott?

Gott ist die Kraft in uns.
„Umso fester vertrauen wir auf Gottes Wort und achten darauf als ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“ So schreibt es der Verfasser des Petrusbriefes an die Christen, die damals nicht von einer Pandemie, aber von römischer Militärgewalt immer wieder bedroht waren.
Die Kraft Gottes in mir – wie ein Morgenstern, der aufgeht in unseren Herzen. Wie ein Licht, das scheint an einem dunklen Ort.
Das ist ein starkes Bild. Es tut sehr gut, sich darauf mal ganz einzulassen. In mir wohnt Gott – als ein Licht. Und das scheint gerade auch in dunklen Zeiten. Wenn man dieses Bild ganz verinnerlichet hat, dann spürt man, welche Kraft sich daraus entwickelt.
Ich selber kann immer wieder mutlos sein, kann spüren, dass sich in mir eine Resignation ausbreitet, es dunkel in mir wird.

Dann brauche ich die Erinnerung – wie heute im Gottesdienst:
Gott wohnt in mir – und in den andren auch! –„… als ein Licht, das scheint an einem dunklen Ort. Bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“ Dieses Licht ist immer da – ich muss mich nur immer wieder daran erinnern, mir Zeit nehmen, um mir darüber bewusst zu werden.

Was heißt das, Gott wohnt in mir?
Erinnern Sie sich noch an das Weihnachtslied von Paul Gerhardt: Ich steh an deiner Krippen hier? Da kommen 2 Strophen vor, die uns davon erzählen, dass Gott in Jesus wie ein Licht in die Welt gekommen ist – und nun auch in uns wohnt.
„Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne. Die Sonne, die mir zugedacht, Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir (!) zugericht, wie schön sind deine Strahlen!“
Und in der letzten Strophe heißt es dann:
„Eins aber, hoffe ich, wirst du mir, mein Heiland, nicht versagen: dass ich dich möchte für und für in, bei und an mir tragen. So lass mich doch dein Kripplein sein, komm, komm und lege bei mir ein dich und all deine Freuden.
Seit Weihnachten ist also unser Herz, vielleicht besser: unsere Seele die Krippe der Ort, an dem das Licht Gottes in uns scheint.
Da tragen wir einen riesigen Hoffnungsproviant in uns. Und wo Licht scheint, will das auch nach außen.
Das bedeutet nun nicht, dass man selbst nicht auch immer wieder Dunkles in sich trägt, viele Fragen, vielleicht auch Zweifel hat. Die sind auch nötig, um mich immer wieder zu fragen: auf welche Weise soll ich in diese Welt Licht bringen? Welche Aufgabe habe ich mit meinen Fähigkeiten, mich so einzubringen in die Welt, in Familie, Freundschaft, Schule, Arbeit etc – …. dass es etwas heller wird in der Welt?

Für Dietrich Bonhoeffer, den Theologen und evang. Pfarrer, der in der Zeit des Nationalsozialismus im Widerstand gegen die Nazis gearbeitet hat, war es wichtig, dass ein Engagement für eine friedliche Welt aus diesem inneren Licht Gottes kommt. Nur so bekommt man Orientierung und Mut mitten im Alltag. Er war aber gleichzeitig überzeugt, dass wir immer so handeln müssen, dass wir selbst Verantwortung übernehmen müssen und nicht sagen können: Gott, nun mach doch mal.
Er hat geschrieben, dass wir vor Gott leben –als würde es Gott gar nicht geben – etsi deus non daretur. Um nicht Gott die Verantwortung in die Schuhe zu schieben, sondern selbst bereit zu sein, Verantwortung zu übernehmen. – und so vor Gott zu leben.

Das klingt kompliziert. Aber ehrlich gesagt hat mir das immer sehr viel bedeutet. Wir leben in einer Welt, in der in unserem Alltag nicht viel von Gott die Rede ist – und es geht nicht darum, dass wir ständig den Namen „Gott“ im Munde haben, wenn wir mit anderen reden. Aber es ist wichtig, dass dieses innere Licht auch nach außen strahlen kann.

„Der Gott, der uns in der Welt leben lässt ohne die Arbeitshypothese Gott ist der Gott, vor dem wir dauernd stehen.“
Das heißt, mit dem Tag unserer Geburt kommen wir in eine Welt, die Gott geschaffen hat. Wir treffen auf Menschen, die Gott auch zu seinen Ebenbildern geschaffen hat. Wir leben in einem großen Horizont, den Gott uns aufspannt – weil er Himmel und Erde und das Meer erschaffen hat.

Wenn man am Meer steht oder auf einem hohen Berg, dann versteht man das noch besser, dass Gott uns in einen ganz großen Lebenshorizont gestellt hat – und wir uns immer wieder auch in unserem Denken von dieser Weite Gottes berühren lassen können, sollen.

Wenn man den Horizont sieht in der Ferne, dann öffnet sich vor mir ein weiter Raum… und ich weiß nicht, was hinter dem Horizont kommt… ich weiß nur, dass es weiter geht.
Und Gott stellt mich, stellt uns in diesen weiten Raum.
Es sind keine Fabeln, die wir da erzählen, sondern Erfahrungen!

„Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen.“
Der Apostel Petrus trägt in sich als ein inneres Licht die Erinnerung an dieses besondere Ereignis auf dem Berg, als er mit  Johannes und Jakobus  erlebt hat, wie Jesus ganz vom Licht umgeben ist. Verklärung hat man das später genannt.

Und jetzt sieht er und die anderen beiden Jünger, wie auch Jesus leuchtet, wie das innere Licht ganz nach außen kommt – so wie wir manchmal auf Menschen treffen, die ganz erleuchtet sind. Weil sie etwas so Schönes, so stärkendes erfahren haben.

Und tatsächlich erscheinen jetzt neben Jesus auch Mose und Elia…. Die diesen inneren äußeren Glanz Gottes tragen.

Petrus ist selber so erfüllt. So soll es immer bleiben: So nah bei Gott. So ganz und gar erfüllt vom Licht Gottes oder wenigstens so nahe bei Menschen, die von Gottes Licht erfüllt sind. Klar – wer würde nicht gerne in so einer besonderen Situation bleiben wollen? „Ach Jesus, am liebsten würde ich jetzt hier sofort 3 Hütten bauen – für dich und für Mose und für Elia… und dann bleiben wir auf dem Heiligen Berg!“
Nie wird er das Vergessen. Am liebsten wäre er und die anderen 3 Jünger da oben geblieben. Weit weg von allen Problemen dieser Welt. Miterleben, wie Gott spricht, wie Gott ganz gegenwärtig ist, wie man selber das Gefühl hat, von Gott erfüllt zu sein. Aber gerade das wollte Jesus nicht. Nein, die Begegnung, die Berührung von Gottes Gegenwart ist nicht dafür da, um sich zu trennen von allen Themen des Alltags, sondern um Kraft zu bekommen, um mit den Problemen des Alltags um gehen zu können. Das Ziel ist nicht, auf einem heiligen Berg zu bleiben. Aber -es ist immer wieder notwendig, solche besonderen Zeiten mit Gott zu haben, um sich stärken zu lassen.
Wie gut, dass wir jeden Sonntag Gottesdienst feiern können, um uns durch die biblischen Worte, durch Gebete und Lieder erinnern zu lassen:
Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
Amen