Predigt zu Weihnachten 2020
Lukas 2, 1-14: Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Liebe Mitchristen!
Alles wird gut. Mit diesen Worten haben wir uns Mut gemacht beim Lockdown im Frühjahr. Viele Monate sind seither vergangen. Alles wird gut – diese mutmachenden Worte höre ich inzwischen kaum noch. Dabei brauchen wir diesen Zuspruch doch – gerade jetzt an Weihnachten. Nicht nur in diesem Jahr. Jedes Jahr ist das unser größter Weihnachtswunsch: Dass alles gut wird. Dass wir Weihnachten als freudiges und harmonisches Fest feiern können, im Gottesdienst in froher Runde, und auch im Familienkreis mit unseren Lieben aus nah und fern. Wird alles gut? Wie oft haben wir uns vor Weihnachten schon diese Frage gestellt: Wird alles klappen beim Krippenspiel? Habe ich bei den Weihnachtseinkäufen nichts vergessen? Schaffen wir es, dass es keinen Streit gibt beim Familientreffen? Fragen, die wir uns in diesem Jahr nicht mehr stellen müssen. Alles ist anders in diesem Jahr. Niemand von uns hätte sich vor einem Jahr vorstellen können, dass wir den Weihnachtsgottesdienst nur auf youtube miteinander feiern werden. Dass in der Adventszeit die Läden geschlossen werden, und die Familien an Weihnachten nur in ganz kleinem Kreis oder gar nicht zusammenkommen. Kein Wunder, dass uns dieser Satz nur noch schwer über die Lippen kommt: Alles wird gut.
Ich möchte festhalten an diesem mutmachenden Satz, gerade auch jetzt, wo wir Weihnachten so ganz anders feiern als sonst. Alles wird gut, denn Gott kommt zu uns an Weihnachten. Auch in diesem Jahr. Auch wenn unsere Welt keine heile Welt ist, keine Weihnachtsidylle wie wir sie uns wünschen. Aber Weihnachten ist mehr als das, was wir uns normalerweise darunter vorstellen. Gott kommt – gerade auch dahin, wo es nach menschlichem Ermessen nicht zu erwarten ist. Als Kind armer Leute wird er geboren, dort in Bethlehem. Maria und Josef, die Eltern, sind verachtete Leute. Sie sind Fremde dort in der Stadt, niemand will etwas mit ihnen zu tun haben. So finden sie kein Quartier und müssen die Nacht in einem Stall verbringen. Dort wird das Kind geboren, Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Retter der Welt. Die ersten, die von dieser Geburt erfahren, sind die Hirten von Bethlehem – Menschen am Rande der Gesellschaft, draußen auf dem Feld bei den Schafen, ohne ein warmes Bett, ohne gemütliches Zuhause im Familienkreis. Menschen, die es am eigenen Leib erfahren haben, wie hart das Leben ist. Menschen, die vielleicht frustriert sind, oder sogar wütend auf die, die es besser haben als sie. Menschen, die vielleicht Angst haben vor ihrer Zukunft: Wie soll es bloß weitergehen? Aber gerade zu diesen Hirten kommt Gott. Gerade ihnen schickt er einen Engel, der ihnen die Botschaft bringt: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“
Ein Engel kommt. Einer, den Gott geschickt hat. Ob er aussah wie die Engel auf den Bildern, mit Flügeln und im weißen Gewand? Oder doch wie ein Mensch, in gewöhnlichen Kleidern und ohne Flügel? Die Weihnachtsgeschichte, wie sie in der Bibel steht, sagt uns das nicht. Es ist nicht wichtig, wie der Engel aussieht. Wichtig ist seine Botschaft. Wichtig ist, dass er da ist – zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Engel gibt es auch in unserer Zeit: Die Freundin, die anruft; die Familie, die einen Brief schreibt; der Nachbar, der fragt, ob man Hilfe braucht. Gottes Nähe und Gottes Schutz beflügelt Menschen, dass sie für andere Menschen zu Engeln werden können. Ein Engel, von Gott geschickt, und doch ganz und gar menschlich. Aber auch da, wo wir es nicht erfahren, dass ein Mensch für uns zum Engel wird, auch da ist Gott für uns da. Wo menschliche Nähe und Liebe aufhört, auch da ist Gott. Gott lässt uns nicht im Stich, auch wenn Menschen uns verlassen. Ja, gerade da, wo niemand es vermutet, ist Gott nahe. Gerade da erklingt die Botschaft der Engel: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“
So war es damals bei den Hirten auf dem Feld, draußen vor der Stadt, wo niemand gerne sein wollte. Und weil das damals so war, deshalb gilt es auch für uns heute an Weihnachten 2020: Alles wird gut. Im Stall von Bethlehem, am Rande der Gesellschaft, wurde Gottes Sohn geboren. Gerade diesen Platz hat sich Gott dafür ausgesucht. In diese zerrüttete Welt schickt Gott ein kleines und wehrloses Kind. Gerade dort haben die Hirten es erfahren, dass es eine Zukunft für sie gibt, vor der sie sich nicht zu fürchten brauchen. Sie haben erfahren, wie sich diese zerrüttete Welt zum Guten ändern kann. Durch ein kleines Kind. Allein durch die Liebe. In Jesus Christus kam die Liebe in die Welt. Er hat so viel erleiden müssen, schon als kleines Kind in der Krippe, und erst recht später, als er unschuldig zum Tode verurteilt wurde. Aber durch die Liebe hat er das alles überwunden: Alle Schuld der Welt, alles Leid und alle Verzweiflung. Durch sein Sterben und Auferstehen hat er gezeigt, dass es weiter geht, auch da, wo wir keinen Ausweg mehr sehen.
Jesus Christus. Er schenkt uns die Hoffnung: Alles wird gut. Aus dieser Hoffnung heraus feiern wir Weihnachten – auch in diesem Jahr. Auch und gerade heute, an diesem besonderen Weihnachtsfest. Dankbar können wir zurückblicken auf all das Gute und Schöne, was wir in unserem Leben schon erleben durften. Dass wir Weihnachten dieses Jahr nicht so feiern können, wie wir es gewohnt sind, muss uns nicht bekümmern. Denn wir haben Jesus Christus. Er hat die Armseligkeit und Verworrenheit dieser Welt am eigenen Leib erfahren. Im Stall von Bethlehem ist er für uns zur Welt gekommen. Er schenkt uns die Liebe – das größte Geschenk, das wir an Weihnachten bekommen. Fürchte dich nicht, sagt der Weihnachtsengel. Alles wird gut.
Ihre Pfarrerin Dr. Dorothee Kommer