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Gedanken zum Sonntag

6. Sonntag nach Trinitatis

Predigt vom 6. Sonntag nach Trinitatis (Pfr. M. Arnold)

Liebe Gemeinde,

alle Gemeinden haben eines gemeinsam: Sie sind Gemeinde! Und in jeder Gemeinde gibt es Dinge, die gut laufen und Dinge, die völlig daneben gehen.

Und immer wieder geht es um die großen Fragen: Wie geht es weiter? Wofür werden in der Gemeinde Herzblut, Zeit, Geld und Gaben investiert? Wo Schwerpunkte gesetzt? Welche Menschen können wir gewinnen? Wie kann Leidenschaft und Freude für das entstehen, was wir zusammen tun? Warum tun wir, was wir tun?

Genau darum soll es heute gehen: Warum tun wir, was wir tun? Warum tun wir es in den guten und schlechten Tagen? Warum werden wir es in Zukunft tun – mit aller Leidenschaft und Freude?

Ich lese Ihnen vor, was Jesus im Sinn hatte, als er so etwas wie Gemeinde ins Leben gerufen hat, was er nach Ostern und vor seinem Abschied von seinen Freunden zu ihnen sagt – das ist der Predigttext für heute (Mt 28,18f):

Die elf Jünger gingen nach Galiläa. Sie stiegen auf den Berg, wohin Jesus sie bestellt hatte. Als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Aber einige hatten auch Zweifel. Jesus kam zu ihnen und sagte: „Gott hat mir alle Macht gegeben, im Himmel und auf der Erde! Geht nun hin zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngerinnen und Jüngern: Tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Und lehrt sie, alles zu tun, was ich euch geboten habe. Und seht doch: Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt!“ (BasisBibel)

Das Wort „Jünger“, auf Griechisch mathetäs, das heißt so viel wie „Schüler“ oder „Lehrling“ und kommt 269 mal im Neuen Testament vor. Das Neue Testament ist ein Buch von Jüngern über das Leben von Jüngern. Geschrieben für Jünger und für solche, die es werden sollen und wollen. Und der Auftrag an die Zwölf lautet: „Macht zu Jüngern!“ – oder anders formuliert: „Helft Menschen, Jünger zu werden. Geht auf Menschen zu und erzählt ihnen vom Leben als Jünger. Tut alles, damit Menschen Lust darauf bekommen, Jünger zu werden. Gewinnt möglichst viele für ein Leben als Jünger!“ Am Anfang des Evangeliums sagt Jesus zu einer guten Handvoll Menschen: „Werdet meine Jünger, folgt mir nach!“ Und am Ende des Evangeliums sagt Jesus zu diesem kleinen Kreis von Menschen: „Zieht die Kreise immer wieder! Alle sollen werden können, was ihr seid: Jünger!

 

Lebendige und erfolgreiche Unternehmungen auf dieser Welt haben ein WARUM – und weil sie ein WARUM haben, haben sie ein WAS und ein WIE. Es geht niemals andersrum! Apple ist heute nicht eine der erfolgreichsten Firmen weltweit, weil Steve Jobs gesagt hat: Wir machen Computer und andere Geräte – und wir machen das so und so. Nein: Apple ist erfolgreich, weil Steve Jobs eine Vision hatte! Die Vision, dass Menschen auf der ganzen Welt miteinander verbunden sein sollen, dass alle überall Zugang zu Informationen, zu Bildung und zu Unterhaltung haben sollen – und das alles möglichst einfach! Er hatte ein WARUM, und deshalb ein WAS und ein WIE! Wenn wir nur ein WAS haben, wenn wir sagen: „Wir machen da so Veranstaltungen in der Kirche und wir bieten was für Kinder an und organisieren manchmal nebenher noch Aktionen„, wird uns die Luft wegbleiben und Freude und Leidenschaft werden schrumpfen. Warum sollten wir das tun – ohne ein WARUM?

Unser WARUM heißt: Wir wollen lebendige, mündige Nachfolger von Jesus sein, Jüngerinnen und Jünger – und wir wollen andere gewinnen, dass sie auch Jüngerinnen und Jünger werden. WARUM? Weil es das Beste ist, was Menschen auf dieser Welt angeboten wird. WARUM? Weil es stimmt, was ein großer Prediger einmal gesagt hat: „Es gibt kein Problem im menschlichen Leben, das in der Schule von Jesus nicht gelöst werden könnte.“ Furcht, Gier, Rassismus, Hunger, Gewalt, Einsamkeit, Schuld, Tod, Leiden. Das schließt sogar die Vergebung meiner Schuld, die Versöhnung nach langem Streit, die Befreiung von Abhängigkeiten, den Mut zu neuen Schritten und die Hoffnung über den Tod hinaus ein.

 

Wie lebt ein Jünger? Ich habe versucht, ein paar Merkmale eines Jüngers herauszufinden. Herausgekommen sind fünf Dinge:

1) Ein Jünger lernt bei Jesus, wie das Leben funktioniert! Dadurch verändert sich sein Leben. In der Bergpredigt steht eine ganze Menge darüber, wie „Leben“ geht: ohne Sorge, ohne Hass und Arroganz, mit offenem Herzen und großzügiger Hand für Arme, mit natürlicher Frömmigkeit. Ein Jünger lernt bei Jesus, wie das Leben funktioniert.

2) Ein Jünger wird deshalb Jesus mehr lieben als jeden und alles andere! Je tiefer wir verstehen, was für ein Vorrecht es ist, mit Jesus unterwegs zu sein, desto tiefer wird unsere Liebe zu Jesus. Dann ordnen sich alle anderen Beziehungen dahinter ein. Und es tut gut – es tut gut, wenn nicht meine Ehepartnerin oder mein Freund mein Herr und Heiland sein muss. Es tut gut, wenn mein Geld nur ein Mittel ist und Jesus den Umgang mit dem Geld steuert.

3) Ein Jünger wird sich von Jesus an die Arbeit stellen lassen. Jesus hat seine Jünger eine ganze Weile zuhören und zuschauen lassen. Und dann hat er gesagt: „Jetzt seid ihr dran! Jetzt dürft ihr meine Arbeit in eurer kleinen Welt tun. Heilen und vergeben, trösten und herausfordern, mahnen und erklären. Jetzt seid ihr dran.“ Dann können wir spüren, wie unser Leben reich wird, wenn unser Leben seinem WARUM dient!

4) Ein Jünger ist nicht allein! Ein Jünger hat immer andere – und zwar ganz bestimmte andere, mit denen er zusammen Jünger ist. Jesus hat seine Jünger auch als Gemeinschaft geformt, die Menschen in seiner Gruppe hätten sonst nie zusammengefunden. Sie waren füreinander nicht nur Freunde, sondern eine Zumutung und eine Herausforderung! Aber Jesus will das so: dass wir verlässliche Weggefährten in der Gemeinde der Jünger werden.

5) Einen Jünger lässt Jesus nicht im Stich. Als ich die Geschichte Jesu für diese Predigt noch einmal durchgelesen habe, habe ich so manches Mal den Kopf geschüttelt. Die Jünger bekommen es nicht geregelt, sind völlig schief gewickelt, enttäuschen Jesus, lassen ihn im Stich, sind mir ihren eigenen Projekten beschäftigt, verstehen ihn falsch – und Jesus wirft sie trotzdem nicht raus! Noch am Ende und allem, was sie erlebt haben: „etliche zweifelten!“ Was für eine Gruppe! Und Jesus entlässt sie nicht. Er hält zu ihnen, er bleibt den Treulosen treu. Er fängt wieder von vorne mit ihnen an. Er kann nicht anders – und er will nicht anders. Und davon leben Jünger! Es geht hier nie um die Kraft und Kompetenz der JÜNGER, es geht immer um die Kraft und Kompetenz von JESUS! Und der gibt am Ende ein Versprechen ab: „Ich bin bei euch – immer und überall, und bis zum Ende!

 

Darum geht es in der Gemeinde: Um dieses Bekenntnis im Leben. Ein Jünger ist der, der es als höchstes Ziel hat, sein Leben so zu leben, wie Jesus es leben würde. Darum geht es! Unser WARUM ist die Erkundung von so einem Leben: an der Hand von Jesus leben lernen. Und unser WARUM ist die Einladung an Menschen, die uns etwas bedeuten: Komm und lerne mit mir an der Hand von Jesus zu leben.

Das Handwerk, das der Lehrling hier lernt, ist das Leben. Die Schule, in die wir als Schüler von Jesus gehen, ist das Leben, wie es gelingen kann. Und es gibt kein irdisches Problem, dass in der Schule von Jesus nicht gelöst werden kann. Wir bitten Jesus, dass wir bei ihm sein dürfen um von ihm zu lernen, wie er zu leben. Das gilt bei allem, was wir tun! Wie kann ich mit Jesus Schüler sein? Oder Mutter oder Vater? Wie kann ich mit Jesus studieren oder arbeiten? Wie kann ich mit Jesus treu und verbindlich leben? Was würde er tun, wenn er an meiner Stelle ist? Und was möchte er tun, weil er ja mit mir an meiner Stelle ist?

 

Jeder Mensch wird Jünger von irgendjemand. Irgendwem folgen wir immer. Es ist nur die Frage, WEM wir folgen, nicht OB wir folgen. Und es ist die Frage, ob der, dem wir folgen, guttut, aufbaut, entfaltet, zum Blühen bringt, durch Täler führt, im Versagen aufrichtet und durch den Tod hindurch rettet. Das ist die Frage – und bei Jesus ist sie beantwortet. Deshalb gibt es nichts Größeres, als sich in der Schule von Jesus anzumelden, die Lehre des Lebens bei ihm zu beginnen und sein Jünger zu werden. Unser WARUM ist es, diese Möglichkeit möglichst niemandem vorzuenthalten. Wir können bei denen beginnen, die direkt um uns herum sind. Was Gemeinde veranstaltet, ist Mittel zum Zweck – pures Mittel und niemals der Zweck. So schön eine Jungschar, eine Posaunenchorprobe oder ein Gottesdienst sein kann – das ist nur das WAS und das WIE, es ist nicht das WARUM. Aber es ist als Wie und Was unsere Hingabe und unseren Einsatz wert!

Und dass wir uns und unser WARUM nicht loslassen. Jesus erinnert uns, dass es unser Auftrag ist, neue Jüngerinnen und Jünger zu finden und er fragt heute: „Willst du dich senden lassen? Willst du dich auf den Weg machen?“ Und es ist die Frage an jeden, ob wir antworten: „Hier bin ich, sende mich!

Amen.