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Gedanken zum Sonntag

15. Sonntag nach Trinitatis

 

Predigt zum Sonntag, 8. September 2024

 

Liebe Mitchristen!

 

„Ein kleiner Spatz zur Erde fällt, und Gott entgeht das nicht. Wenn Gott die Vögelein so liebt, weiß ich, er liebt auch mich.“ So habe ich vor langer Zeit als Kind im Kindergottesdienst gesungen. Gott liebt mich. Das war für mich die Botschaft dieses Liedes. Gott sorgt für mich. Er kennt jedes noch so kleine Tierlein. Gott ist für uns alle da, für Mensch und Tier. Ich war noch sehr klein damals, ein Kindergartenkind. Ich habe mir keine Sorgen gemacht. Ich habe nicht darüber nachgedacht, wie das wäre, wenn es mir so gehen würde wie dem kleinen Spatz in dem Lied. Der ist aus dem Nest gefallen und plumpst auf die Erde. Sein schützendes Zuhause hat er verloren. Seine Eltern können nicht mehr für ihn sorgen.

 

Ob Gott wohl für mich sorgen würde, wenn es mir so gehen würde wie diesem kleinen Spatz? Das habe ich mich damals als Kind nicht gefragt. Eigentlich habe ich damals so gelebt, wie Jesus es in der Bibel sagt: „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“ (Matthäus 6, 25-26) Als Kind habe ich mir keine Sorgen gemacht- nicht ums Essen und Trinken, nicht um die Kleidung, nicht um die Zukunft. Ich habe darauf vertraut: Meine Eltern sorgen für mich. Jeden Tag steht das Essen auf dem Tisch, und immer wieder gibt es frische Kleidung. Und wenn ich nachts mal Angst im Dunkeln habe, ist meine Mutter da und tröstet mich.

 

Sorgt euch nicht um euer Leben, sagt Jesus. Gott sorgt für euch, wie er für die Vögel unter dem Himmel und die Blumen auf dem Feld sorgt. Als Kind ist es einfach, so zu leben, wenn man in behüteten Verhältnissen aufwächst. Aber wie ist es als Erwachsener? Wie ist es, wenn ich selbst Sorge trage für Menschen, die mir anvertraut sind, für meine Kinder zum Beispiel? Sorgt euch nicht um euer Leben, sagt Jesus. Essen, Trinken, Kleidung: Euer Vater im Himmel weiß doch, dass ihr das alles braucht! Der morgige Tag wird für das Seine sorgen. (Matthäus 6, 34) Wenn ihr nur nach Gott und seiner Gerechtigkeit fragt, dann braucht ihr euch um sonst nichts mehr Sorgen zu machen.

 

So sorgenfrei leben, wer von uns kann das? Vieles gibt es, was uns beschäftigt und uns Sorgen macht: Die Menschen, die uns nahestehen; Familie und Freunde. All das, wofür wir Verantwortung tragen, im Beruf und privat. Unser Zusammenleben hier vor Ort und darüber hinaus: in unserem Land und weltweit. Da gibt es viel, was uns Sorge macht: Terroranschläge in unserem Land. Menschen, die das Asylrecht missbrauchen, um Gewalt und Schrecken zu verbreiten. Und andere, die das Asyl wirklich nötig hätten, bleiben dann irgendwo auf der Strecke oder werden an der Grenze abgewiesen. Der Rechtsruck in unserer Gesellschaft, die Kriege in Gaza und in der Ukraine, der Klimawandel, der nicht zu stoppen ist. Das alles macht Sorge.

 

Sorgt euch nicht, sagt Jesus. Sollen wir diese Sorgen also einfach beiseite schieben und so tun, als ob nichts wäre? Nein, das würde Jesus sicherlich nicht wollen, dass wir die Sorgen verdrängen. Denn dann sind sie ja immer noch da und wirken unterschwellig weiter. Auch dass wir einfach nur sorglos in den Tag hinein leben und uns nicht darum kümmern, was in unserer Welt passiert, wäre nicht im Sinne von Jesus. Gott hat uns die Welt anvertraut, dass wir sie bebauen und bewahren, lesen wir schon ganz am Anfang der Bibel (1. Mose 2, 15). Und auch um unsere Mitmenschen sollen wir uns kümmern, so wie es Jesus in der Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt (Lukas 10, 25-37).

 

Ja, wir sollen handlungsfähig bleiben. Wir sollen für diese Welt und unsere Mitmenschen Sorge tragen. Aber damit wir dies wirklich tun können, brauchen wir genau diesen guten Rat von Jesus: Sorgt euch nicht! Dieser gute Rat will uns sagen: Passt auf, dass euch die Sorge nicht zerfrisst! Lasst die Sorge nicht zu groß werden in eurem Leben! Denn ihr braucht eure Energie für Wichtigeres als fürs Sich-Sorgen-Machen! Es gibt etwas Größeres als die Sorge. Es gibt Gott. Er ist das Größte und Wichtigste. Deshalb- egal was kommt: Haltet fest an eurem Gottvertrauen! Alles andere wird sich dann schon finden.

 

Ich denke an eine Zeit in meinem Leben, als ich große Sorgen hatte. Der Vater meiner Kinder war schwer erkrankt und konnte nicht mehr für unsere Kinder sorgen. Ich selbst steckte beruflich in einer Sackgasse fest. Manchmal wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte- privat wie beruflich. Sorgt euch nicht! Diese Worte von Jesus habe ich in dieser schwierigen Zeit in meinem Leben anders gehört als sonst. Nicht als Hohn, weil ich meine vielen Sorgen ja doch nicht ablegen konnte. Nein, diese Worte von Jesus waren mir Ermutigung. Sie haben mir Hoffnung gemacht: Es geht weiter. Gott weiß einen Weg, auch wenn du ihn jetzt nicht sehen kannst. So habe ich diese Bibelworte damals für mich verstanden. Und ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass Gott für mich wirklich einen Weg gewusst hat durch diese Krise hindurch.

 

In dieser schweren Zeit habe ich das Gottvertrauen neu gelernt. Anders als damals, als ich als Kind fröhlich gesungen habe von Gott, der den kleinen Spatz kennt, und deswegen auch für mich mit seiner Liebe da ist. Ich war kein Kind mehr, ich war erwachsen- mit Lebenserfahrung, auch mit schmerzlicher. Aber alles in Gottes Hand legen, und auf ihn vertrauen, wenn ich nicht mehr weiterweiß, das darf ich noch immer. So wie es in der Bibel in 1. Petrus 5, 7 heißt: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“

 

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer