Predigt zum Totensonntag, 23. November 2025
Liebe Mitchristen!
Heute ist Totensonntag. Wir denken an unsere Verstorbenen, die wir in diesem Jahr zu Grabe tragen mussten. Der Totensonntag hat aber auch noch einen anderen Namen: Ewigkeitssonntag. Denn gerade auch heute halten wir uns fest an der Hoffnung, die wir als Christinnen und Christen haben: Dass mit dem Tod eben nicht alles aus und vorbei ist. Dass das Leben weitergeht, bei Gott- in Gottes neuer Welt, in Gottes Ewigkeit. Dass unsere Verstorbenen bei Gott sind. Und dass Gott auch uns nicht allein lässt. Keinen Tag, keine Stunde lässt er uns allein. Und auch am Ende unseres Lebens ist er für uns da: Wenn wir gestorben sind, hat Gott einen Platz für uns in seinem ewigen Reich. Ja, für die, die von uns gegangen sind, beginnt Gottes Ewigkeit schon jetzt.
Aber einmal wird der Tag kommen, da wird Gottes Ewigkeit für alle erkennbar sein. Da wird alle Not ein Ende haben: alle Tränen, alles Leid; ja, sogar der Tod. Da wird Gott alles neu machen. Und allen wird es klar vor Augen stehen: Gott ist für uns da. Das wird ein Fest! Ja, die Bibel sagt uns: Wie ein Hochzeitsfest wird es sein. Wie wenn zwei, die sich lieben, ihre Hochzeit feiern; und alle feiern mit.
Aber die Zeit wird lang bis dahin. Krieg und Aggression bestimmen die Welt. Es gilt das Recht des Stärkeren. Konflikte werden militärisch ausgetragen. Die Mächtigen dieser Erde teilen Gebiete untereinander auf und nennen das einen Friedensplan. Wann ist es endlich so weit, dass wir das große Fest des Friedens feiern- alle miteinander und auf Augenhöhe? Ja, die Zeit wird lang bis zu Gottes großem Fest. Wir denken an unsere Lieben, die in diesem Jahr gestorben sind. Still ist es geworden in unserem Haus. Und da ist dieser eine Platz, der leer bleibt- der eine leere Platz am Esstisch, auf dem Sofa. Diese Leere schmerzt. Nichts kann sie ausfüllen. Nichts kann diesen einen vertrauten Menschen, der nicht mehr unter uns ist, ersetzen. Wann ist es endlich so weit, dass wir uns alle wiedersehen- in Gottes neuer Welt, bei Gottes großem Fest.
Wie ein Hochzeitsfest wird es sein, sagt die Bibel. Aber die Bibel weiß auch darum, wie es ist, wenn die Zeit lang wird bis zu diesem Fest. Jesus erzählt davon im Gleichnis von den zehn Brautjungfrauen, die auf den Bräutigam warten, der lange ausbleibt. „Wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ (Matthäus 25,13) Mit diesen Worten endet dieses Gleichnis.
„Wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Manche Menschen können gar nicht mehr richtig schlafen, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Zu aufwühlend waren die Ereignisse. Zu ungewiss ist, wie es nun weitergehen soll. Andere Menschen fallen in einen tiefen Schlaf, den Schlaf der Erschöpfung. Zu anstrengend war die Pflege des schwer erkrankten oder gebrechlichen Angehörigen in den letzten Monaten und Jahren. Der Körper verlangt nach Schlaf, nach endlich wieder nachts durchschlafen können nach so langer Zeit. Wieder andere Menschen wollen morgens gar nicht mehr aufstehen, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Alles scheint sinnlos, seit er nicht mehr da ist, und es fällt unendlich schwer, den neuen Tag ohne ihn zu beginnen.
„Wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Was ist damit gemeint? Gemeint ist: Haltet die Hoffnung wach auf Gottes neue Welt. Haltet fest an dem Glauben, dass Gott einmal alles gut machen wird und Trauer und Leid ein Ende haben werden. Haltet fest an dem, was ihr habt. An Gottes Wort. Es ist wie ein Licht in der Nacht. „Jeden Abend habe ich mit meiner Frau das Vaterunser gebetet.“ So hat es mir ein Witwer beim Trauergespräch erzählt. Und ich kann mir vorstellen: Es ist schwer, das jetzt, ohne sie weiter zu tun und jeden Abend allein das Vaterunser zu beten. Noch schwerer ist es womöglich, jetzt neu damit zu beginnen: Jeden Abend ein Vaterunser beten, gerade jetzt in der Zeit der Trauer. Gerade jetzt, wo ich den leeren Platz am Esstisch und auf dem Sofa immer vor Augen habe. Ja, schwer ist es. Und doch kann es helfen: Jeden Abend bete ich ein Vaterunser. Anfangs spüre ich nichts dabei. Anfangs muss ich mich dazu zwingen. Aber irgendwann ist es soweit: Ich spüre, ich bin nicht allein. Ich kann es wirklich glauben: Mein Vater im Himmel ist bei mir und begleitet mich auf diesem schweren Weg.
„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.“ So heißt es in der Bibel in Psalm 119,105. Bibelworte, die ein Licht sind auf meinem Weg- das sind für mich Worte wie das Vaterunser oder der 23. Psalm, wo es heißt: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Solche Bibelworte sind für mich wie Lampen, die ganz mit Öl gefüllt sind und noch einen Ölvorrat dabeihaben. Die auf meinem Weg leuchten auch in dunkler Zeit. Auch wenn ich mich frage: Wann ist es endlich soweit mit deiner neuen Welt, Gott? Warum erkenne ich nichts von dir, Gott? Warum spüre ich nicht, dass du für mich da bist? Warum musste dieser geliebte Mensch sterben?
Im Gleichnis von den zehn Brautjungfrauen in Matthäus 25 sitzen da diese jungen Frauen oder Mädchen und warten und warten. Es wird dunkel. Nichts passiert. Weit und breit ist nichts zu sehen vom Bräutigam. Und das, obwohl doch heute Abend Hochzeit gefeiert werden soll. Wird der Bräutigam überhaupt kommen? Ist ihm etwas zugestoßen? Hat er es sich womöglich anders überlegt? Und was wird dann aus der Braut? Was wird aus uns, den Brautjungfern? Ängstlich und verunsichert schlafen die Mädchen ein. Aber dann auf einmal, als es keiner mehr erwartet hat, ist es soweit: Der Bräutigam kommt! Jubelrufe schallen durch das Tal. Jetzt schnell- nichts wie los! Wir sollen ihm doch voranziehen im Hochzeitszug. Seid ihr alle bereit? Nein, nicht alle sind bereit. Fünf von ihnen haben den Ölvorrat für die Lampen vergessen. Ihre Lampen verlöschen. Sie kommen nicht mit.
Wie ein unerschöpflicher Ölvorrat für unsere Lebenslampe- so ist das Wort Gottes. So sind die altvertrauten Gebete, die wir von Jugend auf gelernt haben. So sind tröstliche Worte der Bibel wie diese: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Apokalypse 21,4) Halten wir uns fest an diesen Worten- gerade auch in der Nacht der Trauer, des Zweifels und der Angst. Diese Worte wollen uns durchtragen durch die Nacht. Halten wir uns fest an der Hoffnung auf Gottes neue Welt. Setzen wir unsere Hoffnung auf Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Eines Tages wird er wiederkommen und alles zurechtbringen, und wir werden unsere Lieben wiedersehen. Das wird ein Fest!
Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer
