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Gedanken zum Sonntag

Septuagesimä

„Nur die Besten sterben jung.“

Predigt zum Sonntag, 16. Februar 2025

 

Liebe Mitchristen!

 

„Nur die Besten sterben jung.“ So heißt ein Lied der Heavy- Metal- Band böhse onkelz. In diesem Lied geht es um Freundschaft, um den Glauben an ein Leben nach dem Tod und um die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem verstorbenen Freund dort in der anderen Welt. Es geht also um Glauben, Liebe und Hoffnung; Themen, die auch für uns als Christen ganz wichtig sind. Von christlicher Glaubenshoffnung ist in diesem Lied allerdings nicht die Rede. Es sind Menschen, die in der Regel eher weniger mit der Kirche und dem christlichen Glauben zu tun haben, die sich durch dieses Lied trösten lassen, wenn sie viel zu früh Abschied nehmen müssen von einem geliebten und vertrauten Menschen.

 

„Nur die Besten sterben jung.“ Eine Kollegin von mir hat einen jungen Motorradfahrer beerdigt, der bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Bei der Beerdigung wurde auf Wunsch der Hinterbliebenen dieses Lied abgespielt. Meine Kollegin hat das als Zumutung empfunden- dieses Lied von dieser Band bei diesem Anlass. „Nur die Besten sterben jung“ – stimmt das wirklich? Die Besten, das sind doch die, die ein wirklich gutes und vorbildliches Leben leben. Die Besten, das sind doch die, die es wirklich verdient hätten, dass sie in Frieden alt werden. Dass sie ein langes und glückliches Leben haben. Ja, den Bösen, denen wünschen wir vielleicht einen frühen Tod an den Hals- aber doch nicht den Guten, doch nicht den Besten!

 

„Nur die Besten sterben jung.“ Die Band böhse onkelz hat dieses Lied einem Freund gewidmet, der bei einem Messerangriff sein Leben verlor. War dieser Freund wirklich so gut, gehörte er wirklich zu den Besten? Ich weiß es nicht. Ich kenne auch die genauen Hintergründe seines gewaltsamen Todes nicht. Aber ich muss denken an die Menschen, die in unserem Land Opfer von Gewalttaten geworden sind- bei der sinnlosen Amokfahrt in München. Zwei der Schwerverletzten sind gestern Abend gestorben- ein zweijähriges Kind und seine Mutter.

 

Warum müssen ausgerechnet die jung sterben, die sich nichts zu Schulden kommen lassen haben, und andere, die schon vielen Menschen Böses angetan haben, denen passiert nichts? Leute wie Putin, die einen Krieg angefangen haben, der Abertausende von Menschen das Leben gekostet hat- auf beiden Seiten der Front. Solche Leute haben womöglich ein gutes Leben bis ins hohe Alter.

 

Warum ist das so? Diese Frage ist wohl so alt wie die Menschheit. Und schon genauso lange suchen die Menschen nach Antworten. „Nur die Besten sterben jung.“ Diese provokative Antwort der Band böhse onkelz ist nur eine von vielen Antwort- Versuchen auf diese Frage. In der Bibel lesen wir im Buch Kohelet im 7. Kapitel, Vers 15: „Beides habe ich beobachtet in meinem Leben, das rasch vorüberzieht: Da ist ein gerechter Mensch. Der kommt ums Leben, obwohl er die Gebote befolgte. Und da ist ein ungerechter Mensch. Der hat ein langes Leben, obwohl er Böses tat.“

 

Da spricht einer zu uns aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Wir nennen ihn Prediger. Auf Hebräisch heißt das: Kohelet. „Versammler“ bedeutet dieses Wort eigentlich. Gemeint ist also einer, der Menschen um sich versammelt und zu ihnen spricht- über das Leben und den Glauben. Lebensberatung oder Coaching würden wir das heute wohl nennen. Was können wir in unserer Zeit lernen von diesem biblischen Coach, den wir den Prediger nennen? Gleich im ersten Satz von unserem Predigttext gibt er uns zu bedenken: Das Leben zieht rasch vorüber. Es ist wie ein Windhauch, der heute weht und morgen schon vorbei ist. Das ist die Grundeinstellung des Predigers, die sich durch dieses ganze biblische Buch hindurchzieht. Aber obwohl der Prediger diese Grundeinstellung hatte, war er keiner, der den Kopf hängen ließ oder in den Sand steckte. Ganz im Gegenteil war er der Meinung: Wenn das Leben so kurz und so vergänglich ist, dann ist es umso wichtiger, jeden Tag zu genießen und als ein Geschenk von Gott anzunehmen. Ja, den Menschen, die bei ihm als Coach Rat und Hilfe gesucht haben, denen sagt er es wie es ist: Das Leben ist kurz. Das Leben ist vergänglich. Und manchmal, da müssen wir erleben, dass gerade diejenigen jung sterben, die ein vorbildliches Leben geführt haben. Und die anderen, die Bösen, die bleiben fit bis ins hohe Alter. So ist es eben, sagt der Prediger.

 

Wie können wir damit klarkommen, dass es so ist? Dazu gibt der Prediger folgende Ratschläge: Mach dich nicht verrückt deswegen. Denke nicht, du müsstest um jeden Preis verstehen, warum das so ist. Bemühe dich nicht ständig, überaus klug zu sein. (Kohelet 7,16) Wenn du dich da reinsteigerst, dann wird es selbstzerstörerisch. Auch, wenn du meinst, du müsstest alles richtig machen und so die Welt retten. Wenn du übertrieben gerecht sein willst, dann wird es genauso selbstzerstörerisch. Trotzdem sollst du deinen Verstand gebrauchen und bei Gott und seinen Geboten bleiben, denn Dummheit und Gottlosigkeit können lebensverkürzend sein. Finde also das rechte Maß zwischen übertriebener Grübelei und Die-Welt-retten-Wollen und den anderen beiden Extremen: Den Verstand ausschalten und die christlichen Werte über Bord werfen. Zum Abschluss seiner Coaching- Stunde gibt der Prediger allen Ratsuchenden noch einen guten Rat mit auf den Weg: „Wer Gott achtet, der entkommt dem allen.“ (Kohelet 7,15)

 

Ich denke an eine Frau aus der Gemeinde, mit der ich mich letzte Woche unterhalten habe über die aktuelle Weltlage. Über Krieg und Terror, die die Welt und unser Land zerreißen. Über die Sorge um die Demokratie und den Rechtsruck in unserer Gesellschaft. Über die Klimakatastrophe und die fehlenden Bemühungen, sie in den Griff zu bekommen. Und diese Frau aus unserer Gemeinde hat mir erzählt von ihrem Gottvertrauen: Gott weiß schon, wohin das alles führen soll. Denn Gott hat einen Plan für uns und unsere Welt. Dieses Gottvertrauen hat mich beeindruckt, denn es ist kein weltfremdes Gottvertrauen. Die Frau, mit der ich gesprochen habe, steht mitten im Leben. Und auch der Prediger in der Bibel meint keine fromme Weltflucht, kein Sich-Zurückziehen in den Elfenbeinturm des Glaubens, wenn er sagt: „Wer Gott achtet, der entkommt dem allen.“ Denn der Prediger sagt auch: „Es ist gut, wenn du an der einen Sache festhältst und dennoch von der anderen nicht deine Hände lässt.“

 

Halten wir uns also fest am Gottvertrauen und lassen wir trotzdem nicht die Finger davon, in unserer Welt das zum Guten zu verändern, was in unseren Kräften steht. Setzen wir uns ein für Demokratie. Gehen wir wählen am nächsten Sonntag. Lassen wir es nicht unwidersprochen stehen, dass ganze Bevölkerungsgruppen in unserem Land in Misskredit geraten wegen einzelner böser Menschen, die Terroranschläge wie in München verüben. Verlieren wir nicht die Verhältnismäßigkeit aus dem Blick. Vergessen wir die Armen nicht. Bleiben wir dran am Klimaschutz, auch wenn es schwer fällt. Aber lassen wir uns auch nicht verrückt machen von all diesen drängenden Themen. Vertrauen wir auf Gott. Er hat einen Plan für diese Welt und für unser Leben.

 

„Wer Gott achtet, der entkommt allem.“ Für den Prediger ist das die eigentlich zu erreichende Weisheit: Anzuerkennen, dass wir nicht alles verstehen können und dass die Welt so unvollkommen ist, wie sie ist. Im Gottvertrauen leben. Die Wirklichkeit, wie sie ist, ernst nehmen. Offen sein. Aufmerksam sein. Achtsam sein. Und dann auch die Erfahrung machen dürfen: Auch nach einem Schicksalsschlag wie dem Tod eines vertrauten Menschen, der viel zu früh von uns gehen musste, kann ich wieder aufstehen und vertrauensvoll weitergehen.

 

„Wer Gott achtet, der entkommt allem.“ Wir können und müssen nicht allein die Welt retten. Wir können und müssen auch nicht perfekt sein. Wir können nur unser Bestes geben und darauf vertrauen, dass auch in schwierigen Zeiten, wenn sich die Welt in ihrer ganzen Ungerechtigkeit zeigt, dass wir auch da auch Gott achten und darauf vertrauen, dass Gott einen Plan hat.

 

„Nur die Besten sterben jung.“ So heißt das Lied von der Band böhse onkelz. Um Glaube, Liebe und Hoffnung geht es in diesem Lied. Für mich sind es christliche Inhalte, die mit diesen drei Worten verbunden sind: Der Glaube an Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Die Liebe, mit der Gott uns geliebt hat, von Anfang an. Er hat uns das Leben geschenkt. Unser Leben steht in seiner Hand. Die Hoffnung, dass es mehr gibt als das, was wir vor Augen haben: Einen Ort für unsere Toten. Ein Wiedersehen nach dem Tod. Einmal wird Gott alles neu machen. Dann wird alles gut. Das ist unsere christliche Hoffnung. Und so möchte ich schließen mit den Worten des Apostels Paulus aus 1. Korinther 13, 13: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer