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Gedanken zum Sonntag

16. Sonntag nach Trinitatis

Predigt zum 16. Sonntag nach Trinitatis, 24. 09. 2023

Hebr. 10, 35-39: Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. Denn nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben. Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm. Wir aber sind nicht solche, die zurückweichen und verdammt werden, sondern solche, die glauben und die Seele erretten.

Liebe Mitchristen!

Vertrauen lohnt sich- Werft euer Vertrauen nicht weg! So sagt es uns unser Predigttext. Aber wir kennen da auch andere Sprüche: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Dahinter steht die Erfahrung von enttäuschtem Vertrauen. Wie schwer ist es in der heutigen Zeit noch jemandem zu vertrauen. So oft wurde Vertrauen enttäuscht; so oft haben vertrauenswürdige Institutionen versagt. Christsein hat etwas mit Vertrauen zu tun. Aber auch unser Vertrauen wurde enttäuscht- von der eigenen Kirche, von anderen Gläubigen – vielleicht auch von Gott? Worauf können wir noch vertrauen? In einer Zeit mit so vielen Unsicherheiten wie der unsrigen. In einer Zeit, in der es nicht mehr selbstverständlich ist, dass die Ländergrenzen zum Nachbarland respektiert werden. Wo ein Nachbarvolk das andere überfällt, Gebiete erobert und die Bevölkerung drangsaliert. So wie in der Ukraine, wo seit eineinhalb Jahren ein grausamer Krieg tobt. So wie jetzt auch noch in Berg Karabach. In einer Zeit, in der auch in unserem Land die Grundrechte nicht mehr selbstverständlich sind, wo das Grundrecht auf Asyl oft nicht mal mehr sein Papier wert ist, wenn Schutzsuchende an den Außengrenzen Europas abgewiesen und zurückgedrängt werden. Können wir da noch auf Grundwerte und Grundrechte vertrauen? Können wir darauf vertrauen, dass wir in unserem Land weiterhin in Frieden, Freiheit und Demokratie leben werden, wo das gesellschaftliche Klima kälter und die Angst vor einer ungewissen Zukunft größer wird? Können wir darauf vertrauen, dass es einen Weg gibt für unsere Kirchen und Gemeinden, in Zeiten, wo immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren? Und doch: Vertrauen lohnt sich.

Werft euer Vertrauen nicht weg, heißt es im Bibeltext. Ich möchte diesen Satz stark machen. Denn ohne Vertrauen geht es nicht. Vertrauen brauchen wir, von Anfang an. Die Erzieherinnen in unserem Johannes- Kindergarten wissen das in besonderer Weise: Ohne Vertrauen kann kein Kind gedeihen, kann kein Mensch heranwachsen. Wenn die Kinder neu in den Kindergarten kommen, dann müssen sie erst Vertrauen fassen zu den Erzieherinnen als ihren Bezugspersonen. Damit dies gut gelingt, gibt es die Eingewöhnungsphase. In dieser Phase ist anfangs noch ein Elternteil mit dabei im Kindergarten, bis das Kind so weit ist, dass es den Erzieherinnen vertraut. Es ist wichtig, dass wir uns in unserem Kindergarten diese Zeit nehmen. Auch wenn es manchmal dauert. Auch wenn es Geduld braucht. Aber erst wenn das Kind Vertrauen gefasst hat, kann es sich wohlfühlen und seine Fähigkeiten und Möglichkeiten entwickeln.

Wir alle brauchen dieses Vertrauen- in der Familie, bei der Arbeit, in der Gemeinde. Wir brauchen es, dass da vertraute Personen sind, auf die wir uns verlassen können. Und wenn unsere Pfarramtssekretärin im Gemeindebüro seit nunmehr 40 Jahren ihre Arbeit tut, dann ist sie auch so eine Vertrauensperson. Eine, die uns allen vertraut ist und für viele Menschen in Freud und Leid die erste Ansprechperson, das Gesicht unserer Gemeinde ist. Ja, nur wenn Vertrauen da ist, kann menschliches Zusammenleben gelingen. Nur wenn Vertrauen da ist, können wir gemeinsam am Reich Gottes bauen. Vertrauen braucht es immer- für jede zwischenmenschliche Beziehung und auch für die Beziehung zu Gott. Vertrauen braucht es auch für diese ganz besondere Beziehung, die zu leben Gott uns geschenkt hat: Die Beziehung zu dem einen, einzigen Menschen, mit dem ich mein Leben teilen will. Auch da muss erst das Vertrauen wachsen, wenn zwei sich kennenlernen. Auch da braucht es Zeit, bis die Gewissheit gewachsen ist: das ist der oder die Richtige, mit diesem Menschen will ich mein Leben lang zusammenbleiben. Ich denke an das junge Paar aus unserer Gemeinde, das nächsten Samstag vor den Traualtar tritt. Zwei Menschen, die sich trauen, die Gott um ihren Segen bitten für ihre Ehe. Ja, Vertrauen lohnt sich- werft euer Vertrauen nicht weg!

Vertrauen braucht Geduld- in zwischenmenschlichen Beziehungen und in der Beziehung zu Gott. „Geduld habt ihr nötig“, schreibt auch der Verfasser des Hebräerbriefs. Dieses Bibelwort schein direkt in unsere Zeit hinein gesprochen zu sein, in der die Kirchen kleiner werden und die Christen weniger. Aber auch die Christen damals, zur Zeit des Hebräerbriefs, hatten keine leichte Zeit. Die erste Euphorie, als sich ihre Gemeinde gegründet hatte, war längst vorbei. Jetzt hieß es dranbleiben am Glauben- dranbleiben trotz aller Schwierigkeiten: Die Christen damals mussten Benachteiligungen hinnehmen wegen ihrem Glauben, sie wurden verfolgt und manche sogar getötet. Was hat ihnen geholfen, Geduld zu haben? Worauf haben sie geduldig gewartet? „Denn nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll und wird nicht lange ausbleiben.“ So geht unser Predigttext weiter. Was ist damit gemeint? Die ersten Christen haben ganz fest daran geglaubt, dass Jesus bald wiederkommen wird. Dann wird er die Welt beenden und ein neues Reich Gottes aufbauen. Das war die Hoffnung der ersten Christen. Es ist eine Hoffnung, die die Christenheit durch die Jahrhunderte hindurch nie aufgegeben hat. Wir leben immer noch in der Hoffnung, dass Jesus wiederkommt. Dabei haben wir uns daran gewöhnt, dass es noch lange dauern wird, bis Jesus wiederkommt. Manchmal vergessen wir, dass es auch bald sein könnte. Und dass Jesus dann endlich das tut, was wir uns alle so wünschen: alle Tränen abwischen und den Tod besiegen, so dass der Tod keine Macht mehr über uns hat. Sein gutes Friedensreich aufrichten mit uns, mit allen Menschen aus allen Völkern, mit der ganzen Schöpfung. Nur noch eine kleine Weile oder eine etwas größere Weile dauert es.

Geduld brauchen wir, um dieses Vertrauen auf Gott nicht zu verlieren – das Vertrauen, dass alles gut werden wird. „Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben.“ So heißt es im Predigttext. Für Martin Luther war das ein ganz wichtiges Bibelwort, dieses Leben aus dem Glauben, oder man könnte auch sagen: Leben aus dem Vertrauen. Gerecht sind wir, wenn wir aus Glauben leben, wenn wir vertrauensvoll leben. Wenn wir in diesem Vertrauen auf Gott leben, dass er wiederkommen wird. Dass er alles gut machen wird, und dass all die Anfechtungen, das Schwierige im Leben zur Seite geräumt wird und keine Macht und Bedeutung mehr hat. Deswegen sollen wir unser Vertrauen nicht wegwerfen. Wir sollen dieses Vertrauen in Händen halten und bewahren, denn es lohnt sich wirklich- jetzt in unserer Welt und in Ewigkeit.

Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer