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Gedanken zum Sonntag

Palmsonntag

Predigt zum Konfirmationsjubiläum am Palmsonntag, 13. April 2025

Liebe Mitchristen!

„Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre wie Jünger hören.“ So heißt es im heutigen Predigtwort in Jesaja 50,4. Ein Prophet ist es, der hier spricht. Einer, der sich selbst als Diener Gottes versteht; als Gottesknecht.

Liebe Jubelkonfirmanden, viele Jahrzehnte ist es nun her, dass Sie konfirmiert wurden. Die Liste der Pfarrer, die Sie konfirmiert haben, liest sich fast wie eine Chronik unserer Wehinger Kirchengemeinde: Pfarrer Karnowksy, Pfarrer Autenrieth, Pfarrer Bender, Pfarrer Bihl. Und auch diejenigen unter Ihnen, die nicht hier in Wehingen konfirmiert wurden, sondern in Waldenbuch oder im Stuttgarter Westen, werden sich sicherlich noch gut an ihren damaligen Pfarrer erinnern. Wie haben Sie Ihren Pfarrer erlebt- damals in Ihrer Konfirmandenzeit und an Ihrer Konfirmation? War er für Sie so ein Diener Gottes wie in unserem Predigtwort? Einer, der es verstand, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden? Einer, dem Gott das Ohr geweckt hat- der eine Antenne hatte für das, was Sie als junge Menschen damals bewegt hat; und eine Antenne für Gott und das, was er uns in unserer Zeit zu sagen hat?

Den christlichen Glauben weitergeben an die nächste Generation, das ist ja keine leichte Aufgabe. Und der Konfirmandenunterricht kann schon auch ermüdend sein. Pfarrer Bender, der vor 50 Jahren hier in dieser Kirche einige von Ihnen konfirmiert hat, der wusste das auch. In seiner Konfirmationspredigt vom 16. März 1975 hat er das offen angesprochen: „Vorüber sind die anstrengenden Konfirmandenstunden am Mittwochnachmittag. (…) Im Wesentlichen wird es so sein, dass mindestens eine gewisse Genugtuung darüber auftritt, dass dieses Konfirmanden-Jahr heute seinen Abschluss findet. Sind wir ehrlich, irgendwo ging es uns allen so.“

Und doch konnte Pfarrer Bender in seiner Konfirmationspredigt auch mit ein bisschen Stolz berichten: „Von einer Teilnehmerin hörte ich: Ich möchte gerade nochmal mitmachen.“ Vielleicht haben Sie, die Jubelkonfirmanden, eine Idee, welche Konfirmandin das wohl gesagt hat, damals vor 50 Jahren. Interessant fand ich auch, dass Pfarrer Bender allen Konfirmanden eines Jahrgangs denselben Konfirmationsspruch gegeben hat. Wer von einem anderen Pfarrer konfirmiert wurde, hat das sicherlich anders erlebt. Da hat jeder Konfirmand einen eigenen Denkspruch bekommen. Ja, oft hat man sogar darauf geachtet, dass derselbe Denkspruch bei einer Konfirmation nicht mehrmals vorkommt.

„Mein Konfirmationsdenkspruch soll ein Bibelwort sein, das mich im Leben begleitet und leitet. Schön, heilig, friedlich und liebevoll soll er sein- ein Spruch, der mich an gute und schlechte Zeiten erinnert- vor allem aber an schöne Dinge und an meine Konfirmandenzeit.“ So denken unsere jetzigen Konfirmanden über ihren Konfirmationsspruch. Vielleicht können Sie, die Jubelkonfirmanden, Ihren Denkspruch noch einmal neu auf sich wirken lassen mit diesen Gedanken unserer jetzigen Konfirmanden im Hinterkopf.

Diese Bibelworte haben Sie, liebe Konfirmationsjubilare, zugesprochen bekommen am Tag Ihrer Konfirmation: Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder sollen heißen (1. Joh 3,1). Weil du so wert bist vor meinen Augen geachtet, musst du auch herrlich sein und ich habe dich lieb, spricht der Herr (Jes 43,4). Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens (Hebr 12,2). Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten (Joh 6,35). Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist (Ps 51,12). Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen (Mt 5,9). Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? (Mk 4,38).

„Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ Das war der Denkspruch, den Pfarrer Bender vor 50 Jahren für alle seine Konfirmanden ausgewählt hat. Ein ungewöhnlicher Konfirmationsspruch. Ein Denkspruch im ganz wörtlichen Sinne: Ein Spruch zum darüber Nachdenken. „Manchem vielleicht etwas zu dunkel im Augenblick.“ So sah es selbst Pfarrer Bender in seiner damaligen Konfirmationspredigt. Was ist der Zusammenhang, in dem dieser Denkspruch steht?

Jesus ist mit seinen Jüngern im Boot, weit draußen auf dem See Genezareth. Das Wetter schlägt um. Sturm kommt auf. Das Boot gerät in Seenot. Aber Jesus schläft seelenruhig hinten im Boot. Die Jünger sind außer sich: Wie kann es sein, dass Jesus diese lebensgefährliche Situation einfach verschläft? Sie wecken ihn auf und sagen zu ihm: „Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“

Liebe Jubelkonfirmanden, vielleicht haben Sie das auch schon erleben müssen in Ihrem Leben; in den vielen Jahrzehnten voller Höhen und Tiefen, die Sie seit Ihrer Konfirmation erlebt haben. Vielleicht haben Sie es da auch schon erleben müssen, dass der Wind Ihnen so richtig ins Gesicht bläst. Dass die Wogen ganz hoch gehen in Ihrem Leben. So wie Pfarrer Bender das damals in seiner Predigt ausgedrückt hat: „Ihr tut euer Bestes in eurem Alltag und rechnet mit Jesus. Aber Jesus greift scheinbar nicht ein, obwohl ihr keinen Ausweg mehr seht aus eurer Lage: Wir gehen unter! Das ist eure Feststellung.“ Und weiter predigt Pfarrer Bender damals: „Ich möchte euch Mut machen, liebe Buben und Mädchen, Jesus herauszufordern, dass er sich um euch kümmern soll. (…) Fragt nach ihm! Sucht Antwort! Schreit zu ihm ihn eurer Not!“ Mit diesen Worten hat Pfarrer Bender damals seine Konfirmationspredigt geschlossen.

„Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ Ein ungewöhnlicher Konfirmations-Denkspruch, eine ungewöhnliche Konfirmationspredigt- damals vor 50 Jahren hier in dieser Kirche. Ich denke noch einmal an den Propheten aus dem Jesajabuch, der sich Gottesknecht nannte. Der es verstand, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden. Dem Gott selbst das Ohr erweckt hatte, so dass er hören konnte wie ein Jünger. Von ihm lesen wir, dass er auch schwere Zeiten durchgemacht hat: „Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.“ (Jes 50,6)

Diesem Prophet blies nicht nur der Wind ins Gesicht. Ihm wurde ins Gesicht gespuckt. Verachtet und verspottet wurde er. Jesus hat das selbst auch erleben müssen. Nach seinem glorreichen Einzug in Jerusalem drehte sich schon bald der Wind, und die Stimmung kippte. Jesus wurde verspottet und misshandelt. Mit seinem unrühmlichen Tod am Kreuz schien seine Geschichte zu Ende zu sein. „Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“ Auch Jesus stellte so eine verzweifelte Frage am Ende seines irdischen Lebens: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46)

Aber gerade im tiefsten Tal der Verzweiflung ist Gott ganz nahe und lässt seine Hilfe erfahren. „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich,“ heißt es in Psalm 23,4. Oder wie es der Gottesknecht im Jesajabuch sagt: „Aber Gott der Herr hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden.“ (Jes 50,7) Auch die Jünger Jesu durften diese Erfahrung machen: Der Sturm auf dem See Genezareth ist nicht das Ende. Jesus kann retten auch aus der größten Not. Am Kreuz hat er alles auf sich genommen, was uns das Leben schwer macht und uns von ihm trennt- all die finsteren Täler von Schuld und Leid, die unser Leben verdunkeln. Ja, sogar das finstere Tal des Todes hat er durchschritten und überwunden. Jesus ist auferstanden! Fragt nach ihm! Sucht Antwort! Schreit zu ihm in eurer Not!

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer