Geschichte

Unser Überblick informiert über Vergangenheit und Gegenwart unserer Kirchengemeinde.

Texte gekürzt nach: „Wehingen. Dorfgeschichte und -geschichten. Ein ‚Lese‘-Buch“, Wehingen 1993, S. 489-497 (Pfr. A. Bihl)

Die Evangelische Kirchengemeinde Wehingen existiert seit 1953 und ist damit eine sehr junge Gemeinde. Sie setzte sich (bis 2006) zusammen aus 7 Ortschaften: Reichenbach, Königsheim, Wehingen, Gosheim, Bubsheim, Deilingen, Egesheim.

Seit dem Jahre 2007 gehören die früheren Teilgemeinden Bubsheim und Königsheim zur Nachbarkirchengemeinde Rietheim.

Im 16. Jahrhundert nahmen die württembergischen Orte in der Umgebung, wie z.B. Aldingen, Tieringen oder Oberdigisheim die Reformation an, während die Einwohner der Graf- und Herrschaft Oberhohenberg als vorderösterreichisches Territorium gemäß des Glaubens des Landesfürsten beim alten Glauben bleiben mussten. Nach dem Sieg Napoleons über Österreich ging die Grafschaft Hohenberg in württembergischen Besitz über, die katholische Kirchenmacht wurde gebrochen und die konfessionellen Grenzen wurden durchlässiger.

Laut einer Verordnung aus dem Jahre 1818 wurden u.a. die katholischen Orte Gosheim, Harras, Denkingen und Wehingen von Aldingen aus betreut. 1826 registriert das Kirchenvisitationsprotokoll der katholischen Kirchengemeinde St. Ulrich in Wehingen 3 evangelische Honoratiorenfamilien, die als „Muster der Ordnung und Sauberkeit“ bezeichnet werden und vom katholischen Ortsgeistlichen in deutscher Sprache betreut werden.

Als Posthalter Bulling 1895 das Gasthaus „Adler“ kaufte, gab er den evangelischen Christen Gelegenheit, sich in einem Zimmer seines Hauses zu treffen, um dort Versammlungen und Gottesdienste abzuhalten. Ab dem Jahre 1901 fanden in einem Privatzimmer des Amtsnotars Kalmbach alle 4-6 Wochen Predigtgottesdienste statt, zu denen der damalige Pfarrer Reinhold Dietrich aus Aldingen kam. Später konnten die Protestanten ihre Gottesdienste manchmal im Forstamt abhalten.

Religionsunterricht gab es für die evangelischen Kinder nicht, und ihr Dasein war nicht immer einfach in einer geschlossenen katholischen Gemeinde, in der nicht als Christ angesehen wurde, wer kein Kreuz in der Stube hängen hatte und Maria nicht verehrte. Der Konfirmandenunterricht fand in Aldingen statt. Ab 1920 stand ein Schulzimmer im katholischen Volksschulgebäude für die Gottesdienste zur Verfügung. Hier fand im November 1921 eine erste Konfirmation statt, die sich „zu einer selten schönen Feier der kleinen Diasporagemeinde gestaltete.“

Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es auf dem Heuberg insgesamt nur 37 Evangelische. Diese Situation änderte sich nach 1945 schlagartig. Als Folge des verlorenen Krieges kamen aus den ehemals deutschen Ostgebieten viele hundert Flüchtlinge und Vertriebene hierher, so dass der evangelische Bevölkerungsanteil etwa auf 14 % anwuchs. Sie bilden bis heute den Kern unserer evangelischen Kirchengemeinde.

Persönlich betroffen durch die Diasporasituation waren in der Nachkriegszeit vor allem die jungen, heiratswilligen Leute und deren Familien. Nach geltendem katholischem Kirchenrecht konnten damals die katholischen Geistlichen zuerst keine katholisch getrauten Mischehen dulden, und meist vollzog der evangelische Partner, oft auch unter Druck der Angehörigen, den Übertritt zum katholischen Glauben. So hatte die evangelische Kirchengemeinde dauernd Kirchenaustritte wegen Konfessionswechsels, vor allem von jungen Menschen zu beklagen. Dort, wo es Mischehen gab und die Kinder katholisch getauft wurden, entstand auf evangelischer Seite Ärgernis, wenn die evangelische Mutter weiterhin zum hl. Abendmahl ging, obwohl sie ihren Glauben ihren Kindern gegenüber verleugnete.

Wie stark der katholische Geist das Leben in den Dörfern des Heubergs bestimmte, zeigt sich auch in kleinen Beispielen:

Der evangelische Geistliche wurde kaum zur Mitarbeit in bürgerlichen Fragen geladen.

1963 fand es der Kirchengemeinderat für notwendig, bei den bürgerlichen Gemeinderatswahlen einen evangelischen Kandidaten durch Flugblätter zu unterstützen.

Die Volksschulen der Dörfer waren bis 1967 katholische Bekenntnisschulen.

Inzwischen ist hier eine große Toleranz in der Öffentlichkeit und von Seiten der Geistlichkeit vorhanden. In diesem Zusammenhang müssen auch die ökumenischen Bestrebungen erwähnt werden. Mit den katholischen Kirchengemeinderäten von Gosheim und Wehingen fanden zunehmend Gespräche über die Zusammenarbeit statt. So wurden in der Vergangenheit ökumenische Gottesdienste in der Gemeinde und in den Schulen abgehalten, gemeinsame Bibelkreise, ein Predigeraustausch, gemeinsame Diskussionen über Bibelinhalte, bibelkonfessionelle Jugendveranstaltungen und die Zusammenarbeit der Krankenpflegestationen künden von einem gemeinsamen Näherrücken.

Seit Ende der 80er Jahre haben die Kirchenchöre beider Konfessionen neben ihrer individuellen Arbeit ein gemeinsames Programm für kirchliche und profane Auftritte vereinbart, für welches sie auch gemeinsam proben. Dabei wird jeder Konkurrenzgedanke durch das Erlebnis eines stattlichen Chorumfangs in den Hintergrund gedrängt.

Gleich ökumenisch ist das Entgegenkommen der katholischen Kirchengemeinden Deilingen, Reichenbach, Egesheim und Gosheim, in deren Gotteshäusern seit Mitte der 70er Jahre evangelische Gottesdienste gehalten werden können.

Entwicklungen in den 90er Jahren
Anfang der 90er Jahre ist durch den Zuzug russlanddeutscher Spätaussiedler, vorwiegend aus Kirgisien und Kasachstan, die Evangelische Kirchengemeinde erneut stark angewachsen. Am 1. Oktober 1998 gehörten 2.012 Personen zur Evangelischen Kirchengemeinde Wehingen, was ca. 20 % der Gesamtbevölkerung ausmacht. Dabei entfallen auf Gosheim 784, auf Wehingen 720, Deilingen 156, Bubsheim 164, Reichenbach 88, Königsheim 48 und auf Egesheim 109 Personen.

Die Pfarrer der Kirchengemeinde Wehingen

Aldinger Pfarrer, die in Wehingen Gottesdienst hielten

1901-1912 Reinhold Dietrich

1913-1922 Heinrich Gommel

1922-1943 Johannes Hauser

1943-1953 Karl Reichle

Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Wehingen

1949-1953 Gerd Salewski

1953-1960 Harry Karnowsky

1960 Siegfried Dolde (Pfarrverweser)

1960 Pfarrer Brendl

1960-1973 Roger Authenrieth

1974-1981 Werner Bender

1981-1983 Karl Wohlgemuth (Superint. i.R.)

1983-1989 Martin-Andreas Stolle

1989-1990 Erhard Schulz (Pfr. i.R.)

1990-2000 Andreas Bihl

2000-2012 Thomas Binder

2013-2017 Niels Hoffmann

seit 2019 Dr. Dorothee Kommer