Predigt zu Jubilate, 25. April 2021
Apg 17, 22-34 (Einheitsübersetzung): Da stellte sich Paulus in die Mitte des Areopags und sagte: Männer von Athen, nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromm. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. Der Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind. Er lässt sich auch nicht von Menschenhänden dienen, als ob er etwas brauche, er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt. Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt. Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir; wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seinem Geschlecht. Da wir also von Gottes Geschlecht sind, dürfen wir nicht meinen, das Göttliche sei wie ein goldenes oder silbernes oder steinernes Gebilde menschlicher Kunst und Erfindung. Gott, der über die Zeiten der Unwissenheit hinweggesehen hat, gebietet jetzt den Menschen, dass überall alle umkehren sollen. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird, durch einen Mann, den er dazu bestimmt und vor allen Menschen dadurch ausgewiesen hat, dass er ihn von den Toten auferweckte. Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, spotteten die einen, andere aber sagten: Darüber wollen wir dich ein andermal hören. So ging Paulus aus ihrer Mitte weg. Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig, unter ihnen auch Dionysius, der Areopagit, außerdem eine Frau namens Damaris und noch andere mit ihnen.
Liebe Mitchristen!
„Gott wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind,“ sagt der Apostel Paulus in unserem Predigttext. Für unsere heutige Zeit heißt das: Gott wohnt nicht in den steinernen Kirchen, die wir Menschen gebaut haben – nicht in den großen Domen und Kathedralen mit ihren beeindruckenden Kunstschätzen, und auch nicht in den kleinen und unbekannteren Kirchen überall im Land. Gott wohnt nicht in der Christuskirche hier in Wehingen, wo ich gerade stehe und diese Predigt halte. Stimmt das so? Es bereitet mir Unbehagen, das hier in der Kirche von der Kanzel zu sagen. Und doch stimmt es heute so für mich. Denn die Kirche ist leer, in der ich predige. Um die Gesundheit von uns und unseren Mitmenschen zu schützen, haben wir unsere Gottesdienste ins Internet verlegt. Was bedeutet diese erneute Unterbrechung im Gottesdienst Feiern für unsere Gemeinde? Geht der christliche Glaube nicht mehr und mehr verloren, je länger wir auf Abstand und ohne Gottesdienstgemeinschaft leben müssen?
„Gott wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.“ Als die Apostelgeschichte aufgeschrieben wurde, war der Tempel in Jerusalem endgültig zerstört und verloren. Was ist jetzt mit Gott? Was wird aus unserem Glauben? So haben sich die Menschen damals gefragt. Unser Predigttext aus der Apostelgeschichte gibt eine Antwort auf diese Fragen: Gott lässt sich finden. „Keinem von uns ist Gott fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ Überall lässt Gott sich finden. Gott hat sich nicht im Kirchengebäude häuslich eingerichtet und ist nur dort zu finden. Gott ist da, wo Menschen auf der Suche sind und nach Gott fragen. Damals auf dem Marktplatz in Athen genauso wie heute im Internet. Gott ist da, wo wir ihn nicht erwarten. Eben nicht nur in den Kunstschätzen und Baudenkmälern, die Menschen ihm zur Ehre errichtet haben. Die Athener hatten eine Ahnung davon. Inmitten der unzähligen Tempel und Götterbilder, die es in ihrer Stadt gibt, bauen sie einen Altar mit der Aufschrift: „Einem unbekannten Gott“. Denn auch die schönsten Kunstschätze, auch die großartigsten Baudenkmäler können Gott nie wirklich gerecht werden. Gott passt nicht ins Bild, weil er größer ist als alle Bilder, die sich Menschen von ihm machen. Gott ist größer ist als all das, was wir kennen und vor Augen haben, denn all das ist durch ihn geschaffen. Gott hält die ganze Welt in seiner Hand. Wie sollte ein Tempel oder eine Kirche ausreichen als Wohnort für ihn? Gott ist auch kein ferner Gott, der irgendwo weit weg im Himmel thront als alter Mann mit langem Bart. Auch das ist nur ein Bild von Gott, das versucht, Gott zu erfassen. Gott aber ist größer als alle Bilder. Unvorstellbar nahe ist Gott uns. Wir sind ihm wichtig, jeder einzelne Mensch, der auf dieser Erde lebt. Er ist die Kraft, die uns den Rücken stärkt. Er ist der Halt, der uns hindurchträgt durchs Leben. „Keinem von uns ist Gott fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“
Gott ist nicht der große Macher, der die Welt gemacht hat und dann sich selbst überlässt. „Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird, durch einen Mann, den er dazu bestimmt und vor allen Menschen dadurch ausgewiesen hat, dass er ihn von den Toten auferweckte.“ So sagt es Paulus in der Apostelgeschichte. Nicht in der Kirche, sondern auf dem Marktplatz predigt er. Er predigt von Gott, der größer ist als alle Bilder und Vorstellungen. Größer auch als unsere Vorstellung davon, wie gelebter Glaube und christliche Gemeinschaft aussehen muss. Im Vertrauen auf Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, können wir hier getrost neue Wege gehen. Denn in Jesus Christus kommt Gott uns ganz nahe und schenkt uns einen Neuanfang. Jesus Christus, der von den Toten auferstanden ist. Er steht für den Neuanfang, den es geben wird für die ganze Welt. Denn Gott ist es nicht egal, was aus der Welt wird, die er geschaffen hat. Auf ihn können wir uns verlassen. Denn: „Keinem von uns ist Gott fern.“
Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer